Titel:
Anforderung an eine Erdsenkung als versicherte Gefahr in der Elementarschadenversicherung
Normenkette:
VGB 2011 A 2.5.4
Leitsätze:
1. Definieren die AVB einer Wohngebäudeversicherung eine in der Elementarschutzversicherung als versichertes Risiko eingeschlossene Erdsenkung als naturbedingte Absenkung des Erdbodens über naturbedingten Hohlräumen, ist nur ein Schaden versichert, der auf den natürlichen Einsturz oder sonstigen Zusammenbruch der Decke eines umschlossenen Raumes unterhalb der Erdoberfläche zurückzuführen ist, nicht hingegen infolge von Nachsackungen und Senkungen im Baugrund auf Grund kleiner poröser Risse (Anschluss an LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2007, 13373). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Naturbedingte Hohlräume in diesem Sinne liegen nicht vor, wenn sich Setzungen des versicherten Grundstücks durch Auffüllungen von tonigem Material ergeben, das aufgrund seiner weichen Beschaffenheit nicht verdichtbar ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohngebäudeversicherung, Elementarschadenversicherung, Erdsenkung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 45560
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 31.801,00 € festgesetzt.
Tatbestand
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Der Kläger macht gegen die Beklagte aus einer Elementarschutzversicherung einen Zahlungsanspruch aus einem Schadensfall geltend.
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Der Kläger unterhält seit 01.10.2005 bei der Beklagten für sein Hausanwesen in … eine „Wohngebäudeversicherung Classic nach den Allgemeinen Wohngebäudeversicherungsbedingungen (VGB 2011)“ unter der Versicherungsnummer …. Die Versicherungssumme/Entschädigungshöhe im Schadensfall ist nicht durch eine Versicherungssumme begrenzt und beurteilt sich nach dem versicherten Interesse. Versichert sind Schäden unter anderem durch Überschwemmung und Rückstau, Erdsenkung, Erdfall, Erdrutsch, Schneedruck, Lawinen und Vulkanausbruch mit einer Selbstbeteiligung von EUR 1.000,00 (Anlage K1). Eine versicherte Erdsenkung ist gem. A 2.5.4 VGB 2011 eine naturbedingte Absenkung des Erdbodens über naturbedingten Hohlräumen.
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Grundlage des Versicherungsvertrags bilden die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Wohngebäudeversicherung, VGB 2011 (Anlage BLD1).
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Mit Schreiben vom 09.10.2018 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass sich rund um sein Haus das Gelände abgesenkt habe und es zudem zu Rissbildungen am Gebäude und Schäden im Außenbereich an der Pflasterung und Terrasse und Gehwegen gekommen sei. Mit diesem Schreiben begehrte er Ansprüche aus dem Elementarrisiko Erdsenkung.
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Mit Schreiben vom 10.10.2018 und letztmals mit Schreiben vom 30.04.2019 lehnte die Beklagte ihre Einstandspflicht ab (Anlage K2, K5).
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Der Kläger meint, das Grundstück liege im Bereich derl Tertiärbucht. Hier seien aufgrund der vorliegenden Geländedaten Hang- und Böschungsverformungen möglich. Maßgeblich sei hier auch, dass sich die Baugrundbewegung erst weit nach Erstellung des Hauses ergeben habe und eine solche auch am Nachbargrundstück festzustellen sei. Die am Hausgrundstück des Klägers weit nach Errichtung des Hauses aufgetretenen Böschungsverformungen seien der topografischen und geologischen Situation geschuldet. Schichtwasserhorizonte könnten zu Ausspülungen im Hinterfüllbereich führen.
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Laut Kostenvoranschlag der Fa. … vom 21.06.2019 sei zur Schadensbeseitigung und Wiederherstellung ein Bruttobetrag in Höhe von EUR 32.101,67 erforderlich, angemessen und ortsüblich (Anlage K4). Nach Abzug der Selbstbeteiligung in Höhe von EUR 1.000,00 und eines Abzugs „neu für alt“ ergebe sich ein Kostenaufwand zur Schadensbeseitigung von mindestens EUR 30.000,00 für die Außenarbeiten. Hinsichtlich weiter erforderlicher Reparatur von Rissen und weiteren Senkungsschäden sei ein Betrag insgesamt in Höhe von mindestens EUR 31.801,00 erforderlich.
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Der Kläger beantragte daher:
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 31.801,00 nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.05.2019 zu bezahlen.
- 2.
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Die Beklagte hat an den Kläger EUR 743,75 und EUR 1.358,86 vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkte seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Die Beklagte meint, der Schaden sei nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Wohngebäudeversicherung VGB 2011 nicht versichert. Es liege kein versicherter Schaden infolge einer naturbedingten Erdsenkung vor. Vielmehr liege ein technischer Mangel in Form einer unzureichenden Hinterfüllung bzw. Bodenverdichtung vor. Bei Zurückführen eines Schadens auf menschliches Eingreifen lägen die Voraussetzungen der Elementarschadensversicherung nicht vor. Für die Erneuerung der Hofpflasterung bestehe kein Versicherungsschutz, da Garten- und Rasenflächen nicht zu den versicherten Sachen einer Wohngebäudeversicherung zählen würden. Mehrwertsteuer sei nicht angefallen und derzeit nicht zu ersetzen.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch schriftliches Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Geol. …. Insoweit wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 27.07.2020 verwiesen.
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Mit Zustimmung der Parteien ist mit Beschluss vom 26.08.2020 ins schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO übergegangen worden. Als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, ist der 30.09.2020 bestimmt worden.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Deggendorf gemäß §§ 23, 71 GVG sachlich und gemäß § 215 VVG örtlich zuständig.
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Die Klage ist aber unbegründet, da der Kläger keinen Zahlungsanspruch aus der bei der Beklagten bestehenden Wohngebäudeversicherung hat. Der entstandene Schaden beruht nicht auf einem bei der Beklagten versicherten Risiko.
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Eine versicherte Erdsenkung liegt gem. Ziff. A 2.5.4 VGB 2011 vor im Falle einer naturbedingten Absenkung des Erdbodens über naturbedingten Hohlräumen.
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Eine solche Erdsenkung liegt am klägerischen Grundstück jedoch nicht vor:
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Bei der Absenkung, die sich rund um das Haus eingestellt hat, handelt es sich um Setzungen des weichen Tons, der zur Baugrubenhinterfüllung um das Haus herum eingebaut wurde. Es handelt sich um den Kelleraushub des Gebäudes, der um das Haus herum bis etwa 1,6 m über die frühere Geländeoberkante hinaus aufgefüllt wurde. Dieses Material neigt zum Zusammendrücken infolge des Eigengewichts. Zusätzlich führt die Belastung durch die Aufschüttung zu Setzungsbewegungen des weichen tonigen Baugrunds, der unterhalb des Gebäudes vorliegt. Weiterhin sind bei einem tonigen Baugrund seit dem Jahrhundertsommer des Jahres 2003 und der trockenen Sommer 2008 und 2016 bis 2019 zunehmend Setzungsschäden infolge des Schrumpfens abtrocknender Tone zu verzeichnen.
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Im Bereich der … Tertiärbucht liegen u.a. Ablagerungen von Tonen, Schluffen und Sanden vor. Solche liegen auch auf dem klägerischen Grundstück vor. Hang- und Böschungsverformungen liegen entgegen der klägerischen Behauptung nicht vor.
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Im Hinterfüllbereich des Bauwerks liegt ausschließlich toniges Material. Die Wasserstände liegen unterhalb des Niveaus des Kellerbodens. Hinweise auf Ausspülungen im Hinterfüllbereich liegen nicht vor.
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Die Setzung erfolgt nicht über Schichtwasserhorizonte, sondern durch Eigensetzung von dem weichen tonigen Material, das als Baugrubenhinterfüllung eingebaut wurde. Zusätzlich führt die Anhöhung dieses Materials auf dem unter dem Bauwerk vorhandenen weichen Ton zu Zusammendrückungen und Setzungen infolge Gewichts-Belastung.
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Es liegen entgegen der klägerischen Meinung keine naturbedingten Hohlräume vor. Die Setzungen ergeben sich durch Auffüllungen von tonigem Material, das aufgrund seiner weichen Beschaffenheit nicht verdichtbar ist. Solches Material neigt zu Eigensetzungen. Zusätzlich wirkt die bis zu 1,6 m hohe Aufschüttung als Auflast für die unter dem Haus vorhandenen weichen Bodenschichten. Auch im Bereich der Hofeinfahrt liegen keine naturbedingten Hohlräume vor. Hier entstehen die Unregelmäßigkeiten durch die geringe Schichtdicke der Tragschicht unterhalb des Pflasters und zusätzlich durch Schrumpfbewegungen eines abtrocknenden Tons.
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Das Gericht stützt sich insoweit auf die nachvollziehbaren, in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen … welche dieser auf der Grundlage eines Ortstermins am 09.06.2020 getätigt hat. Diese halten einer kritischen Nachprüfung durch das Gericht stand und sind deshalb der gerichtlichen Entscheidungsfindung zugrunde zu legen. Einwände gegen die Begutachtungsergebnisse wurden von keiner Seite erhoben. Zweifel an der Geeignetheit des Sachverständigen bestehen nicht.
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Für keinen der aufgetretenen Schäden konnte der Sachverständige natürliche Hohlräume als Ursache ausmachen. Unter natürlichen Hohlräumen i.S.d. Ziff. A 2.5.4 VGB 2011 sind nämlich nur solche Räume zu verstehen, die vom Erdreich völlig umschlossen sind und nach oben mit einer natürlichen Decke aus einer Erdschicht enden (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 15.11.2006, Az. 8 O 6517/05). Sinngemäß definiert Ziff. A 2.5.4 VGB 2011 auch die Erdsenkung als Absenkung von Erdboden über den Hohlräumen. Ein seitliches Zusammenziehen ist nach dem Wortlaut nicht mit erfasst. Ziff. A 2.5.4 VGB 2011 geht somit von dem natürlichen Einsturz oder sonstigen Zusammenbruch der Decke eines umschlossenen Raumes unterhalb der Erdoberfläche aus, nicht jedoch von Nachsackungen und Senkungen im Baugrund auf Grund kleiner poröser Risse (ebd.).
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Schäden durch Austrocknung des Bodens sind nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Der vorliegende tonige Baugrund neigt zum Schrumpfen und Quellen, wodurch sich Trockenrisse, Nachsackungen und Senkungen im Baugrund bilden können (ebd.; OLG Nürnberg, Urteil vom 18.06.2007, Az. 8 U 2837/06). Das ist aber kein Versicherungsfall.
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Mangels Hauptanspruches besteht auch kein Anspruch auf Verzinsung des geltend gemachten Zahlungsbetrags. Die Nebenforderung teilt insoweit das Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.
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Aus selbigem Grund besteht schließlich auch kein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwalts- und Gutachterkosten. Auch insoweit teilt die Nebenforderung das Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 S. 1, S. 2 ZPO
Streitwert: §§ 63 Abs. 2 GKG, 3 ZPO