Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 02.03.2020 – AN 19 K 18.01733, AN 19 K 20.00310
Titel:

Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren im behördlichen Vorverfahren; umfangreiche oder schwierige Tätigkeit des Rechtsanwaltes

Normenketten:
BayVwVfG Art. 80
VwGO § 120
RVG § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 14, § 23
VV RVG Nr. 2300
Leitsatz:
Die Anmerkung zu Nr. 2300 VV RVG bestimmt, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Allein die Tatsache, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten von den Beteiligten als notwendig angesehen wird, rechtfertigt eine Gebührenerhöhung nicht. (Rn. 34 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren, Kostenerstattungsanspruch gemäß Art. 80 Abs. 2, 3 BayVwVfG, umfangreiche oder schwierige Tätigkeit des Rechtsanwaltes, Höhe des Erstattungsanspruchs
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 02.03.2020 – AN 19 K 18.01733, AN 19 K 20.00310
Fundstelle:
BeckRS 2020, 4516

Tenor

1. Die Klage wird, soweit sie nicht unter dem Az. AN 19 K 20.00310 abgetrennt und durch Beschluss eingestellt worden ist, hinsichtlich des Klageantrages zu 3 aus der Klageschrift vom 4. September 2018, in Höhe von 47,60 EUR und hinsichtlich des Hilfsantrages in Höhe von 83,54 EUR nebst Zinsen abgewiesen.
2. Von den bis zur Abtrennung des Verfahrens mit dem Az.: AN 19 K 20.00310 angefallenen Verfahrenskosten trägt die Beklagte ¾, der Kläger ¼. Der Kläger trägt die ab der Abtrennung angefallenen Kosten des Verfahrens mit dem Az. AN 19 K 18.01733.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Die jeweiligen Beteiligten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweils andere Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren im behördlichen Vorverfahren.
2
Mit Zweitwohnungssteuerbescheid vom 27. November 2017 wurde der Kläger durch die Beklagte für den Zeitraum vom 1. August 2016 bis 31. Dezember 2017 sowie die Folgejahre zur Zweitwohnungssteuer veranlagt. Die vom Kläger beantragte Steuerbefreiung wurde abgelehnt, weil nach Meinung der Beklagten das Bruttojahreseinkommen des Klägers die maßgebliche Einkunftsgrenze überschreite.
3
Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 21. Dezember 2017 Widerspruch einlegen. Die Beklagte half diesem Widerspruch mit Zweitwohnungssteuerbescheid vom 7. Mai 2018 insoweit ab, als die Steuerfestsetzung für das Jahr 2017 und die Folgejahre betroffen waren (Bl. 37 f. der Behördenakte). Für das Jahr 2016 wurde eine Abhilfe abgelehnt, weil die Frist zur Stellung des Beweisantrages abgelaufen sei (Bl. 35 f. der Behördenakte).
4
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragte daraufhin mit Schriftsatz vom 14. Juni 2018 den Erlass einer Kostenentscheidung durch die Beklagte sowie die Erklärung, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig war (Bl. 44 f. der Behördenakte).
5
Mit Bescheid vom 6. August 2018 verfügte die Beklagte, dass die Stadt die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen habe, die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts jedoch nicht notwendig gewesen sei. Außerdem wurde der Steuerbefreiungsantrag für das Jahr 2016 abgelehnt (Bl. 48 ff. der Behördenakte).
6
Mit bei Gericht am 4. September 2018 eingegangenem Telefax ließ der Kläger durch seinen - auch im Widerspruchsverfahren bevollmächtigten - Rechtsanwalt Klage erheben und beantragen,
„1. Der Bescheid der Stadt … vom 6. August 2018 zur Steuer-Nr.: … zu Punkt 2. ist aufzuheben.
2. In Abänderung des Bescheids vom 6. August 2018, Punkt 2. ist die Hinzuziehung des Rechtsanwaltes … … im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.
3. Aufgrund der Kostenentscheidung vom 6. August 2018, Punkt 1. des Bescheides ist die Kostenentscheidung zu 1. durch Beschluss zu ergänzen, dass an den Kläger die notwendigen Kosten von 205,63 EUR für das Widerspruchsverfahren zu erstatten sind.“
7
Unter dem 17. September 2018 erließ die Beklagte folgenden Bescheid:
„1. In Abänderung von Nr. 1 des Bescheids vom 6. August 2018 wird die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Widerspruchsverfahren für notwendig erklärt.
2. Die zu erstattenden anwaltlichen Kosten werden auf 95,20 EUR festgesetzt.“
8
Mit Schriftsatz vom 19. September 2018 verwies die Beklagte zunächst auf den Änderungsbescheid vom 17. September 2018 und beantragte
Klageabweisung.
9
Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Klage mit ihren Anträgen zu 3 und 4 unbegründet sei, soweit die Beklagte nicht im Bescheid vom 17. September 2018 diesen Rechnung getragen habe. Die Kostenforderung des Klägerbevollmächtigten im Klageantrag zu 3 finde in dieser Höhe keine Rechtsgrundlage. Nach Nr. 2300 VV RVG sei für die Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts ein Rahmen von 0,5 bis 2,5 Gebühren eröffnet, wobei nach dem Wortlaut der Gebührenziffer eine Gebühr von mehr als 1,3 nur dann gefordert werden könne, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Dies sei hier offensichtlich nicht der Fall gewesen. Der Klägerbevollmächtigte selbst vermöge in seiner Klageschrift nicht zu erläutern, worin der besondere Umfang oder die besondere Schwierigkeit seiner Tätigkeit gelegen haben solle. Er beschränke sich auf die lapidare Äußerung, es seien ein Widerspruch und ein weiterer Schriftsatz gefertigt worden. Dies genüge für den Ansatz einer höheren Gebühr als 1,3 jedoch nicht.
10
Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2018 erklärte der Klägerbevollmächtigte die Klage hinsichtlich der Klageanträge zu 1 und zu 2 für erledigt. Hinsichtlich des Klageantrages zu 3 erklärte der Klägerbevollmächtigte eine Teilerledigung in Höhe von 95,20 EUR. Der Klägerbevollmächtigte führte zudem aus, dass die von der Beklagten vorgenommene Berechnung auch unter Zugrundelegung einer Geschäftsgebühr mit einem Satz von 1,3 fehlerhaft gewesen sei, weil die Beratungsgebühr 0,55 aus Nr. 2100 VV RVG in Höhe von 44,00 EUR abgezogen worden sei, ohne diese vorher zu addieren. Nach richtiger Berechnung komme man bei einer 1,3 Geschäftsgebühr aus Nr. 2300 VV RVG auf einen Erstattungsbetrag in Höhe von 158,03 EUR.
11
Der Klägerbevollmächtigte führte zudem aus, dass er zu Recht eine 1,8 Geschäftsgebühr in Höhe von 205,63 EUR für das Widerspruchsverfahren angesetzt habe. Abzüglich der von der Beklagten anerkannten Geschäftsgebühr von 95,20 EUR würde noch ein Betrag in Höhe von 110,43 EUR offen bleiben, der nunmehr mit dem Klageantrag zu 3 verfolgt werde. Zur Begründung der geforderten 1,8 Geschäftsgebühr verwies der Klägerbevollmächtigte auf eine BGH-Entscheidung vom 8. Mai 2012, VI ZR 273/11, worin der BGH klargestellt habe, dass die 1,5 Geschäftsgebühr bereits bei einer durchschnittlichen Angelegenheit abgerechnet werden dürfe.
