Inhalt

ArbG Würzburg, Beschluss v. 10.06.2020 – 1 BV 13/19
Titel:

Betriebsrat, Eingruppierung, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Tarifvertrag, Zustimmung, Arbeitszeit, Leistungen, Ware, Zustimmungsverweigerung, Beschlussverfahren, Stellenbeschreibung, Entgeltgruppe, Versetzung, Zustimmung des Betriebsrats, Ersetzung der Zustimmung, Zustimmung des Betriebsrates

Schlagworte:
Betriebsrat, Eingruppierung, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Tarifvertrag, Zustimmung, Arbeitszeit, Leistungen, Ware, Zustimmungsverweigerung, Beschlussverfahren, Stellenbeschreibung, Entgeltgruppe, Versetzung, Zustimmung des Betriebsrats, Ersetzung der Zustimmung, Zustimmung des Betriebsrates
Rechtsmittelinstanz:
LArbG Nürnberg, Beschluss vom 19.01.2021 – 7 TaBV 22/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 45774

Tenor

1. Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiter
in die Gehaltsgruppe G 3 nach Maßgabe des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern wird ersetzt.
2. Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiter
in die Gehaltsgruppe G 2 (zzgl. Kassierzuschlag) nach Maßgabe des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern wird ersetzt.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die zutreffende Eingruppierung von insgesamt 13 Arbeitnehmern/innen in das tarifliche Vergütungsschema des Gehaltstarifvertrages für die Angestellten im Einzelhandel in Bayern. Der zu 2 beteiligte Betriebsrat hat die Zustimmung zu der von der zu 1) beteiligten Arbeitgeberin beabsichtigten Eingruppierung von insgesamt 13 Arbeitnehmern verweigert. Die Arbeitgeberin begehrt mit dem vorliegenden Beschlussverfahren die Ersetzung der fehlenden Zustimmung des Betriebsrates.
2
Die antragstellende Arbeitgeberin betreibt bundesweit Warenhäuser, so auch in … Der zu 2 beteiligte Betriebsrat ist der für den … gewählte Betriebsrat.
3
Die Arbeitgeberin war ursprünglich aufgrund einer Verbandsmitgliedschaft an die Tarifverträge des Einzelhandels gebunden, wechselte jedoch im Jahr 2019 in eine Mitgliedschaft ohne Tarifverbindung. Die tariflichen Regelungen werden seit dem auf dem Stand von 2017 (letzter Tarifabschluss) aufgrund individualarbeitsrechtlicher Bezugnahmeklauseln in den Arbeitsverträgen weiterhin angewendet.
4
Am 15.05.2019 vereinbarte die Arbeitgeberin mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan „Restrukturierung 2019“ (hinsichtlich des genauen Inhaltes wird auf die als Anl. Ast 1 zur Antragsschrift vom 01.10.2019 eingereichte Kopie Bezug genommen, (Bl. 9-24 d.A.).
5
In § 3 I („Prozess- und Organisationsstraffung im Vertrieb und daraus resultierender Personalabbau in den Filialen“) ist u.a. Folgendes ausgeführt (Bl. 12 d.A.):
„Nr. 2:

