Inhalt

SG München, Urteil v. 20.11.2020 – S 8 AS 2674/16
Titel:

Kein SGB II-Leistungsausschluss einer italienischen Staatsangehörigen

Normenketten:
SGB II § 7 Abs. 1 S. 2
EUFreizügigG § 2 Abs. 1, Abs. 3
Leitsätze:
1. Eine Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist nicht als freiwilliger Arbeitsverlust i. S. d. § 2 Abs. 3 FreizügigG/EU anzusehen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch eine geringfügige Tätigkeit kann ausreichend sein, um einen europarechtlichen Arbeitnehmerstatus zu verleihen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Begriff des Arbeitnehmers ist europarechtlich geprägt. Es kommt nicht darauf an, ob das erzielte Einkommen das Existenzminimum deckt. (Rn. 30 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Sinn und Zweck der freizügigkeitsrechtlichen Bestimmungen gebieten es, auch geringfügige Beschäftigungen und sog. Minijobs als echte Arbeitsverhältnisse im Sinne des Freizügigkeitsrechts zu qualifizieren. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Freizügigkeit, EU-Bürgerin, geringfügige Beschäftigung, Arbeitnehmerstatus, Arbeitsverhältnis, Existenzminimum
Fundstelle:
BeckRS 2020, 45771

Tenor

I. Der Ablehnungsbescheid vom 03.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2016 wird aufgehoben, und der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01.07.2016 bis zum 31.01.2017 SGB-II-Leistungen in folgender Höhe zu gewähren:
- für Juli 2016: 912,79 Euro
- für August 2016: 867,73 Euro
- für September 2016: 764,72 Euro
- für Oktober 2016: 931,86 Euro
- für November 2016: 964,00 Euro
- für Dezember 2016: 964,00 Euro
- für Januar 2017: 969,00 Euro.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten darum, ob der Klägerin (EU-Bürgerin mit italienischer Staatsbürgerschaft) für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis zum 31.01.2017 (entgegen dem streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid vom 03.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.10.2016) SGB-II-Leistungen, hilfsweise SGB-XII-Leistungen zu gewähren sind.
2
Die Klägerin ist italienische Staatsbürgerin. Sie arbeitete zunächst in ihrem Beruf als Goldschmiedin in Deutschland vom 04.02.2014 bis zum 30.11.2014 und erneut vom 09.11.2015 bis zum 31.12.2015. Dieses Beschäftigungsverhältnis wurde noch in der Probezeit beendet. Bis zum 30.06.2016 bejahte der Beklagte den europarechtlichen Arbeitnehmerstatus der Klägerin und gewährte ihr (hier nicht streitgegenständlich) SGB-II-Leistungen für die Zeit vom 01.01.2016 bis 30.06.2016 in Höhe von 964 Euro monatlich, davon 560 Euro (volle) Kosten der Unterkunft und 404 Euro Regelbedarf.
3
Einen ersten Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab dem 01.07.2016 lehnte der Beklagte mit nicht streitgegenständlichem und bestandskräftigem Bescheid vom 08.06.2016 zunächst ab.
4
Ab 01.07.2016 arbeitete die Klägerin neben einem Sprachkurs in einem Minijob bei der Firma E. (Bäckereikette) zu einem Stundenlohn von 9,58 Euro und stellte am 27.07.2016 erneut Antrag auf SGB-II-Leistungen. Das Arbeitsverhältnis bei der Firma E. war von Beginn an bis 31.12.2016, also auf 6 Monate, befristet.
5
Das Gehalt aus der Tätigkeit bei der Firma E. floss der Klägerin jeweils im gleichen Monat in folgender Höhe für die jeweils im Folgenden genannte Stundenzahl zu:
Juli 2016 164,01 Euro
17,12 Stunden/Monat (durchschn. 4,00h/Woche)
August 2016 220,34 Euro
23,00 Stunden/Monat (durchschn. 5,35 h/Woche)
September 2016 349,10 Euro
36,44 Stunden/Monat (durchschn. 8,47 h/Woche)
Oktober 2016 140,16 Euro nachbezahlt für Fehltage September; im Oktober wurden keine Stunden mehr erbracht.
6
Zum 02.11.2016 kündigte die Firma E. den Minijob der Klägerin. Die Bestätigung der Unfreiwilligkeit dieser Arbeitslosigkeit durch die Agentur für Arbeit erfolgte während des vorliegenden Klageverfahrens mit Bescheinigung vom 20.03.2019.