12
Mit weiterem Bescheid vom 22. Oktober 2018 verfügte die Beklagte:
„1. In Abänderung von Nr. 2 des Bescheids vom 17. September 2018 werden die zu erstattenden anwaltlichen Kosten auf insgesamt 158,03 EUR festgesetzt.“
13
Mit Schriftsatz vom 8. November 2018 führte die Beklagte aus, dass sie der Erledigterklärung des Klägers hinsichtlich seiner Klageanträge zu 2 und zu 3 betreffend eines Betrags von 95,20 EUR zustimme und dass sie insoweit die Kosten zu tragen habe. Hinsichtlich des Klageantrags zu 1 sei festzustellen, dass für den gesonderten Anfechtungsantrag bereits bei Klageerhebung kein Rechtsschutzbedürfnis bestanden habe. Die Versagungsgegenklage zerfalle nämlich nach dem Wortlaut des § 42 Abs. 1 VwGO nicht in eine Anfechtungsklage (gegen den Versagungsbescheid) und eine Verpflichtungsklage. Auch § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebe nichts dafür her, dass die Versagungsgegenklage mit einer Anfechtungsklage gegen den Ablehnungsbescheid zu verbinden sei. Somit bedürfe es hinsichtlich des Klageantrages zu 1 keiner gesonderten Zustimmung zur Erledigung, da diese bereits durch die Zustimmung zur Erledigung des Klageantrags zu 2 erfolgt sei. Die im Hinblick auf die weitergehende Forderung im Klageantrag zu 3 erklärte Klageänderung des Klägers sei zweifelsfrei sachdienlich.
14
Soweit der Kläger an seiner Forderung festhalte, führte die Beklagte aus, dass nach Nr. 2300 VV RVG eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden könne, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Der Klägerbevollmächtigte sehe vorliegend den besonderen Umfang bzw. die besondere Schwierigkeit bereits darin, dass der Kläger durch einen eigenen Antrag beantragt habe, mit dem Widerspruchsbescheid eine gesonderte Kostenentscheidung zu treffen. Dies genüge dem Erfordernis offensichtlich nicht, insbesondere da klägerseits lediglich ein kurzer Schriftsatz erfolgt sei, der nach den dort enthaltenen Ausführungen keine rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten aufzeige.
15
Mit weiterem Schriftsatz vom 16. November 2018 stimmte die Beklagte der durch den Kläger im Schriftsatz vom 8. November 2018 erklärten Erledigung hinsichtlich eines Betrags von 158,03 EUR zu. Hinsichtlich der noch verbliebenen Forderung in Höhe von 47,60 EUR sei die Klage abzuweisen.
16
Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2018 führte der Klägerbevollmächtigte aus, dass die Beklagte es (im Widerspruchsverfahren) unterlassen habe, eine Kostengrundentscheidung zu erlassen, so dass der Kläger eine solche habe beantragen müssen und die Beklagte sich insoweit in Verzug befunden habe. Der Kläger sei bisher davon ausgegangen, dass der weitere Antrag auf Kostengrundentscheidung eine Ergänzung des Widerspruchsverfahrens darstelle, was dieses Widerspruchsverfahren umfangreicher gemacht und auch die Erhöhung um die angesetzte 0,5 Geschäftsgebühr legitimiert und gerechtfertigt habe, wenngleich ein neuer Antrag auch eine weitere 1,3 Geschäftsgebühr nach Klägeransicht auslöse. Gehe man davon aus, dass die Sachentscheidung im Widerspruchsverfahren und die Kostengrundentscheidung zwei selbstständige materielle Verwaltungsakte darstellten, die zwar im selben Bescheid abgefasst werden könnten, werde folgender Hilfsantrag gestellt:
„Gegen die Beklagte wird ein Betrag von 83,54 EUR festgesetzt und die Beklagte verurteilt, einen Betrag von 83,54 EUR an den Kläger ab Zugang dieses Antrags bei Gericht zu erstatten und mit 5% über dem Basiszinssatz der EZB verzinsbar zu erklären.“
17
Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2018 führte die Beklagte aus, dass dem Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden könne, ob an der Forderung hinsichtlich der anzusetzenden Gebührenhöhe in Höhe von 1,8 noch festgehalten werden solle. Die Klageerweiterung um den Hilfsantrag auf Zahlung von 83,54 EUR sei als Klageänderung unzulässig. Die Beklagte widerspreche diesem Vorgehen, es sei auch nicht sachdienlich. Rein vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass für diesen Betrag eine Anspruchsgrundlage nicht erkennbar sei, weil der Bevollmächtigte des Klägers bei seinem Antrag auf Abänderung der Kostengrundentscheidung sich ausschließlich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bewege, für das er bereits seine Gebühren erhalten habe. Der Vollständigkeit halber sei weiter vorsorglich darauf hinzuweisen, dass der Klägerbevollmächtigte diese Forderung bislang nicht gegenüber der Beklagten geltend gemacht habe, sondern diese ohne Weiteres in das laufende Klageverfahren einbeziehen wolle.
18
Mit Schriftsatz vom 5. Februar 2019 erklärte der Klägerbevollmächtigte, dass sich die Beklagte seit dem Antrag des Klägers vom 14. Juni 2018 mit der Kostenentscheidung in Verzug befunden habe. Da Sach- und Kostenentscheidungen rechtlich selbstständige Entscheidungen darstellten, gehe der Kläger davon aus, dass der erweiterte Hilfsantrag begründet sei. Hier sei eine anwaltliche Geschäftsgebühr von 1,3 im Widerspruchsverfahren entstanden und auch eine weitere anwaltliche Gebühr in Höhe von 1,3 für die Einholung der Kostenentscheidung wie Antrag auf Beiziehung des Prozessbeauftragten nach Verzug der Beklagten.
19
Mit Beschluss der 19. Kammer vom 14. Februar 2020 wurde der vorliegende Rechtsstreit der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21
Über die Klage konnte nach zuvor erklärtem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, § 101 Abs. 2 VwGO.
22
Nach Erlass der abändernden Bescheide der Beklagten vom 17. September 2018 (Bl. 76 f. der Gerichtsakte) und vom 22. Oktober 2018 (Bl. 86 f. der Gerichtsakte) und den daraufhin erklärten Erledigungen durch Schriftsätze des Klägers vom 15. Oktober 2018 hinsichtlich der Klageanträge zu 1 und zu 2 und hinsichtlich des Klageantrages zu 3 über einen Betrag von 92,50 EUR (Bl. 71 ff. der Gerichtsakte) sowie vom 8. November 2018 hinsichtlich des Klageantrages zu 3 über einen Betrag von 158,03 EUR (Bl. 84 f. der Gerichtsakte) ist nunmehr nur noch ein Erstattungsantrag in Höhe von 47,60 EUR streitgegenständlich sowie ein erstmals durch Schriftsatz vom 4. Dezember 2018 gestellter Hilfsantrag über einen Betrag von 83,54 EUR. Auf den unter dem gerichtlichen Aktenzeichen AN 19 K 20.00310 ergangenen Einstellungsbeschluss wird hiermit Bezug genommen.
23
Die unter dem gerichtlichen Aktenzeichen AN 19 K 18.01733 noch anhängige Klage ist in ihrem Hauptantrag zulässig, aber unbegründet (I.). Der Hilfsantrag erweist sich als unbegründet (II.).
I.
24
Von den ursprünglich begehrten 205,63 EUR sind nach Zusammenschau der Erklärungen des Klägerbevollmächtigten nur noch 47,60 EUR im Hauptantrag anhängig, § 88 VwGO.
25
Insoweit erweist sich die Klage zwar als zulässig (1.), jedoch unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung einer über 1,3 hinausgehenden Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG hat (2.).
26
1. Die - gemäß § 88 VwGO als Verpflichtungsklage - zu verstehende Klage ist dem Grunde nach statthaft. Denn dem Kläger geht es nach Erlass der Änderungsbescheide durch die Beklagte nach Klageerhebung um die Abänderung einer Kostenfestsetzung gemäß Art. 80 Abs. 3 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) in der hier maßgeblichen Fassung vom 10. Juni 2008. Bei der Kostenfestsetzung handelt es sich um einen Verwaltungsakt, so dass die Verpflichtungsklage grundsätzlich statthaft ist, § 42 Abs. 1 VwGO. Dem Gerichtsverfahren ist insbesondere ein Verfahren gemäß § 80 Abs. 3 BayVwVfG, also ein Antrag des Erstattungsberechtigten auf Festsetzung des Erstattungsbetrages bei der Behörde, vorgeschaltet gewesen, was zwingende Voraussetzung für die gerichtliche Durchsetzung des Kostenerstattungsanspruchs ist (vgl. Kunze in BeckOK VwVfG Bader/Ronellenfitsch, 46. Edition, Stand: 1.10.2019, § 80, Rn. 102a - beck-online).
27
2. Dem Kläger steht jedoch ein Erstattungsanspruch in der ursprünglich geltend gemachten Höhe von insgesamt 205,63 EUR nicht zu. Insoweit ist an dieser Stelle aber nur noch über einen Betrag von 47,60 EUR zu entscheiden, weil die Beteiligten den Rechtsstreit über den Betrag in Höhe von 158,03 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Hinsichtlich der noch anhängigen Klageforderung in Höhe von 47,60 EUR ist die Klage unbegründet und daher abzuweisen.
28
Zwar hat der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Erstattung der im Widerspruchsverfahren entstandenen, notwendigen Aufwendungen für die Gebühren und Auslagen des bevollmächtigten Rechtsanwaltes, Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG:
29
Zwingende Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruches sind eine Kostenentscheidung zugunsten des einstigen Widerspruchsführers und eine Erklärung der Behörde, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Beides liegt hier vor: Mit Bescheid vom 6. August 2018 hatte die Beklagte entschieden, dass die Stadt die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen habe (Bl. 48 ff. der Behördenakte). Im - nach Klageerhebung ergangenem - Änderungsbescheid vom 17. September 2018 bestimmte die Beklagte zudem, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Widerspruchsverfahren für notwendig erklärt werde (Bl. 58 f. der Behördenakte).
30
Die Höhe des Erstattungsanspruchs gemäß Art. 80 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 BayVwVfG richtet sich nach den entstandenen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwaltes. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Vorverfahren bemisst sich nach dem Streitwert, der im Falle eines Klageverfahrens anfiele, § 23 Abs. 1 Satz 3 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) in der hier maßgeblichen Fassung vom 23. Juli 2013 (vgl. Kunze, aaO, Rn. 136a) und beträgt nach Auffassung des Gerichts 730,80 EUR, weil der vom Bevollmächtigten ursprünglich erhobene Widerspruch auf die Aufhebung der Steuerfestsetzung von insgesamt 730,80 EUR abzielte (126 EUR für das Jahr 2016 und jeweils 302,40 EUR für die Jahre 2017 und 2018) und die Beklagte die Kosten für das Widerspruchsverfahren komplett sich selbst auferlegt hat. Die Beteiligten sind bei ihren Berechnungen hingegen stets von einem Gegenstandswert von 604,40 EUR ausgegangen. Dies bedarf jedoch keiner weiteren Vertiefung, weil sich eine Erhöhung des Gegenstandswerts erst ab einem Betrag von 1000 EUR auswirkt, vgl. Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 Satz 3 RVG.
31
Als erstattungsfähig haben die Beteiligten übereinstimmend folgende Positionen angesehen:
0,55 Beratungsgebühr gemäß Nr. 2100 VV RVG 44,00 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG 8,80 EUR
1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VVRVG 104 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Abzüglich 0,55 Beratungsgebühr gemäß Nr. 2100 VV RVG 44,00 EUR
Zwischensumme: 132,80 EUR
19% Umsatzsteuer: 25,23 EUR
Summe: 158,03 EUR
32
Die Frage, ob die Post- und Telekommunikationspauschale tatsächlich doppelt - bei der Beratungsgebühr und bei der Geschäftsgebühr - angesetzt werden darf, kann und muss hier dahinstehen, weil die Streitsache infolge der Erledigung insoweit nicht mehr anhängig ist.
33
Der Kläger verfolgt mit seiner Klage nunmehr nur noch einen Anteil des Kostenerstattungsanspruches in Höhe von 47,60 EUR beruhend auf der Überlegung, dass eine Geschäftsgebühr von 1,8 für seinen Aufwand gerechtfertigt sei. Dies ist nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht der Fall:
34
Die Anmerkung zu Nr. 2300 VV RVG bestimmt, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.
35
Teubel in Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 7. Aufl. 2018, Nr. 2300 VV, Rn. 10-13 führt insoweit aus:
„Bei der Entscheidung der Frage, ob die anwaltliche Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, ist zunächst zu berücksichtigen, dass entsprechend der Entstehungsgeschichte des Gesetzes es nicht darauf ankommt, ob die Tätigkeit besonders umfangreich oder besonders schwierig war. (…) Auch wenn keine besonderen Anforderungen an Umfang oder Schwierigkeit zu stellen sind, spricht der Wortlaut dafür, dass die Tätigkeit hinsichtlich Umfang oder Schwierigkeit in irgendeiner Form qualifiziert sein muss. Eine solche Qualifikation der Tätigkeit ist ersichtlich mit der Anmerkung ausgedrückt worden. Man kann schwerlich eine in jeder Hinsicht durchschnittliche Tätigkeit als umfangreiche oder schwierige Tätigkeit bezeichnen. Das würde letztlich voraussetzen, dass anwaltliche Tätigkeit im Grundsatz umfangreich oder schwierig ist; diese Vorstellung liegt ersichtlich der Anmerkung zu Nr. 2300 VV nicht zugrunde. Demgemäß geht auch der BGH davon aus, dass die Tätigkeit umfangreich oder schwierig, mithin überdurchschnittlich gewesen sein muss.“
36
Dieser Auslegung der Gebührenziffer schließt sich das Gericht an, weil der der Wortlaut der Anmerkung eindeutig eine über den Durchschnitt, was Umfang und Schwierigkeitsgrad betrifft, hinausgehende Tätigkeit verlangt, um eine - wenn auch moderate - Gebührenerhöhung zu rechtfertigen.
37
Der Klägerbevollmächtigte hat selbst vorgetragen, dass die Angelegenheit „durchschnittlich schwierig und durchschnittlich umfangreich“ gewesen sei (vgl. Schriftsatz 15. Oktober 2018 Bl. 74 der Gerichtsakte). Eine durchschnittlich schwierige und durchschnittlich umfangreiche Tätigkeit rechtfertigt jedoch eine Gebührenerhöhung nach Auffassung des Gerichts gerade nicht.
38
Der Klägervortrag ist, was eine Begründung eines etwa erhöhten Schwierigkeitsgrades angeht, nicht hinreichend konkret und substantiiert und im Hinblick auf die eindeutige Aussage, die Angelegenheit sei durchschnittlich schwierig und umfangreich gewesen, geradezu widersprüchlich.
39
Nicht ganz klar wird somit, worauf der Klägerbevollmächtigte mit seinen weiteren Ausführungen (Bl. 74 der Gerichtsakte) abzielt. Die für einen Erstattungsanspruch gemäß Art. 80 BayVwVfG erforderliche, von Amts wegen zu ergehende Kostenentscheidung der Behörde ist im Bescheid vom 7. Mai 2018 (Bl. 38 f. der Behördenakte), der als Abhilfebescheid verstanden werden kann, zwar nicht enthalten, wurde aber jedenfalls im Bescheid vom 6. August 2018 nachgeholt. Aus dem gesonderten Kostenantrag des Bevollmächtigten eine besondere Schwierigkeit herzuleiten, erschließt sich dem Gericht nicht.
40
Auch dass eine Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes von der Beklagten schließlich als notwendig angesehen wurde, impliziert eine Gebührenerhöhung nicht. Bei der Beurteilung, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Widerspruchsverfahren als notwendig anzusehen ist, ist ein anderer Maßstab ausschlaggebend als bei der Gebührenerhöhung: Insoweit kommt es nämlich auf die Sicht des „vernünftigen“, aber - in der Regel - gerade nicht rechtskundigen Widerspruchsführers an. Notwendig ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten ist, das Vorverfahren selbst zu führen (Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Keller, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 80 Rn. 81). Allein die Tatsache, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten von den Beteiligten als notwendig angesehen wird, rechtfertigt eine Gebührenerhöhung nicht.
41
Nach alledem ist die Klage, soweit sie nach der Einstellung noch anhängig ist, unbegründet und daher abzuweisen.
II.
42
Der erstmals durch Schriftsatz vom 4. Dezember 2018 gestellte Hilfsantrag über einen Betrag von 83,54 EUR ist unbegründet.
43
Bei dem hilfsweise gestellten Antrag auf Zahlung von 83,54 EUR nebst Zinsen handelt es sich - nach der gebotenen Auslegung des Gerichts gemäß § 88 VwGO - um eine Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO, weil der ursprüngliche Streitgegenstand - Kostenerstattungsanspruch im Widerspruchsverfahren gemäß Art. 80 Abs. 2 BayVwVfG - ergänzt wurde um einen weiteren Antrag, nämlich den Antrag auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten, die durch die gemäß § 120 VwGO analog beantragte Ergänzung der fehlenden Kostenentscheidung im Abhilfebescheid der Beklagten vom 7. Mai 2018 entstanden sein sollen.
44
Die Beklagte hat dieser Klageerweiterung nicht zugestimmt (Schriftsatz vom 21. Dezember 2018, Bl. 103 f. der Gerichtsakte).
45
Im Hinblick darauf, dass der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und die Klageänderung dazu beiträgt, dass ein weiterer Prozess vermieden wird, ist Sachdienlichkeit jedoch anzunehmen (vgl. Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 22. Aufl., § 91, Rn. 19), so dass das Gericht von der Zulässigkeit des Hilfsantrages ausgeht.
46
Die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten zu dem Hilfsantrag werden dahin gehend ausgelegt, dass mit seinem - aus seiner Sicht kostenauslösenden - Antrag bei der Beklagten wohl ein Antrag auf Erlass einer Entscheidung über die Kosten im Widerspruchsverfahren gemäß Art. 80 Abs. 1 BayVwVfG gemeint ist. Ist eine Kostenentscheidung unterblieben, können die Betroffenen in entsprechender Anwendung von § 120 VwGO eine Ergänzung des Widerspruchsbescheides beantragen (vgl. Kopp/Schenke, aaO, § 73, Rn. 19).
47
Der so verstandene Hilfsantrag auf Erstattung von Kosten im Verfahren gemäß § 120 VwGO analog ist allerdings unbegründet, weil die Kostenentscheidung zwar einen selbständig einklagbaren bzw. anfechtbaren Verwaltungsakt darstellt (Kopp/Schenke, aaO), allerdings bereits durch die Verknüpfung des Art. 80 Abs. 1 BayVwVfG („Ist der Widerspruch erfolgreich,…“) deutlich wird, dass dies keinen eigenständigen Gebührenanspruch begründen kann. Auch im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß Art. 80 Abs. 3 BayVwVfG fallen weitere Rechtsanwaltsgebühren nicht an (so unter Verweis auf § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 RVG BeckOK VwVfG/Kunze aaO, § 80, Rn. 118).
48
Im Übrigen ist der Klägervortrag nicht hinreichend konkret und substantiiert, so dass weitere Ausführungen nicht angezeigt sind.
III.
49
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO.