Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 17.11.2020 – B 1 K 19.806
Titel:

Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit bei strafrechtlich relevanten Verstößen gegen das Waffenrecht

Normenkette:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 1c, Nr. 5, § 41, § 45 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Die Vorschriften des WaffG zielen darauf, das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es kommt nicht darauf an, ob jemand mit seinen Waffen schon unmittelbare Gefahren für Menschen verursacht hat. Vielmehr wird von einem Waffenbesitzer verlangt, dass sein gesamtes Verhalten keinen Anlass dafür bietet, an seiner Zuverlässigkeit zu Zweifeln, weil im Waffenrecht ein Restrisiko nicht hinzunehmen ist. Wer bereits dreimal in strafrechtlich relevanter Weise gegen das Waffenrecht  verstoßen hat, kann ein derartiges Vertrauen für sich nicht mehr in Anspruch nehmen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf von Waffenbesitzkarte und kleinem Waffenschein sowie Untersagung des Erwerbs oder Besitzes von Munition und Waffen auf Dauer, Verurteilung wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes von Waffen (90 Tagessätze), Wiederholte Verstöße gegen waffenrechtliche Vorschriften, waffenrechtliche Erlaubnis, Widerruf, Waffenbesitzverbot, Zuverlässigkeit, Straftat nach dem Waffengesetz, illegale Waffen, Besitz, Restrisiko
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 22.03.2021 – 24 ZB 21.126
Fundstelle:
BeckRS 2020, 45367

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. 

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten und seines Kleinen Waffenscheins sowie hierzu ergangener Nebenentscheidungen.
2
1. Der Kläger erwarb am 14.06.2007 ohne die hierfür erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis eine doppelläufige Stiftfeuerpistole. Daher wurde gegen den Kläger wegen fahrlässigen unerlaubten Erwerbs einer Schusswaffe gemäß §§ 52 Abs. 3 Nr. 2a, Abs. 4 WaffG ein Strafverfahren eingeleitet. Letzteres stellte das Amtsgericht … mit Beschluss vom 29.05.2008 gemäß § 153a Abs. 2 StPO vorläufig ein. Der Kläger erhielt die Auflage, 30 Stunden gemeinnützige Arbeit abzuleisten.
3
Am 31.12.2012 gegen 23:58 Uhr (Silvester-Nacht) führte der Kläger ohne die erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis eine Schreckschusswaffe Umarex Python und eine Schreckschusswaffe Webley auf der Straße mit sich und feuerte beide Waffen ab. Daher wurde gegen den Kläger wegen vorsätzlichem unerlaubtem Führen von zwei Schusswaffen gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2a ein Strafverfahren eingeleitet. Letzteres stellte das Amtsgericht … mit Beschluss vom 07.05.2013 gemäß § 153a Abs. 2 StPO vorläufig ein. Dem Kläger wurde die Zahlung einer Geldauflage von 600 Euro auferlegt.
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Am 21.11.2013 wurde der Kläger in einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten ermahnt und erhielt eine schriftliche „Verwarnung“ ausgehändigt. Der Kläger sei als Sportschütze und Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse in besonderer Weise verpflichtet, die waffenrechtlichen Vorschriften einzuhalten. Er sei auch verpflichtet, sich ständig auf dem aktuellen Rechtsstand zu halten. Ein weiterer Verstoß des Klägers gegen das Waffengesetz hätte den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse zur Folge.
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Am 22.10.2015 fand eine Durchsuchung der Wohnung des Klägers statt. Dabei wurden unter den dort befindlichen Waffen nachstehende Waffen aufgefunden, für welche der Kläger die jeweils erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis nicht besaß: eine Selbstladepistole Langenhan Modell FL, ein Lauf einer Selbstladepistole Fabrique Nationale High Power, zwei Lefaucheux Revolver, zwei Signalwaffen Rohm ohne PTB-Zeichen und sechs Dekorationswaffen.
6
Das Amtsgericht … verurteilte den Kläger daher mit Urteil vom 27.07.2016 wegen vorsätzlichem unerlaubten Besitz halbautomatischer Kurzwaffen (§ 52 Abs. 1 Nr. 2b WaffG) in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Schusswaffen (§ 52 Abs. 3 Nr. 2a WaffG) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen. In der Berufungsinstanz beschränkte das Landgericht … gemäß § 154a Abs. 2 StPO die Verfolgung auf den Besitz der Selbstladepistole Langenhan Modell FL sowie den Lauf der Selbstladepistole Fabrique National High Power. Mit Urteil vom 01.08.2018, rechtskräftig seit dem 09.08.2018, änderte das Landgericht … das Urteil des Amtsgerichts … vom 27.07.2016 ab und verurteilte den Kläger wegen des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes zweier halbautomatischer Kurzwaffen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen.
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Mit Bescheid vom 13.08.2019 widerrief die Beklagte die Waffenbesitzkarten Nr. …, Nr. … und Nr. … sowie den Kleinen Waffenschein Nr. … des Klägers (Ziffer 1 des Bescheids). Der Kläger habe die unter Ziffer 1 aufgeführten Waffenbesitzkarten und den Kleinen Waffenschein innerhalb einer Woche nach Zustellung dieses Bescheids an die Beklagte zurückzugeben (Ziffer 2 des Bescheids). Der Kläger habe 17 näher bezeichnete (in den drei Waffenbesitzkarten eingetragene) Waffen sowie die in seinem Besitz befindliche Munition bis zum 30.09.2019 dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen (Ziffer 3 des Bescheids). Der Kläger habe die Erfüllung der unter Ziffer 3 auferlegten Verpflichtung der Beklagten innerhalb von zwei Wochen nach dem Unbrauchbarmachen oder dem Überlassen nachzuweisen (Ziffer 4 des Bescheids). Erfülle der Kläger die Verpflichtungen der Ziffern 2 und 4 nicht, werde ein Zwangsgeld von 1.000,00 EUR bei einer Zuwiderhandlung gegen Ziffer 2 (Ziffer 5a des Bescheids) und ein Zwangsgeld von 1.000,00 EUR bei einer Zuwiderhandlung gegen Ziffer 4 zur Zahlung fällig (Ziffer 5b des Bescheids). Dem Kläger werde auf Dauer untersagt, Waffen oder Munition zu erwerben oder zu besitzen (Ziffer 6 des Bescheids).
8
Zur Begründung der Ziffer 1 des Bescheids führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zu widerrufen gewesen seien, da nachträglich Tatsachen eingetreten seien, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis setze voraus, dass der Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit besitze (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG).
9
Die für den Umgang mit Waffen und Munition erforderliche Zuverlässigkeit besäßen Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 2b WaffG). Bei einer Wohnungsdurchsuchung beim Kläger am 22.10.2015 sei festgestellt worden, dass er seine Waffen teilweise nicht ordnungsgemäß verwahrt habe. Somit sei durch Tatsachen die Annahme begründet, dass der Kläger auch künftig Waffen nicht sorgfältig verwahren werde.
10
Zudem besäßen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind (§ 5 Abs. 2 Nr. 1c WaffG), oder wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen haben (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1c WaffG). Auch dies sei beim Kläger der Fall. Das Landgericht … habe den Kläger mit seit 09.08.2018 rechtskräftigem Urteil wegen vorsätzlichem unerlaubten Besitz zweier halbautomatischer Kurzwaffen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Ebenfalls sei der Tatbestand des wiederholten Verstoßes (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG) durch die Taten vom 14.06.2007 und 31.12.2012 spätestens am 22.10.2015 erfüllt gewesen, da auch Strafverfahren ohne Verurteilung und Ordnungswidrigkeiten zu berücksichtigen seien. Im Übrigen handele es sich bei dem am 22.10.2015 festgestellten Besitz einer großen Zahl illegaler Waffen und deren ungesicherter Aufbewahrung um einen gröblichen Verstoß gegen das Waffenrecht.
11
Die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit könne nur in einem Ausnahmefall ausgeräumt werden. Hierbei komme es darauf an, ob die Umstände der abgeurteilten Straftat den Verstoß ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen ließen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch solch eine Straftat begründeten Zweifel an der für die waffenrechtliche Erlaubnis vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen nicht gerechtfertigt seien. Sofern der Kläger tatsächlich, wie von ihm vorgebracht, nicht gewusst haben sollte, dass er unerlaubt erlaubnispflichtige Waffen besessen habe, so habe er dies doch zumindest billigend in Kauf genommen. Somit sprächen keine Gründe dafür, von der Regelunzuverlässigkeitsvermutung abzuweichen.
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Zur Begründung der Ziffer 6 des Bescheids führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf und den Erwerb solcher Waffen untersagen könne, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass ihm die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen erforderliche Zuverlässigkeit fehle. Es mangele beim Kläger, wie vorstehend dargestellt, an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Der Kläger habe vorgetragen, dass er in der Vergangenheit Deko-Waffen erworben habe, wobei sich später die diesbezüglichen waffenrechtlichen Vorschriften geändert hätten. Er habe nicht gewusst, dass er schließlich auch erlaubnispflichtige Waffen besessen habe. Damit derartiges in der Zukunft nicht geschehen könne, sei es erforderlich dem Kläger auch den Besitz von Deko- und Schreckschusswaffen zu untersagen. Es sei aufgrund des Hanges des Klägers, den er zu Waffen habe, zu besorgen, dass er sich wieder vermeintlich erlaubnisfreie Waffen besorge und sich hierbei über deren waffenrechtliche Einstufung nicht im Klaren sei. Das Verbot diene somit auch dem Schutz des Klägers vor weiteren Vergehen. Zudem habe sich der Kläger bei der Straftat vom 31.12.2012 zweier Schreckschusswaffen bedient. Es werde daher auch verhindert, dass der Kläger erneut unter Benutzung einer erlaubnisfreien Waffe gegen das WaffG verstoße.
13
Die Beklagte habe beim Ausspruch des Verbotes die dafür- und dagegensprechenden Gründe in pflichtgemäßer Ermessensausübung gegeneinander abgewogen. Ein anerkennenswertes Interesse des Klägers daran, (weiterhin) Waffen zu besitzen, sei hierbei nicht festzustellen gewesen. Die Untersagung sei verhältnismäßig und angemessen, da durch keine andere Maßnahme die Gefahren unterbunden werden könnten.
14
2. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 12.09.2019, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Kläger Klage und beantragte,
den Bescheid der Beklagten vom 13.08.2019 aufzuheben.
15
Zur Begründung bringt der Kläger im Wesentlichen vor, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei, da die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Der Sachverhalt, der zur Verurteilung geführt habe, stelle einen absoluten Spezialfall dar, der mit sonstigen, die Zuverlässigkeit eines Waffenbesitzers beeinträchtigenden Umständen keinen Zusammenhang aufweise. Der Kläger sei seit Jahrzehnten nicht allein Sportschütze, sondern auch Sammler von Dekorationswaffen. Er habe insoweit - wie der Beklagten bereits vorab bekannt gewesen sei - eine große Sammlung besessen, die auf Grund der Tatsache, dass es sich um Dekorationswaffen gehandelt habe, nicht über Tresore gesichert gewesen sei, sondern sich quasi in Form einer Ausstellung in seinem Herrenzimmer befunden habe. Die Anschaffung dieser Dekorationswaffen sei auf verschiedenste Art und Weise erfolgt. Teilweise seien sie bereits als Dekorationswaffen erworben worden, teilweise seien sie durch entsprechende Büchsenmacher insoweit verändert worden, dass hierdurch Dekorationswaffen entstanden seien bzw. hätten entstehen sollen. Ein für den Kläger ehemals tätig gewesener Büchsenmacher habe im Strafverfahren erklärt, dass er seinerzeit selbstverständlich der Meinung gewesen sei, die Voraussetzungen für Deko-Waffen erfüllt zu haben. Er habe jedoch weiter erklärt, dass er auf Grund der ständig wechselnden Vorschriften zur Unbrauchbarmachung der Waffen zu einem späteren Zeitpunkt davon abgesehen habe, weiter solche Arbeiten durchzuführen. Die entsprechende Gesetzeslage sei ihm zu undurchsichtig und der Aufwand zu hoch geworden.
16
Auf Grund eines anderweitigen Sachverhalts sei es zur Durchsuchung der Räumlichkeiten des Klägers gekommen. Im Rahmen dieser Durchsuchung seien insgesamt 13 dieser „Dekorationswaffen“ beschlagnahmt worden. Im Strafverfahren sei ein Sachverständiger zu der Auffassung gekommen, dass sämtliche dieser Waffen, mit Ausnahme eines Schreckschussrevolvers, nicht gebrauchsfähig gewesen seien. Unabhängig davon hätten sich laut dem Sachverständigen in der Vergangenheit die Vorschriften zur Unbrauchbarmachung der Waffen, also zur Herstellung der Deko-Waffen, so verschiedentlich geändert, dass nur in Kenntnis des Datums des Erstbeschusses der Waffe festgestellt werden könne, in welcher Form Veränderungen der Waffe erfolgen müssten, um diese rechtlich zur Deko-Waffe zu machen. Daher seien auch im Strafverfahren in zweiter Instanz die Vorwürfe gegen den Kläger bis auf zwei Waffen fallen gelassen worden.
17
Zu den beiden Waffen, die noch zur Verurteilung geführt hätten, sei auszuführen, dass diese eigentlich keine Waffen im Sinne einer Nutzbarmachung als Waffe seien. Sie seien überhaupt nicht geeignet, da sie keine Funktion hätten. Lediglich auf Grund der Definition der Bestimmungen des Waffengesetzes würden sie als Waffen gelten, ohne hierfür tauglich zu sein. Die Pistole Langenhan sei ca. 1910 gebaut worden. Der Sachverständige habe bestätigt, dass die Waffe nicht funktionsfähig gewesen sei. Auch sei der Lauf verschlossen gewesen. In diesem Zustand habe der Kläger die Waffe als Deko-Waffe erworben. Selbst habe der Kläger keine Möglichkeit gehabt, die Waffe funktionsfähig zu machen oder einzusetzen. Zum separaten Waffenlauf sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt eine hierfür geeignete Waffe besessen habe und er den Lauf lediglich aus Versehen in Besitz erhalten habe. Als die Schießanlage und das Vereinsheim des Schützenvereins des Klägers renoviert worden sei, hätten die Mitglieder Dinge mit nach Hause genommen. Der Kläger habe zwei Schachteln mitgenommen, von denen er gedacht habe, dass sie mit leeren, wieder ladbaren Patronen-Hülsen gefüllt seien. In einer der Schachteln sei ein sich in einem Plastikbeutel befindlicher Pistolenlauf zwischen die Hülsen gelegt gewesen, der, wie sich später herausgestellt habe, zu einer Fabrique Nationale High Power Pistole gehört habe. Dass sich der Lauf in der Schachtel befunden habe, sei dem Kläger nicht bekannt gewesen. Er habe dies erst im Rahmen der Sicherstellung durch die Polizei erfahren.
18
Zwar möge in der Vergangenheit auch waffenrechtliches Verschulden des Klägers vorgekommen sein, doch rechtfertige dieses nicht den Entzug der Waffen. Der Kläger sei seit dem Jahre 1990 intensiv im Schützensport tätig. Auch die etwa parallel mit der sportlichen Aktivität begonnene Sammleraktivität habe bis zum hier vorliegenden Sachverhalt zu keinem Zeitpunkt Anlass zu Maßnahmen ergeben. Zudem sei ein Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnisse erst im Jahre 2019 auf Grund eines Vorfalls aus dem Jahre 2015, welcher der Beklagten von Anfang an bekannt gewesen sei, rechtmäßig nicht möglich. Aus diesem Zeitraum lägen keinerlei weitere irgendwie geartete Vorfälle vor. Hieraus ergebe sich, dass der Kläger allein durch den Zeitablauf die Annahme widerlegt habe, er werde zukünftig unzuverlässig mit Waffen umgehen.
19
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 29.10.2019,
die Klage abzuweisen.
20
Die Beklagte führt aus, dass die gemäß § 154a Abs. 2 StPO erfolgte Einstellung des Strafverfahrens betreffend den Besitz mehrerer Waffen nicht die ungesicherte Aufbewahrung dieser erlaubnispflichtigen Waffen (Aufhängen an der Wand) tangiere, welche dem Kläger im waffenrechtlichen Verfahren vorzuwerfen sei. Der Kläger sei wegen des unerlaubten Besitzes der Pistole Langenhan und des Pistolenlaufs Fabrique Nationale verurteilt worden. Letztere Waffen hätten zusammen mit der in seiner Waffenbesitzkarte Nr. … unter der laufenden Nummer 4 eingetragenen Waffe (Revolver, Hersteller Reck) unzulässiger Weise an der Wand gehangen. Auch wenn der Kläger angebe, dass ihm hinsichtlich der Erlaubnispflicht seiner Dekorationswaffen die Kenntnisse gefehlt hätten, so habe er zumindest von der Erlaubnispflicht der Pistole Langenhan und des Revolvers Reck Kenntnis gehabt. Dennoch habe er diese entgegen den Aufbewahrungsvorschriften an die Wand gehängt, so dass sie jederzeit von einem Unbefugten hätten abgenommen werden können.
21
Bei der Pistole Langenhan sei der Metallbolzen im Lauf der Waffe lediglich mit Klebeband fixiert gewesen. Dieser Bolzen hätte mit etwas Druck aus dem Lauf geschoben werden können. Der Lauf sei also nicht, wie vom Kläger vorgebracht, verschlossen gewesen. Alle wesentlichen Waffenteile seien funktionsfähig vorhanden gewesen. Lediglich der Schlagbolzen sei defekt gewesen.
22
Der Kläger habe die Pistole Langenhan auch nicht, wie vorgetragen, als Dekorationswaffe erworben. Vielmehr habe der Kläger am 02.07.2010 eine Erwerbserlaubnis und am 16.09.2010 eine Erlaubnis zum Verbringen aus der Türkei nach Deutschland für genau diese Waffe beantragt. Als Begründung habe er Üben und Vorbereiten für Wettkämpfe angegeben. Dem Antrag habe er eine Bedürfnisbescheinigung des Bayerischen Sportschützenbundes vom 07.09.2010 beigefügt. Die Beklagte habe dem Kläger am 27.09.2010 mündlich mitgeteilt, dass ihm diese Erlaubnisse nicht erteilt werden könnten.
23
Den Vortrag des Klägers bezüglich des Pistolenlaufs Fabrique Nationale bestreite die Beklagte mit Nichtwissen.
24
3. Bezüglich des Verlaufs der am 17.11.2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
27
1. Die Entziehung der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers und die hierzu ergangenen Nebenentscheidungen durch den Bescheid der Beklagten vom 13.08.2019 erweisen sich als rechtmäßig, so dass die dagegen gerichtete Klage abzuweisen ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht nimmt zunächst gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids der Beklagten vom 13.08.2019 und macht sich diese zu eigen. Ergänzend wird zur Sache und zum Klagevorbringen Folgendes ausgeführt:
28
a) Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids vom 13.08.2019 hat die nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit des Klägers nicht vorgelegen.
29
Hierfür kann dahinstehen, ob wegen eines Verstoßes gegen Aufbewahrungsvorschriften am 22.10.2015 (Durchsuchung der Wohnung des Klägers) der Kläger bereits nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG als waffenrechtlich unzuverlässig einzustufen ist. Denn auf Grund der strafrechtlichen Verurteilung durch das Landgericht … mit seit dem 09.08.2018 rechtskräftigen Urteil zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen ist der Kläger jedenfalls gemäß der Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 1c WaffG als waffenrechtlich unzuverlässig zu qualifizieren. Die hiernach bestehende Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit bei einer Verurteilung wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen kann vorliegend auch dann nicht als widerlegt angesehen werden, wenn man zugunsten des Klägers sein Klagevorbringen als wahr unterstellt.
30
Auch wenn der Kläger keine positive Kenntnis davon gehabt haben sollte, dass die halbautomatische Pistole Langenhahn erlaubnispflichtig war, so hat er sein Nichtwissen und die hieraus resultierende Straftat zumindest billigend in Kauf genommen. Wie der Kläger selbst vorträgt, hatte ein in der Vergangenheit für ihn arbeitender Büchsenmacher das Umbauen bzw. Herstellen von Deko-Waffen mit der Begründung eingestellt, dass die Vorschriften zu undurchsichtig geworden seien. Dies zeigt, dass in „Waffen-Sammler-Kreisen“ allgemein bekannt war, dass es für Deko-Waffen besondere und sich stets wandelnde Vorschriften gibt.
31
Jedenfalls aber war dem Kläger wegen des Vorfalls aus dem Jahr 2010, als ihm eine Importerlaubnis aus der Türkei für eine halbautomatische Waffe Langenhan FL (mit identischer Seriennummer zu der nunmehr aufgefundenen Waffe!) versagt wurde, bekannt, dass für den Import bzw. den Besitz einer derartigen Waffe besondere Vorschriften gelten und eine Erlaubnispflicht zumindest wahrscheinlich ist. Hinzu kommt vorliegend, dass der Kläger auch bereits wegen waffenrechtlicher Verstöße im November 2013 von der Beklagten ermahnt und auf seine Pflicht hingewiesen wurde, sich stets mit den aktuell gültigen waffenrechtlichen Vorschriften vertraut zu machen.
32
Es steht daher zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es dem Kläger bewusst war, dass zumindest Teile seiner Deko-Waffen-Sammlung wenigstens mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Erlaubnispflicht unterliegen und er es trotz dieses Wissens bewusst unterlassen hat, eine entsprechende Erlaubnis zu beantragen bzw. den Sachverhalt an die Waffenbehörde heranzutragen, um eine entsprechende Prüfung zu ermöglichen. Im Übrigen wäre auch - wenn kein bedingter Vorsatz vorliegen würde - bei einer nur fahrlässigen Begehung einer Straftat nach dem Waffengesetz, die zu einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen führt, nach § 5 Abs. 2 Nr. 1c WaffG regelmäßig keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit mehr gegeben.
33
Berücksichtigt man schließlich, dass die verhängte Geldstrafe von 90 Tagessätzen doch deutlich über dem vom Gesetzgeber festgelegten „Grenzwert“ von 60 Tagessätzen liegt, und gegen den Kläger im Mai 2013 - also nur knapp 2,5 Jahre vor der Wohnungsdurchsuchung und dem Auffinden der erlaubnispflichtigen Waffen im Oktober 2015 - ein Strafverfahren nach dem Waffengesetz nur gegen Zahlung einer Geldauflage von 600,00 EUR eingestellt wurde, können die Tatumstände vorliegend nicht in einem ausnahmsweise derart milden Licht erscheinen, dass ein Abweichen von der Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit in Betracht kommen könnte.
34
Ein Abweichen von dieser Regelvermutung kann sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2020 ergeben, dass seine Schuld im strafrechtlichen Sinne gering sei. Der Kläger hat hierzu ausgeführt, dass es im Strafverfahren eine umfangreiche Beweisaufnahme darüber gegeben habe, ob die beschlagnahmten Waffen erlaubnispflichtig gewesen seien. Es sei dann aber im Strafverfahren in erster Linie um die Frage gegangen, ob der Kläger hätte wissen müssen, dass es sich um erlaubnispflichtige Waffen gehandelt habe (vgl. S. 4 oben des Sitzungsprotokolls vom 17.11.2020).
35
Aus dem geschilderten Verlauf der strafrechtlichen Hauptverhandlung ergibt sich somit, dass dem Strafgericht bewusst gewesen sein muss, dass die Erlaubnispflicht der Waffen nicht ohne Weiteres zu erkennen gewesen war. Dennoch hat das Landgericht … in zweiter Instanz die strafrechtliche Schuld des Klägers als so erheblich bewertet, dass es bei seiner Strafzumessung eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen als tat- und schuldangemessen angesehen hat. Anhaltspunkte dafür, dass diese Strafurteilsfindung fehlerhaft erfolgt wäre, sind für das Verwaltungsgericht nicht erkennbar. Auch konnten solche Anhaltspunkte vom Klägerbevollmächtigten auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2020 nicht aufgezeigt werden. Das Gericht hat somit von der Richtigkeit der strafrechtlichen Verurteilung auszugehen (vgl. BVerwG, B.v. 22.04.1992 - 1 B 61/92 - juris, Rn. 6 f.), und kann aus dem vorliegenden Strafausspruch des Landgerichts … nur den Schluss ziehen, dass trotz der nicht einfach zu beurteilenden Frage der Erlaubnispflicht der in Rede stehenden Waffen kein geringes, sondern vielmehr ein erhebliches Verschulden des Klägers im Hinblick auf die waffenrechtlichen Sorgfaltspflichten vorgelegen hat.
36
b) Zudem ergibt sich vorliegend die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers wegen wiederholter Verstöße gegen das Waffengesetz auch aus dem Regeltatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG. Anders als bei der Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG ist für den Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG auch keine zeitliche Begrenzung normiert, nach deren Ablauf bekannt gewordene Verstöße per se unbeachtlich werden. Somit sind hier drei Strafverfahren wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, eingeleitet in den Jahren 2007, 2013 und 2015, zu berücksichtigen. Dabei wurde auch immer eine (sogar) strafrechtlich relevante Schuld des Klägers festgestellt, da auch die Einstellung der ersten beiden Strafverfahren jeweils nur gegen Auflage erfolgt ist.
37
c) Der Einwand des Klägers, es habe sich um gar keine „richtigen“ Waffen gehandelt und diese seien auch nicht gebrauchsfähig, kann schon dem Grunde nach zu keinem anderen Ergebnis führen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zielen die Vorschriften des Waffengesetzes darauf, das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, B.v. 26.03.1997 - 1 B 9/97 - juris, Rn. 6 m.w.N.). Es kommt also nicht darauf an, ob jemand mit seinen Waffen schon unmittelbare Gefahren für Menschen verursacht hat. Vielmehr wird von einem Waffenbesitzer verlangt, dass sein gesamtes Verhalten keinen Anlass dafür bietet, an seiner Zuverlässigkeit zu Zweifeln, weil im Waffenrecht ein Restrisiko nicht hinzunehmen ist. Da der Kläger aber bereits dreimal in strafrechtlich relevanter Weise gegen das Waffenrecht verstoßen hat, kann er ein derartiges Vertrauen für sich nicht mehr in Anspruch nehmen.
38
d) Soweit der Kläger anführt, dass es seit der Sicherstellung der Waffen im Jahr 2015 keine Vorfälle mehr gegeben habe, und er deshalb seine waffenrechtliche Zuverlässigkeit wiedergewonnen hätte, kann dies alleine schon deshalb nicht zutreffen, weil nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG eine strafrechtliche Verurteilung innerhalb der letzten fünf Jahre regelmäßig zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit führt. Dieser Zeitraum von fünf Jahren ist vorliegend seit dem Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils am 09.08.2018 noch nicht verstrichen.
39
e) Im Ergebnis hatte die Beklagte wegen des Wegfalls der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zwingend die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers zu widerrufen. Ein Ermessenspielraum stand ihr dabei nicht zu.
40
Soweit der Kläger rügt, dass dieser Widerruf „erst“ mit Bescheid vom 13.08.2019 - und damit erst nach einem langen Zeitraum nach der Durchsuchung am 22.10.2015 - erfolgt ist (vgl. auch S. 2 unten des Sitzungsprotokolls vom 17.11.2020), kann dieser Einwand jedenfalls nicht zum Erfolg der vorliegenden Klage führen. Es kann hier die Frage dahinstehen, ob es vorliegend sachgerecht war, den Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten, und erst nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens am 09.08.2018 das waffenrechtliche Widerrufsverfahren einzuleiten. Denn mit dieser Vorgehensweise hätte der anwaltlich vertretene Kläger zumindest rechnen müssen. Zudem gilt im Waffenrecht als Teil des Sicherheitsrechts ohnehin kein derartiger Vertrauensschutzgrundsatz, da das öffentliche Interesse daran, Waffenbesitz bei unzuverlässigen Personen zu unterbinden, dem privaten Interesse eines unzuverlässigen Waffenbesitzers am Behalten seiner Waffen stets vorgeht.
41
f) Da der Kläger im für das ausgesprochene Waffenerwerbs- und Besitzverbot nach § 41 Abs. 1 WaffG (Dauerverwaltungsakt) maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als waffenrechtlich nicht zuverlässig anzusehen ist, ist auch dieses rechtmäßig. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
42
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
43
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis bedurfte es angesichts der - wenn überhaupt anfallenden - jedenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen der Beklagten nicht, zumal diese auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.