Inhalt

VGH München, Beschluss v. 03.03.2020 – 8 C 19.1826
Titel:

Erstattungsfähigkeit eines Privatgutachtens 

Normenketten:
VwGO § 146, § 151, § 162 Abs. 1, § 165
GKG § 3 Abs. 2, § 66 Abs. 8
Leitsatz:
Ein Privatgutachten ist nur dann als notwendig anzuerkennen, wenn die Partei mangels eigener Sachkunde ihr Begehren nur mithilfe eines Privatgutachtens unter Beweis stellen kann. Die Prozesssituation muss das Gutachten herausfordern; es muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein.  (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenfestsetzungsbeschluss, Beschwerde gegen die Zurückweisung der Kostenerinnerung, Erstattungsfähigkeit der Kosten für ein Privatgutachten in straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren (verneint), Erinnerung, Ortsumgehung, Erstattungsfähigkeit, Planfeststellungsverfahren, Kostenerinnerung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 12.07.2019 – RO 2 M 19.978
Fundstelle:
BeckRS 2020, 4571

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtsgebührenfreien Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich mit der Beschwerde gegen die Zurückweisung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) gegen die Ablehnung zu erstattender außergerichtlicher Kosten für einen privaten Sachverständigen.
2
In dem dem Kostenfestsetzungsstreit vorangegangenen Verfahren wandte sich der Kläger gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung der Oberpfalz vom 30. Oktober 2015 für die Staats straße 2120 - Ortsumgehung K… (RO 2 K 15.2213). Mit der Klagebegründung legte er unter anderem eine durch ein Ingenieurbüro erstellte Plausibilitätsprüfung der behördlich durchgeführten Verkehrslärmuntersuchungen vor, in der die von der Planungsbehörde angestellten Berechnungen bestätigt wurden. Das Verwaltungsgericht stellte mit Urteil vom 7. Juni 2018 fest, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
3
Der Kläger beantragte, die erstattungsfähigen Kosten auf 10.516,90 Euro festzusetzen. Darin enthalten waren Gutachterkosten in Höhe von 3.308,50 Euro für die vorgelegte Plausibilitätsprüfung.
4
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Februar 2019 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts die dem Kläger entstandenen notwendigen und zu erstattenden Aufwendungen auf insgesamt 5.148,20 Euro fest. Neben anderen Abzügen wurden die Aufwendungen für die immissionsschutzfachliche Plausibilitätsprüfung im Rahmen des Privatgutachtens nicht als erstattungsfähig anerkannt.
5
Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Klägers hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, die geltend gemachten Gutachterkosten seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
6
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
7
Die zulässige Beschwerde des Klägers nach §§ 146 ff. VwGO gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Erinnerung (§§ 165, 151 VwGO) ist unbegründet.
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1. Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerung gegen die Ablehnung der Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu Recht zurückgewiesen, weil die Aufwendungen des Klägers für das private Sachverständigengutachten des Ingenieurbüros I… … mbH vom 19. Mai 2016 nach § 162 Abs. 1 VwGO nicht erstattungsfähig sind.
9
Aufwendungen für private, d.h. nicht vom Gericht bestellte Sachverständige, sind nach § 162 Abs. 1 VwGO nur dann erstattungsfähig, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich danach, wie eine verständige Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage ihre Interessen wahrgenommen hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dem gemäß § 86 VwGO von der Untersuchungsmaxime beherrschten verwaltungsgerichtlichen Verfahren von Amts wegen der Sachverhalt zu erforschen und der Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen ist. Die Einholung eines Privatgutachtens durch eine Partei ist - aus Gründen des aus dem Rechtsstaatsgebot und dem allgemeinen Gleichheitssatz folgenden Grundsatzes der prozessualen Chancen- und Waffengleichheit zwischen den Verfahrensbeteiligten (vgl. BVerfG, B.v. 25.7.1979 - 2 BvR 878/74 - BVerfGE 52, 131 = juris Rn. 77; B.v. 11.5.2009 - 1 BvR 1517/08 - NJW 2009, 3417 = juris Rn. 20 ff.) - ausnahmsweise nur dann als notwendig anzuerkennen, wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mithilfe eines Privatgutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Dies kann etwa der Fall sein, wenn das Gutachten erforderlich ist, um mit einiger Aussicht auf Erfolg das Gericht zu einer förmlichen Beweisaufnahme zu veranlassen (vgl. BVerfG, B.v. 16.12.2002 - 2 BvR 2099/01 - NJW 2003, 1443 = juris Rn. 14; B.v. 12.9.2005 - 2 BvR 277/05 - NJW 2006, 136 = juris Rn. 23; Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 162 Rn. 37 f.). Abzustellen ist aus Ex-ante-Sicht auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung; ohne Belang ist dagegen, ob sich die Handlung im Nachhinein als unnötig herausstellt. Außerdem ist der jeweilige Verfahrensstand zu berücksichtigen. Die Prozesssituation muss das Gutachten herausfordern, und dessen Inhalt muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein. Offensichtlich ungeeignete Gutachten, die zu für den Rechtsstreit nicht entscheidungserheblichen Fragen Stellung nehmen oder sonst nicht geeignet sind, den Sachvortrag des Betroffenen hinreichend zu substanziieren und die Ermittlungen des Gerichts von Amts wegen zu beeinflussen, sind nicht erstattungsfähig (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.2001 - 9 KSt 2.01 - NVwZ 2001, 919 = juris Rn. 2; B.v. 8.10.2008 - 4 KSt 2000.08 - juris Rn. 4; B.v. 20.4.2010 - 9 KSt 19.09 u.a. - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 48; BayVGH, B.v. 28.6.2011 - 8 M 11.40017 - juris Rn. 7 ff.; VGH BW, B.v. 22.12.2009 - 5 S 1904/09 - RdL 2010, 76 = juris Rn. 6).
10
Gemessen hieran gehören die vom Ingenieurbüro I… … mbH für die schalltechnische Plausibilitätsprüfung vom 19. Mai 2016 dem Kläger in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 3.308,50 Euro nicht zu den notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung im Sinn des § 162 Abs. 1 VwGO. Die Einholung des Gutachtens, das die von der Behörde ermittelten Lärmwerte bestätigt hat, war von der Prozesssituation nicht herausgefordert. Der Kläger hat sein Klagevorbringen, wie bereits im Verwaltungsverfahren, alleine auf die unzureichende Berücksichtigung seiner Belange bezüglich des Lärmschutzes bei der Trassenwahl gestützt. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, ist die Frage, ob ein Abwägungsmangel hinsichtlich einer Alternativtrasse vorliegt, nicht von der Einhaltung der Grenzwerte der 16. BImSchV abhängig. Auf diesen Aspekt wäre es - wie der Kläger im Beschwerdeverfahren selbst ausführt - nur im Falle der fehlenden Eignung der von ihm vorgeschlagenen Alternativtrasse angekommen. Eine verständige Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, hätte daher das Ergebnis des vom Kläger ebenfalls in Auftrag gegebenen (und vom Urkundsbeamten als erstattungsfähig bewerteten) Gutachtens zur Alternativtrasse abgewartet, mit dem letztlich dann auch die Klage (erfolgreich) begründet wurde. Die Einhaltung der Grenzwerte war danach weder für das vom Kläger geltend gemachte Klagebegehren noch für das Urteil entscheidungserheblich und wurde vom Kläger auch nicht infrage gestellt.
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Daher ist es ohne Belang, dass die Planungsbehörde die Berechnung der Verkehrslärmuntersuchung im laufenden Verwaltungsverfahren korrigiert hat. Im Übrigen lagen entgegen dem Vorbringen des Klägers die für sein Anwesen von der Behörde ermittelten Lärmwerte sowohl vor als auch nach der Korrektur deutlich unterhalb der hier einschlägigen Grenzwerte; es sprach daher von vorneherein viel dafür, dass auch die Plausibilitätskontrolle durch einen Gutachter die Position des Klägers nicht verbessern wird. Eine verständige, kostenbewusste Partei hätte schon deshalb davon abgesehen, bereits vor Eingang des Gutachtens zur Alternativtrasse die Verkehrslärmuntersuchung durch ein weiteres Gutachten überprüfen zu lassen. Die Kosten für die Beauftragung eines Gutachtens „ins Blaue hinein“ stellen keine zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO dar.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 66 Abs. 8 GKG.
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Einer Streitwertfestsetzung bedarf es angesichts der in Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) genannten Festgebühr nicht.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).