Titel:
Schadensersatz, Fahrzeug, Marke, Rechtsanwaltskosten, Kapitalanlage, Prospekthaftung, Emissionsprospekt, Prospekt, Berichterstattung, Software, Gerichtsstand, Wirksamkeit, Haftung, Pkw, Zug um Zug, juristische Person, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Schlagworte:
Schadensersatz, Fahrzeug, Marke, Rechtsanwaltskosten, Kapitalanlage, Prospekthaftung, Emissionsprospekt, Prospekt, Berichterstattung, Software, Gerichtsstand, Wirksamkeit, Haftung, Pkw, Zug um Zug, juristische Person, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 28.04.2020 – 1 U 1433/20
OLG München, Beschluss vom 12.08.2020 – 1 U 1433/20
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 25.02.2021 – III ZR 220/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 45929
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 28.229,42 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs eines Pkw …, der mit einem Dieselmotor des Typs … ausgestattet ist.
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Die Klägerin erwarb mit Kaufvertrag vom 14.08.2014 den Pkw von der Firma …, einer … Vertragshändlerin, zu einem Kaufpreis von netto 28.229,42 €. Herstellerin des streitgegenständlichen Pkw ist die Firma …. Herstellerin des Dieselmotors … ist die …
3
Die Beklagte ist die deutsche Importeurin für Neufahrzeuge der Marke …
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Das Software-Update wurde nicht aufgespielt.
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Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 21.12.2018 wurde die Beklagte aufgefordert, bis längstens 27.12.2018 den entstandenen Schaden an die Klägerin zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
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Die Klägerin trägt vor, die Beklagte sei nicht nur Importeurin der Neufahrzeuge der Marke … sondern vertreibe diese auch. Ebenso würden Werbe- und Verkaufsprospekte durch die Beklagte verantwortet. In diesen Prospekten würden die angeblichen Abgaswerte angegeben. Da die Beklagte diese Prospekte in Umlauf bringe, habe sie auch den Inhalt zu verantworten. Es sei vollkommen lebensfremd, dass die Beklagte Fahrzeuge importierte, bewerbe und vertreibe, ohne Kenntnis von den Fahrzeugen zu haben. Auch seien sämtliche Schreiben hinsichtlich der Rückrufaktionen und des Software-Updates durch die Beklagte gefertigt worden. Die Klägerin behauptet des Weiteren, der streitgegenständliche Pkw sei mit einer unzulässigen Motorsteuerungssoftware zur Regulierung der Stickoxidwerte (sog. Abschalteinrichtung) versehen. Auch wenn die Beklagte die von ihr vertriebenen Fahrzeuge mit konkret angegebenen Verbrauchs- und Abgaswerten bewerben würde, ohne über den tatsächlichen Inhalt Kenntnis zu haben, würde sie mit den Behauptungen ins Blaue hinein die Käufer arglistig täuschen. Hätte die Klägerin Kenntnis vom tatsächlichen Schadstoffausstoß des Fahrzeuges gehabt, hätte sie das Fahrzeug nicht erworben.
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Auch habe die Beklagte mit Schreiben vom 15.02.2016, 30.06.2017, 08.11.2017 und 02.07.2018 jeweils der Klägerin mitgeteilt, dass sein Fahrzeug von der Rückrufaktion aufgrund der illegalen abschobt Einrichtung betroffen sei. Das seitens der Beklagten angebotene Software-Update enthalte eine weitere illegale Abschalteinrichtung. Mit Schreiben des Kraftfahrtbundesamtes vom 12.10.2018 sei der Klägerin mitgeteilt worden, dass ab dem 16.01.2019 die Stilllegung des Fahrzeugs drohe, das Fahrzeug habe daher nurmehr einen Wert von 0 €.
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Die Klägerin beantragte daher zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 28.229,42 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.10.2014 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs … Fahrgestell-Nr. …, zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Verzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.141,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Die Beklagte trägt vor, das Landgericht Traunstein sei örtlich nicht zuständig. Zudem sei die Beklagte als Importeurin von … Neufahrzeugen in Deutschland nicht passiv legitimiert, da sie nicht Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges sei. Sie übernehme lediglich den Kundenservice in Deutschland. An der Herstellung der Fahrzeuge, insbesondere an der Herstellung oder Entwicklung von Motoren oder Motorensteuerungsanlagen, sei die Beklagte nicht beteiligt. Die Tatsache, dass das streitbefangene Fahrzeug mit einer Software ausgestattet sei, die den Stickstoffoxid Ausstoß im Prüfstand beeinflusste, ändere nichts an der Wirksamkeit einer einmal erteilten EG-Typgenehmigung. Die Klägerin hätte keinen Schaden, das streitgegenständliche Fahrzeug sei bis heute sicher und fahrbereit. Das angebotene Software-Update habe keine negativen Auswirkungen auf das betroffene Fahrzeug. Die Beklagte habe zudem, da sie nicht Herstellerin des Fahrzeugs sei, keinerlei Angaben zum streitgegenständlichen Fahrzeug gemacht und somit die Klägerin nicht getäuscht, Die Beklagte hätte zum Zeitpunkt des Imports des Fahrzeugs keine Kenntnis von dem verbaut der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware gehabt. Die Beklagte habe ebenfalls erstmals über die mediale Berichterstattung im September 2015 von der Thematik Kenntnis erlangt. Etwaige Kenntnisse der Herstellerin des Motors bzw. des Fahrzeugs sein der Beklagten nicht zuzurechnen. Allein die Zugehörigkeit zu einem Konzern führe nicht zu einer Wissenszurechnung.
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Die Klage wurde der Beklagten am 09.01.2019 zugestellt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Das angegangene Gericht ist örtlich zuständig. Nach § 32 ZPO besteht ein besonderer Gerichtsstand am Begehungsort einer unerlaubten Handlung. Begehungsort ist dabei sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort. Bei der Geltendmachung einer Haftung nach § 823 BGB i.V.m. § 263 StGB oder nach § 826 BGB gehört die Vermögensverletzung zum Tatbestand des Delikts. Somit liegt ein Begehungsort (hier Erfolgsort) am Belegenheitsort des Vermögens des Klägers und dieser ist am Wohnsitz des Klägers zu sehen (BGH, Urteil vom 28.02.1996 - XII ZR 181/93, NJW 1996, 1411, 1412 f.; BGH, Urteil vom 13.7.2010 - XI ZR 28/09, NJW-RR 2011, 197, 199, Zöller/Schultzky, ZPO, 32. Aufl., § 32, Rn 19).
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Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz.
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte gemäß §§ 826, 31 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Ein solcher scheidet vorliegend aus, da die Klägerin weder eine sittenwidrige Schädigung noch eine Täuschung durch die Beklagte, die lediglich Importeurin des streitgegenständlichen Pkw ist, dargelegt hat.
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Ein deliktischer Anspruch gegen eine juristische Person besteht grundsätzlich nur dann, wenn dieser das Handeln einer natürlichen Person zugerechnet werden kann, die den objektiven und subjektiven Tatbestand einer deliktischen Norm verwirklicht. Dabei findet in entsprechender Anwendung des § 31 BGB eine Zurechnung des Handelns von Organen der juristischen Person, aber auch anderer „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ statt. Der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ wird hier weit im Sinne eines Repräsentanten der juristischen Person ausgelegt. Es genügt, dass einer Person durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und sie die juristische Person insoweit repräsentiert. Unerheblich ist, ob ihr rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht zukommt. (BGH, Urt. v. 05.03.1998, III ZR 183/96, juris Rn. 18). Erfolgt eine solche Zurechnung, kommt es für Fragen der Kenntnis, des Kennenmüssens oder von Willensmängeln gemäß § 166 Abs. 1 BGB auf die Person des Organs bzw. des Repräsentanten an (Roth/Altmeppen-Altmeppen, 9. Aufl. 2019, GmbHG § 35 Rn. 111).
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Demgegenüber erfolgt die Zurechnung des Wissens eines Gesellschafters grundsätzlich nicht, denn der Gesellschafter ist regelmäßig weder Repräsentant im vorstehenden Sinne noch an der unternehmensinternen Willensbildung beteiligt (Roth/Altmeppen-Altmeppen, 9. Aufl. 2019, GmbHG § 35 Rn. 118). Der Gesellschaft steht auch regelmäßig kein Auskunftsanspruch gegen ihre Gesellschafter zu, so dass sie an deren Wissen nicht partizipiert, jedenfalls aber eine fehlende Partizipation hieran nicht zu vertreten hat (MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 35 Rn. 223).
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Eine Wissenszurechnung kommt vorliegend auch nicht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wissensorganisationspflicht juristischer Personen in Betracht. Hiernach muss sich diese aus Gründen des Verkehrsschutzes „Aktenwissen“ zurechnen lassen, also solches, das ihr einmal vermittelt und typischerweise aktenmäßig festgehalten, weitergeleitet und zur Abfrage bereitgehalten wird, wenn und soweit der Rechtsverkehr mit einer Organisation der Informationsweiterleitung an die für die Gesellschaft handelnden Personen rechnen darf (BGH, Urt. v. 13.10.2000, V ZR 349/99, juris Rn. 14). Im Streitfall fehlt es allerdings schon an der konkreten Darlegung, dass der Beklagten das Wissen um die manipulierte Software von ihrer Gesellschafterin vermittelt worden ist, so dass auch keine entsprechende Wissensorganisationspflicht angenommen werden kann.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsfigur der Wissenszurechnung im Konzern. Der Umstand, dass die beteiligten Gesellschaften in einem Konzern verbunden sind, genügt für sich genommen nicht, um eine Wissenszurechnung zu begründen (BGH v. 13.12.1989, IVa ZR 177/88, Rn. 14). Im Streitfall geht es aber nicht um die Zurechnung des Wissens der Tochtergesellschaft zulasten der Konzernobergesellschaft, sondern um den umgekehrten Fall der Zurechnung des Wissens der Konzernobergesellschaft zur Tochtergesellschaft, die regelmäßig - und so auch hier - nicht für die Wissensorganisation im Konzern verantwortlich ist.
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2. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 1 ProdHaftG besteht nicht, da dessen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG greift diese Haftung im Falle der Sachbeschädigung nur, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wurde. Dies wird seitens der Klagepartei nicht vorgetragen.
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3. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 Satz 2, 241 Abs. 2 BGB besteht nicht. Die Beklagte war nicht an dem zwischen dem Kläger und dem Voreigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs geschlossenen Kaufvertrag beteiligt. Auch kann der Kläger seinen Anspruch nicht auf die Grundsätze der sog. Prospekthaftung stützen.
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Die von der Rechtsprechung für den gesetzlich nicht regulierten und organisierten sog. Grauen Kapitalmarkt entwickelten Grundsätze der Prospekthaftung gehen davon aus, dass der Emissionsprospekt in der Regel die einzige Informationsquelle des Anlegers ist. Nur unter der Voraussetzung, dass die durch den Prospekt vermittelte Information vollständig und richtig ist, kann der Kunde die ihm angebotene Kapitalanlage objektiv beurteilen und sein Anlagerisiko, das ihm ohnehin verbleibt, richtig einschätzen (BGH, Urt. v. 31.05.1990 - VII ZR 340/88, NJW 1990, 2461). Die Prospekthaftung i.e.S. ist daher auf bestimmte Kapitalanlagen beschränkt (OLG München, Urt. v. 05.09.2019 - 14 U 416/19, Rn. 155, BeckRS 2019, 26072). Eine Übertragung auf sonstige Kaufgegenstände, z.B. Kraftfahrzeuge, scheidet aus, da bei diesen die prägende und rechtfertigende Besonderheit einer Kapitalanlage fehlt. Denn bei dieser ist der Emissionsprospekt i.d.R. die einzige Informationsquelle des Anlegers, so dass der Anleger nur bei zutreffenden Informationen im Prospekt die ihm angebotene Kapitalanlage objektiv beurteilen und sein Anlagerisiko richtig einschätzen kann (OLG München, Urt. v. 05.09.2019 - 14 U 416/19, Rn. 155, BeckRS 2019, 26072).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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Der Streitwert ergibt sich aus dem geltend gemachten Zahlungsanspruch.