Weltstadthäuser

je 1-2 FGF

je 1 kfm. Leiter

Anhängefilialen > 20 MEUR

je 1 FGF

je 1 kfm. Leiter

Anhängefilialen < 20 MEUR

je 1 FGF

je 1 kfm. Leiter je 20 MEUR Umsatz

Anhängefilialen <

8 MEUR

1 Storemanager je 1 kfm. Leiter je 20 MEUR Umsatz

Nr. 4:
… wird darüber hinaus eine neue Besetzungssystematik für den Verkauf in den einzelnen Filialen implementieren. Die Systematik sieht neben einer deutlichen Straffung der Abteilungsleiterebene und Wegfall der Funktionsebene Assistenten/Substituten den bedarfsgerechten Einsatz von Verkäufern vor, um die erforderliche Flächenpräsenz zur optimalen und anforderungsgerechten Beratung und Bedienung der Kunden sicher zu stellen. Auf der Ebene der Verkäufer kommt es nach der neuen Struktur zu einer Aufgabentrennung zwischen Mitarbeitern mit Verkaufstätigkeit, Mitarbeitern mit Kassentätigkeit (Kassenservice-Team KST) und Mitarbeitern, die künftig nur noch als gewerbliche Mitarbeiter für den Warenservice (Warenserviceteam-WST) zuständig sind …
6
Die Arbeitgeberin hat nach ihrer Darlegung insoweit beschlossen, den bisherigen Bereich Verkauf zu spezialisieren und eine Aufteilung in die Bereiche Verkauf (Bedienung/Beratung), Kassenservice (Kassenserviceteam-KST) und Warenservice (Warenserviceteam-WST) vorzunehmen. Durch diese Spezialisierung solle einerseits die Vornahme der zum Betrieb der Filiale zwingend erforderlichen Arbeiten wie Kassiertätigkeiten und Warenversorgung auf der Grundlage des bisherigen Kassiervolumens und der bisherigen Verkaufseinheiten sichergestellt werden. Darüber hinaus solle die Spezialisierung eine effektivere Kundenberatung ermöglichen. Das neue Konzept führe zu einer Konzentrierung auf die für den Betrieb der Filiale zwingend notwendigen Tätigkeiten.
7
Zur Besetzung der Stellen im KST regelt der Interessenausgleich vom 15.09.2019 unter § 3 II 2 u.a. Folgendes:
„Die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung wird zudem mit Tätigkeitswechseln einhergehen. Diese werden insbesondere im Rahmen der Errichtung von Kassenserviceteams (KST) und Warenserviceteams (WST) erforderlich sein.“
8
b) Tätigkeitswechsel in andere Bereiche als das WST
„Tätigkeitswechsel in andere Bereiche als das WST werden - soweit rechtlich möglich - durch eine Versetzung auf Grundlage der individuellen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen im Wege der Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechtes umgesetzt. Sofern eine Versetzung im Wege des Direktionsrechts nicht möglich ist, sollen die Tätigkeitswechsel durch freiwillige Änderungsvereinbarungen oder Änderungskündigungen umgesetzt werden. Mitarbeiter, die derzeit bereits überwiegend in Kassenfunktionen eingesetzt sind, werden bei Wechseln in das KST bevorzugt berücksichtigt.“ (auf Bl. 15 f. d.A. wird Bezug genommen).
9
Das KST wurde auch in der Filiale in Würzburg eingeführt. Die Tätigkeit der Erstkräfte und Mitarbeiter im KST wurde in entsprechenden Tätigkeitsbeschreibungen dokumentiert (auf die als Anl. Ast 2 zur Antragsschrift vom 1.10.2019 eingereichte Kopie „Tätigkeitsbeschreibung Erstkraft Kasse aus Mai 2019“; Bl. 25 ff d.A., sowie auf die als Anl. Ast 3 vorgelegte Kopie der „Tätigkeitsbeschreibung Mitarbeiter Kasse aus Mai 2019“, Bl. 31 ff. d.A. wird Bezug genommen.
10
Alle im vorliegenden Verfahren betroffenen Mitarbeiter waren bislang im Bereich Verkauf tätig und haben der Änderung ihrer Tätigkeit und dem Wechsel ins KST schriftlich zugestimmt.
11
Jeweils mit Antragsformular vom 27.09.2019 hat die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung gemäß § 99 BetrVG zu der für die Arbeitnehmer … und … gemäß § 99 BetrVG geplanten Umgruppierung für die neue Tätigkeit „Erstkraft Kassenserviceteam“ in die Gehaltsgruppe - Lohngruppe G3 09 beantragt (Bl. 37 d.A. - … sowie Bl. 40 d.A. - …).
12
Am 01.10.2019 hat der Betriebsrat auf demselben Formular jeweils durch Ankreuzen erklärt, dass der Umgruppierung nicht zugestimmt wird und auf die beiliegende zweiseitige Begründung verwiesen. Hinsichtlich des genauen Inhalts der Begründung des Betriebsrates wird auf die in der Anlage Ast 4 von der Arbeitgeberin eingereichte Kopie (Bl. 38 und 39 d.A. - … und Bl. 41, 42 d.A. …) Bezug genommen.
13
Ebenfalls mit Antragsformular vom 27.09.2019 hatte die Beklagte hinsichtlich der Arbeitnehmer … und … hinsichtlich der neuen Tätigkeit „Mitarbeiter/-in KST die Umgruppierung in die Gehalts-Lohngruppe G2 zzgl. Kassierzuschlag beim Betriebsrat beantragt, (Bl. 43 ff. d.A.).
14
Am 01.10.2019 hat der Betriebsrat jeweils durch Ankreuzen auf dem Antragsformular die beantragte Zustimmung verweigert und jeweils auf die beigefügte zweiseitige Begründung verwiesen. Hinsichtlich des genaueren Inhaltes der Zustimmungsverweigerungsgründe wird auf die von der Arbeitgeberin im Rahmen des Anlagenkonvoluts Ast 4 eingereichten Kopien Bezug genommen (Bl. 43 ff. - …, Bl. 46 ff - C…, Bl. 49 ff. - …, Bl. 52 ff. - …, Bl. 55 d.A. - …, Bl. 58 d.A. - …, Bl. 61 d.A. - …, Bl. 64 d.A. - …, Bl. 67 d.A. - …, Bl. 70 d.A. - … und Bl. 73 d.A. - …).
15
Mit Schriftsatz vom 25.05.2020 teilt die Arbeitgeberin mit, dass … zwischenzeitlich ausgeschieden sei und nahm ihren Zustimmungsersetzungsantrag insoweit zurück. Im selben Schriftsatz erweiterte die Arbeitgeberin ihren Zustimmungsersetzungsantrag hinsichtlich der Arbeitnehmerin Beate Z..
16
Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat insoweit mit Antragsformular am 19.02.2020 um Zustimmung zu der ab 11.03.2020 geplanten befristeten Einstellung der Arbeitnehmerin Z. bis zum 30.09.2020 sowie zu der für die vorgesehene Tätigkeit „Mitarbeiter KST“ beabsichtigten Eingruppierung in die Gehalts-/Lohngruppe G2 06 gebeten (Anl. Ast 10, Bl. 267 d.A.).
17
Am 21.02.2020 hat der Betriebsrat jeweils durch Ankreuzen auf demselben Formular der beabsichtigten Einstellung zugestimmt sowie der beabsichtigten Eingruppierung widersprochen (Bl. 267 d.A).
18
Der maßgebliche Gehaltstarifvertrag für die Angestellten im Einzelhandel in Bayern vom 06.07.2011 lautet auszugsweise wie folgt:
㤠3 - Gehaltsregelung
Maßgeblich für die Eingruppierung sind die jeder Beschäftigungsgruppe vorangestellten Tätigkeitsmerkmale. Die aufgeführten Beispiele sind weder erschöpfend noch für jeden Betrieb zutreffend.
1. Angestellte ohne abgeschlossene kaufmännische Ausbildung
2. Angestellte mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung
Beschäftigungsgruppe II
Tätigkeitsmerkmale:
Angestellte mit einfachen kaufmännischen Tätigkeiten
Beispiele:
…, Kassierer/in mit einfacher Tätigkeit …
Beschäftigungsgruppe III
Tätigkeitsmerkmale:
Angestellte mit selbständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen Beispiele:
Erster Verkäufer/Erste Verkäuferin …, Kassierer/in mit Sammel-, Packtisch oder Versandkassen-Funktion …
Beschäftigungsgruppe IV
Tätigkeitsmerkmale:
Angestellte mit selbständiger und verantwortlicher Tätigkeit
Beispiele:
Erste Verkaufskräfte mit Einkaufsbefugnis, …, Substitut/Substitutin, … Kassen-Etagen- und Verkaufsaufsichten, …“
Die antragstellende Arbeitgeberin trägt im Wesentlichen Folgendes vor:
19
Im Rahmen der „Restrukturierung 2019“ sei es für den Bereich des Verkaufs in den Filialen zur Implementierung einer neuen Besetzungssystematik gekommen. Diese Systematik sehe er im Vergleich zur bisherigen Organisation neben einer deutlichen Straffung der Abteilungsleiter - und Erstkräfteebene sowie Wegfall der Funktions-Ebene Assistenten/Substituten, insbesondere den bedarfsgerechten Einsatz von Verkäufern vor, um die erforderliche Flächenpräsenz zur optimalen und anforderungsgerechten Beratung und Bedienung der Kunden sicher zu stellen.
20
Das neue Konzept habe zu einer Konzentrierung auf die für den Betrieb der Filiale zwingend notwendigen Tätigkeiten geführt. Von den Mitarbeitern im Verkauf sollen künftig nur noch die Tätigkeiten Verkauf (Bedienung/Beratung) und Kassenservice ausgeübt werden. Daneben sei die Einführung eines sogenannten Warenserviceteams (WST) geregelt. Die neue Strukturierung in Form der Spezialisierung betreffe nicht nur die Hierarchieebene der Mitarbeiter, sondern auch die Erstkräfte, die in Folge der in allen Filialen vorgesehenen Spezialisierung den Bereichen Bedienung/Beratung der Kunden, Kassenservice und Warenservice zugeordnet wurden.
21
Im Rahmen der Umstrukturierung des gesamten Vertriebes sei es schlicht und ergreifend zu einer anderen Verortung und Zusammenlegung von Kassen gekommen.
22
Bei den Mitarbeitern KST handele es sich um „Angestellte mit einfachen kaufmännischen Tätigkeiten“ im Sinne der Gehaltsgruppe G2.
23
Die von den Mitarbeitern KST auszuübenden Tätigkeiten hätten sich im Vergleich zu vorher in ihrer Wertigkeit nicht verändert. Es möge sein, dass angesichts des erfolgten Systemwechsels aufgrund der veränderten Prozesse im ersten Moment aus Sicht der Mitarbeiter ein gefühlter Mehraufwand entstanden sei. Dies dürfe aber nicht mit tatsächlichem Mehraufwand oder einer gesteigerten Verantwortung verwechselt werden.
24
Ein vermeintlicher Mehraufwand leite sich auch nicht aus den neuen Stellenbeschreibungen ab.
25
Die Aufgaben und konkreten Verantwortlichkeiten/Kompetenzen der Mitarbeiter KST ergäben sich aus der Stellenbeschreibung (Ast 3, Bl. 31 f d.A.), aus dem alphabetischen Schlagwortregister für die Aufgaben im KST (Anl. Ast 5, Bl. 93 d.A.), aus dem Arbeitshandbuch „isi Kassieren“ (Ast 6, Bl. 94 ff. d.A.) und dem Benutzerhandbuch „isi Kassieren“ (Anl. Ast 7, Bl. 108 ff. d.A.).
26
Es gehe um veränderte Prozesse, nicht aber um kompliziertere. Die Tätigkeit des Kassierers habe sich nicht wesentlich verändert; sie sei lediglich spezialisierter geworden, da die zuvor von allen Mitarbeitern kombiniert verrichteten Aufgaben aufgrund der Spezialisierungsentscheidung der Arbeitgeberin aufgesplittet worden seien und in Folge dessen vom Mitarbeiter KST nur noch Kassieraufgaben, jedoch keine Verkäufer- oder Warenverräumungsaufgaben mehr wahrgenommen würden.
27
Im Sinne der Beispiele des Gehalts-TVBeschäftigungsgruppe II handele es sich bei der Tätigkeit Kassierer um „Kassierer/in mit einfacher Tätigkeit“.
28
Entgegen der Auffassung des Betriebsrats handele es sich nicht um Angestellte mit selbständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen nach der Beschäftigungsgruppe III. Das Tatbestandsmerkmal Selbständigkeit verlange eine gewisse Entscheidungsbefugnis über den zur Erbringung der Leistung jeweils einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis und damit zugleich auch eine gewisse Eigenständigkeit des Aufgabenbereiches, ohne dass dadurch die fachliche Anleitung oder die Abhängigkeit von Weisungen Vorgesetzter ausgeschlossen würde. Selbst wenn man zu Gunsten der KST-Mitarbeiter einzelne Tätigkeiten als solche „selbständige“ Tätigkeiten im Rahmen allgemeiner Anweisungen qualifizieren wollte, würden die KST-Mitarbeiter diese jedoch nicht überwiegend ausüben. Es sei offensichtlich, dass ca. 99 % der von einem KST-Mitarbeiter wahrzunehmenden Tätigkeiten kaufmännische Tätigkeiten „einfacher Art“ seien. Dazu gehörten sämtliche „normalen“ Kassiervorgänge unter Berücksichtigung der konkreten Funktionsweise der Kasse, wie beispielsweise Kennenmüssen von bestimmten Tasten- und Eingabevorgängen.
29
Hierzu gehöre auch der Umgang mit Umtauschen von Waren, Rabatten, Abschriften und Nachlässen, Geld wechseln, Anbieten und Umgang mit der Kundenkarte, die Safebag-Bearbeitung sowie die Kassenabrechnung.
30
Die Aufgaben der KST-Mitarbeiter seien dabei durch klar vorgegebene Anweisungen festgelegt. Alle Vorgänge seien kleinteilig in den vorgelegten Handbüchern, Präsentationen bzw. Aktivitätenprotokollen beschrieben und vorgegeben. Es handele sich durchgehend um einfache Prozesse, auch im Falle der Kassenabrechnung, die gegebenenfalls zu dokumentieren seien. Mit den verrichteten Tätigkeiten sei keine größere Verantwortung gegeben.
31
Bei den beiden Erstkräftenkassen handele es sich um Angestellte mit selbständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen im Sinne der Beschäftigungsgruppe III und nicht um Angestellte mit selbständiger und verantwortlicher Tätigkeit im Sinne der Beschäftigungsgruppe IV.
32
Die Erstkräfte-Kasse seien nicht für die Kassen zuständig und verantwortlich im Sinne einer Leitung und Führung des Kassenteams und somit auch nicht im Sinne einer selbständigen und verantwortlichen Tätigkeit nach der Gehaltsgruppe G4. Zwar seien die Erstkräfte nicht wie anderenorts den Weisungen und Vorgaben des Abteilungsleiters unterlegen, weil für die Filiale … unter Berücksichtigung der Besetzungssystematik kein Abteilungsleiter vorgesehen sein. Jedoch nehme der Kaufmännische Leiter der Filiale …, die Aufgabe der Leitung und Führung des Kassenserviceteams wahr. Er sei insbesondere mit folgenden Aufgaben betraut:
-
Vertretung des Filialgeschäftsführers
-
Leitung und Führung des Kassenteams, des Warenserviceteams und des Filialbüros sowie die dazugehörige Koordination
-
Verantwortung und Durchführung der Personaleinsatzplanung und Personalkostenplanung.
33
Der kaufmännische Leiter sei auf der Ebene der leitenden Angestellten angesiedelt.
34
Bereits aus der Stellenbeschreibung ergebe sich eindeutig, dass die Erstkraft ihre Aufgaben lediglich:
-
„in Abstimmung mit dem Vorgesetzten“ wahrnimmt
-
„unterstützt und koordiniert“
-
„Informationen im Auftrag des Vorgesetzten weitergibt“
-
„gemeinsam mit dem Vorgesetzten“
-
„Anstöße gibt“
-
„Vorschläge macht“
… und … seien auch nicht gegenüber den Mitarbeitern im WST weisungsbefugt. Sie unterlägen bei Ausführung der Tätigkeiten stets den Weisungen und Vorgaben des kaufmännischen Leiters, welcher die Verantwortung für den Tätigkeitsbereich des WST trage.
35
Die Antragstellerin stellt zuletzt folgende Anträge:
1. Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiter
- …
in die Gehaltsgruppe G 3 nach Maßgabe des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern wird ersetzt.
2. Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiter
- …
in die Gehaltsgruppe G 2 (zzgl. Kassierzuschlag) nach Maßgabe des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern wird ersetzt.
36
Der Antragsgegner beantragt:
die Anträge abzuweisen.
Der antragsgegnerische Betriebsrat trägt im Wesentlichen Folgendes vor:
37
Der Betriebsrat meint, er sei von der Arbeitgeberin nicht vollständig gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG unterrichtet worden.
38
Bereits in seinen Begründungen zur Zustimmungsverweigerung habe er darauf hingewiesen, dass die von der Arbeitgeberin zugrunde gelegten Tätigkeitsmerkmale/Aufgaben in der Anhörung nicht genannt bzw. unzutreffend gewichtet/bewertet worden seien. Eine Beschreibung der Kassentätigkeit sei dem Betriebsrat nicht zur Verfügung gestellt worden. Im Übrigen sei die von der Arbeitgeberin als Anlage Ast 3 im vorliegenden Zustimmungsersetzungsverfahren vorgelegte Stellenbeschreibung „Mitarbeiter Kasse“ die mit der Nr. 02/06/031.19, Versionsnummer 001 und mit dem Zusatz „02 Kompetenzregelungen“ bezeichnet sei, die erste Version, die in dieser Fassung keine Geltung finden sollte. Die dem Betriebsrat vorgelegte und auch in das Intranet der Arbeitgeberin eingestellte Fassung, die ebenfalls mit Nr. 02/06/031.19 Versionsnummer 001 und dem Zusatz „Kompetenzregelungen“ bezeichnet ist, weiche von der Anlage Ast 3 jedenfalls teilweise ab (auf die vom Betriebsrat mit Anlage AG 1 zum Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 02.06.2020 eingereichte Kopie, Bl. 278 ff. d.A. wird Bezug genommen). Teils betreffe sie redaktionellen Änderungen, teils einzelne Aufgabenbeschreibungen, so z.B. unter Ziffer IV. 1.4.1 zum Kassiervorgang. In der Version, die dem Betriebsrat vorgelegen habe, werde beschrieben, dass der Mitarbeiter u.a. jeden Artikel erfassen und scannen müsse und auf eine artikel-/warenwirtschaftsgenaue Erfassung der Ware an der Kasse incl. Gutschein- und Prepaid-Artikelverkauf achten müsse. Auch sollten Anzahlungen auf Auftragsschreibungen kassiert werden. Dies beinhalte ein Mehr an Aufgaben als in der Version, die mit Anlage Ast 3 vorgelegt worden sei. Der Betriebsrat sehe sich daher als nicht vollständig im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG unterrichtet an.
39
Im Übrigen sei die von der Arbeitgeberin zum Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 25.05.2020 als Anl. Ast 11 vorgelegte Emailnachricht vom 12.07.2019 (Bl. 269 d.A.) nicht an den Betriebsrat gerichtet gewesen. Zudem sei kein Hinweis zu den Stellenbeschreibungen für die Erstkräfte KST enthalten.
40
Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin handele es sich bei den Mitarbeitern KST um Angestellte mit selbständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen im Sinn der Beschäftigungsgruppe III.
41
Aus dem eigenen Sachvortrag der Arbeitgeberin ergebe sich, dass die Mitarbeiter KST sehr dezidierte Vorgaben erhielten, die zu berücksichtigen seien, sowie dass die Vorgaben sehr kleinteilig seien, sowie dass einfache kaufmännische Tätigkeiten gebündelt wahrgenommen werden sollen. Der Betriebsrat meint insoweit, dass sich die Frage stelle, ob aus diesen einfachen Tätigkeiten durch diese Bündelung nicht doch selbständige Tätigkeiten im Rahmen allgemeiner Anweisungen nach Lohngruppe 3 würden. Jedenfalls widerspreche die Arbeitgeberseite sich selbst, wenn sie einerseits sehr dezidierte Vorgaben einräume, andererseits aber von einfachen Tätigkeiten ausgehe. Zudem schlössen Weisungen ein selbständiges Denken nicht aus. Auch ein Abteilungsleiter oder kaufmännischer Direktor unterliege in der Regel gewissen Weisungen, an die er sich im Rahmen seines Entscheidungsspielraumes zu halten habe.
42
Die Arbeitgeberin gehe in ihrem vorgegebenen Tätigkeitsbild selbst von einer „sehr umfangreichen Tätigkeit“ aus, die nicht mehr dem Berufsbild einer einfachen Tätigkeit nach Beschäftigungsgruppe II des Gehaltstarifvertrages entspreche. Es sei offensichtlich, dass die Kassen zentraler Anlaufpunkt für Kunden seien, weil dort alle verkaufsrelevanten Abwicklungen, wie Kassieren, Umtausch, Bearbeitung von Reklamationen, Erstellen von benötigten Formularen für den Versand, Einzahlungen von Kunden, Sonderbestellungen, Omnichannel-Services-Reservierungen, Gutschein- und Prepaid-Verkauf, Erläuterungen der Vorteile einer Kundenkarte, Ausstellen von Tax-free-Belegen usw. erfolge. Im Bedarfsfall sollen die Kunden an das Verkaufspersonal im Haus weitergeleitet werden. Dies sei aber nur dann möglich, wenn die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Kassenteam über die Abläufe und Prozesse im Hause informiert und auch eingebunden seien. Daher sei von einer selbständigen Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen auszugehen.
43
Insbesondere fallen nach dem Sachvortrag des Betriebsrats neben den ganz normalen Kassiertätigkeiten folgende weitere Tätigkeiten an:
Umtausch/Bearbeitung von Reklamationen
44
Dieser Prozess solle von jedem KST-Mitarbeiter durchgeführt werden können und unterscheide zwischen Beträgen unter und über 150,- Euro Warenwert. Jeder Mitarbeiter müsse die unternehmensinterne sechsseitige Anweisung aus der Kalenderwoche 40/2019 kennen und beachten.
45
Bei einem Umtausch oder einer Reklamation entscheide der Mitarbeiter im KST allein, ob er die betreffende Ware zurücknehme oder nicht. Dies erfolge nach internen Richtlinien, die der Arbeitnehmer kennen müsse.
Reservierungen
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Bei den Reservierungen handele es sich um das Zurücklegen von Waren auf Kundenwunsch oder von Onlinebestellungen, die reserviert worden seien, damit der Kunde sie in der Filiale abholen könne. Der jeweilige Mitarbeiter des KST müsse die reservierte Ware im Lager im 1. Stock holen. Hierbei müsse der Mitarbeiter prüfen, ob die Person, die vor ihm stehe, zur Abholung der Ware berechtigt sei.
Gutscheinverkauf/Kundenkarte
47
Bei einem Gutscheinverkauf komme der Kunde in der Regel zu einer Kasse mit einer sogenannten Gutscheinkarte. Der gewünschte Betrag, den der Gutschein enthalten solle, müsse vom Mitarbeiter zweimal im System eingegeben werden. Bei jedem Einkauf müsse der KST-Mitarbeiter versuchen, eine Kundenkarte an den Kunden zu verkaufen und es müssten daher die Vorteile dieser Karte dargestellt und erklärte werden. Dies erfordere verkäuferisches Geschick und Überzeugungsarbeit.
Omnichannel-Services
48
In diesem Bereich seien umfassende Kenntnisse der Mitarbeiter im Bereich der Preisgestaltung zwischen Online-Geschäft und Filialgeschäft erforderlich. Diesbezüglich seien die Abläufe durchaus komplex in der 16-seitigen „Handhabung Preisanpassung bei Omnichannel-Services“ geregelt.
49
Die Arbeitgeberin verkenne, dass die Mitarbeiter KST an allen Kassen in der Filiale eingesetzt würden und gerade nicht nur eine ganz bestimmte Tätigkeit an nur einer Kasse erfolge. Das heiße, dass jeder KST-Mitarbeiter alle Prozesse im Zusammenhang mit der Tätigkeit an der Kasse kennen müsse. Im Vergleich zur früheren Tätigkeit erfolge nun auch die Abwicklung von Internetbestellungen, das Ausstellen von Tax-free-Belegen, die Übernahme von defekter Ware. Zudem seien Fremdsprachenkenntnisse erforderlich.
50
Im Gegensatz zu Kassierern im Lebensmitteleinzelhandel, in einem Supermarkt, wo überwiegend Waren über das Band gezogen, kassiert und gelegentlich Waren zurückgenommen würden, seien vorliegend viele speziellere Tätigkeiten erforderlich.
51
Zudem sei auch auf das tarifliche Fallbeispiel „Kassierer/Kassiererin mit Sammel-, Packtisch- oder Versandkassenfunktion“ aus Beschäftigungsgruppe III abzustellen. Nach dem üblichen Sprachgebrauch sei eine Sammelkasse eine für alle Abteilungen eines Warenhauses zuständige zentrale Kasse. Nachdem die Kunden im Warenhaus der Arbeitgeberin sämtliche Waren an jeder Kasse bezahlen könnten, handele es sich sehr wohl um Sammelkassen.
52
Des Weiteren komme auch das Eingruppierungsbeispiel „Versandkasse“ in Betracht. Zwar sei nach heutigem Maßstäben nicht klar, was mit dem Begriff der Versandkasse gemeint sei. Denkbar sei jedoch, dass der Versand von Waren, die zuvor über das Internet vom Kunden bestellt worden seien, ausschließlich über diese Kassen abgewickelt werde, aber auch, dass Kunden ihre Retouren an diesen Kassen zurückgeben könnten. Jedenfalls sei die Behauptung der Arbeitgeberin unzutreffend, dass nichts versendet werde. Online-Bestellungen würden auch über die Filiale Würzburg abgewickelt. Oftmals sei es sogar so, dass einzelne Waren, die vor Ort in einer wohnortnäheren Filiale beim Kunden nicht mehr vorhanden seien, aus anderen Filialen zu diesen Filialen verschickt würden. Es könne keinen Unterschied machen, ob Ware innerhalb einzelner Filialen versendet werde oder an den Kunden direkt ausgeliefert bzw. versendet werde, zumal der Kunde seine Ware in der jeweiligen Filiale persönlich abholen könne. Im Übrigen erfüllten sämtliche Kassen die technischen Voraussetzungen einer Versandkassenfunktion.
Hinsichtlich der Erstkräfte Kasse trägt der Betriebsrat wie folgt vor:
53
Die Erstkraft im Kassenserviceteam sei aufgrund ihrer Funktion mit der Leitung und Führung des Kassenteams betraut. Die Zuständigkeit bestehe für sämtliche Kassen des Hauses. Für diese sei die Erstkraft auch verantwortlich. Neben den üblichen Aufgaben wie Kassieren, Umtauschen, Bearbeitung von Reklamationen, Erstellung von benötigten Formularen für den Versand, Einzahlungen von Kunden, Sonderbestellungen, Omnichannel-Services, müsse die Erstkraft auch noch alle Vorschriften und Prozesse im Kassenbereich bestens kennen, anwenden und deren Einhaltung überprüfen. So führe sie in Abstimmung mit dem Vorgesetzten Kontrollen und Korrekturen an den Kassen durch, z.B. bei Kassendifferenzen/Kassenstürzen. Dies entspreche der Tätigkeit laut Tarifvertrag als „Kassen-/Etagenaufsicht“.
54
Die Erstkräfte träfen in der Filiale Würzburg grundsätzlich die Entscheidung, wer an welcher Kasse eingesetzt werde, allein. So sei die Erstkraft allein für die Personalplanung zuständig. Die Erstkraft-Kasse erstelle eine grobe Personalplanung für den jeweiligen Monat und berücksichtige dabei individuelle Arbeitszeitwünsche der Mitarbeiter. Die Erstkraft-Kasse sei zuständig für die Einteilung der Pausen und reagiere kurzfristig auf Ausfälle durch Krankheiten oder erhöhten Personalbedarf aufgrund von Werbeaktionen.
55
… und … nähmen in ihrer Funktion als Erstkraft-Kasse wöchentlich an Besprechungen der Abteilungsleiter teil. Beide seien neben der Personalplanung auch zuständig für das Wechselgeld, Kassenstürze und Abschöpfungen.
56
Darüber hinaus seien sie den Mitarbeitern KST gegenüber weisungsbefugt, indem sie beispielsweise dafür sorgten, dass private Gegenstände der Mitarbeiter nicht im Kassenbereich aufbewahrt würden. Auch wiesen sie die Mitarbeiter an, nicht im Kassenbereich zu essen oder zu trinken.
57
Zwar sei es richtig, dass in der Würzburger Filiale Herr E. als kaufmännischer Leiter eingesetzt sei. Dies ändere aber nichts daran, dass die Leitung und Führung des Kassenserviceteams tatsächlich von den Erstkräften … und … ausgeführt würden. Gerade die Personalplanung werde nicht von Herrn … vorgenommen. Allein die Planungsaufgaben nähmen einen Großteil der Tätigkeit der Erstkräfte ein. Frau S. und Herr R. hätten einen geschätzten Planungsaufwand von ca. 40 %, während 60 % der Arbeitszeit für die eigentliche Tätigkeit an der Kasse verbleibe. In diesem Zusammenhang weist der Betriebsrat darauf hin, dass z.B. die Erstkräfte-Kasse in der … Filiale nicht an der Kasse eingeteilt seien, weil der hohe Planungsaufwand dies nicht zulasse.
58
Die Arbeitgeberin hält dem im Wesentlichen Folgendes entgegen:
59
Der Betriebsrat sei sehr wohl ordnungsgemäß unterrichtet worden.
60
Die Arbeitgeberin habe bereits am 12.07.2019 die Stellenbeschreibung für die Mitarbeiter KST in ihrer finalen Version am schwarzen Brett der Filiale ausgehängt und den Betriebsrat auf den Aushang per E-Mail des Herrn … vom 12.07.2019 hingewiesen (auf die von der Arbeitgeberin als Anl. Ast 11 zum Schriftsatz vom 25.05.2020 eingereichte Kopie, Bl. 269 d.A., wird verwiesen). Darüber hinaus habe die Arbeitgeberin am 08.08.2019 im Rahmen von insgesamt vier Mitarbeiterbesprechungen, bei denen jeweils auch der Vorsitzende des Betriebsrats anwesend gewesen sei, die neuen Vertriebsstruktur und in diesem Zusammenhang auch die im Rahmen des KST anfallenden Aufgaben kommuniziert (E-Mail der Frau … vom 05.008.2019, Anl. Ast 12, Bl. 270 d.A.).
61
Die Arbeitgeberin weist auf die Rechtsprechung des BAG hin, wonach, sofern der Arbeitgeber davon ausgehen dürfe, dass die ein- und umgruppierungsrelevanten Umstände dem Betriebsrat bekannt seien, es Sache des Betriebsrates sei, weitere Informationen zu verlangen, wenn er nicht über alle für die Ausübung seines Mitbeurteilungsrechtes erforderliche Angaben verfüge. Vorliegend habe die Arbeitgeberin davon ausgehen dürfen, dass der Betriebsrat aufgrund des Aushanges alle umgruppierungsrelevanten Umstände kannte. Die Arbeitgeberin habe dem Betriebsrat daher die Stellenbeschreibung nicht noch einmal gesondert zukommen lassen müssen.
62
Im Übrigen ergebe sich auch aus den Begründungen der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats, dass ihm alle relevanten Umstände bekannt waren, weil er dort explizit auf die Stellenbeschreibungen Bezug nehme. Ansonsten habe der Betriebsrat wohl kaum derart ausführlich begründen können, warum die Eingruppierung seiner Meinung nach unzutreffend sei.
63
Zudem wendet die Arbeitgeberin vorsorglich ein, dass der Betriebsrat seine Zustimmung jedenfalls nicht aufgrund einer unvollständigen Unterrichtung verweigert habe. Soweit der Betriebsrat in der Zustimmungsverweigerung ausführe, dass die zugrunde gelegten Tätigkeitsmerkmale/Aufgaben vom Arbeitgeber in der Anhörung nicht genannt und unzutreffend bewertet/gewichtet worden seien, stelle dies keine Rüge einer unzureichenden Unterrichtung dar.
64
Schließlich trägt die Arbeitgeberin im Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 25.05.2020 auf Seite 5 vor, dass sie vorsorglich die Unterrichtung unter Verweis auf die als Anlage Ast 2 und 3 eingereichten Stellenbeschreibungen „hiermit nochmals ausdrücklich nachhole (Bl. 265 d.A.).
65
Bei den Tätigkeiten der Mitarbeiter KST handele es sich auch in Anbetracht vom Betriebsrat angesprochenen Aufgaben um einfache kaufmännische Tätigkeiten nach EG 2.
Umtausch/Bearbeitung von Reklamationen
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Das vom Betriebsrat angesprochene sechsseitige Aktivitäten-Protokoll beschreibe die für alle geltenden Regelungen im Kassenbetrieb. Die Vorgänge Umtausch und Bearbeitung von Reklamationen gebe es seit jeher und sie seien schon immer Aufgabe der Mitarbeiter gewesen. Ungeachtet dessen, dass in diesem Zusammenhang sehr dezidierte Vorgaben zu berücksichtigen seien, handele es sich um eine einfache kaufmännische Tätigkeit. Der im Einzelnen einzuhaltende Prozess sei in den vorgelegten Anlagen kleinteilig und vorgegeben. Es seien keine erweiterten Fachkenntnisse erforderlich. Auch beinhalte die Tätigkeit keine größere Verantwortung im Sinne eines selbständigen Arbeitens im Rahmen allgemeiner Anweisungen.
67
Es treffe nicht zu, dass der Mitarbeiter alleine entscheide, ob er einen Artikel umtausche oder nicht. In bestimmten Fällen müsse auch eine Führungskraft hinzugezogen werden.
68
Auch für die Frage, ob bei einer Reklamation oder einem Mangel ein Nachlass zu gewähren sei, existierten dezidierte Vorgaben. Wann genau der KST-Mitarbeiter entscheiden könne, ob er einen Nachlass gewähre, sei streng definiert vorgegeben. Grundsätzlich sei ein bestimmter Genehmigungsprozess einzuhalten. Nur in streng genannten Ausnahmefällen (maximal 15 Euro bei offensichtlichen Fällen) sei der KST-Mitarbeiter überhaupt in die Lage versetzt, entscheiden zu können, ob er einen Nachlass gebe oder nicht. Damit sei keine erweiterte Fachkenntnis im Sinn eines selbständigen Arbeitens im Rahmen allgemeiner Anweisungen verbunden. Im Übrigen handele es sich um eine „Kann-Regelung“.
Reservierungen/Online-Bestellungen
69
Reservierungen würden an der jeweiligen Kasse im rückwärtigen Bereich aufbewahrt. Online-bestellungen von Kunden (der Kunde bestelle im Netz und lasse zur Abholung in die Filiale liefern) würden nur an der Abholstation in der ersten Etage zur Abholung hinterlegt. Bei Abholung habe der KST-Mitarbeiter den Vorgaben entsprechend die Legitimation des Kunden zu prüfen. Auch hier seien die entsprechenden Vorgaben sehr kleinteilig. Allein diese Tätigkeit erfülle insbesondere nicht die Funktion als „Versandkasse“ im Sinne der Gehaltsgruppe G3.
Gutscheinverkauf/Kundenkarte
70
Diese Aufgaben hätten die KST-Mitarbeiter auch schon vor Umstellung von Payback auf die eigene Kundenkarte der Arbeitgeberin durchgeführt. Auch für diese Tätigkeiten seien keine erweiterten Fachkenntnisse oder größere Verantwortung erforderlich.
Omnichannel-Services
71
Der Mitarbeiter müsse keine Kenntnis zur „Preisgestaltung“ haben. Er müsse nur wissen, wo er bei Ansprache seitens eines Kunden die ggf. unterschiedlichen Preise nachschauen könne und wie er mit der Situation umgehen solle. Hierfür gebe es wiederum dezidierte Vorgaben für alle auftretenden Fälle. Auch hierin läge lediglich eine einfache kaufmännische Tätigkeit.
72
Auch der Vortrag des Betriebsrats zu weiteren Aufgaben der Mitarbeiter KST sei unzutreffend.
73
Tax-free könne wie bisher an jeder Kasse ausgedruckt werden. Auch Warenrücklagen würden wie bisher an den Kassen angenommen. Die Abwicklung von Online-bestellungen (Click & Collect) erfolge nur an den Kassen der ersten Etage und nicht an allen Kassen. Auch hierbei handele es sich um einfache kaufmännische Tätigkeit, für die weder erweiterte Fachkenntnisse erforderlich seien, noch die Tätigkeit eine größere Verantwortung beinhalte.
74
Es möge sein, dass englischsprachige Kunden in der Filiale einkauften. Zur Ausübung des Kassierens seien aber Fremdsprachenkenntnisse nicht erforderlich.
75
Der Betriebsrat leite allein aus der Zahl der Aufgaben und zum Teil umfangreichen Vorgaben in den Handbüchern und sonstigen Präsentationen vermeintlich erweiterte Fachkenntnisse oder größere Verantwortlichkeiten ab. Dies trage jedoch nicht. Es gehe bei den KST-Mitarbeitern lediglich darum, dass einfache kaufmännische Tätigkeiten gebündelt wahrgenommen würden. Dies führe jedoch nicht dazu, dass deshalb insgesamt von gehobenen Tätigkeiten im Sinn eines selbständigen Arbeitens im Rahmen allgemeiner Anweisungen auszugehen wäre.
76
Die Tätigkeiten der Erstkräfte KST seien auch in Anbetracht des Vortrages des Betriebsrats selbständige Tätigkeiten im Rahmen allgemeiner Anweisungen im Sinne der Gehaltsgruppe G3. In kleineren Filialen wie derjenigen in …, sei der kaufmännische Leiter verantwortlich für die Leitung und Führung des Kassenteams sowie die Personaleinsatzplanung und Personalkostenplanung.
77
… und/oder … führten und leiteten das Kassenteam nicht im Sinne einer Personalführung und Verantwortung für die Abteilung. Diese Verantwortung liege allein beim kaufmännischen Leiter.
78
… oder … seien auch nicht für die Kassen zuständig und verantwortlich. Auch diese Verantwortung liege beim kaufmännischen Leiter, Herrn …. Gleiches gelte für die Personaleinsatzplanung. Herr … oder Frau … unterstützten Herrn … nicht. Es sei nicht richtig, dass Herr … oder … eine Vorplanung erstellten. Der Mitarbeiterbedarf werde zwischen … und/oder … und … besprochen und abgestimmt. Letztlich verantwortlich für die Personalplanung sei jedoch … Er erteile die Freigabe der finalen Personalplanung gegenüber der Erstkraft. Lediglich die Eingabe und systemische Freigabe erfolge nach vorheriger Freigabe seitens … durch … oder ….
79
Zwar sei richtig, dass … und … an der Wochenbesprechung teilnähmen. Ihre Teilnahme sei zur Erfassung und Planung der anstehenden Aufgaben erforderlich. Auch sei richtig, dass … und/oder … den Personaleinsatz/die Kassenbesetzung koordinierten. Sollte es zu Abstimmungsproblemen unter den Mitarbeitern kommen, würde die Erstkraft zur Koordination eingeschaltet. Wenn auch diese Koordination nicht zum Ziele führte, klärte der kaufmännische Leiter die Situation final.
80
Die letztendliche Verantwortung trage immer allein der kaufmännische Leiter im Rahmen seiner Leitungs- und Führungsaufgabe für das Kassenteam.
81
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Gründe

82
Die Anträge sind zulässig und begründet.
A.
83
Der Rechtsweg zum Arbeitsgericht im Beschlussverfahren ist über § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG in Verbindung mit 99 BetrVG eröffnet. Es handelt sich um die Durchführung einer personellen Maßnahme im Sinne des § 99 BetrVG, über die zwischen den Beteiligten Streit besteht.
84
Örtlich zuständig ist das angerufene Arbeitsgericht … über § 82 ArbGG.
85
Die Anträge sind vom Formalien her nicht zu beanstanden, insbesondere ausreichend bestimmt.
B.
86
Der Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung ist hinsichtlich aller Arbeitnehmer begründet. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu Unrecht verweigert. Die Voraussetzungen des allein geltend gemachten Zustimmungsverweigerungsgrundes nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG liegen nicht vor. Die Arbeitgeberin hat das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt.
I.
87
Die Zustimmungsersetzungsanträge sind entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht deshalb unbegründet, weil die Arbeitgeberin ihn nicht ordnungsgemäß im Sinn von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG unterrichtet hätte.
88
1. Eine vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme des Arbeitgebers darf - unabhängig von den für die Verweigerung vorgebrachten Gründen - von den Gerichten nach § 99 Abs. 4 BetrVG nur ersetzt werden, wenn die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Gang gesetzt wurde. Das ist nur dann der Fall, wenn die Arbeitgeberin die Anforderungen des §§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllt hat, insbesondere den Betriebsrat vollumfänglich unterrichtet hat (BAG vom 18.03.2008 - 1 ABR 81/06; BAG vom 09.03.2011 - 7 ABR 127/09 jeweils zitiert nach JURIS; Fitting/Engels, Kommentar zum BetrVG, 29. Auflage, § 99 Rn. 277 ff. mit vielen Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur).
89
Der Arbeitgeber hat nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG den Betriebsrat so umfänglich zu unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt. Bei Umgruppierungen gehört zu einer vollständigen Unterrichtung die Angabe der bisherigen und der vorgesehenen Vergütungs- oder Entgeltgruppe sowie die Erläuterung der Gründe, weshalb der Arbeitnehmer anders als bisher einzureihen ist (BAG vom 05.05.2010 - 7 ABR 70/08, Rn 24; BAG vom 09.03.2011 - 7 ABR 127/09, Rn. 18).
90
Die einwöchige Zustimmungsverweigerungsfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird grundsätzlich auch dann nicht in Lauf gesetzt, wenn der Betriebsrat es unterlässt, den Arbeitgeber auf die offenkundige Unvollständigkeit der Unterrichtung hinzuweisen. Durfte der Arbeitgeber dagegen davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben, kann es Sache des Betriebsrats sein, innerhalb der Wochenfrist um Vervollständigung der Auskünfte zu bitten (BAG vom 05.05.2010 - 7 ABR 70/08 Rn. 25; BAG vom 09.03.2011, - 7 ABR 127/09 Rn 19, Fitting/Engels, a.a.O., Rn. 277 a ff.).
91
Darf der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die ein- und umgruppierungsrelevanten Umstände bekannt sind, ist es Sache des Betriebsrats, weitere Informationen zu verlangen, wenn er nicht über alle für die Ausübung seines Mitbestimmungsrechtes erforderlichen Angaben verfügt, (BAG vom 09.03.2011; BAG vom 18.03.2008).
92
2. Hiernach ist der Betriebsrat ordnungsgemäß von der beabsichtigen Umgruppierung aller Arbeitnehmer unterrichtet worden.
93
a) Verfahrensgegenständlich ist eine Umgruppierung der Arbeitnehmer. Hierunter ist jede Änderung der Einreihung in die tarifliche oder betriebliche Lohn- oder Gehaltsgruppenordnung zu verstehen, also eine Neu-Eingruppierung. Allen betroffenen Arbeitnehmern waren bisher (teilweise) andere Tätigkeiten zugeordnet, so dass die Ausübung der neuen Tätigkeiten eine neue Entscheidung über die Einreihung in die tarifliche Gehaltsgruppenordnung erforderlich machte.
94
b) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet.
95
Zwar enthielt das formularmäßige Schreiben des Arbeitgebers an den Betriebsrat zur Beantragung der Zustimmung gemäß § 99 BetrVG in allen Fällen nur die stichwortartige Angabe der alten Tätigkeit (Erstverkäufer/-in oder Verkäufer/-in), der neuen Tätigkeit (Erstkraft Kassenserviceteam oder Mitarbeiter/-in KST) sowie der bisherigen Lohn- und Gehaltsgruppe und der vorgesehenen Lohn- und Gehaltsgruppe und des Zeitpunktes des Wirksam Werdens der Umgruppierung (Bl. 37 d.A.: …; Bl. 40 d.A.: …; Bl. 43 d.A.: …; Bl. 46 d.A.: …; Bl. 49 d.A.: …; Bl. 57 d.A.: …; Bl. 150 d.A.: …; Bl. 48 d.A.: …; Bl. 61 d.A.: …; Bl. 64 d.A.: …; Bl. 67 d.A.: …; Bl. 73 d.A.: …; Bl. 267 d.A.: …). Diese Angaben für sich allein hätten den Betriebsrat noch nicht in die Lage versetzt, die Richtigkeit der Eingruppierungsentscheidung beurteilen zu können.
96
Auch kann dahingestellt bleiben, ob der Betriebsrat durch die arbeitgeberseitige E-Mail des … vom 12.07.2019 auf den Aushang der betreffenden Stellenbeschreibungen an der Infotafel hingewiesen und somit über die Stellenbeschreibungen in Kenntnis gesetzt worden war, oder ob diese E-Mail nur die Stellenbeschreibungen hinsichtlich der Mitarbeiter Kassenteam und nicht der Erstkräfte Kasse enthielt und zudem nicht an den Betriebsratsvorsitzenden oder dessen Stellenvertreterin im Amte gerichtet war (auf die Anl. Ast 11 zum Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 25. Mai 2020, Bl. 269 d.A., wird verwiesen).
97
Jedenfalls durfte die Arbeitgeberin vorliegend davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben. Dies ergibt sich nach Überzeugung des Gerichtes bereits aus dem Umstand, dass der Betriebsrat in allen Fällen in seiner zwei Seiten umfassenden Begründung der Zustimmungsverweigerung auf der ersten Seite ausdrücklich auf die „Stellenbeschreibung Erstkraft Kassenteam laut Grundakte 02/06/031.19 in der Fassung 05/2019“ bzw. auf die ebenfalls auf der ersten Seite in Bezug auf die Mitarbeiter KST ausführt:
„in dem von Ihnen vorgegebenen Tätigkeitsbild führen sie selbst aus, dass die neue Tätigkeit sehr umfangreiche Arbeiten enthält …“
98
Bereits vor diesem Hintergrund dürfte die Arbeitgeberin davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben. Es wäre daher Sache des Betriebsrats gewesen, die Unvollständigkeit der Unterrichtung zu rügen und weitere für erforderlich gehaltene Angaben zu verlangen. Dies hat der Betriebsrat nicht getan. Der bloße Hinweis des Betriebsrats auf der ersten Seite im oberen Drittel der zweiseitigen Zustimmungsverweigerungsbegründung, wonach „die vom Arbeitgeber der Eingruppierung zugrunde gelegten Tätigkeitsmerkmale/Aufgaben … vom Arbeitgeber in der Anhörung nicht genannt und unzutreffend bewertet/gewichtet worden“ seien, vermag nach Überzeugung des Gerichts für sich allein der Arbeitgeberin nicht zu verdeutlichen, dass dem Betriebsrat die Tätigkeitsbeschreibung als sonstige konkrete - von ihm für entscheidungserheblich erachtete - Informationen fehlen würden.
99
Es bestehen somit für das erkennende Gericht keine durchgreifenden Bedenken daran, dass die Arbeitgeberin mit ihren jeweiligen Schreiben vom 27.09.2019 sowie im Hinblick auf die antragserweiternd geltend gemachte Zustimmungsersetzung bezüglich der Arbeitnehmerin … mit Schreiben vom 19.02.2020 den Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet und die einwöchige Zustimmungsverweigerungsfrist des § 99 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 BetrVG in Gang gesetzt hat.
100
Der Betriebsrat hat durch die Zustimmungsverweigerung vom 01.10.2019 bzw. in Hinblick auf … mit Zustimmungsverweigerung vom 21.02.2020 die Zustimmung jeweils in der Wochenfrist rechtzeitig verweigert. Der Durchführung des vorliegenden Zustimmungsersetzungsverfahrens stehen daher keine Hindernisse entgegen.
101
c) Auf die Erklärung der Arbeitgeberin im Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 25.05.2020, Seite 5 unten (Bl. 265 d.A.), wonach für den Fall einer etwaig unzureichenden Unterrichtung „äußerst vorsorglich… die Unterrichtung unter Verweis auf die als Anl. Ast 2 und 3 eingereichten Stellenbeschreibungen hiermit nochmals ausdrücklich“ nachgeholt werde, kommt es nicht mehr an.
102
Zum einen hatte die Arbeitgeberin den Betriebsrat bereits ausreichend unterrichtet.
103
Zum anderen hat die Arbeitgeberseite durch diese vorsorgliche Nachholung einer Unterrichtung auch nicht ein erneutes Zustimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG in Gang gesetzt, welches mangels ausdrücklicher Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat binnen Wochenfrist nach § 99 Abs. 3 Satz 2 zu einer Fiktion der Zustimmung geführt hätte.
104
Zwar kann ein Arbeitgeber auch noch im Zustimmungsersetzungsverfahren fehlende Informationen nachholen und mit der Nachholung der Unterrichtung die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Lauf setzen. Für den Betriebsrat muss allerdings erkennbar sein, dass der Arbeitgeber die Informationen während des Zustimmungsersetzungsverfahrens auch deswegen vervollständigt, weil er seiner ggf. noch nicht vollständig erfüllten Unterrichtungspflicht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG nachkommen möchte. (BAG vom 01.06.2011 - 7 ABR 18/10; BAG vom 29.06.2011 - 7 ABR 24/10). Eine erneute Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat im Anschluss an die von der Arbeitgeberin nachgeholte Information war jedoch nicht erforderlich, weil diese von ihrer ursprünglichen Maßnahme keinen Abstand genommen und nicht erkennbar eine eigenständige, neue personelle Einzelmaßnahme eingeleitet hat (BAG vom 09.10.2013 - 7 ABR 1/12 - Rn. 27; BAG vom 29.01.2020 - 4 ABR 8/18 Rn. 12).
105
Nach alledem bleibt festzuhalten, dass die vorliegenden Zustimmungsersetzungsanträge nicht wegen Unvollständigkeit der Unterrichtung des Betriebsrates abzuweisen waren.
II.
106
Die Arbeitgeberin hat nicht im Sinne des Zustimmungsverweigerungsgrundes § 99 Abs. 2 Nr. 1 gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag verstoßen, indem sie die Mitarbeiter des Kassenserviceteams … und … in die Gehaltsgruppe G 2 eingruppiert hat. Es handelt sich bei den Mitarbeitern KST um Angestellte mit einfachen kaufmännischen Tätigkeiten im Sinn der Beschäftigungsgruppe II und nicht um Angestellte mit selbständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen im Sinn der Beschäftigungsgruppe III.
107
1. Die überwiegend ausgeübte Tätigkeit der genannten Mitarbeiter erfüllt weder den allgemeinen Oberbegriff des Tätigkeitsmerkmales noch ein Tätigkeitsbeispiel der Beschäftigungsgruppe III des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben des Bayer. Einzel- und Versandhandels vom 06.07.2011.
108
a) Das einzige für die Beschäftigungsgruppe III vorliegend in Rede stehende (Kassierer/-innen betreffende) Beispiel lautet: „Kassierer/Kassiererin mit Sammel-, Packtisch oder Versandkassenfunktion“. Derartige Tätigkeiten erbringen die genannten Mitarbeiter KST bei der Arbeitgeberin nicht.
109
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sind bei Vergütungsgruppen, in denen allgemein gefassten Tätigkeitsmerkmalen konkrete Beispiele beigefügt sind, die Erfordernisse der Tätigkeitsmerkmale regelmäßig dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt. Dies hat seinen Grund darin, dass die Tarifvertragsparteien selbst im Rahmen ihrer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse häufig vorkommende und typische Tätigkeiten einer bestimmten Vergütungsgruppe zuordnen können. Ob es sich dabei um eine den allgemeinen Merkmalen entsprechende Tätigkeit handelt, braucht in diesem Fall nicht mehr geprüft zu werden. Auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale ist nur dann zurückzugreifen, wenn das Tätigkeitsbeispiel selbst unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die nicht aus sich heraus ausgelegt werden können (BAG vom 25.02.2009 - 4 AZR 20/08, Rn. 32; BAG vom 23.09.2009 - 4 AZR 333/08 Rn. 20).
110
Hiervon geht ersichtlich auch der vorliegende Tarifvertrag aus, indem er die für Beschäftigungsgruppe III vorausgesetzte Tätigkeit von Angestellten „mit selbständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen“ hinsichtlich von Kassierern mit dem Fallbeispiel verdeutlicht: „Kassierer mit Sammel-, Packtisch- oder Versandkassen-Funktion.“
111
aa) Nach der Rechtsprechung des BAG liegt eine Sammelkasse im Sinne tariflicher Eingruppierungsregelungen nur vor, wenn an dieser Kasse abteilungsübergreifend gegenüber anderen vorhandenen Kassen bestimmte besondere Kassenangelegenheiten erledigt werden. Entscheidend sei, dass Sammelkassen mit Etagen-, Bereichs- und/oder Regionalkassen auf eine Stufe gestellt würden. Damit bringe ein Tarifvertrag erkennbar zum Ausdruck, dass Sammelkassen übergeordnete Aufgaben oder Funktionen wahrzunehmen haben (BAG vom 23.09.2009, 4 AZR 333/08, Rn. 36; BAG vom 09.12.1987, 4 AZR 461/87 Rn. 22 f). Sammelkassen sind nur anzunehmen, wenn an dieser Kasse im Gegensatz zu anderen vorhandenen Kassen eine oder mehrere besondere Kassenangelegenheiten zusammengefasst („gesammelt“) erledigt werden. Es muss also an einer derartigen Kasse eine besondere Aufgabe für alle Kassen wahrgenommen werden.
112
Die vorliegend betroffenen Mitarbeiter KST arbeiten nicht an derart hervorgehobenen Kassen. Vielmehr kommen nach dem zwischenzeitlich unstreitigen Vortrag der Beteiligten die Mitarbeiter in drei Etagen an drei Kassenblöcken zu je vier Kassen zum Einsatz, ohne dass es insoweit für einzelne Kassen unterschiedliche, insbesondere hervorgehobene Aufgabenfunktionen oder Zuständigkeiten gäbe.
113
bb) Ebenso wenig kommt das Fallbeispiel Kassierer/-in mit Versandkassenfunktion in Betracht.
114
Mit der übereinstimmenden Auffassung beider Beteiligten geht das Gericht davon aus, dass nach heutigen Maßstäben nicht klar ist, was die Tarifpartner seinerzeit mit dem Begriff der Versandkasse gemeint haben.
115
Soweit der Betriebsrat vorträgt, dass entgegen der Behauptung der Beklagten über die … Filiale sehr wohl etwas versendet werde, indem Online-Bestellungen abgewickelt würden, kommt dem nach Überzeugung des erkennenden Gerichtes keine für das Eingreifen des tariflichen Eingruppierungsbeispiels maßgebliche Bedeutung zu. Weder ergibt sich aus dem Sachvortrag des Betriebsrates noch ist ansonsten ersichtlich, dass die Abwicklung von Online-Bestellungen über die Kassen, an denen die betroffenen Mitarbeiter im Einsatz sind, die Eigenschaft dieser Kassen nach Art, Umfang oder besonderer Bedeutung der Tätigkeit prägen würde. Nur wenn die in Rede stehenden Kassen in dem Eingruppierungsbeispiel durch hervorstehende Umstände geprägt sind, die sie wegen einer Sammelfunktion, einer Packtischfunktion oder einer Versandkassenfunktion aus allen übrigen (normalen) Kassen hervorheben, kann das betroffene Tarifbeispiel vorliegen.
116
b) Die Tätigkeiten der Mitarbeiten KST sind auch nicht unter die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der „selbständigen Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen“ im Sinne der Beschäftigungsgruppe III zu subsumieren.
117
aa) Die Tarifvertragsparteien haben nicht näher erläutert, was sie unter dem Begriff „selbständig“ verstehen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Tarifvertrag ist deshalb vom allgemeinen, abstrakten Begriff der Selbständigkeit auszugehen. Danach verlangt Selbständigkeit eine gewisse eigene Entscheidungsbefugnis über den zur Erbringung einer Leistung jeweils einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis und damit zugleich auch eine gewisse Eigenständigkeit des Aufgabenbereiches, ohne dass dadurch die fachliche Anleitung oder die Abhängigkeit von Weisungen Vorgesetzter ausgeschlossen wird (BAG vom 09.12.1987 - 4 AZR 461/87 Rn. 25; BAG vom 23.09.2009 - 4 AZR 333/08 Rn. 41; Schaub, Handbuch des Arbeitsrechtes, 18. Aufl., § 183 Rn. 64 mit weiteren Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur.
118
bb) Die Anwendung der vorstehenden höchstrichterlichen Grundsätze ergibt vorliegend, dass die Mitarbeiter im Kassenserviceteam nicht überwiegend selbständige Tätigkeiten im Rahmen allgemeiner Anweisungen ausüben.
119
Der vom Betriebsrat vorgetragene Sachverhalt ergibt keine selbständige Tätigkeit der Mitarbeiter KST im Rahmen allgemeiner Anweisungen.
120
Die vom Betriebsrat vorgetragenen Tätigkeiten der Mitarbeiter KST im Zusammenhang mit Umtausch und Bearbeitung von Reklamationen lässt nicht erkennen, dass die Mitarbeiter befugt seien, eigene Entscheidungen über den Weg oder das Ergebnis der von ihnen zu erbringenden Leistungen zu treffen. Insbesondere in Anbetracht der vom Betriebsrat angesprochenen und von der Arbeitgeberin als Anl. Ast 9 vorgelegten Aktivitäten-Protokolls KW 40/2019 ist das von den Mitarbeitern anzuwendende Verhalten und der von ihm einzuschlagende Weg ohne erkennbare Entscheidungsspielräume detailliert vorgegeben. Sowohl der einzuhaltende Prozess als auch dessen Ergebnis sind kleinteilig beschrieben und vorgegeben.
121
Auch hinsichtlich der Gewährung von Nachlässen bei Reklamationen oder bei einem Mangel ist ersichtlich ein detailliert geregelter Genehmigungsprozess einzuhalten, dessen Ergebnis im Wesentlichen vorgegeben ist. Die von der Arbeitgeberin aufgezeigte Entscheidungsbefugnis der KST-Mitarbeiter beschränkt sich auf einen eng umgrenzten Ausnahmefall bei einem Warenwert von maximal 15 Euro. Insoweit ist eine die Tätigkeit der Mitarbeiter prägende Selbständigkeit sowohl hinsichtlich des einzuschlagenden Weges als auch des zu findenden Ergebnisses nicht erkennbar.
122
Auch in Zusammenhang mit Reservierungen bei Waren, die auf Wunsch von Kunden zurückgelegt oder die online bestellt wurden, ist eine Entscheidungsbefugnis über den einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis nicht zu erkennen. Die in diesem Zusammenhang erforderliche Prüfung der Legitimation des Kunden durch den KST-Mitarbeiter ist keine selbständige Tätigkeit im aufgezeigten Sinn. Zudem bestehen auch diesbezüglich kleinteilige Vorgaben.
123
Gleiches gilt für den Gutschein-Verkauf und die Aktivitäten hinsichtlich der Kundenkarte.
124
Unabhängig von dem durch die Arbeitgeberin aufgezeigten Umstand, dass die KST Mitarbeiter auch schon vor Umstellung von Payback auf die eigene Kundenkarte das Bewerben einer Kundenkarte bzw. den Verkauf von Gutscheinkarten üblicherweise ausgeübt haben, lässt der Sachvortrag des Betriebsrates keine Entscheidungsbefugnis über den einzuschlagenden Weg oder das Ergebnis der Arbeitsleistung erkennen. Die vom Betriebsrat angesprochene Erforderlichkeit verkäuferischen Geschicks mag eine insoweit erforderliche Qualifikation darstellen, eine Selbständigkeit im aufgezeigten Sinne vermag sie nicht zu begründen.
125
Der Vortrag des Betriebsrats in Zusammenhang mit den Omnichannel-Services, wonach umfassende Kenntnisse der Mitarbeiter im Bereich der Preisgestaltung erforderlich seien, erweckt auf den ersten Blick den Eindruck, dass mit einer derartigen Preisgestaltung ein aktives Tätigwerden mit einer Entscheidungsbefugnis sowohl hinsichtlich des einzuschlagenden Weges als auch des zu findenden Ergebnisses einhergehe. Jedoch ergibt sich bei näherem Hinsehen bereits aufgrund des - auch vom Betriebsrat angesprochenen - Umstandes, dass insoweit wiederum kleinteilige und detaillierte Vorgaben zur Handhabung „Preisanpassung bei Omnicannel-Services“ existieren, dass eine ausreichende Entscheidungsbefugnis über den einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis auch hier nicht eröffnet sind.
126
Ebenso wenig vermag der Hinweis des Betriebsrates auf weitere Aufgaben der Mitarbeiter KST, insbesondere Internetbestellungen, Ausstellung von Taxfree-Belegen, Rücknahme von defekten Waren sowie Erforderlichkeit von Fremdsprachenkenntnissen, eine Selbständigkeit der Tätigkeit der Mitarbeiter zu begründen.
127
Taxfree kann nach den - vom Betriebsrat in Weiterem unwidersprochenen - Darlegungen der Arbeitgeberin wie bisher an jeder Kasse ausgedruckt werden, wobei der Ausdruck und die Unterzeichnung keinerlei Selbständigkeit in der Findung eines Weges und eines Ergebnisses eröffnen.
128
Auch die von der Arbeitgeberin angesprochenen Warenrücknahmen und die in diesem Zusammenhang erforderliche Kenntnis der Mitarbeiter von Aktionen und Prospekten begründet keine eigene Entscheidungsbefugnis.
129
Zudem ist hinsichtlich der Abwicklung von Internetbestellungen weder aus dem Sachvortrag des Betriebsrats noch sonst ein ausreichendes Maß an eigener Entscheidungsbefugnis der Mitarbeiter erkennbar.
130
Außerdem mag die vom Betriebsrat behauptete Erforderlichkeit von Fremdsprachenkenntnissen für die Ausübung der Tätigkeit der Mitarbeiter KST förderlich sein; selbst im Falle der - vom Betriebsrat ohne weiteren konkretisierenden Sachvortrag behaupteten oder belegten - Erforderlichkeit von Fremdsprachenkenntnissen wäre eine Selbständigkeit der Tätigkeit im Sinne einer gewissen eigenen Entscheidungsbefugnis nicht eröffnet.
131
Schließlich vermag auch der Umstand, dass für die meisten Aufgaben der Mitarbeiter KST detaillierte und kleinteilige Vorgaben existieren, insbesondere in Gestalt des Schlagwortregisters (Anl. Ast 5), des Arbeitshandbuches isi Kassierer/-in (Ast 6) und des Benutzerhandbuches isi Kassieren (Anl. Ast 7), eine für das allgemeine Tatbestandsmerkmal „selbständig“ ausreichende eigene Entscheidungsbefugnis der Mitarbeiter hinsichtlich des zur Erbringung ihrer Leistungen jeweils einzuschlagenden Weges und des zu findenden Ergebnisses und somit eine gewisse Eigenständigkeit des Aufgabenbereiches nicht zu begründen. Zwar vermag die Notwendigkeit, eine Vielzahl von Fallvarianten, Verfahrensabschnitten und vorgegebenen Ergebnissen erbringen zu müssen, zu bewirken, dass die Tätigkeit der Mitarbeiter KST mit einer höheren Anspannung und Konzentration verbunden sein mag, als dies ohne die Existenz derart kleinteiliger Vorgaben der Fall wäre. Diese Umstände mögen zwar die Arbeit der Mitarbeiter erschweren und auch ein gewisses Maß an intellektueller Aufnahmefähigkeit voraussetzen, haben aber mit der Selbständigkeit der Tätigkeit nichts zu tun.
132
Es handelt sich vielmehr um einfache kaufmännische Tätigkeiten im Sinne der Beschäftigungsgruppe II. Auch aus der Bündelung und Konzentrierung einer Vielzahl einfacher kaufmännischer Tätigkeiten erwächst bei Fehlen ausreichender Entscheidungsspielräume keine Selbständigkeit der Tätigkeit im Sinne der Beschäftigungsgruppe III.
133
2. Nach alledem bleibt festzuhalten, dass es sich bei der Tätigkeit der Mitarbeiter im Kassenserviceteam nicht um selbständige Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen im Sinne der BG 3 handelt, sondern vielmehr um einfache kaufmännische Tätigkeiten im Sinne der BG 2.
134
Dies bestätigt sich auch durch das von den Tarifpartnern im Rahmen der BG 2 genannte Beispiel „Kassierer/-in mit einfacher Tätigkeit“.
135
Die Arbeitgeberin hat somit die im vorliegenden Verfahren betroffenen Mitarbeiter im Kassenserviceteam zutreffend in BG 2 des Lohn- und Gehaltstarifvertrages Bayer. Einzelhandel eingruppiert. Sie hat insbesondere nicht gegen den Tarifvertrag verstoßen, weil sie das tarifliche Regelwerk durch Nichteingruppierung dieser Mitarbeiter in BG 3 verletzt hätte. Dem Betriebsrat stand daher weder der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 noch ein sonstiger Verweigerungsgrund zur Seite.
136
Die vom Betriebsrat grundlos verweigerte Zustimmung war daher auf Antrag der Arbeitgeberin nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen.
III.
137
Die Erstkräfte-Kasse, die Mitarbeiter … und …, sind von der Arbeitgeberin zutreffend in Beschäftigungsgruppe III eingruppiert, weil es sich bei ihnen um Angestellte mit selbständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen handelt. Der Anwendungsbereich des Regelbeispiels der Beschäftigungsgruppe IV ist nicht eröffnet. Weder greifen konkrete Tarifbeispiele noch liegen die allgemeine Tätigkeitsmerkmale vor. Es handelt sich nicht um Angestellte mit selbständiger und verantwortlicher Tätigkeit.
138
1. … und … in ihrer Eigenschaft als Kassenerste sind nicht Substitut oder Substitutin im Sinne des Regelbeispiels zu BG 4.
139
Substitute sind in der Regel Vertreter des Abteilungs- bzw. Filialleiters (LAG Düsseldorf vom 27.04.2018, - 6 Ta BV 80/17; LAG Düsseldorf vom 13.01.2011 - 11 Sa 988/09; Wikipedia, Abruf vom 09.06.2020).
140
Selbst bei Zugrundelegung des Sachvortrages des Betriebsrates, wonach die Erstkräfte Kasse gegenüber den Mitarbeitern KST weisungsbefugt seien und die Kassenaufsicht führten, ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sie nach der Betriebshierarchie oder dem Organigramm der Beklagten zur Stellvertretung eines Abteilungsleiters befugt wären.
141
2. Ebenso wenig ist das Richtbeispiel einer Kassen- oder Etagenaufsicht einschlägig.
142
a) Der Begriff einer Etagenaufsicht oder gar einer Etagenkasse ist für den Betrieb der Arbeitgeberin vorliegend nicht einschlägig. Dies würde voraussetzen, dass die Tätigkeit von … und … Kassen beträfe, die nur über eine jeweilige Etage des Betriebes und der dortigen Verkaufs- und Kassiervorgänge zuständig wären. Dem gegenüber ist das Kassensystem nach dem - zwischenzeitlich übereinstimmenden - Sachvortrag der Beteiligten so gestaltet, dass in drei Etagen jeweils ein Kassenblock mit vier Kassen, d.h. in Summe 12 Kassen besteht, an denen der Kunde unterschiedslos Waren aus dem ganzen Kaufhaus bezahlen oder sonstige diesbezügliche Kassenleistungen in Anspruch nehmen kann.
143
b) Auch das Richtbeispiel einer „Kassenaufsicht“ ist entgegen der Auffassung des Betriebsrates nicht gegeben.
144
Die Tarifvertragsparteien haben nicht definiert, was unter einer Kassenaufsicht zu verstehen ist. Vom Wortverständnis her umfasst dies die Kontrolle sämtlicher Kassenvorgänge. Dies umfasst insbesondere die Einsatzplanung der Kassierer und Sicherstellung der ordnungsgemäßen Funktionen. Die Wertigkeit der Tätigkeit einer Kassenaufsicht ist im Wesentlichen geprägt durch die von dem Mitarbeiter/-in zu tragende Verantwortung (LAG Düsseldorf vom 27.04.2018 - 6 Ta BV 80/17, bestätigt in BAG vom 13.11.2019 - 4 ABR 48/11).
145
Zwar ergeben sich aus der Stellenbeschreibung „Erstkraft Kasse“ der Arbeitgeberin kassenaufsichtliche Teilaufgaben. So ist in Nr. 1.3. geregelt, dass die Erstkraft „Anweisungen“ erteilt; unter 1.4.1. ist u.a. vorgesehen, dass die Erstkraft den Personaleinsatz koordiniert und zusammen mit dem Abteilungsleiter Kontrollen (Kassendifferenzen, Frequenzanalysen) in den einzelnen Bereichskassen durchführt (Bl. 25 f., Bl. 29 d.A.).
146
Jedoch ergibt sich weder aus dem Sachvortrag des Betriebsrats noch sonst, dass diese kassenaufsichtlichen Teilfunktionen die gesamte Tätigkeit der beiden Erstkräfte prägt. Überdies schränkt bereits die genannte Stellenbeschreibung „Erstkraft Kasse“ die aufsichtlichen Aufgabenteile der Erstkräfte dadurch ein, dass die Anweisungserteilung „im Rahmen der vom Abteilungsleiter übertragenen Befugnisse“ (1.3.), die Koordinierung des Personaleinsatzes „unterstützend“ erfolgt (1.4.1.) und die Kontrollen „zusammen mit dem Abteilungsleiter“ durchzuführen sind (1.4.1.).
147
Das für eine Kassenaufsicht erforderliche Maß an Verantwortung ist insoweit nicht erfüllt.
148
2. Der Anwendungsbereich Beschäftigungsgruppe IV ist auch nach der Beschreibung der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale nicht eröffnet. Diese setzen „Angestellte mit selbständiger und verantwortlicher Tätigkeit“ voraus.
149
a) Bei den von der Erstkraft Kasse zu erfüllenden Aufgaben handelt es sich um selbständige Tätigkeit, wie sie sowohl nach den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen der Beschäftigungsgruppe IV als auch denjenigen der Beschäftigungsgruppe III vorausgesetzt wird.
150
Die Tätigkeit der Erstkräfte beinhaltet eine gewisse eigene Entscheidungsbefugnis über den zur Erbringung seiner Leistungen jeweils einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis.
151
Zur Erfüllung der Wertigkeit einer Tätigkeit nach Beschäftigungsgruppe IV muss es sich darüber hinaus um eine „verantwortliche“ Tätigkeit handeln.
152
Verantwortung ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Pflicht und Bereitschaft, für seine Handlung einzustehen und ihre Folgen zu tragen (Wahrig, Rechtswörterbuch). Unter der mit einer bestimmten Stelle oder Aufgabe verbundenen Verantwortung ist die Verpflichtung zu verstehen, der jeweiligen Stellung oder Aufgabe entsprechend dafür zu sorgen, dass innerhalb eines bestimmten Rahmens oder Lebensbereiches alles einen guten, sachgerechten und geordneten Verlauf nimmt. Die Verantwortlichkeit eines Angestellten bedeutet, dass er dafür einstehen muss, dass in dem ihm übertragenen Arbeitsbereich die dort zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsgemäß ausgeführt werden. Dabei kann sich je nach Lage des Einzelfalles die tariflich geforderte Verantwortung des Angestellten auf andere Mitarbeiter beziehen (BAG vom 29.01.1986, 4 AZR 465/84 Rn. 104; BAG vom 19.03.1986 - 4 AZR 642/84).
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b) Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich vorliegend bei der Tätigkeit der Erstkräfte Kasse zwar um selbständige, nicht aber um verantwortliche Tätigkeit im Sinn der Beschäftigungsgruppe IV.
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aa) Bereits aus der Stellenbeschreibung der Arbeitgeberin ergibt sich (wie oben B III 2 b aufgezeigt), dass die Erstkraft ihre Aufgaben lediglich „in Abstimmung mit dem Vorgesetzen wahrnimmt (Nr. 1.4 am Ende), ihn „unterstützt“ (1.5), dem Vorgesetzten „Vorschläge macht“ (1.5) und zusammen mit dem Abteilungsleiter Kontrollen durchführt (1.4.1).
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Vor allem aber ist nach dem unwidersprochenen Vortrag der Arbeitgeberin in der Filiale … der kaufmännische Leiter, …, mit der Aufgabe der Leitung und Führung des Kassenserviceteams betraut. Er nimmt insoweit u.a. die Funktion der Leitung und Führung des Kassenteams sowie die Verantwortung und Durchführung der Personaleinsatzplanung wahr. Zwar hat der Betriebsrat dem entgegengehalten, dass die Leitung und Führung des Kassenteams tatsächlich von den Erstkräften … und … ausgeführt würden und allein die Planungsaufgaben 40 % der gesamten Arbeitszeit der Erstkräfte ausmachten. Diese träfen die Entscheidung, wer an welche Kasse gesetzt würde, erstellten die grobe Personalplanung für den jeweiligen Monat und berücksichtigten dabei individuelle Arbeitszeitwünsche der Mitarbeiter; sie seien ferner zuständig für die Einteilung der Pausen und die Reaktion auf Ausfälle durch Krankheit oder erhöhten Personalbedarf.
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Selbst diese vom Betriebsrat vorgetragenen Umstände vermögen nicht das für eine Eingruppierung in Beschäftigungsgruppe IV erforderliche Maß an Verantwortlichkeit aufzuzeigen. Verantwortung im oben aufgezeigten Bedeutungsinhalt beinhaltet nicht nur die Pflicht, dafür einstehen zu müssen, dass der Angestellte selbst die zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsgemäß ausführt. Vielmehr erstreckt sich die Verantwortung im gegebenen Fall auch und gerade auf die Tätigkeit anderer untergebener Mitarbeiter. Selbst das vom Betriebsrat vorgetragene hohe Maß an Mitwirkung der Erstkräfte im Rahmen saisonal planerischer aufsichtlicher und kontrollierender Tätigkeiten vermag nichts daran zu ändern, dass nach der Organisation und Verteilung der Verantwortlichkeiten im Rahmen seiner Betriebshierarchie die Erstkräfte lediglich zuarbeitende und vorbereitende Aufgaben erbringen, wohingegen ausschließlich der kaufmännische Leiter die Verantwortung für die sachgerechte, pünktliche und vorschriftsgemäße Ausführung der Aufgaben seines Zuständigkeitsbereiches - auch unter Einbeziehung der vorbereitenden Tätigkeiten der Erstkräfte - zu tragen hat.
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bb) Auch die weiter vom Betriebsrat vorgetragenen Umstände vermögen nicht eine für die Eröffnung der Beschäftigungsgruppe IV vorauszusetzende Verantwortlichkeit der Tätigkeit zu begründen.
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Die Teilnahme der Erstkräfte an den wöchentlichen Besprechungen der Abteilungsleiter begründet weder eine (Mit-) Entscheidungsbefugnis noch eine Verantwortlichkeit. Über den von der Arbeitgeberin insoweit vorgetragenen Umstand hinaus, wonach die Teilnahme der Erstkräfte zur Erfassung und Planung anstehender Aufgaben erforderlich sei, hat der Betriebsrat weitere aus dieser Teilnahme resultierende Befugnisse zur selbständigen Entscheidung oder zur Verantwortungstragung nicht aufgezeigt.
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Auch die vom Betriebsrat vorgetragene Zuständigkeit der Erstkräfte für das Wechselgeld, Kassenstürze und Abschöpfungen begründet selbst bei Unterstellung des Zutreffens dieses Vortrages nicht die diesbezügliche Verantwortlichkeit der Erstkräfte. Zudem bestehen in Anbetracht des Vortrages der Arbeitgeberin, die KST Mitarbeiter seien selbst zuständig für die ordnungsgemäße Kassenabrechnung, Kassenstürze und Abschöpfungen, Zweifel an der diesbezüglichen Zuständigkeit und Verantwortlichkeit der Erstkräfte.
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Die vom Betriebsrat vorgetragene Aufgabe der Erstkräfte, gegenüber den Mitarbeitern KST dafür zu sorgen, dass private Gegenstände der Mitarbeiter wie Taschen und Mobiltelefone nicht im Kassenbereich aufbewahrt werden und die Mitarbeiter nicht im Kassenbereich essen oder trinken, stellt mit der zutreffenden Ansicht der Arbeitgeberin nicht eine selbständige und verantwortliche Tätigkeit dar, sondern lediglich die Umsetzung der Betriebsordnung.
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Nach alledem bleibt festzuhalten, dass es sich bei der Tätigkeit der Erstkräfte Kasse mangels Verantwortlichkeit nicht um eine selbständige und verantwortliche Tätigkeit im Sinne der Beschäftigungsgruppe IV handelt. Vielmehr hat die Arbeitgeberin die Erstkräfte Kasse zutreffend in Beschäftigungsgruppe III eingruppiert, weil es sich um Angestellte mit selbständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen handelt. Ein den Betriebsrat zur Verweigerung der Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 Betr.VG berechtigender Verstoß gegen tarifliche Vorschriften liegt nicht vor.
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Die fehlende Zustimmung des Betriebsrates war daher auf Antrag der Arbeitgeberin nach § 99 Abs. 4 BetrVG auch für die Erstkräfte Kasse … und … zu ersetzen.
C.
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Eine Kostenentscheidung bedarf es wegen des Grundsatzes der Kostenfreiheit des Beschussverfahrens nicht.