Inhalt

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 18.05.2020 – B 9 K 18.599
Titel:

Heranziehung von Angehörigen zur Erstattung von Bestattungskosten

Normenketten:
BayBestG Art. 14
BestV § 15, § 19
Leitsätze:
1. Eine Gemeinde kann nur dann Kostenersatz verlangen, wenn sie die Notwendigkeit eines unmittelbaren Tätigwerdens nicht selbst dadurch herbeigeführt hat, indem sie es unterlassen hat, zeitnah zumutbare und naheliegende Anstrengungen zur Ermittlung und Verständigung der bestattungspflichtigen Angehörigen zu unternehmen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es kann auch bei mitgeteilten familiären Streitigkeiten nicht ungeprüft davon ausgegangen werden, dass keiner von vier Geschwistern einer Verstorbenen zur Beauftragung der Bestattung bereit ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Da ein Tätigwerden der Gemeinde stets in das Recht der Bestattungspflichtigen auf Totenfürsorge eingreift, rechtfertigt die sich aus der Bestattungsfrist ergebende Eilbedürftigkeit es nicht, gänzlich von der Ermittlung und Verständigung der bestattungspflichtigen Angehörigen abzusehen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenersatz für Bestattung im Wege der Ersatzvornahme, Vorherige Ermittlung und Information der Bestattungspflichtigen, Umfang der Ermittlungspflicht der Gemeinde, Angehörige, Geschwister, Familienstreit, Totenfürsorge, Bestattungsfrist, Eilbedürftigkeit, Bestattungspflichtige
Fundstelle:
BeckRS 2020, 46078

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2018, mit dem die Klägerin verpflichtet wurde, an die Beklagte EUR 2.156,79 zu zahlen, wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Bestattungskosten.
2
Ausweislich eines Aktenvermerks in der Behördenakte der Beklagten vom 4. April 2018, wurde die Beklagte am Dienstag, 3. April 2018 durch Frau … P* … telefonisch informiert, dass deren Schwester, Frau … D* …, am 30. März 2018 (Karfreitag) im Krankenhaus … verstorben sei. Frau P* … teilte ferner mit, dass es außer ihr noch vier Geschwister gebe. Allerdings gebe es Streitigkeiten in der Familie und sie sprächen nicht mehr miteinander. Die Beklagte klärte Frau P* … daraufhin über ihre Bestattungspflicht auf. Diese teilte jedoch mit, nicht bereit zu sein, einen Bestatter zu beauftragen und dass wohl auch ihre Geschwister nicht dazu bereit seien. Die Sachbearbeiterin der Beklagten habe daraufhin den Auftrag zur Bestattung der Verstorbenen an das Bestattungsinstitut … erteilt.
3
Am 5. April 2018 ordnete der Beklagte die Feuerbestattung der Verstorbenen an. Der Beklagten sind insoweit folgende Kosten entstanden:
- Einäscherung und Aschekapsel: EUR 295,12
- Leichenschau: EUR 75,-
- Leistungen Bestatter: EUR 1.486,67
- Grabgebühr und Friedhofswärter: EUR 300,-
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Mit Bescheiden vom 17. Mai 2018 verpflichtete die Beklagte die Klägerin und ihre vier Geschwister jeweils zur Bezahlung von EUR 2.156,79 (Ziffer 1).
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Zur Begründung wurde im Bescheid der Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte zum Erlass des Bescheides sachlich (Art. 14 Abs. 1 und 2 des Bayerischen Bestattungsgesetzes - BestG -) und örtlich (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - BayVwVfG -) zuständig sei. Rechtsgrundlage für den Bescheid sei Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG. Als Schwester der Verstorbenen sei die Klägerin gem. Art. 15 Abs. 1 BestG, § 15 Satz 1 der Bestattungsverordnung (BestV) i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BestV bestattungspflichtige Angehörige. Da die Klägerin ihrer gesetzlichen Bestattungspflicht nicht nachgekommen sei, habe die Beklagte zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG für die Bestattung sorgen müssen. Als bestattungspflichtige Angehörige habe die Klägerin die durch die Ersatzvornahme entstandenen Kosten zu tragen. Von der Kostenforderung könne nicht abgesehen werden, weil das Ermessen des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG in der Regel auf Null reduziert sei, da die Gemeinden schon aus haushaltsrechtlichen Gründen verpflichtet seien, die Kosten von den Pflichtigen zu erheben. Die Ordnungsbehörde könne, wenn sie im Wege der Ersatzvornahme eine Bestattung in Auftrag gegeben habe, unbeschadet der zivilrechtlichen Vorschriften über die Tragung der Bestattungskosten von den nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Landesrechts Bestattungspflichtigen Ersatz verlangen. Die entstandenen Kosten entsprächen einer den örtlichen Verhältnissen einfachen aber würdevollen Bestattung. Die Klägerin und die weiteren Geschwister hafteten bis zur Bezahlung der Forderung im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung. Dem Bescheid beigefügt war ein Schreiben mit Hinweisen zur Bedeutung der Gesamtschuld, den Folgen einer Erbschaftsausschlagung, den Folgen einer Zahlungsunfähigkeit bzw. dem Einwand der Unzumutbarkeit der Kostentragung sowie zu einer möglichen Ratenzahlungsvereinbarung.
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Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2018 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erheben und beantragen,
Der Bescheid der Beklagten vom 17.05.2018, mit dem die Klägerin verpflichtet wird, die Bestattungskosten für die am 30.03.2018 verstorbene Frau … D* … in Höhe von EUR 2.156,79 zu bezahlen, wird aufgehoben.
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Die Klägerin sei zusammen mit der verstorbenen Frau … D* … eine von insgesamt sechs Geschwistern. Die Klägerin habe, wie im Übrigen auch die sonstigen Geschwister, die Erbschaft ausgeschlagen. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten unterliege formell durchgreifenden Mängeln. Die Klägerin werde für die nach Mitteilung der Beklagten angefallenen Bestattungskosten gemäß Ziffer 1 des Tenors des Bescheids auf die volle Höhe der Bestattungskosten in Anspruch genommen. Dies gelte nach Kenntnis der Klägerin ebenso für die sonstigen Geschwister. Wenn überhaupt, hafte die Klägerin neben den sonst nach den gesetzlichen Bestimmungen infrage kommenden Personen gesamtschuldnerisch. Dies sei allerdings im angegriffenen Bescheid so nicht ausgesprochen. Lediglich in den Gründen des Bescheids finde sich der allgemeine Hinweis, dass die Klägerin und ihre weiteren Geschwister bis zur Zahlung der Forderung im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung haften würden. Diese Formulierung beseitige jedoch nicht die Fehlerhaftigkeit des Tenors Ziffer 1 des Bescheids, wonach die Klägerin ohne Berücksichtigung einer Gesamtschuldnerschaft auf die gesamte Summe in Anspruch genommen werden könne, noch im Übrigen die Unbestimmtheit der Mitteilung, welche nicht im Einzelnen namentlich benannten Personen neben ihr herangezogen worden seien und als Gesamtschuldner haften würden. Insoweit sei der Bescheid insgesamt unbestimmt und damit formell rechtswidrig.
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Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2018 beantragt die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
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Mit Schriftsatz vom 29. August 2018 wird zur Begründung vorgetragen, dass die Heranziehung der Klägerin zu Bestattungskosten rechtmäßig sei und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletze. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG eröffne ausdrücklich die Möglichkeit, von einem Pflichtigen den Ersatz der notwendigen Kosten verlangen zu können. Mit dieser Regelung sei die Möglichkeit eröffnet, bei mehreren Pflichtigen nur von einem den Kostenersatz in voller Höhe zu fordern. Selbst bei mehreren gleichrangig bestattungspflichtigen Angehörigen sei die Beklagte nicht verpflichtet, alle Bestattungspflichtigen nur anteilig zur Kostentragung heranzuziehen und im Rahmen ihres Ermessens Kosten nur von einem Bestattungspflichtigen zu fordern und diesen auf den internen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu verweisen. Umgekehrt bestehe keine Verpflichtung der Beklagten, nur einen oder mehrere einzelne der Bestattungspflichtigen heranzuziehen, sondern die Beklagte sei auch berechtigt, alle fünf Gesamtschuldner unter Verweis auf das bestehende Gesamtschuldverhältnis in voller Höhe in Anspruch zu nehmen. Besondere Umstände, die Anlass zu einem Absehen von Heranziehung geben könnten, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Aus dem streitgegenständlichen Bescheid sei auch ersichtlich, von wem, warum und welcher Kostenersatz gesamtschuldnerisch verlangt werde. Dies müsse sich nicht zwingend aus dem Entscheidung Tenor ergeben.
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Aufgrund eines gerichtlichen Hinweises äußerte sich der Bevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 16. März 2020 dahingehend, dass die Klägerin alle fünf Geschwister der Verstorbenen als Gesamtschuldner zur Begleichung der Bestattungskosten, jeweils mit getrennten Bescheiden vom 17. Mai 2018, herangezogen habe. Damit sei die Beklagte ihre Ermittlungspflicht und ihrer Benachrichtigungspflicht umfassend nachgekommen.
11
Mit weiterem Schriftsatz vom 26 März 2020 teilte die Beklagte ergänzend mit, dass es nicht zutreffend sei, dass ein Kostenerstattungsanspruch nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG erst dann in Betracht komme, wenn die zuständige Gemeinde innerhalb der 96-Stunden-Frist nach § 19 BestV bezüglich jedes in Betracht kommenden Bestattungspflichtigen einzelnen geprüft habe, ob Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 nicht möglich oder nicht zulässig sein oder keinen Erfolg versprechen. Bereits aus dem Wortlaut und dem Systemzusammenhang des Art. 14 BestG könne nicht gefolgert werden, dass dieser Rechtssatz Voraussetzung eines Kostenerstattungsanspruchs nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG sei. Bestattungspflicht und Kostenerstattung seien zwei unterschiedliche Sachverhalte. Es sei schon keine besondere Anordnung gegenüber den Bestattungspflichtigen notwendig, deshalb bedürfe es auch keines „Abklapperns“ aller Bestattungspflichtigen, um zu klären, ob und ggf. welcher vielleicht freiwillig bereit sei, die Bestattung durchzuführen. Die gemeindliche Aufgabe im eigenen Wirkungskreis verfolge eine sicherheits- und gesundheitsrechtliche Zielsetzung (Gefahrenabwehr). Konkret sei die 96-Stunden-Frist die Wochentage Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag gelaufen (3. April bis 6. April 2018). Hätte die Beklagte hier noch weiter zugewartet, um weitere Ermittlungen anzustellen und vielleicht einen Bestattungspflichtigen zu finden, der die Bestattung übernähme, wäre die Bestattung mit hoher Wahrscheinlichkeit erst in der darauffolgenden Woche ab dem 9. April 2018 möglich gewesen, sodass die Verstorbene ungewöhnlich lange Zeit unbestattet geblieben wäre. Die Beklagte habe deshalb ihrem gesetzlichen Auftrag entsprechend gehandelt, indem sie die von der Schwester … P* … getätigten Angaben zugrunde gelegt habe und noch vor Ablauf der 96 Stunden-Frist für die Bestattung der Verstorbenen gesorgt habe.
12
Mit Schriftsatz vom 17. April 2020 nahm der Bevollmächtigte der Klägerin nochmals Stellung. Es sei unstreitig, dass der Beklagten sämtliche nach dem Bestattungsgesetz bzw. der Bestattungsverordnung möglichen Bestattungspflichtigen Geschwister der zu Bestattenden bekannt gewesen seien und ihr durch die telefonische Mitteilung der Frau P* … auch bekannt gewesen sei, dass die Geschwister untereinander zerstritten seien und keine Kommunikation stattfände. Allein die Mitteilung der Frau P* …, dass diese für sich nicht bereit sei, die Tote zu bestatten, habe die Beklagte noch nicht von ihrer naheliegenden und zumutbaren Pflicht entbunden, vier weitere Geschwister gegebenenfalls telefonisch zu kontaktieren und diese über die Bestattungsfrist, die Bestattungspflicht und die Folgen des Nichtnachkommens dieser Pflicht zu informieren. Die Beklagte trage auch keine Tatsachen vor, die es ihr unzumutbar gemacht hätten, eine Kontaktaufnahme mit den übrigen Bestattungspflichtigen vor Anordnung der behördlichen Bestattung zu prüfen oder durchzuführen. Insbesondere sei dabei auch nicht richtig, dass die Beklagte im konkreten Fall die in Frage kommenden Bestattungspflichtigen erst hätte ermitteln müssen, da sie ihr spätestens durch die Mitteilung der Frau P* … bekannt gewesen seien und die Beklagte auch ohne sonstige große Nachforschungen durch Frau P* … auch die jeweiligen Telefonnummern erhalten hätte können.
13
Mit Schreiben vom 20. April 2020 hörte das Gericht die Beteiligten zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid an.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
15
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
II.
16
Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
17
Die Klägerin kann nicht auf Grundlage von Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG zur Zahlung der für die Bestattung von Frau … D* … entstandenen Kosten herangezogen werden.
18
Nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG kann eine Gemeinde von einem Bestattungspflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten verlangen, wenn sie gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG für die Bestattung des Verstorbenen Sorge tragen musste, weil der nach § 15 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 BestV Bestattungspflichtige seiner Bestattungspflicht nicht nachgekommen ist und Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 BestG nicht möglich, nicht zulässig oder nicht erfolgsversprechend sind.
19
Kern der Regelungen ist es folglich, dass eine Gemeinde nur dann Kostenersatz verlangen kann, wenn sie die Notwendigkeit eines unmittelbaren Tätigwerdens nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG nicht selbst dadurch herbeigeführt hat, indem sie es unterlassen hat, zeitnah zumutbare und naheliegende Anstrengungen zur Ermittlung und Verständigung der bestattungspflichtigen Angehörigen zu unternehmen. Da die Gemeinde mit der von ihr veranlassten Bestattung in das Recht auf Totenfürsorge der Angehörigen eingreift, hat sie deshalb zunächst zu ermitteln, ob Bestattungspflichtige vorhanden sind. Im Hinblick auf die zu beachtenden Bestattungsfristen muss die Gemeinde nicht alle im Einzelfall möglichen Ermittlungen anstellen, sondern darf sich auf die für sie naheliegenden und zumutbaren Maßnahmen beschränken (vgl. VG München, U.v. 12.10.2019 - M 12 K 19.2355 m.w.N.).
20
Dem ist die Beklagte im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden. Es erfolgten keinerlei Bemühungen, mit den (übrigen) Bestattungspflichtigen in Kontakt zu treten.
21
Frau …D* … verstarb am 30. März 2018 (Karfreitag) im Krankenhaus in … Hierüber wurde die Beklagte von der Schwester der Verstorbenen (Frau P* …*) am 3. April 2018 (Dienstag) in Kenntnis gesetzt. Frau P* … teilte ausweislich der Behördenakte weiter mit, dass es außer ihr noch vier Geschwister gebe. Allerdings gebe es Streitigkeiten in der Familie und man spreche nicht miteinander. Frau P* … erklärte ferner, ihrer Bestattungspflicht nicht nachkommen zu wollen und dass wohl auch ihre Geschwister nicht dazu bereit seien. Daraufhin beauftragte die Beklagte am 5. April 2018 die Bestattungsmaßnahmen für Frau D* … Nach § 19 BestV muss eine Leiche spätestens 96 Stunden nach Feststellung des Todes bestattet bzw. im Falle einer Feuerbestattung eingeäschert sein. Sonntage, gesetzliche Feiertage und Samstage bleiben bei der Berechnung dieser Frist außer Betracht, § 19 Abs. 1 Satz 2 BestV. Im zu beurteilenden Fall begann die 96-stündige Bestattungsfrist folglich erst am 3. April 2018 zu laufen und endete mit Ablauf des 6. April 2018. Es wäre somit für die Beklagte nicht von vornherein aussichtslos gewesen, nach dem Telefongespräch mit Frau P* … auch noch die anderen Geschwister zu kontaktieren, um diese vom Tod ihrer Schwester in Kenntnis zu setzen, sie über ihre Bestattungspflicht aufzuklären, zur Bestattung aufzufordern (möglicherweise verbunden mit einer Fristsetzung) und anschließend die Vornahme der Bestattung gegebenenfalls anzuordnen. Die Namen und Adressen der Geschwister waren der Beklagten ausweislich der Behördenakte bereits vor Anordnung der Ersatzvornahme bekannt.
22
Insbesondere durfte die Beklagte aufgrund der Aussagen von Frau P* … auch nicht ungeprüft davon ausgehen, dass keiner der Geschwister zur Beauftragung der Bestattung bereit war, da Frau P* … selbst angab, dass die Geschwister zerstritten seien und nicht mehr miteinander sprächen. In diese Richtung unternahm die Beklagte jedoch keinerlei Bemühungen, sondern beauftragte die Bestattung noch (weit) vor Ablauf der 96-stündigen Bestattungsfrist selbst und verpflichtete die Geschwister anschließend (ohne Anhörung zur beabsichtigten Inanspruchnahme) per Bescheid.
23
Die vom Bevollmächtigten der Beklagten zitierten Auszüge des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, B.v. 14.9.2015, 4 ZB 15.1029 - juris) zielen in eine andere Richtung. Gemeint ist hier, dass es zur Festlegung eines Bestattungspflichtigen keiner gesonderten Anordnung bedarf, da diese öffentlich-rechtliche Verpflichtung unmittelbar kraft Gesetzes besteht. Die bestehende Bestattungspflicht ist vorliegend jedoch unstreitig - problematisiert wird im hiesigen Verfahren die Kostenerstattungspflicht nach einer Ersatzvornahme durch die Beklagte. Hierfür sieht Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG jedoch gerade vor, dass von der Gemeinde zunächst versucht wird, die Bestattungspflichtigen zu informieren und in Anspruch zu nehmen. Erst wenn dies nicht möglich oder nicht zulässig ist oder keinen Erfolg verspricht, darf die Gemeinde in Ersatzvornahme handeln.
24
Die sich aus der Bestattungsfrist des § 19 BestV ergebende Eilbedürftigkeit rechtfertigt es nicht, gänzlich von der Ermittlung und Verständigung der bestattungspflichtigen Angehörigen abzusehen, denn ein Tätigwerden der Gemeinde auf Grundlage von Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG greift stets in das Recht der Bestattungspflichtigen auf Totenfürsorge ein. In welchem Umfang entsprechende Nachforschungen von der Gemeinde zu erwarten sind, ist Frage des Einzelfalles. Jedenfalls sind dabei die bis zum Fristablauf noch zur Verfügung stehende Zeit sowie die der Gemeinde bereits vorliegenden Informationen und Ermittlungsansätze zu bestattungspflichtigen Personen zu berücksichtigen.
25
Hier ergibt sich jedoch aus den Akten der Beklagten noch nicht einmal, ob die übrigen Geschwister (außer Frau P* …*) vom Tod ihrer Schwester vor Bescheidserlass überhaupt erfahren haben, geschweige denn, dass ihnen die Möglichkeit gegeben worden wäre, sich selbst um die Bestattung der Schwester zu kümmern oder an dieser teilzunehmen. Angesichts der Informationen, die der Beklagten durch das Telefonat mit Frau P* … vorlagen, wäre es unschwer möglich gewesen, die anderen bestattungspflichtigen Geschwister der Verstorbenen zumindest telefonisch zu informieren und aufzufordern, für die Bestattung zu sorgen, ohne die Bestattungsfrist nach § 19 BestV zu überschreiten.
26
Eine andere Beurteilung hinsichtlich der besonderen Eilbedürftigkeit ergibt sich vorliegend auch nicht aufgrund der zeitlichen Konstellation wegen der Osterfeiertage. Wenn der Verordnungsgeber eine Ausnahme von der ausdrücklich in § 19 Abs. 1 Satz 3 BestV geregelten Außerachtlassung von Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen bei der Berechnung der Frist nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BestV gewünscht hätte, so ist davon auszugehen, dass ein solcher Ausnahmetatbestand auch in der Verordnung geregelt worden wäre. Andernfalls hätte es schon der Ausnahmen in § 19 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 4 BestV nicht bedurft. Allein die Tatsache, dass die Verstorbene vorliegend möglicherweise eine „ungewöhnlich lange Zeit unbestattet geblieben“ wäre, reicht hierfür nicht aus. Dahingehend, dass sich aufgrund dessen sicherheits- und gesundheitsrechtliche Aspekte ergeben hätten (z.B. fehlende Kühlungsmöglichkeiten), wurde nichts vorgetragen.
27
Aufgrund dieses nicht durch eine besondere Eilbedürftigkeit oder andere Umstände gerechtfertigten Eingriffs in das Totenfürsorgerecht ist der Beklagten eine Heranziehung der Klägerin zu den entstandenen Bestattungskosten mittels Leistungsbescheid verwehrt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin tatsächlich ernsthaft den Willen gehabt hätte, sich um die Bestattung ihrer Schwester zu kümmern (vgl. VG Würzburg, U.v. 8.11.2017 - W 2 K 17.128 - juris).
28
Ob eine Inanspruchnahme aller Geschwister in voller Höhe rechtmäßig war, ohne dass aus dem Bescheidstenor eine gesamtschuldnerische Haftung ersichtlich ist und ob die Beklagte ihr Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt hat, kann damit dahinstehen. Offen bleiben kann ferner, ob Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG die Beklagte bei einer unmittelbaren Durchführung von Bestattungsmaßnahmen grundsätzlich auf die Einäscherung des Leichnams und den Verschluss der Asche in einer Urne beschränkt (so OVG Münster, B.v. 1.7.2015 - 19 A 2635/11 - juris). Die Urnenbeisetzung an sich war jedenfalls nicht eilbedürftig.
III.
29
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).