Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 05.11.2020 – Au 2 K 19.1038
Titel:

Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit

Normenketten:
BayBG Art. 128 Abs. 1
BayBG Art. 67
BeamtStG § 26, § 27
Leitsätze:
1. Bayrische Polizeivollzugsbeamte sind dienstunfähig, wenn sie den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr genügen und nicht zu erwarten ist, dass sie ihre volle Verwendungsfähigkeit innerhalb zweier Jahre wiedererlangen (Polizeidienstunfähigkeit), es sei denn, die auszuübende Funktion erfordert bei Beamten auf Lebenszeit diese besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Feststellung der gesundheitsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Beamten kommt dem Dienstherrn kein der Kontrollbefugnis der Gerichte entzogener Beurteilungsspielraum zu (stRspr BVerwG BeckRS 2015, 46551). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei wird nur unterstützend als in medizinischer Hinsicht sachverständige Stelle tätig, um den zuständigen Behörden diejenige Fachkenntnis zu vermitteln, die für deren Entscheidung erforderlich ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4. Den Feststellungen der polizeiärztlichen Gutachten kommt in aller Regel größerer Beweiswert zu als privatärztlichen Bescheinigungen, da den Polizeiärzten ein spezieller zusätzlicher Sachverstand zu unterstellen ist, der einerseits auf der Kenntnis der Belange der öffentlichen Verwaltung, insbesondere der gesundheitlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes, andererseits auf der Erfahrung in einer Vielzahl von gleich oder ähnlich gelagerten Fällen beruht (ebenso BayVGH BeckRS 2011, 30413; zum allgemeinen Amtsarzt vgl. auch BVerwG BeckRS 2011, 45490). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Recht der Landesbeamten, Polizeivollzugsbeamter, Polizeidienstfähigkeit, begrenzte Dienstfähigkeit, besonderen gesundheitliche Anforderungen, volle Verwendungsfähigkeit, Ärztlicher Dienst der Bayerischen Polizei, polizeiärztliches Gutachten, Beweiswert, spezieller zusätzlicher Sachverstand
Fundstelle:
BeckRS 2020, 46041

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der am * 1970 geborene Kläger steht als (Polizeivollzugs-)Beamter auf Lebenszeit (Polizeioberkommissar; Besoldungsgruppe A 10) im Dienst des Beklagten. Er hat 2016 einen Bandscheibenvorfall und Anfang 2017 einen Herzinfarkt erlitten und ist seit längerer Zeit als Anwenderbetreuer und zuständiger Beamter für Waffen- und Einsatzmittel bei der Polizeiinspektion (PI) * eingesetzt.
2
Auf Veranlassung des Polizeipräsidiums * wurde der Kläger am 23. März 2018 (erneut) zur Klärung der Frage der Dienst- und Verwendungsfähigkeit polizeiärztlich untersucht. Mit Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei vom 23. März 2018 und Nachtrag vom 12. April 2018 wurde festgestellt, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr vollschichtig dienstfähig, sondern nur teildienstfähig sei im Sinne einer begrenzten Dienstfähigkeit mit einer Wochenarbeitszeit von (letztlich) 32 Stunden. Es wurden folgende zeitlich unbefristeten Verwendungseinschränkungen mitgeteilt: keine Verwendung im regulären Wechselschichtdienst und im Nachtdienst (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr), kein vorhersehbarer Kontakt mit gewaltbereiten Personen, keine körperbelastenden Techniken im PE-Training und kein schweres Heben und Tragen. Vom Wechselschichtdienst und Nachtdienst war der Kläger bereits aufgrund des Gesundheitszeugnisses des Polizeiärztlichen Dienstes vom 18. Oktober 2012 (für zwei Jahre) und mit Gesundheitszeugnis vom 12. November 2014 (dauerhaft) befreit gewesen.
3
Mit Schreiben des Polizeipräsidiums * vom 22. Mai 2018 wurde der Kläger zur beabsichtigten Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit und der begrenzten Dienstfähigkeit angehört. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 12. Juni 2018 hiergegen Einwendungen erhoben hat und die Mitwirkung des Personalrats beantragte, wurde mit Schreiben des Polizeipräsidiums * vom 23. November 2018 der Personalrat am Verfahren beteiligt. Da dieser der beabsichtigten Maßnahme nicht zustimmte, wurde im Rahmen des Stufenverfahrens der Hauptpersonalrat im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration beteiligt. Dieser teilte mit Schreiben vom 7. März 2019 mit, dass er sich der beabsichtigten Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit und der begrenzten Dienstfähigkeit anschließe.