7
Ab dem 01.02.2017 war die Klägerin wieder beschäftigt.
8
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 03.08.2016 lehnte der Beklagte einen erneuten Antrag der Klägerin auf Gewährung von SGB-II-Leistungen (vom 27.07.2016) für die Zeit ab dem 01.07.2016 - ohne Nennung eines Enddatums - ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf SGB-II-Leistungen. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Nach Gemeinschaftsrecht gelte als Arbeitnehmer, wer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses während einer bestimmten Zeit eine tatsächliche, echte und nicht nur untergeordnete oder unwesentliche Tätigkeit für einen anderen nach dessen Weisung ausübe (EuGH v. 04.06.2009 - C -22/08, BVerwG 1 C 10.11 vom 19.04.2012 Rz. 16 und FH der BA zu § 7 SGB II Punkt 2.4.3.). Die geringfügige Tätigkeit der Klägerin erfülle diese Voraussetzungen nicht.
9
Mit Datum 08.08.2016 findet sich folgender Aktenvermerk in der Verwaltungsakte: „Kundin spricht zusammen mit Berater in der EZ vor und hat Fragen zum Ablehnungsbescheids (Arbeitnehmerstatus - muss mehr als 7,5 h / Woche arbeiten). Frau A. gibt an, falsch beraten worden zu sein. Kundin gebeten, einen Widerspruch zu schreiben und persönlich bei uns in der EZ abzugeben. Dies wollte sie nicht. Frau A. über die gesetzlichen Vorgaben informiert. Berater gibt an, dass sie sich an den Sozialdienst wenden, da sie ihren Lebensunterhalt bestreiten kann [sic]. Info weiter an zuständigen LSB
10
Mit Schreiben vom 11.08.2016 legte die Klägerin Widerspruch gegen den streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid vom 03.08.2016 ein. Da sie seit dem 06.06.2016 jeden Werktag einen Sprachkurs der Europäischen Union zur Integration belege, habe ihr ein Mitarbeiter des Jobcenters (ca. am 10.06.2016) angeraten, einen Minijob mit einem Einkommen von mindestens 102 Euro zu organisieren. Seit dem 23.06.20216 arbeite sie nun parallel dazu ein- bis zweimal wöchentlich inklusive unbezahlter Einarbeitung. Sie habe also das getan, was von ihr verlangt worden sei. Die damalige Bevollmächtigte der Klägerin ergänzte die Widerspruchsbegründung in der Folge dahingehend, dass die Klägerin EU-Bürgerin sei und geringfügig beschäftigt, daneben besuche sie einen Sprachkurs/Integrationskurs. Der Klägerin seien daher umgehend Leistungen zu bewilligen.
11
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2016 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid als unbegründet zurück. Die Klägerin habe ein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche, § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Die Klägerin absolviere einen Sprachkurs. Die geringfügige Beschäftigung bei der Firma E. sei eine völlig untergeordnete bzw. unwesentliche Tätigkeit, dies folge aus der Bezügeabrechnung für den Monat Juli 2016, nach der im Monat nur 17,12 Arbeitsstundengeleistet worden seien und nur ein Lohn von 164,01 Euro geflossen sei. Das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11.12.1953 (BGBl 1965,564) sei nach Erklärung des Vorbehalts bezüglich der Leistungen nach dem SGB II durch die Regierung der BRD vom 19.12.2011 seit diesem Zeitpunkt für Leistungen nach dem SGB II nicht mehr anspruchsbegründend. Die Wirksamkeit dieses Vorbehalts sei vom BSG mit Urteil vom 03.12.2015 endgültig bestätigt worden.
12
Noch vor Erlass des Widerspruchsbescheids hatte die Klägerin am 18.10.2016 Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zum Sozialgericht München gestellt. Mit Beschluss vom 08.11.2016 verpflichtete die 50. Kammer des Sozialgerichts München den Beklagten in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Az. S 50 AS 2464/16 ER) einstweilen, der Klägerin vorläufig SGB-II-Leistungen für November 2016 bis Januar 2017 (3 Monate) 842,80 Euro monatlich zu gewähren. Zur Begründung führte die 50. Kammer des Sozialgerichts München aus, bis jedenfalls einschließlich September 2016 habe aufgrund der geringfügigen Beschäftigung der Klägerin ein Arbeitsnehmerstatus der Klägerin im europarechtlichen Sinne vorgelegen. Ob sie danach freiwillig oder unfreiwillig ihren Arbeitnehmerstatus verloren habe, könne im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht geklärt werden, weshalb der Klägerin vorläufig SGB-II-Leistungen zu gewähren seien, jedoch unter Berücksichtigung eines nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässigen Abschlags in Höhe von 30% gegenüber dem tatsächlichen monatlichen Gesamtbedarf.
13
Am 14.11.2016 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München gegen die Ablehnung von SGB II-Leistungen ab dem 01.07.2016 mit Ablehnungsbescheid vom 03.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.10.2016 erhoben. Die Klägerin habe aufgrund ihrer Beschäftigung bei der Firma E. ab Juli 2016 einen europarechtlichen Arbeitnehmerstatus erworben, und dieser dauere aufgrund des unfreiwilligen Arbeitsverlustes auch noch fort. Die Klägerin sei nicht allein zum Spracherwerb in Deutschland.
14
Die Klägerin beantragt sinngemäß
1. den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 03.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.10.2016 zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 01.07.2016 bis zum 31.01.2017 SGB-II-Leistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren, sowie
2. hilfsweise, die Beigeladene zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 01.07.2016 bis zum 31.01.2017 SGB-XII-Leistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
15
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
16
Zur Begründung trägt der Beklagte vor, die Beschäftigung der Klägerin bei der Firma E. reiche nicht für einen europarechtlichen Arbeitnehmerstatus aus. Es handele sich um eine völlig untergeordnete Tätigkeit. Das Einkommen habe im Juli 2016 nur 164 Euro betragen. Die Klägerin habe doch selbst im Widerspruch geschrieben, sie mache hauptsächlich den Sprachkurs und sie habe die Tätigkeit doch nur aufgenommen habe, um die Mindestvoraussetzungen zu erfüllen. Die Hauptbeschäftigung der Klägerin sei der Sprachkurs gewesen. Außerdem habe sie nur von Juli bis September 2016 und damit nur 3 Monate gearbeitet. Sie habe auch nur ein- bis zweimal die die Woche gearbeitet. Insgesamt habe sie letztlich nur etwas mehr als sechs Stunden pro Woche durchschnittlich „ausgeholfen“. Das Durchschnittsgehalt habe bei nur 245,00 Euro monatlich gelegen. Der EuGH selbst (ohne Fundstelle) setze für einen europäischen Arbeitnehmerstatus mindestens 8 bis 10 Wochenstunden voraus, das sei hier nicht erfüllt. Der EuGH sage weiterhin (ohne Fundstelle, aber mit Fundstellen zweier Landessozialgerichte: LSG NRW 07.11.2007 - L 20 B 184/07 AS ER; LSG Berlin-Brandenburg 14.11.2006 - L 14 B 963/06 AS ER), es sei ein Monatslohn von mindestens 200 bis 400 Euro erforderlich, um einen europarechtlichen Arbeitnehmerstatus zu bejahen. Außerdem sei die Aushilfsbeschäftigung der Klägerin von vornherein auf 6 Monate befristet gewesen. Verliere ein Arbeitnehmer unfreiwillig sein Arbeitsverhältnis nach weniger als einem Jahr, so könne sein Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügigG zwar bei entsprechender Bestätigung durch die BA erhalten bleiben. Hier habe die Klägerin aber von vornherein nur ein auf 6 Monate befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen. Dann könne der Arbeitsverlust gar nicht unfreiwillig sein, da das Arbeitsverhältnis ja bereits von Beginn an auf einen freiwilligen Arbeitsverlust vor dem Ablauf eines Jahres angelegt sei. Dies gelte erst recht, wenn dann noch vor Ablauf der Befristung gekündigt werde, auch wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu diesem früheren Zeitpunkt dann unfreiwillig sei.
17
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie vertritt die Ansicht, die Klägerin habe aufgrund ihrer geringfügigen Beschäftigung bei der Firma E. einen Arbeitnehmerstatus erworben, der wegen des unfreiwilligen Verlustes der Beschäftigung auch über den Oktober 2016 hinaus fortwirke.
18
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogene Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.
20
Streitgegenstand ist die Gewährung von SGB-II-Leistungen für den Zeitraum 01.07.2016 bis 31.01.2017 entgegen dem Ablehnungsbescheid vom 03.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.10.2016.
21
Die Anfechtungs- und Leistungsklage ist form- und fristgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig.
22
Die Klage ist auch begründet. Der Ablehnungsbescheid vom 03.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.10.2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat für die Zeit vom 01.07.2016 bis 31.01.2017 einen Anspruch auf Gewährung von SGB-II-Leistungen in gesetzlicher Höhe und damit im tenorierten Umfang.
23
Die Kammer weist ausdrücklich darauf hin, dass die bereits aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 08.11.2016 (Az. S 50 AS 2464/16 ER) im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig an die Klägerin ausbezahlten SGB-II-Leistungen auf die laut Urteilstenor bewilligten Leistungen anzurechnen sind.
24
Die Klägerin ist im streitgegenständlichen Zeitraum grundsätzlich nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II leistungsberechtigt, da sie das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hat (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) ist und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (Nr. 4).
25
Die Klägerin ist auch nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der bis zum 28.12.2016 geltenden Fassung oder nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b) in der ab dem 29.12.2016 geltenden Fassung (textidentisch) von der Leistungsberechtigung nach dem SGB II ausgenommen. Nach dieser Ausnahmeregelung sind vom SGB-II-Leistungsbezug ausgenommen Ausländerinnen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Die Klägerin hat ihr Aufenthaltsrecht für die Zeit vom 01.07.2016 bis zum 31.01.2017 jedoch nicht allein zum Zwecke der Arbeitssuche. Vielmehr hat sie ihr Aufenthaltsrecht aufgrund des Umstandes, dass sie wegen ihrer geringfügigen Beschäftigung bei der Firma E. Arbeitnehmerin im europarechtlichen Sinne ist (01.07.2016 bis einschließlich 02.11.2016) bzw. dieser Arbeitnehmerstatus bis über das Ende des hier streitigen Zeitraums fortwirkt (ab dem 03.11.2016), § 2 Abs. 2 und Abs. 3 Gesetz über die Allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügigG/EU).
26
Nach § 2 Abs. 1 FreizügigG/Eu haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger das Recht auf Einreise und Aufenthalt. Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind unter anderem nach § 2 Abs. 2 Satz 1 FreizügigG/EU Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 FreizügigG/EU bleibt das Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 1 FreizügigG/EU für Arbeitnehmer unberührt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Tätigkeit. War der Unionsbürger weniger als ein Jahr erwerbstätig und wird dann unfreiwillig arbeitslos, bleibt ihm nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügigG/EU das Freizügigkeitsrecht für die Dauer von sechs Monaten erhalten, sofern die zuständige Agentur für Arbeit die unfreiwillige Arbeitslosigkeit bestätigt.
27
Vorliegend wurde die Bestätigung der zuständigen Agentur für Arbeit im Klageverfahren vorgelegt. Danach war der Verlust der Arbeit zum 03.11.2016 bei der Firma E. unfreiwillig. Die Argumentation des Beklagten, der Verlust der Arbeit könne gar nicht unfreiwillig sein, wenn von vornherein wie vorliegend nur ein befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen worden sei, kann nicht überzeugen. Denn zum einen ist die Feststellung der Agentur für Arbeit hinsichtlich der Freiwilligkeit des Arbeitsverlustes schon nach dem Gesetzeswortlaut von § 2 Abs. 3 FreizügigG/EU konstitutiv und kann nicht durch Feststellungen des Gerichts ersetzt werden. Zum anderen hat mittlerweile auch das Bundessozialgericht (Urteil vom 17.03.2016, B 4 AS 32/15 R) klargestellt, dass eine Befristung eines Arbeitsverhältnisses nicht als freiwilliger Arbeitsverlust im Sinne des § 2 Abs. 3 FreizügigG/EU anzusehen ist. Der Verlust der Arbeit der Klägerin zum 03.11.2016 ist damit als unfreiwillig anzusehen.
28
Die geringfügige Tätigkeit der Klägerin bei der Firma E. vom 01.07.2016 bis einschließlich 02.11.2016 ist auch als ausreichend anzusehen, um der Klägerin für diese Zeit einen europarechtlichen Arbeitnehmerstatus (sowie ab dem 03.11.2016 sechs Monate - und damit auch bis zum Ende des hier streitigen Zeitraums bis zum 31.01.2017 - eine Fortwirkung dieses Status im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügigG/EU) zu verleihen.
29
Bereits im Urteil vom 04.06.2009 (C-22/08, C-23/08: Vatsouras, Koupatantze, Leitsatz 1) hat der EuGH dabei klargestellt: Unabhängig von der begrenzten Höhe der Vergütung und der kurzen Dauer der Berufstätigkeit, wie zB die kurze und nicht existenzsichernde geringfügige Beschäftigung des Beschäftigten oder die wenig mehr als einen Monat dauernde Beschäftigung, lässt sich nicht ausschließen, dass diese Berufstätigkeit aufgrund einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses von den nationalen Stellen als tatsächlich und echt angesehen werden kann und somit erlaubt, dem Beschäftigten die Arbeitnehmereigenschaft iS von Art. 39 EG zuzuerkennen. Der Begriff „Arbeitnehmer“ iS von Art. 39 EG ist insoweit ein Begriff des Gemeinschaftsrechts, der nicht eng auszulegen ist. Als „Arbeitnehmer“ ist jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält.
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In Ausfüllung dieses europarechtlichen Rahmens führt das Bundessozialgericht (Urteil vom 03. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 26) aus: Der Begriff des Arbeitnehmers in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ist, wie die Wortverbindung in dessen Nr. 1 zum FreizügG/EU bereits zeigt, ebenfalls europarechtlich geprägt; durch dieses Gesetz wird die die Freizügigkeitsrechte der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen innerhalb der Union regelnde RL 2004/38/EG - auf Grundlage der Europäischen Verträge - in das nationale Recht umgesetzt (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl 2013, Vorbemerkung 0.1.2 zum Freizügigkeitsgesetz/EU). Eine kodifizierte Definition des Arbeitnehmerbegriffs findet sich im Europarecht zwar nicht. Es ist daher auf die Ausprägung dessen zurückzugreifen, die er auf Grundlage der Rechtsprechung des EuGH erfahren hat. Die Arbeitnehmereigenschaft wird danach bei der Ausübung einer tatsächlichen und echten Tätigkeit als gegeben angesehen, was gestützt auf objektive Kriterien und in einer Gesamtbetrachtung aller Umstände, die die Art der in Rede stehenden Tätigkeiten und des fraglichen Arbeitsverhältnisses betreffen, festzustellen ist (EuGH Rs Ninni-Orasche vom 6.11.2003 - C-413/01 RdNr. 24; EuGH vom 21.2.2013 - C-46/12 RdNr. 39 ff; Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl 2013, § 2 FreizügG/EU RdNr. 37; Tewocht in Beck'scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 9. Edition, Stand XI/2015, § 2 FreizügG/EU RdNr. 18 ff). Um Arbeitnehmer zu sein, muss die betreffende Person während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringen, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Dabei sind nicht nur Gesichtspunkte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrags in der jeweils gültigen Fassung auf den Arbeitsvertrag sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses (EuGH Rs Genc vom 4.2.2010 - C-14/09 RdNr. 27). Dies bedeutet, dass eine Integration in den Betrieb des Arbeitgebers gegeben sein muss, bei der die betreffende Person unter der Weisung oder Aufsicht eines Dritten steht, der die zu erbringenden Leistungen und/oder die Arbeitszeiten vorschreibt und dessen Anordnungen durch den Arbeitnehmer zu befolgen sind (vgl Hoffmann in Hofmann/Hoffmann, HK-AuslR, 1. Aufl 2008, § 2 FreizügG/EU RdNr. 8). Im Zusammenhang mit dem Hauptzweck des Freizügigkeitsrechts, einen diskriminierungsfreien Zugang zum Arbeitsmarkt des aufnehmenden Mitgliedsstaats zu gewähren, folgt daraus notwendigerweise ein weiter Arbeitnehmerbegriff, der lediglich ein auf ein Mindestmaß Anteilnahme am Wirtschaftsleben des aufnehmenden Mitgliedstaates zielt. Dabei ist es ohne Relevanz, ob das mit der ausgeübten Tätigkeit erzielte Entgelt geeignet ist, das von dem jeweiligen Mitgliedstaat definierte Existenzminimum zu decken. Die Arbeitnehmereigenschaft begründen daher auch nicht existenzsichernde Teilzeittätigkeiten, sofern es sich dabei um „tatsächliche und echte“ Tätigkeiten handelt, wobei - gemessen wiederum am Willen der freizügigkeitsberechtigten Personen, im Wirtschaftsleben tätig zu sein - nur solche Beschäftigungen außer Betracht bleiben, die so einen geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig ungeordnet und unwesentlich darstellen (EUGH, Urteil vom 23. März 1982, Rs. 53/81-Levin, RN 17). Zur Prüfung der Voraussetzungen hat sich das Tatsachengericht auf objektive Kriterien zu stützen und dabei eine Gesamtbetrachtung aller Umstände der Rechtssache vorzunehmen, die die Art der Tätigkeit und des Arbeitsverhältnisses betreffen, wobei (lediglich) Umstände, die sich auf das Verhalten des Betreffenden vor und nach der Beschäftigungszeit beziehen, für die Begründung der Arbeitnehmereigenschaft ohne Belang sind (EUGH, Urteil vom 6. November 2003, Rs. C-413/01-Ninni-Orasche, RN 27f.; vgl. z. Vorst.: LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11. November 2015, Az.: L 6 AS 197/15 B ER, juris RN 20).
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Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin aufgrund der ab dem 01.07.2016 ausgeübten Tätigkeit als Arbeitnehmerin im Sinne von § 2 FreizügigG/EU zu qualifizieren. Sie erbrachte nach Weisung ihres Arbeitgebers (einer Großbäckerei-Kette) für diesen Leistungen, für die sie eine Vergütung erhielt, und erfüllte damit die Wesensmerkmale eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Unionsrechts. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin in den Betrieb des Arbeitgebers integriert war, unter der Weisung oder der Aufsicht eines Dritten stand, der die zu erbringenden Leistungen und/oder Arbeitszeiten vorschreibt und dessen Anordnungen zu befolgen hatte (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, Az.: B 4 AS 44/15 R, juris RN 26). Die Tätigkeit war nach den vorgelegten Lohnbescheinigungen und den Arbeitsstundennachweisen auf diesen Lohnbescheinigungen dergestalt tatsächlich und echt, dass sie wirklich ausgeübt wurde und eine Vereinbarung über die zu erbringenden Arbeitsleistungen nicht nur zum Schein geschlossen worden ist.
32
Die Tätigkeit war vor dem Hintergrund dieser sicher erfüllten Kriterien auch nicht aufgrund dessen wirtschaftlich vollkommen untergeordnet oder unwesentlich im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung, dass die Klägerin im Oktober 2016 keine Stunden leistete, das Arbeitsverhältnis nach insgesamt 4 Monaten gekündigt wurde und der ausgezahlte Lohn in den Monaten Juli bis Oktober 2016 164,01 Euro, 220,34 Euro, 349,10 Euro bzw. 140,16 Euro (Nachzahlung für September 2016) betrug und die Klägerin in diesen Monaten 17,12 Stunden, 23,00 Stunden bzw. 36,44 Stunden betrug.
33
Darauf, dass das Einkommen der Klägerin nicht das Existenzminimum deckte, kann es nach der oben dargestellten Rechtsprechung des EuGH und des Bundessozialgerichts nicht ankommen. Auch der Umstand, dass die Tätigkeit bereits nach 4 Monaten zum 03.11.2016 beendet wurde, kann keine Rolle spielen, denn diese Beendigung erfolgte - so von der Agentur für Arbeit bestätigt - unfreiwillig, s.o..
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Das monatliche Durchschnittsgehalt der Klägerin lag für die drei Monate, in denen sie Stunden erbrachte, bei 291,20 Euro. Die Wochenarbeitszeit lag in diesen drei Monaten bei durchschnittlich 5,94 Stunden. Sinn und Zweck der freizügigkeitsrechtlichen Bestimmungen gebieten es, auch geringfügige Beschäftigungen bzw. sog. Minijobs als echte Arbeitsverhältnisse im Sinne des Freizügigkeitsrechts zu qualifizieren, denn entsprechende Helfertätigkeiten sind im Wirtschaftsleben der Bundesrepublik Deutschland weit verbreitet. Es gibt für sie einen relevanten Arbeitsmarkt. Es kommt nicht darauf an, dass es sich vorliegend um eine Teilzeitbeschäftigung handelt, die weniger als unterhalbschichtig ist. Insoweit hat der EUGH (Urteil vom 4. Februar 2010, Az.: C-14/ 09-Genc) die Arbeitnehmereigenschaft bejaht bei einer Arbeitsleistung von 5,5 Stunden wöchentlich und einem Verdienst von 175 EUR monatlich (zit. nach LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.06.2016 - L 4 AS 193/16 B ER, Rn. 31, juris). Schon ein monatlicher Durchschnittslohn von etwa 175 EUR bei Arbeitnehmern ist daher nach europarechtlichem Maßstab hinreichende Vergütung (ebenso: LSG-Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.06.2016 - L 4 AS 249/16 B ER; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11.11.2015 - L 6 AS 197/15 B ER). Das Bundessozialgericht hat eine Beschäftigung mit einem Monatslohn von 250 Euro (anfänglich sogar nur 100 Euro) als ausreichend für die Bejahung des Arbeitsnehmerstatus angesehen (BSG, Urteil vom 12.09.2018 - B 14 AS 18/17 R); damit kann das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit einem Durchschnittslohn von 291,00 Euro monatlich nicht als völlig untergeordnet und unwesentlich eingestuft werden. Auch, dass im Juli 2016 nur 164,01 Euro verdient wurde, kann angesichts des sehr viel höheren Durchschnittslohnes der Klägerin nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Ob den Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung zu folgen ist, die sogar bei einem Durchschnittslohn von ca. 160 Euro angesichts des weit zu fassenden europarechtlichen Arbeitsnehmerbegriffes den Arbeitsnehmerstatus bejahen, kann daher dahinstehen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.10.2016 - L 12 AS 965/15 B ER: 162 Euro ausreichend; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.12.2015 - L 6 AS 2016/15 B ER: 150 Euro ausreichend; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.06.2016 - L 4 AS 294/16 B ER: 160 Euro ausreichend). Die geringfügige Tätigkeit der Klägerin bei der Firma E. ist als Tätigkeit zu qualifizieren, die der Klägerin den Arbeitsnehmerstatus im Sinne von § 2 Abs. 2 und 3 FreizügigG/EU verleiht. Auch die Stundenzahl der Klägerin spricht nicht dagegen, denn diese folgt allein aus dem von der Firma E. allgemein gezahlten Stundenlohn, der den Mindestlohn einhält. Das kann sich nicht zulasten der Klägerin auswirken.
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Es ist entgegen der Auffassung des Beklagten rechtlich nicht relevant, ob die Klägerin möglicherweise die (tatsächliche und echte sowie nicht vollkommen untergeordnete oder unwesentliche) Tätigkeit (auch) aufgenommen hat, um den für sie sozialleistungsrechtlich günstigen Arbeitnehmerstatus zu erlangen. Wie schon das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 24. Juni 2016 - L 4 AS 193/16 B ER, Rn. 27 - 33, juris) zutreffend klargestellt hat, kann es auf eine solche bloße Motivlage dann nicht ankommen, wenn wie vorliegend keine Zweifel an der rechtlichen Wirksamkeit des bestehenden Arbeitsverhältnisses bestehen. Anders ist dies etwa dann zu beurteilen, wenn erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Durchführung eines Arbeitsverhältnisses bestehen, etwa, weil keine Überweisungen des Entgelts stattgefunden haben, keine An- und Abmeldungen bei der Sozialversicherung bzw. als Minijob stattgefunden haben, Urlaubsanspruch oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausgeschlossen wurden o.ä. (LSG Nordrhein-Westphalen, Beschluss vom 12.10.2018 - L 6 AS 500/18 B ER, L 6 AS 501/18 B). Dafür bestehen im Falle der Klägerin bei einer Anstellung bei einer bekannten Großbäckerei-Kette aufgrund Formulararbeitsvertrages, bei Anmeldung als Minijob und Abführung der entsprechenden Pauschalen sowie der maschinellen Erstellung regulärer Entgeltabrechnungen keinerlei Anhaltspunkte. Eine bloße Motivlage der Klägerin ist daher unerheblich. Im Rechtssinne kommt es allein darauf an, ob die „tatsächliche und echte“ Tätigkeit (an der vorliegend kein Zweifel besteht) ihrem Umfang nach als völlig untergeordnet und unwesentlich zu qualifizieren ist. Eine solche völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit ist hier wie oben dargestellt zu verneinen; die Klägerin ist unabhängig von ihrer möglichen Motivationslage für die Aufnahme der Tätigkeit aufgrund der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vorzunehmenden Gesamtschau der objektiv relevanten Kriterien als Arbeitsnehmerin zu qualifizieren.
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Aufgrund der nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundessozialgerichts gebotenen Gesamtschau aller das Arbeitsverhältnis betreffenden Umstände, insbesondere des regulären Arbeitsverhältnisses (Minijob) aufgrund Formularvertrages unter Abführung der Minijob-Pauschalen, der Integration in den Betrieb einer bekannten Großbäckerei-Kette, der regelgerechten Entgeltabrechnungen sowie des zwar nicht übermäßig umfangreichen, aber mit durchschnittlich knapp 300 Euro monatlich auch nicht vollkommen unerheblichen Einkommens der Klägerin bei mindestlohnkonformer Stundenzahl dazu, ist - angesichts der gebotenen weiten europarechtlichen Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs in § 2 Abs. 2 und 3 FreizügigG/EU - der Arbeitnehmerstatus der Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit bei der Firma E. zu bejahen. Damit greift der Ausschluss von SGB-II-Leistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der bis zum 28.12.2016 geltenden Fassung oder nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b) in der ab dem 29.12.2016 geltenden Fassung (textidentisch) nicht.
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Der Klägerin sind damit für die Zeit vom 01.07.2016 bis zum 31.01.2017 SGB-II-Leistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Diese berechnen sich wie folgt:
„Von Juli bis Dezember 2016 beträgt der monatliche Bedarf (§ 19 Abs. 1 SGB II) der Klägerin 964 Euro (Voller Regelbedarf von 404 Euro (§ 20 SGB II) und volle Kosten der Unterkunft und Heizung von 560 Euro (§ 22 SGB II)). Im Januar 2017 beträgt der Bedarf 969 Euro (Erhöhung des Regelbedarfs auf 409 Euro ab dem 01.01.2017). Darauf ist in den Monaten Juli bis Oktober 2016 folgendes Einkommen anzurechnen (§ 11 SGB II) und daher sind SGB-II-Leistungen jeweils wie folgt zu bewilligen, da die Klägerin jeweils in dieser Höhe hilfebedürftig ist (§ 9 Abs. 1 SGB II):
- Juli 2016: anzurechnendes Einkommen von 51,21 Euro (164,01 Euro unbereinigtes Erwerbseinkommen, zu bereinigen um 100,00 Euro nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II und um 12,80 Euro nach § 11b Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II), daher zu bewilligen: 912,79 Euro;
- August 2016: anzurechnendes Einkommen von 96,27 Euro (220,34 Euro unbereinigtes Erwerbseinkommen, zu bereinigen um 100,00 Euro nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II und um 24,07 Euro nach § 11b Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II), daher zu bewilligen: 867,73 Euro;
- September 2016: anzurechnendes Einkommen von 199,28 Euro (349,10 Euro unbereinigtes Erwerbseinkommen, zu bereinigen um 100,00 Euro nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II und um 49,82 Euro nach § 11b Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II), daher zu bewilligen: 764,72 Euro;
- Oktober 2016: anzurechnendes Einkommen von 32,14 Euro (140,16 Euro unbereinigtes Erwerbseinkommen, zu bereinigen um 100,00 Euro nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II und um 8,02 Euro nach § 11b Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II), daher zu bewilligen: 931,86 Euro.“
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Im November und Dezember 2016 sowie im Januar 2017 floss der Klägerin jeweils kein Erwerbseinkommen und auch kein sonstiges Einkommen mehr zu. Ihr sind in diesen Monaten daher jeweils SGB-II-Leistungen in Höhe des vollen Bedarfs zu gewähren.
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Über den Hilfsantrag (Klageantrag zu 2.) war aufgrund des Obsiegens der Klägerin bereits im Hauptantrag (Klageantrag zu 1.) nicht mehr zu entscheiden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache. Eine Abweichung aus Veranlassungsgesichtspunkten vom Grundsatz, dass die unterliegende Partei die außergerichtlichen Kosten zu tragen hat, kommt vorliegend nicht in Betracht: Zwar wurde die Bestätigung der Agentur für Arbeit, dass das Arbeitsverhältnis unfreiwillig beendet wurde, erst im Laufe des Klageverfahrens vorgelegt und nicht bereits im Widerspruchsverfahrens. Eine Vorlage bereits im Widerspruchsverfahren war jedoch nicht möglich, da das Arbeitsverhältnis erst zum 03.11.2016 gekündigt wurde, das Widerspruchsverfahren aber bereits mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2016 beendet worden war. Eine Vorlage der Bestätigung der Agentur für Arbeit war bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens also noch gar nicht möglich.