4
Daraufhin wurde mit Bescheid des Polizeipräsidiums * vom 3. April 2019 die Polizeidienstunfähigkeit (Nr. 1) und die begrenzte Dienstfähigkeit (Nr. 2) mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden (Nr. 3) festgestellt. Zusätzlich wurde die sofortige Vollziehung der Nr. 1 angeordnet (Nr. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die polizeiärztlichen Feststellungen Bezug genommen.
5
Der vom Kläger hiergegen mit Schreiben vom 2. Mai 2019 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Polizeipräsidiums * vom 18. Juni 2019 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde dargelegt, dass sich die Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit auf Art. 128 Abs. 1 Satz 1 BayBG stütze. Die volle Polizeidienstfähigkeit nach den Vorgaben der PDV 300 setze voraus, dass der Beamte zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung und auch in Zukunft für alle möglicherweise anfallenden konkret wahrzunehmenden Dienstaufgaben einsetzbar sei. Der Ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei habe hierzu festgestellt, dass der Kläger diese Anforderungen aufgrund mehrerer dauerhafter Verwendungseinschränkungen nicht mehr erfüllen könne und die Voraussetzungen für die Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit vorlägen. Nach Art. 128 Abs. 1 Satz 2 BayBG werde die Polizeidienstunfähigkeit aufgrund eines Gutachtens des Amtsarztes festgestellt. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit lägen hier vor. Die polizeiärztlichen Feststellungen seien geeignet, die dienstrechtlichen Folgerungen zur Verwendungsfähigkeit des Klägers zu tragen, da im Zweifel den amtsärztlichen Feststellungen der Vorrang gebühre. Bereits aufgrund der Feststellungen im polizeiärztlichen Gesundheitszeugnis vom 12. November 2014 habe Polizeidienstunfähigkeit vorgelegen. Jedoch sei aufgrund des Organisationsermessens des Dienstherrn diese nicht formal festgestellt worden. Stattdessen sei der Kläger entsprechend der Regelung aufgrund der Verwendungseinschränkungen seit Jahren ausschließlich im Innendienst bei der PI * eingesetzt. Die begrenzte Dienstfähigkeit sei aufgrund § 27 BeamtStG festzustellen gewesen. Danach soll von einer Versetzung in den Ruhestand abgesehen werden, wenn der Beamte unter Beibehaltung seines Amtes seine Dienstpflichten noch mindestens mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen könne. Die Arbeitszeit des Beamten werde entsprechend der begrenzten Dienstfähigkeit herabgesetzt. Mit Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei vom 23. März 2018 und der Ergänzung vom 12. April 2018 sei eine begrenzte Dienstfähigkeit im Umfang von 32 Wochenstunden festgestellt worden. Damit lägen auch die Voraussetzungen für die Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit vor. Zudem sei vom Hausarzt des Klägers ebenfalls mehrfach bestätigt worden, dass dieser nur zu einer maximal sechsstündigen täglichen Arbeit in der Lage sei.
6
Am 17. Juli 2019 ließ der Kläger hiergegen Klage erheben. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 30. Oktober 2019 ist beantragt,
den Bescheid des Polizeipräsidiums * vom 3. April 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 18. Juni 2019 aufzuheben.
7
Zur Begründung wurde im Wesentlichen dargelegt, dass zur Prüfung der Polizeidienstfähigkeit das Heranziehen der PDV 300 nicht möglich sei. Die vom Beklagten eingeholten Gutachten erfüllten die Vorgaben der Rechtsprechung nicht. Es könne nicht nachvollzogen werden, ob der polizeiärztliche Dienst eine fundierte medizinische Tatsachenbasis für die Beurteilung der Polizeidienstfähigkeit zugrunde gelegt habe. Eine stichwortartige Aneinanderreihung von Verwendungseinschränkungen ohne entsprechende Begründung genüge nicht. Diese Mängel der amtsärztlichen Begutachtung berührten auch die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Dienstherrn. Da der Kläger seit vielen Jahren und voraussichtlich dauerhaft im Innendienst eingesetzt werden könne, seien die vom Ärztlichen Dienst der Bayerischen Polizei attestierten Verwendungseinschränkungen ohne Belang. Auch die Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen. Sie beruhe auf der rechtswidrigen Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit. Aus der Rechtswidrigkeit dieser Feststellung folge auch die Rechtswidrigkeit der Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit.
8
Der Beklagte wandte sich mit Schreiben des Polizeipräsidiums * vom 1. August 2019 gegen das Klagebegehren. Für ihn ist beantragt,
die Klage abzuweisen.
9
Mit Schreiben des Polizeipräsidiums * vom 20. November 2019 ist hierzu im Wesentlichen dargelegt, dass der angegriffene Bescheid keine rechtlichen Mängel aufweise. Es treffe nicht zu, dass die vom Ärztlichen Dienst der Bayerischen Polizei erstellten Gutachten unzureichend gewesen und die Entscheidung aufgrund mangelhafter Tatsachenkenntnis getroffen worden sei. Soweit dem Kläger in privatärztlichen Stellungnahmen die Polizeidienstfähigkeit bestätigt werde, sei dies unzutreffend. Der polizeiärztliche Dienst verfüge über einen speziellen Sachverstand in Bezug auf die gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst. Der amtsärztlichen Einschätzung komme ein höherer Beweiswert zu, als den Feststellungen von Privatärzten. Den im Fall des Klägers getroffenen polizeiärztlichen Feststellungen sei uneingeschränkt zu folgen. Der Kläger erfülle die nach der PDV 300 zu stellenden Anforderungen nicht und könne daher nicht mehr als polizeidienstfähig eingestuft werden. Auch mit der Wiedererlangung der vollen Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren könne nach den Feststellungen des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei nicht gerechnet werden. Die begrenzte Dienstfähigkeit sei polizeiärztlich festgestellt worden und werde auch durch die vom Kläger vorgelegten hausärztlichen Atteste bestätigt.
10
Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16. Januar 2020 wurde darauf hingewiesen, dass die PDV 300 in der höchstrichterlichen Rechtsprechung an Bedeutung verloren habe und davon ausgegangen werde, dass die gesundheitlichen Eignungsvoraussetzungen gerichtlich voll überprüfbar seien. Im Hinblick auf seine gesundheitlichen Beschwerden sei der Kläger der Auffassung, dass die Erkrankung vorübergehender Natur sei und insbesondere keine Prognose in Bezug auf einen längerfristigen Zeitraum gestellt werden könne. Es sei vielmehr mit einer Wiedergenesung zu rechnen. Der Kläger sei zuletzt im Innendienst tätig gewesen. Er habe die an ihn gestellten Anforderungen gesundheitlich erfüllen können.
11
Das Polizeipräsidium * äußerte sich hierzu mit Schreiben vom 14. Februar 2020. Die PDV 300 konkretisiere die Anforderungen, die in Art. 128 Abs. 1 BayBG gestellt würden. In deren Ziffer 3.1.2.2 werde erläutert, in welchen Fällen Polizeidienstunfähigkeit vorliegen könne. Dies sei z.B. bei mangelnder körperlicher, geistiger oder seelischer Belastbarkeit gegeben. Dies könne der Fall sein, wenn u.a. die Verwendung im Außen-, Nacht- und Schichtdienst nicht mehr gestattet sei und der körperliche Einsatz gegen Rechtsbrecher oder die Anwendung unmittelbaren Zwangs nicht mehr möglich seien. Damit stelle die PDV 300 lediglich eine Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen dar. Der Ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei habe mit Schreiben von Medizinaldirektorin (MedDin) Dr. * vom 5. Juni 2019 mitgeteilt, dass eine fundierte Auseinandersetzung mit der gesundheitlichen Situation des Klägers stattgefunden habe. Dessen Gesundheitszustand sowie die auf dieser Basis zu treffende negative Prognose hätten zur Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit geführt. Damit seien die getroffenen Feststellungen vollumfänglich rechtmäßig.
12
Dem Kläger wurde nach Vorlage einer Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht Einsicht in die beim Polizeiärztlichen Dienst geführten Akten und ausführlichen Gutachten gewährt.
13
Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14. Mai 2020 wurde darauf hingewiesen, dass auch nach Auswertung der beim Ärztlichen Dienst der Bayerischen Polizei geführten Akten anzunehmen sei, dass die Voraussetzungen der Ausnahmeregel des Art. 128 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBG gegeben seien. Damit könne eine Polizeidienstunfähigkeit nicht festgestellt werden. In Konsequenz sei auch die Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit rechtswidrig. Aus dem polizeiärztlichen Gutachten ergebe sich, dass der Kläger für seine bisherige Verwendung als Anwenderbetreuer weiterhin gesundheitlich geeignet sei. Er könne Dienstkraftfahrzeuge und Dienstwaffen ohne Einschränkung führen und dürfe im Tagesdienst in der Zeit zwischen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr eingesetzt werden. Damit lägen die Voraussetzungen für die Ausnahmeregel des Art. 128 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBG vor.
14
Der Beklagte äußerte sich mit Schreiben des Polizeipräsidiums * vom 10. Juni 2020 abschließend zur Sache und vertiefte die bisherigen Ausführungen weiter.
15
Am 5. November 2020 fand mündliche Verhandlung statt. Die Sache wurde mit den Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert. Das Gericht hat Beweis erhoben durch die informelle Einvernahme von MedDin Dr. *. Die Parteien wiederholten die bereits schriftsätzlich gestellten Klageanträge.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17
Die zulässige Klage ist unbegründet.
18
Der Bescheid des Polizeipräsidiums * vom 3. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 18. Juni 2019 ist - soweit streitgegenständlich - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
19
Die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids getroffene Feststellung, dass beim Kläger Polizeidienstunfähigkeit vorliegt, ist rechtmäßig, da die hierfür in Art. 128 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBG normierten gesetzlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 5.6.2014 - 2 C 22.13 - juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 5.9.2019 - 6 ZB 19.1076 - juris Rn. 7; VG Ansbach, U.v.2.10.2020 - AN 16 K 18.00630 - juris Rn. 42), d.h. bei Ergehen des Widerspruchsbescheids des Polizeipräsidiums * am 18. Juni 2019, vorgelegen haben.
20
Nach Art. 128 Abs. 1 Satz 1 BayBG, der in Art. 128 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBG die Legaldefinition für die Polizeidienstunfähigkeit enthält, sind Polizeivollzugsbeamte dienstunfähig, wenn sie den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr genügen und nicht zu erwarten ist, dass sie ihre volle Verwendungsfähigkeit innerhalb zweier Jahre wiedererlangen (Polizeidienstunfähigkeit), es sei denn, die auszuübende Funktion erfordert bei Beamten auf Lebenszeit diese besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt. Für Polizeivollzugsbeamte wurde vom Landesgesetzgeber damit aufgrund der Ermächtigung in § 26 Abs. 1 Satz 4 BeamtStG eine Sonderregelung getroffen. Bei dem im Gesetz verwendeten Begriff der Polizeidienstunfähigkeit handelt es sich - ebenso wie bei der allgemeinen Dienstunfähigkeit - um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten Nachprüfung der Verwaltungsgerichte unterliegt (BVerwG, B.v. 5.9.2019 - 2 B 2.19 - juris Rn. 7; U.v. 6.2.1985 - 8 C 15.84 - BVerwGE 71,38/45; BayVGH, B.v. 5.9.2019 - 6 ZB 19.1076 - BeckRS 2019, 22559 Rn. 5). Für die Feststellung der gesundheitsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Beamten kommt dem Dienstherrn kein der Kontrollbefugnis der Gerichte entzogener Beurteilungsspielraum zu (BVerwG, U.v. 19.3.2015 - 2 C 37.13 - ZBR 2015, 379; BayVGH, B.v. 8.7.2011 - 3 CS 11.1178 - juris Rn. 14 f.). Zur Klärung der Polizeidienstunfähigkeit müssen - ggf. unter Verwendung der Vorgaben von Nr. 3.1 der Verwaltungsvorschrift zur ärztlichen Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und Polizeidienstfähigkeit (PDV 300) als Orientierungshilfe - die gesundheitlichen Leistungseinschränkungen in Bezug auf den Polizeivollzugsdienst individuell festgestellt und deren Entwicklung über den gesetzlich vorgesehenen Zeitraum von zwei Jahren prognostisch bewertet werden. Dies erfordert neben dem Wissen über die im Polizeivollzugsdienst gestellten besonderen Anforderungen in aller Regel besondere medizinische Sachkenntnis, über die nur ein Arzt verfügt. Art. 128 Abs. 1 Satz 2 BayBG bestimmt deshalb ergänzend, dass die Polizeidienstunfähigkeit und die Erfüllung der Anforderungen nach Satz 1 Halbs. 2 aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens festzustellen sind. Nach Art. 128 Abs. 1 Satz 4 BayBG gilt für die Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit Art. 67 BayBG entsprechend. Diese Regelung sieht für die Fälle, in denen eine amtsärztliche Untersuchung stattfindet, vor, dass der Amtsarzt im Einzelfall auf Anforderung der Behörde die tragenden Feststellungen und Gründe des Gutachtens und die in Frage kommenden Maßnahmen zur Wiederherstellung der (Polizei-)Dienstfähigkeit mitteilt, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für die von ihr zu treffende Entscheidung erforderlich ist (s. hierzu Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand Mai 2020, Art. 128 BayBG Rn. 45 ff.).
21
Während der Ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei den Gesundheitszustand des Polizeivollzugsbeamten festzustellen und medizinisch zu bewerten hat, obliegen die Schlussfolgerungen hieraus, insbesondere die Feststellung, welche Folgen sich aus den polizeiärztlich festgestellten Leistungseinschränkungen für die Verwendung im Polizeivollzugsdienst ergeben, d.h. auch die Beurteilung der Polizeidienstfähigkeit, dem Dienstherrn und letztlich dem Verwaltungsgericht. Der Ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei wird hier nur unterstützend als in medizinischer Hinsicht sachverständige Stelle tätig, um den zuständigen Behörden diejenige Fachkenntnis zu vermitteln, die für deren Entscheidung erforderlich ist. Ein im Verfahren zur Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit verwendetes amtsärztliches Gutachten darf sich daher nicht darauf beschränken, nur ein Untersuchungsergebnis mitzuteilen. Es muss auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe enthalten, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung über das Vorliegen von Polizeidienstunfähigkeit erforderlich ist (BVerwG, U.v. 31.8.2017 - 2 A 6.15 - juris Rn. 63; B.v. 20.1.2011 - 2 B 2.10 - juris Rn. 5). Danach muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt enthalten, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde, als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für dessen Fähigkeit, den dienstlichen Anforderungen als Polizeivollzugsbeamter weiter zu genügen (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 - 2 C 37.13 - juris Rn. 12 m.w.N.). Wie detailliert eine amtsärztliche Stellungnahme danach sein muss, kann nicht abstrakt beantwortet werden, sondern richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls (BVerwG, B.v. 20.1.2011 - 2 B 2.10 - juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 28.11.2019 - 6 B 19.1570 - juris Rn. 24).
22
Hier hat der Ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei (Art. 5b Abs. 2 Satz 1, Art. 3 Abs. 3, Art. 11 GDVG) durch Gesundheitszeugnis von MedDin Dr. * vom 23. März 2018 und im (ausführlichen) Gutachten vom 30. April 2018 (Bl. 24 bis 30 des polizeiärztlichen Akts), in dem auch ein (internistisches) Gesundheitszeugnis von MedD Dr. * vom 29. Januar 2018 und der Befundbericht des Therapeuten des Klägers, Dipl.-Med., vom 13. März 2018 ausgewertet worden sind, u.a. festgestellt, dass der Kläger zum Untersuchungszeitpunkt mit einer (maximalen) sechsstündigen täglichen Arbeitszeit dienstfähig ist und bei ihm folgende zeitlich unbefristeten Verwendungseinschränkungen vorliegen: keine Verwendung im regulären Wechselschichtdienst und im Nachtdienst (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr), kein vorhersehbarer Kontakt mit gewaltbereiten Personen, keine körperbelastenden Techniken im PE-Training und kein schweres Heben oder Tragen; für die Verwendung als Anwenderbetreuer ist der Kläger weiterhin gesundheitlich geeignet, Dienstkraftfahrzeuge und Dienstwaffen können uneingeschränkt geführt werden; der Beamte kann weiterhin im versetzten Tagesdienst in der Zeit zwischen 6:00 Uhr und 20:00 Uhr eingesetzt werden, jedoch nicht im Rahmen einer regulären Schichtdiensttätigkeit (Bl. 41 bzw. 50 des Vorgangsakts). Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens äußerte sich der Ärztliche Dienst der Bayerischen Polizei mit einer gemeinsamen Stellungnahme von MedDin Dr. * und MedD Dr. * vom 5. Juni 2019 nochmals zum streitgegenständlichen Sachverhalt und zu den Einlassungen des Klägers. Es wurde dabei ausgeführt, dass der Kläger nach längerer krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit ab 30. Januar 2017 eine stufenweise Wiedereingliederungsmaßnahme absolviert hat, aber selbst zum Zeitpunkt der polizeiärztlichen Untersuchungen am 10. Januar und 23. März 2018 sowie auf absehbare Zeit keinesfalls in der Lage gewesen sei, die volle tägliche Arbeitszeit zu leisten. Zudem sei dem Kläger auch vom eigenen Hausarzt wiederholt und langfristig bestätigt worden, dass er nur zu einer maximal sechsstündigen täglichen Arbeitszeit in der Lage ist. Neben einer auf sechs Stunden begrenzten täglichen Arbeitszeit lägen beim Kläger nachweislich verschiedene weitere Verwendungseinschränkungen vor. Nach polizeiärztlicher Sicht ist er „nicht mehr zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung einsetzbar, so dass ebenfalls zweifelsfrei von der Polizeidienstunfähigkeit auszugehen ist“ (S. 133 u. 134 des Vorgangsakts).
23
Den Feststellungen der polizeiärztlichen Gutachten kommt in aller Regel größerer Beweiswert zu als privatärztlichen Bescheinigungen, da den Polizeiärzten hierfür ein spezieller zusätzlicher Sachverstand zu unterstellen ist, der einerseits auf der Kenntnis der Belange der öffentlichen Verwaltung, insbesondere der gesundheitlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes, andererseits auf der Erfahrung in einer Vielzahl von gleich oder ähnlich gelagerten Fällen beruht (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.2.2010 - 2 B 126.09 - juris Rn. 16 ff.; BayVGH, B.v. 16.2.2011 - 6 ZB 10.1600 - juris Rn. 4; VG München, U.v. 4.12.2018 - M 5 K 18.3525 - juris Rn. 18; VG Ansbach, U.v. 29.7.2008 - AN 1 K 05.4148 - juris Rn. 91) .
24
Nach den oben dargelegten Grundsätzen ist es im vorliegenden Fall rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte in Nr. 1 des angegriffenen Bescheids die Polizeidienstunfähigkeit des Klägers festgestellt hat. Die (volle) Polizeidienstfähigkeit setzt voraus, dass der Polizeivollzugsbeamte zu jeder Zeit, an jedem Ort, in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung und auch in Zukunft für alle auch nur möglicherweise anfallenden und konkret wahrzunehmenden Dienstaufgaben einsetzbar ist (BVerwG, U.v. 3.3.2005 - 2 C 4.04 - ZBR 2005, 308; Baßlsperger, PersV 2013, 164/165). Nach dem Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme und den dabei zugrunde gelegten Feststellungen des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei bestand beim Kläger zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten Behördenentscheidung wegen seiner gesundheitsbedingten Leistungseinschränkungen keine Polizeidienstfähigkeit (mehr) im Sinn der in Art. 128 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBG enthaltenen Legaldefinition. Dass er - auch nach Einschätzung des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei - als Anwenderbetreuer und zuständiger Beamter für die Waffen- und Einsatzmittel der PI * verwendet werden kann und Dienstkraftfahrzeuge sowie Dienstwaffen ohne Einschränkung geführt werden dürften, steht dem nicht entgegen. Art. 128 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBG lässt die Verwendung von nicht mehr vollständig polizeidienstfähigen Beamten auf Lebenszeit im Polizeivollzugsdienst zu, wenn die (konkret) auszuübende Funktion die in Halbs. 1 verlangten besonderen gesundheitlichen Anforderungen nicht mehr auf Dauer uneingeschränkt erfordert. Die in Art. 128 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBG geregelte Ausnahme („es sei denn“) berührt nicht die in Halbs. 1 normierte Definition der Polizeidienstunfähigkeit, sondern ermöglicht vielmehr, Polizeivollzugsbeamte auf Lebenszeit, bei denen zwar die volle Polizeidienstfähigkeit nicht mehr vorliegt, bei denen aber die allgemeine Dienstfähigkeit im Sinn von § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG (nach wie vor) gegeben ist, in ihrer Laufbahn zu belassen, ohne sie in den Ruhestand oder in ein Amt einer anderen Laufbahn versetzen zu müssen (BVerwG, B.v. 6.11.2014 - 2 B 97.13 - ZBR 2015, 87; BayVGH, B.v. 14.2.2018 - 3 ZB 16.1011 - juris Rn. 5; Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand Mai 2020, Art. 128 BayBG Rn. 13 ff.). Diese als „eingeschränkte“ oder „funktionsbezogene“ Polizeidienstfähigkeit umschriebene Verwendungsmöglichkeit im Polizeivollzugsdienst stellt keinen Unterfall der vollen bzw. uneingeschränkten Polizeidienstfähigkeit im Sinn von Art. 128 Abs. 1 Satz 1 Halbs.1 BayBG dar, wie der die Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit voraussetzende Wortlaut von Art. 128 Abs. 2 Satz 1 BayBG und die Art und Weise der Verwendung des eine Legaldefinition anzeigenden Klammerzusatzes „(Polizeidienstunfähigkeit)“ belegen, sondern eröffnet eine die allgemeine Polizeidienstfähigkeit gerade nicht mehr erfordernde (Weiter-)Verwendungsmöglichkeit im Polizeivollzugsdienst (vgl. Eck in Brinktrine/Voitl, BeckOK Beamtenrecht Bayern, Stand 1. Oktober 2020, Art. 128 BayBG Rn. 16 ff.). Damit wird bei diesen Beamten aber die Feststellung der allgemeinen Polizeidienstunfähigkeit nicht ausgeschlossen, da sie diese nicht (mehr) besitzen. Die damit rechtlich verbundenen Folgen bei der Dienstausübung (z.B. in Bezug auf das Führen von Dienstwaffen und Pfefferspray) sind wegen der festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei diesen Beamten zum Eigen- und Fremdschutz veranlasst. Im Ergebnis ist die angegriffene Feststellung des Vorliegens von Polizeidienstunfähigkeit in Nr. 1 des Bescheids des Polizeipräsidiums * vom 3. April 2019 rechtlich nicht zu beanstanden.
25
Die in Nr. 2 des Bescheids des Polizeipräsidiums * vom 3. April 2019 getroffene Feststellung, dass der Kläger (nur noch) beschränkt dienstfähig ist und die unter Nr. 3 des Bescheids getroffene Regelung, dass deswegen die Arbeitszeit auf 80 v.H. der jeweils geltenden regelmäßigen Arbeitszeit herabgesetzt wird (aktuell 32 Stunden wöchentlich), sind ebenfalls rechtmäßig. Die in § 27 Abs. 1 BeamtStG normierten Voraussetzungen für die Feststellung der beschränkten Dienstfähigkeit legen vor. Nach dieser Bestimmung soll von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden, wenn die Beamtin oder der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit). Ergänzend bestimmt § 27 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG, dass die Arbeitszeit entsprechend der begrenzten Dienstfähigkeit herabzusetzen ist. (s. hierzu z.B. BayVGH, B.v. 15.7.2014 - 3 CS 14.436 - juris Rn. 24 ff.; allgemein Baßlsperger, PersV 2016, 204).
26
Aufgrund des Ergebnisses der gerichtlichen Beweisaufnahme und der vorliegenden polizeiärztlichen Gutachten (s. oben), die auch die ärztlichen Stellungnahmen der den Kläger hausärztlich betreuenden Gemeinschaftspraxis Dr. * und Dr., Fachärzte für Allgemeinmedizin, und deren Wiedereingliederungsplan berücksichtigen, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (s. oben) lediglich beschränkt dienstfähig war mit einem arbeitszeitlichen Leistungsumfang von noch 32 Stunden wöchentlich. Abgesehen davon, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst erklärt hat, dass diese - auch von seinen Hausärzten in diesem Umfang als angemessen eingestufte - Festlegung seinem gegenwärtigen körperlichen Leistungsvermögen entspricht und er hiermit einverstanden ist, sind von Klägerseite auch weder Einwendungen gegen die polizeiärztliche Feststellung des grundsätzlichen Vorliegens der beschränkten Dienstfähigkeit, noch gegen den - sogar in Absprache mit dem Kläger - polizeiärztlich bestimmten arbeitszeitlichen Umfang der noch gegebenen Dienstfähigkeit geltend gemacht worden.
27
Damit konnte die Klage insgesamt keinen Erfolg haben.
28
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
29
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
30
Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO).