Titel:
Beamter als Reichsbürger - Kürzung des Ruhegehalts wegen Dienstvergehens
Normenketten:
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 37, § 41, § 42, § 47 Abs. 2 S. 1
BayDG Art. 12, Art. 13, Art. 14 Abs. 1, Art. 22, Art. 32, Art. 53 Abs. 1, Abs. 2
GG Art. 5
Leitsätze:
1. Disziplinarrechtlich relevant ist ein Verhalten, wonach ein Beamter beim Einwohnermeldeamt seinen Personalausweis mit der Begründung, kein Personal der Bundesrepublik Deutschland zu sein, zurücklässt und zugleich angebliche Mängel an seinem Reisepass rügt. (Rn. 150) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der disziplinarrechtlich relevante Pflichtenrahmen ist für den Ruhestandsbeamten enger als für den aktiven Beamten: Während sich der aktive Beamte durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung akitv eintreten muss, ist der Ruhestandsbeamte nur zu einer passiven Haltung gegenüber verfassungsfeindlichen Bestrebungen verpflichtet, so dass ein Dienstvergehen bei ihm erst mit seiner aktiv verfassungsfeindlichen Betätigung gegeben ist. (Rn. 157 – 158) (redaktioneller Leitsatz)
3. Von einem akiven verfassungsfeindlichen Verhalten eines Ruhestandsbeamten kann bei einer Behauptung, der deutsche Reisepass oder Personalausweis stelle keinen förmlichen Nachweis für das Vorliegen der deutschen Staatsangehörigkeit dar, vielmehr könne diese nur durch den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises nachgewiesen werden, ausgegangen werden, da dieser sich damit das Gedankengut der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zu eigen macht und ein für diese Bewegung typisches Verhalten mit Außenwirkung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung zeigt. (Rn. 163 – 166) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verwaltungsbeamter im Ruhestand, Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, Kürzung des Ruhegehalts, GEZ, Dienstvergehen, Personalausweis, Reisepass, Staatsangehörigkeitsausweis, Beamter, Disziplinarverfahren, Postzustellungsurkunde, freiheitlich-demokratische Grundordnung, Aberkennung des Ruhegehalts
Fundstelle:
BeckRS 2020, 4501
Tenor
1. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts um 1/20 für fünf Jahre erkannt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Der Kläger beantragt mit der vorliegenden Disziplinarklage, dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen (Art. 13 BayDG).
2
Dem Beklagten wird zur Last gelegt, ein Dienstvergehen begangen zu haben, in dem er im Zusammenhang mit der Beantragung auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit, dem Antrag auf Selbstauskunft aus dem EStA-Register sowie als Schuldner der Rundfunkbeiträge die für „Reichsbürger“ typischen Angaben gemacht und gegenüber Bediensteten der Stadt … bzw. des ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice entsprechende Verhaltensweisen an den Tag gelegt, dadurch die Bundesrepublik Deutschland als Staat und die geltende Rechtslage in Zweifel gezogen und so gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen habe.
3
Der …1953 geborene Beklagte erlangte am … 1976 an der Staatlichen Fachoberschule … die Fachhochschulreife.
4
Laut Prüfungszeugnis vom … 1977 bestand er die Einstellungsprüfung für den mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst am … 1976 mit befriedigendem Ergebnis.
5
Durch Urkunde vom … 1977 wurde der Beklagte mit Wirkung vom 1. September 1977 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Regierungsassistentenanwärter für den mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst ernannt. Ausbildungsbehörde war die Landesversicherungsanstalt … Der Beklagte legte die Anstellungsprüfung für den mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst mit der Gesamtprüfungsnote ausreichend (4,25 Punkte) ab. Nach Aushändigung des Prüfungszeugnisses vom … 1979 endete die Ausbildung am … 1979. Der Beklagte wurde vom Freistaat Bayern nicht übernommen.
6
Durch Urkunde vom … 1980 wurde der Beklagte aufgrund des Beschlusses der Gemeinschaftsversammlung vom 15. Februar 1980 mit Wirkung vom 1. März 1980 bei der Verwaltungsgemeinschaft … in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen und zum Verwaltungsassistenten z.A. ernannt.
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Durch Urkunde vom … 1983 erfolgte aufgrund des Beschlusses der Gemeinschaftsversammlung vom 24. Februar 1983 mit Wirkung vom 1. März 1983 die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mit Ernennung zum Verwaltungsassistenten. Durch Urkunde vom … 1985 wurde der Beklagte aufgrund des Beschlusses der Gemeinschaftsversammlung vom 13. Februar 1985 mit Wirkung vom 1. März 1985 zum Verwaltungssekretär (BesGr. A6) ernannt.
8
Mit Wirkung zum … 1989 erfolgte eine Beförderung zum Verwaltungsobersekretär (BesGr. A7).
9
Durch Urkunde vom … 1992 wurde der Beklagte aufgrund des Beschlusses der Gemeinschaftsversammlung vom 11. August 1992 mit Ablauf des 30. November 1992 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Die letzte Nachuntersuchung erfolgte am … 1997. Hierbei wurde die weitere Dienstunfähigkeit auf Dauer festgestellt.
10
Der Beklagte war zuletzt im Bereich der sozialen Beratung, insbesondere der Rentenberatung, und im Bereich des Standesamtes tätig.
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In der Personalakte des Beklagten findet sich ein unter dem … 1977 vom Landratsamt … unter der lfd. Nr. … für den Beklagten ausgestellter Staatsangehörigkeitsausweis.
12
Am … 2016 stellte der Beklagte beim Landratsamt … einen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis).
13
Unter Punkt 1.11 wurde die Angabe des Wohnsitzstaates „Bundesland Bayern“ handschriftlich durch „Bundesstaat Bayern“ ersetzt.
14
Unter Punkt 3.8 finden sich der handschriftliche Eintrag „Abstammung gem. § 4 Abs. 1 RuStaG, Stand 1913“ sowie als weitere Staatsangehörigkeit (Punkt 4.2 und Punkt 4.3) die Angabe „In Bayern seit Geburt durch Abstammung gem. § 4/1 RuStAG, Stand 1913“.
15
Der Staatsangehörigkeitsausweis wurde am … 2016 antragsgemäß ausgestellt.
16
Mit Schreiben vom 12. Juni 2017 informierte der Gemeinschaftsvorsitzende der Verwaltungsgemeinschaft … an der … die Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - unter Hinweis auf beigefügte Schreiben der Regierung … … vom 13. April 2017, des Landratsamtes … vom 4. Mai 2017 sowie des Polizeipräsidiums … vom 8. März 2017 über den Verdacht des Vorliegens eines Dienstvergehens.
17
Die Disziplinarbefugnisse wurden gem. § 4 Abs. 2 DVKommBayDG auf die Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - (nachfolgend: Disziplinarbehörde) übertragen.
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In dem im Bezug genommenen Schreiben des Polizeipräsidiums … vom 8. März 2017 an die Regierung … … wurde auf die obigen Angaben des Beklagten in seinem Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises vom 11. Juli 2016 verwiesen.
19
Am 8. September 2016 habe der Beklagte bei der Stadt … vorgesprochen und dort seinen Personalausweis abgeben wollen, da er kein Personal der Bundesrepublik Deutschland sei. Er habe weiter angegeben, dass er diese nicht anerkenne, da das Deutsche Reich nie zu existieren aufgehört habe. Seinen Reisepass habe er noch behalten wollen, sei aber der Meinung gewesen, dass dieser ebenfalls ungültig sei, da das Wappentier darauf die falsche Anzahl an Federn habe. Sein Grundeigentum wolle er auch sichern, da aufgrund der Nichtexistenz der Bundesrepublik Deutschland seine Eigentumsrechte in Gefahr seien.
20
Die Disziplinarbehörde leitete mit Verfügung vom 14. Juni 2017 gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren ein. Dem Beklagten wird der in dem genannten Schreiben des Polizeipräsidiums … genannte Sachverhalt zur Last gelegt.
21
In der Verfügung wird weiter ausgeführt, gem. § 47 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) gelte es bei Ruhestandsbeamten als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung i.S.d. Grundgesetzes betätigten. Die Pflicht zur Verfassungstreue sei die Grundpflicht des Beamten gegenüber dem Staat. Sie stelle die Kernpflicht eines Beamten dar und bilde auch einen Kernbestand des Diensteides (§ 38 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG). Wegen ihrer grundlegenden Bedeutung entfalte sie auch über das Ende des aktiven Beamtenverhältnisses hinaus Bedeutung, wenn und solange der Beamte aufgrund seines früheren Beamtenverhältnisses finanzielle Leistungen vom Dienstherrn erhalte. Während für die aktiven Beamten gem. § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG Bestandteil der Treuepflicht ein Gebot zum Bekennen zur freiheitlich demokratischen Grundordnung sei und eine Verpflichtung bestehe, für sie aktiv einzutreten, beschränke sich § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG im Hinblick auf Ruhestandsbeamte auf das Verbot der Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Dies bedeute aber nicht, dass von Ruhestandsbeamten lediglich ein geringeres Maß an Verfassungstreue erwartet und eingefordert werde (vgl. Weiss/Niedermeier/Summer/Zängl, § 47 BeamtStG, Rn 132).
22
Die oben wiedergegebenen Äußerungen des Beklagten stellten hinreichend konkrete tatsächliche Umstände dar für den Verdacht eines Dienstvergehens. Es bestehe der konkrete Verdacht, dass der Beklagte der sog. „Reichsbürgerbewegung“ nahe stehe bzw. sich damit identifiziere und damit die Gründung und das Fortbestehen der Bundesrepublik Deutschland sowie der Geltung des Grundgesetzes und der Verfassung des Freistaats Bayern sowie der darauf basierenden Rechtsordnung in Abrede stelle. Dadurch hätte der Beklagte sich aktiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung i.S.d. Grundgesetzes betätigt.
23
Die Einleitungsverfügung wurde dem Beklagten mit einem Begleitschreiben vom 14. Juni 2017 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt. Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde die Briefsendung am 17. Juni 2017 in den Briefkasten des Beklagten eingelegt.
24
In dem genannten Begleitschreiben vom 14. Juni 2017 wird der Beklagte darauf hingewiesen, dass er sich zu den disziplinarrechtlichen Vorwürfen mündlich oder schriftlich äußern oder auch nichts zur Sache aussagen könne. Zudem könne er sich jederzeit eines Bevollmächtigten oder Beistands bedienen.
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Für eine schriftliche Rückäußerung wurde Gelegenheit bis zum 14. Juli 2017 eingeräumt.
26
Mit Schreiben vom 19. Juni 2017 teilte der Beklagte unter Rückgabe der nicht geöffneten Briefsendung der Disziplinarbehörde mit, er habe in seinem Briefkasten den beiliegenden „gelben Brief“, unterschrieben von Herrn/Frau … (Anmerkung: Es handelt sich um die vom Postzusteller unterschriebene Zustellungsurkunde) vorgefunden. Dieser Brief dürfe nach gültigem deutschem Recht nur von Postbeamten persönlich zugestellt werden. Ein privater kommerzieller Postservice erfülle diese Voraussetzung nicht. Das Zustellen solcher Briefe sei Amtsanmaßung und somit strafbar. Er bestehe auf ordnungsgemäße, rechtskonforme Zustellung. Er sende deshalb den Brief ungeöffnet zurück.
27
Unter dem 14. Juni 2017 erkundigte sich die Disziplinarbehörde beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, ob dort einschlägige Erkenntnisse im Hinblick auf die Verfassungstreue des Beklagten vorlägen. Mit weiterem Schreiben vom 14. Juni 2017 zog die Disziplinarbehörde die beim Landratsamt … im Zusammenhang mit der durch den Beklagten beantragten Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit angefallenen Akten bei.
28
Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz erwiderte mit E-Mail vom 7. Juli 2017, dass dort keine Erkenntnisse zum Beklagten vorlägen.
29
Die Verwaltungsgemeinschaft … an der … teilte der Disziplinarbehörde mit Schreiben vom 14. Juli 2017 mit, die Gemeinschaftsversammlung habe mit Beschluss vom 6. Juli 2017 im Disziplinarverfahren gegen den Beklagten zugestimmt und die Disziplinarbefugnisse gem. § 4 Abs. 2 DVKommBayDG vollständig auf die Landesanwaltschaft Bayern übertragen.
30
Mit Schreiben vom 15. September 2017 holte die Disziplinarbehörde bei der Stadt … gem. Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayDG eine schriftliche dienstliche Auskunft zu den Äußerungen des Beklagten am 8. September 2016 anlässlich der gewünschten Abgabe seines Personalausweises ein.
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Am gleichen Tag wurde zudem beim Bundesverwaltungsamt … eine Auskunft zu der Frage eingeholt, welche Angaben der Beklagte im Zusammenhang mit einem Antrag auf Selbstauskunft betreffend den EStA-Eintrag unter Registernummer … gemacht habe. Unter dieser Nummer finde sich ein Eintrag, aus dem ersichtlich sei, dass die deutsche Staatsangehörigkeit am … 2016 positiv festgestellt und ein entsprechender Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt worden sei.
32
Unter dem 22. September 2017 übersandte das Bundesverwaltungsamt eine Kopie des Antrags vom 28. Juli 2016 an die Disziplinarbehörde.
33
Die Stadt … übersandte mit Schreiben vom 18. Oktober 2017 eine schriftliche Stellungnahme des Verwaltungshauptsekretärs … … In dieser wird ausgeführt, der Beklagte habe am 8. September 2016 mit einem unbekannten männlichen Begleiter die Diensträume des Einwohnermeldeamtes der Stadt … betreten. Der Beklagte habe ihm gegenüber erklärt, dass er seinen Personalausweis abgeben wolle, da er kein Personal der Bundesrepublik Deutschland sei. Als Gründe dafür habe er mitgeteilt, dass das Deutsche Reich nie aufgehört habe zu existieren und die BRD nur eine Erfindung der Siegermächte nach dem 2. Weltkrieg sei. Deshalb erkenne er die BRD auch nicht als Staat an.
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Daraufhin habe er noch Staatsverträge zitiert und mit seinem Begleiter gefachsimpelt.
35
Da er ja einen gültigen Staatsangehörigkeitsausweis besitze, benötige er weiter keine Ausweispapiere. Nur den Reisepass wolle er noch vorübergehend für bestimmte Vorhaben behalten. Er habe daraufhin noch erklärt, dass der Reisepass auch nicht gültig sei, da das Wappentier darauf die falsche Anzahl an Federn habe.
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Weiterhin habe er erklärt, dass er sein Grundeigentum sichern wolle, da er der Meinung sei, dass aufgrund der Nichtexistenz der Bundesrepublik Deutschland seine Eigentumsrechte in Gefahr wären.
37
Er habe verlangt, ihm die Abgabe des Personalausweises zu bestätigen. Dies habe der Unterzeichner natürlich nicht getan. Der Beklagte habe dann noch erklärt, dass er mit Sicherheit diese Bestätigung noch erhalten werde, außerdem müsse der Unterfertiger als Beamter der Stadt … genau Bescheid wissen, dass der Beklagte mit seinen Aussagen Recht habe. Er habe dem Beklagten weder zugestimmt noch irgendwelche Aussagen getroffen, sondern diesen einfach nur reden lassen. An die genauen Aussagen des Beklagten könne er sich nicht erinnern, aber so sei das Gespräch abgelaufen. Am 7. März 2017 habe er diesen Sachverhalt an Frau … … bei der Kriminalpolizei … gemeldet.
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Mit Verfügung vom 20. Oktober 2017 setzte die Disziplinarbehörde einen Termin zur Beweisaufnahme und zur persönlichen Anhörung des Beklagten auf den 6. November 2017 fest und lud den Zeugen … … unter gleichzeitiger Anforderung einer Aussagegenehmigung für den Zeugen bei der Stadt … Der Beklagte wurde von dem Termin mit Schreiben vom 20. Oktober 2017 informiert.
39
Er sandte das laut Postzustellungsurkunde und Zustellvermerk vom 24. Oktober 2017 zugestellte Schreiben erneut im ungeöffneten Umschlag an die Disziplinarbehörde zurück, wobei er den Umschlag mit einem Aufkleber versah, aus dem sich dieselbe Begründung der Ablehnung der Annahme wie beim ersten Zustellversuch ergibt.
40
Der Termin zur Beweisaufnahme und persönlichen Anhörung wurde aufgrund Erkrankung des Zeugen mit Verfügung der Disziplinarbehörde vom 27. Oktober 2017 - zunächst ersatzlos - aufgehoben. Hiervon wurde der Beklagte mit Schreiben der Disziplinarbehörde vom 27. Oktober 2017 in Kenntnis gesetzt. Auch dieses, laut Postzustellungsurkunde und Zustellvermerk am 28. Oktober 2017 zugestellte Schreiben schickte der Beklagte im ungeöffneten Umschlag zurück. Auf dem Umschlag brachte er einen Aufkleber an, aus dem sich neben den bereits bekannten Einwendungen weitere Angaben befanden, u.a. der Hinweis darauf, dass die „juristische Person als Empfänger nach geändertem Personenstand“ nicht mehr existiere und wegen fehlender Rechts- und Vertragsgrundlage ein Zustellverbot existiere.
41
Mit Verfügung vom 18. Dezember 2017 setzte die Disziplinarbehörde als neuen Termin zur Beweisaufnahme der 23. Januar 2018 fest. Der Beklagte wurde von dem Termin mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 in Kenntnis gesetzt.
42
Auch dieses Schreiben gelangte ungeöffnet mit dem Vermerk, dass der Brief nur von Postbeamten persönlich zugestellt werden dürfe, in Rücklauf.
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Ausweislich der Niederschrift über die Beweisaufnahme vom 23. Januar 2018 erklärte der Zeuge … …, er sei am 8. September 2016 in das Einwohnermeldeamt gekommen. Der Beklagte habe dort mit einem ihm nicht persönlich bekannten männlichen Begleiter bereits gewartet. Sein Vorgänger habe ihm erklärt, dass diese Angelegenheit nun in seinen Zuständigkeitsbereich falle.
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Der Beklagte habe das Gespräch mit ihm sinngemäß so eröffnet, dass er keine Angst zu haben brauche, er sei auch ein Beamtenkollege und sie bekämen das Folgende schon hin. Daraufhin habe der Beklagte erklärt, er wolle seinen Personalausweis abgeben, weil er kein Personal der Bundesrepublik sei. Er wolle die Rückgabe des Personalausweises bestätigt erhalten. Er habe dem Beklagten daraufhin erklärt, dass er keine derartige Bestätigung bekommen und er den Personalausweis des Beklagten auch nicht zurücknehmen werde. Der Personalausweis sei zu diesem Zeitpunkt noch gültig gewesen. Er habe dem Beklagten gesagt, dass er ihn nicht hindern könne, den Personalausweis einfach liegen zu lassen, offiziell zurücknehmen werde er ihn aber nicht. Daraufhin habe der Beklagte sinngemäß gemeint, dies würden sie schon noch sehen und er sei sicher, dass er eine entsprechende Bestätigung noch bekommen werde. In der Folge habe der Beklagte begonnen, mit seinem Begleiter fachzusimpeln. Dabei hätten sich die beiden darüber ausgetauscht, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht durch rechtlich wirksame Akte zustande gekommen sei, sondern das Ergebnis von Staatsverträgen der Siegermächte sei. Dabei hätten die Beiden einzelne Staatsverträge erwähnt, an die er sich im Detail nicht mehr erinnern könne. Die Diskussion zwischen den beiden habe etwa drei Minuten gedauert. Er selbst habe sich an der Diskussion nicht beteiligt. Nach seiner Einschätzung hätten die beiden die Diskussion geführt, um ihn von ihren Ansichten zu überzeugen. Nach seiner Wahrnehmung seien sich die beiden inhaltlich sehr einig gewesen.
45
Im Anschluss an diese Diskussion habe sich der Beklagte nochmals an ihn gewandt und mitgeteilt, dass auch sein Reisepass nicht korrekt sei. Zur Begründung habe der Beklagte angegeben, dass die Anzahl der Federn des Bundesadlers nicht korrekt sei. Er habe hierzu nähere Ausführungen gemacht, an die er sich im Detail aber nicht mehr erinnern könne. Der Beklagte habe angegeben, seinen Reisepass trotzdem noch behalten zu wollen, weil er ihn noch benötigen würde.
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Der Beklagte habe dann beim Verlassen des Einwohnermeldeamtes seinen Personalausweis tatsächlich liegen lassen und abschließend sinngemäß noch bemerkt, als Beamter wüsste der Zeuge ja, dass der Beklagte Recht habe. Sie hätten den Personalausweis dann zu den Akten genommen.
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Der gesamte Vorfall habe ca. 20 bis 25 Minuten gedauert. Den Vorfall hätten auch die beiden Kolleginnen, Frau … … und Frau … …, die im selben Büro mit ihm arbeiteten, mitbekommen. Die beiden Kolleginnen hätten in der Folge auch nachgefragt, worum es gegangen sei, soweit sie es nicht selbst mitbekommen hätten. Er sei sich nicht mehr ganz sicher, ob noch weitere Personen zeitweise anwesend gewesen seien.
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Die Niederschrift wurde dem Beklagten mit Schreiben der Disziplinarbehörde vom 23. Januar 2018 zur Kenntnis übersandt. Das laut Postzustellungsurkunde am 25. Januar 2018 zugestellte Schreiben hat der Beklagte nicht retourniert.
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Die Disziplinarbehörde fertigte am 27. August 2018 das Ergebnis der Ermittlungen. Dieses wurde dem Beklagten mit Schreiben vom gleichen Tag unter Belehrung über seine Rechte im Disziplinarverfahren zur abschließenden Anhörung übermittelt (Art. 32 BayDG). Es sei beabsichtigt, gegen den Beklagten Disziplinarklage mit dem Ziel der Aberkennung des Ruhegehalts zu erheben und gemäß Art. 39 Abs. 2 Satz 2 BayDG die Einbehaltung eines Teils des Ruhegehalts anzuordnen. Dem Beklagten wurde eine Frist zur schriftlichen Äußerung bis zum 21 September 2018 eingeräumt.
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Die Abschlussverfügung wurde dem Beklagten am 30. August 2018 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt.
51
Laut einem Aktenvermerk der Disziplinarbehörde vom 4. September 2018 erfolgte am 31. August 2018 ein Anruf durch den Beklagten mit der Bitte um Anberaumung eines persönlichen Anhörungstermins. Dem Beklagten seien die Termine 12. September, 13. September und 14. September 2018 vorgeschlagen worden. Der Beklagte habe erklärt, dass er sich diesbezüglich noch einmal melden werde. Nachdem bis Dienstag, den 4. September 2018, 13.00 Uhr, kein Rückruf erfolgt sei, werde als Anhörungstermin der 12. September 2018, 14.00 Uhr, bestimmt.
52
Mit Schreiben vom 4. September 2018 wurde der Beklagte für einen Anhörungstermin am „Mittwoch, den 14. September 2018, Beginn: 14.00 Uhr“ geladen.
53
Laut einem weiteren Aktenvermerk rief der Beklagte am 10. September 2018 bei der Disziplinarbehörde an und wies auf die fehlerhafte Datumsangabe hin. Der Beklagte sei telefonisch auf das richtige Datum (12.9.2018) hingewiesen worden. Daraufhin habe dieser um eine erneute Terminverlegung gebeten.
54
Unter dem 10. September 2018 zeigten sich die Bevollmächtigten des Beklagten an und beantragten Akteneinsicht.
55
Am 11. Oktober 2018 wurde der Beklagte in Anwesenheit seines Bevollmächtigten angehört.
56
Der Beklagte führte aus, er habe die Postsendungen der Landesanwaltschaft Bayern zunächst ungeöffnet zurückgesandt, weil er sich zu 100% sicher gewesen sei, dass diese Briefe mit der GEZ zu tun hätten. Dies sei ein Missverständnis gewesen. Er sei der Meinung gewesen, dass die Landesanwaltschaft Bayern im Auftrag des Gebührenservices der GEZ tätig geworden sei. Er habe keine andere Erklärung gehabt. Auf die Idee, dass es einen Zusammenhang mit seinem Personalausweis geben könnte, sei er nicht gekommen.
57
Er habe große Probleme mit der GEZ gehabt, die insgesamt vier Objekte beträfen. Es handele sich dabei um sein Eigenheim in der … …, eine Zweitwohnung seiner Ehefrau in der … …, die Wohnung seiner Tochter im Wohnheim des …-Krankenhauses in … sowie die Geschäftsadresse seiner Ehefrau in der … … Als die Sache im Jahr 2012 mit der GEZ begonnen habe, habe er Recherchen im Internet angestellt. Da er Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung gehabt habe, habe er versucht, sich im Internet zu informieren.
58
Die Zettel auf den Kuverts der Briefe habe er im Internet gefunden, ausgedruckt und aufgeklebt. Er könne nicht mehr angeben, auf welcher Seite, aber wenn man den Suchbegriff „gelber Brief“ eingebe, werde man fündig. Er habe sich die von ihm aufgeklebten Zettel durchgelesen, aber nicht verstanden.
59
Er wisse nicht, was ein Reichsbürger sei. Er kenne auch keinen, in Oberfranken gebe es garantiert keinen. Er wäre froh, wenn er heute hier erfahre, was ein Reichsbürger sei.
60
Der Beklagte habe weiter angegeben, in der Vergangenheit regelmäßig von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht zu haben und dies auch bei den am kommenden Wochenende anstehenden Wahlen zu beanspruchen.
61
Er habe auf YouTube ein Video gesehen, in dem ein gewisser … … erkläre, wie ein Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit auszusehen habe. Er könne heute nichts mehr dazu sagen, warum er auf die Idee gekommen sei, die deutsche Staatsangehörigkeit feststellen zu lassen. Es habe keinen konkreten Anlass dafür gegeben, insbesondere sei er von niemandem dergestalt darauf angesprochen worden, dass seine deutsche Staatsangehörigkeit zweifelhaft wäre.
62
Bei seinen Angaben im Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit habe er sich an dem besagten Video von … orientiert.
63
Die Antragsformulare für den Staatsangehörigkeitsausweis und die Selbstauskunft aus dem EStA-Register habe er im Internet des Bundesverwaltungsamts heruntergeladen.
64
Er habe die Selbstauskunft beantragt, weil … … dies im besagten Video empfohlen habe. Er habe dieses Video etwa ein Viertel Jahr vor seiner Antragsstellung gesehen. Es gebe mehrere Videos von … im Internet. Er selbst habe bestimmt ein weiteres gesehen, in dem er ein Interview gebe.
65
Er habe niemals, auch nicht sinngemäß, zu Herrn … gesagt, er brauche keine Angst zu haben. Er habe vielmehr gesagt: „Sie sind ein netter Mensch und ich bin ein netter Mensch, warum sollten wir nicht miteinander auskommen?“.
66
Er sei nach dem 8. September 2016 nochmals bei Herrn … vorstellig geworden, um dort eine vollständige Auskunft aus dem Melderegister zu erhalten, weil … … dies in besagtem Video empfohlen habe. Er sei sich aber nicht mehr ganz sicher, ob er diese Empfehlung aus diesem Video oder aus einem anderen Video habe. Herr … habe diese Auskunft ausgedruckt und übergeben. Er habe vor Ort die Auskunft überprüft und für korrekt befunden und dieses Herrn … auch bestätigt. Daraufhin habe Herr … wörtlich gesagt „wir können, wenn wir wollen“.
67
Er habe im Internet das Personalausweisgesetz studiert und festgestellt, dass der Personalausweis in einer bestimmten Weise ausgestellt sein müsse. Dies betreffe insbesondere die Schreibweise des Namens. Er habe Herrn … bei seiner Vorsprache am 8. September 2016 mitgeteilt, dass sein Personalausweis diesen gesetzlichen Vorgaben nicht entspreche. Was er darüber hinaus gegenüber Herrn … geäußert habe, wisse er heute nicht mehr.
68
Er habe den Ausführungen von … … geglaubt, weil diese sehr überzeugend und plausibel geklungen hätten. Wenn er geahnt hätte, was daraus für Konsequenzen entstehen könnten, hätte er nichts dergleichen gemacht.
69
Am 8. September 2016 sei er von einem langjährigen guten Bekannten begleitet worden. Es handele sich um Herrn Dipl. Ing. … …, wohnhaft in … Die Empfehlung, einen Zeugen mitzunehmen, habe er entweder aus dem Video von … oder einer anderen Quelle aus dem Internet.
70
Er habe sich im Zeitraum von Ende Dezember 2015 bis Oktober 2016 in einer großen persönlichen Krise befunden, über die er hier eigentlich gar nicht sprechen wolle. Er sei zum damaligen Zeitpunkt getrennt lebend gewesen und habe eine Zweitwohnung in unmittelbarer Nähe des Rathauses von … gehabt. Er habe in dieser Zeit „Scheiße gebaut, indem er sich von früh bis spät den ganzen Tag über diese gequirlte Scheiße reingezogen habe“. Er glaube heute, dass es ein Fluchtverhalten gewesen sei. Er habe nur den ganzen Tag rumgelegen und sich von Süßigkeiten ernährt. Dadurch habe er bis zu 103 kg Körpergewicht gehabt. Er habe in diesem Zeitpunkt wenig bis gar keine sozialen Kontakte gehabt und die Öffentlichkeit gemieden. Etwa im Oktober 2016 seien seine Ehefrau und er wieder zusammengekommen und sein Konsum an Süßigkeiten habe sich auf ein normales Maß reduziert.
71
Von Herrn … sei er in keiner Weise zu seinem Handeln motiviert worden. Er könne sich nicht mehr daran erinnern, worüber er sich am 8. September 2016 im Beisein von Herrn … mit Herrn … unterhalten habe. Wenn er das Ganze rückgängig machen könnte, würde er dies sofort tun.
72
Aufgrund der Einlassung des Beklagten in der persönlichen Anhörung holte die Disziplinarbehörde mit Schreiben vom 12. Oktober 2018 beim ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice eine schriftliche dienstliche Auskunft gemäß Art. 26 Abs. 1 BayDG zu dem von dem Beklagten angesprochenen Problemen bei der Abwicklung von Beitragsfragen ein und bat um Übersendung der einschlägigen Unterlagen.
73
Der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice teilte der Disziplinarbehörde am 7. Dezember 2018 mit, das Beitragskonto des Beklagten sei bis einschließlich Oktober 2011 ausgeglichen gewesen. Da danach keine oder nicht mehr ausgleichende Zahlungen eingegangen seien, seien die Rückstände der Rundfunkgebühren und -beiträge mit Bescheiden festgesetzt worden.
74
Mit Schreiben vom 3. Oktober 2016, 20. November 2016 und 16. Januar 2017 habe der Beklagte mitgeteilt, dass der Rundfunkvertrag kein Gesetz sei, weder der Bayerische Rundfunk noch der Beitragsservice zum Erlass von Verwaltungsakten berechtigt sei und Bescheide ohne Unterschrift nichtig seien. Hierauf sei mit Schreiben vom 27. Oktober 2016 und 8. Dezember 2016 erwidert worden. Mit Ersuchen vom 2. Januar 2017, 2. November 2017 und 5. Juli 2018 sei das Amtsgericht … um Vollstreckung der festgesetzten Forderungen gebeten worden. Die Beträge seien im Vollstreckungserfahren vom Beklagten mit der Notiz „unter Vorbehalt wegen Erpressung“ überwiesen worden. Das Beitragskonto sei ausgeglichen.
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Unter dem 19. März 2019 fertigte die Disziplinarbehörde erneut das Ergebnis der Ermittlungen zur abschließenden Anhörung (Art. 32 BayDG). Diese beinhaltet nunmehr auch die Äußerungen des Beklagten gegenüber dem ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice.
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Dem Beklagten wurde eine Frist zur schriftlichen Äußerung bis zum 19. April 2019 eingeräumt.
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Die Bevollmächtigten des Beklagten trugen mit Schreiben vom 16. April 2019 vor, der Beklagte betone nochmals, dass er kein Reichsbürger sei und sich nicht zu den Zielen der Reichsbürgerbewegung bekenne oder bekannt habe.
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Es sei völlig spekulativ, dem Beklagten anhand bestimmter Handlungen zu unterstellen, er gehöre zu dem bestreffenden Personenkreis. Die Reichsbürger seien in der Regel Personen, die die Bundesrepublik Deutschland als Staat ablehnten und sich gegenüber den staatlichen Behörden auch aktiv dazu bekennen würden. Der Beklagte wäre ein atypischer Reichsbürger, wenn er sich zu einer solchen Gesinnung, hätte er sie, nicht bekennen würde.
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Als Zeugen für die Tatsache, dass der Beklagte keinen Kontakt zu der Reichsbürgerbewegung habe und sich nicht mit den Zielen dieser Bewegung identifiziere, werde die Ehefrau des Beklagten sowie Herr … … angeboten.
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Als er den Staatsangehörigenausweis am 28. Juli 2016 abgeholt habe, habe er mit einem Herrn … vom Landratsamt … gesprochen. Diesem gegenüber habe er sinngemäß geäußert, dass er klarstellen wolle, dass er mit den „Spinnern“ von der Reichsbürgerbewegung nichts zu tun haben wolle. Vielleicht könne sich Herr … an diese Äußerung erinnern. Für dieses Gespräch gebe es jedoch noch einen unabhängigen Zeugen, nämlich Herrn … …, …, … … … Die Disziplinarbehörde erwiderte mit Schreiben vom 6. Mai 2019, soweit die Ehefrau des Beklagten als Zeugin benannt werde für die Tatsache, dass der Beklagte keinen Kontakt zur Reichsbürgerbewegung gehabt habe und sich nicht mit den Zielen dieser Bewegung identifiziere, seien diese Beweisanregungen unbehelflich. Der Beklagte habe in seiner persönlichen Anhörung am 11. Oktober 2018 bei der Disziplinarbehörde angegeben, dass er im fraglichen Zeitraum (Dezember 2015 bis Oktober 2016) von seiner Ehefrau getrennt gelebt, die Öffentlichkeit gemieden und so gut wie keine sozialen Kontakte gepflegt habe. Angesichts dessen sei durch die Einvernahme der Ehefrau des Beklagten und des Herrn … … für die ohnehin negativen Tatsachen kein für das Disziplinarverfahren relevanter Erkenntnisgewinn zu erwarten.
81
Die weitere Beweisanregung, Herrn … vom Landratsamt … sowie Herrn … … als Zeugen für die Tatsache einzuvernehmen, der Ruhestandsbeamte hätte bei Abholung seines Staatsangehörigkeitsausweises am 28. Juli 2016 im Landratsamt … sinngemäß geäußert, er wolle klarstellen, dass er mit den „Spinnern“ von der Reichsbürgerbewegung nichts zu tun habe, sei ebenfalls unbehelflich, weil dem Beklagten keine solchen Äußerungen, sondern die Angaben im Antrag auf Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises vorgeworfen würden.
82
Mit Verfügung vom 7. Mai 2019 ordnete die Disziplinarbehörde die Einbehaltung von 30 von 100 des monatlichen Ruhegehalts des Beklagten an.
83
Die Disziplinarbehörde erhob mit Schriftsatz vom 7. Mai 2019, eingegangen beim Verwaltungsgericht Ansbach am 13. Mai 2019, gegen den Beklagten eine Disziplinarklage mit dem Antrag,
dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.
84
Dem Beklagten wird in der Disziplinarklage folgender Sachverhalt zur Last gelegt (wörtliche Wiedergabe):
Der Beklagte hat am 11.07.2016 einen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis) unterzeichnet und beim Landratsamt … eingereicht. Er hat dabei das Antragsformular (Antrag F) sowie das dazugehörige Formular Anlage Vorfahren (Anlage V) verwendet, welches vom Bundesverwaltungsamt als Antrag F (Stand: April 2011) bzw. Anlage V (Stand: April 2011) auf der eigenen Homepage unter der Internetadresse http://www.bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_BT/Feststellung/antraegemerkblaetter/antraegemerkblaetter-node.html zum Download zur Verfügung gestellt wird und im Internet - insbesondere in Kreisen der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ - weite Verbreitung gefunden hat und auf einschlägigen Homepages downloadbar ist.
1.1 Der Beklagte hat die Formulare selbst handschriftlich ausgefüllt und dabei u. a. im Antragsformular folgende Angaben gemacht:
- Nr. 1.6: Geburtsstaat: Bayern
- Nr. 1.9: Ehe: geschlossen am …1980 in … im Bundesstaat Bayern
- Nr. 1.10 aktuelle Anschrift: …, … … - ohne Postleitzahlen
- Nr. 1.11 Wohnsitzstaat: Bundesstaat Bayern, wobei der Wortteil „…land“ des Begriffes „Bundesland“ durchgestrichen und durch den Wortteil „…staat“ ersetzt wurde
- Nr. 3.8 Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit - Sonstiges: Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStAg Stand 1913 - Nr. 4.3 Besitz weiterer Staatsangehörigkeiten: in Bayern seit Geburt, erworben durch Abstammung gem. § 4/1 RuStAg Stand 1913 - Nr. 5.1 Aufenthaltszeiten seit Geburt in folgenden Staaten: Bayern (Geburt bis heute)
1.2. In der Anlage V zum Vater des Beklagten wurden u.a. folgende Angaben gemacht:
- Nr. 1.7 Geburtsstaat: Bayern
- Nr. 1.10 Ehe: geschlossen am …1946 in … im Staat Bayern
- Nr. 3.8 Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit - Sonstiges: Abstammung gem. § 4, Abs. 1 RuStAg, Stand 1913 - Nr. 4.3 Besitz weiterer Staatsangehörigkeiten: in Bayern seit Geburt, erworben durch Abst. s. 3.8.
1.3 In der Anlage V zum Großvater väterlicherseits des Beklagten wurden u.a. folgende Angaben gemacht:
- Nr. 1.7 Geburtsstaat: Kgr. Bayern
- Nr. 1.10 Ehe: geschlossen am …1908 in … im Kgr. Bayern
- Nr. 3.8 Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit - Sonstiges: Abstammung gem. § 4, Abs. 1 RuStAg, Stand 1913 - Nr. 4.3 Besitz weiterer Staatsangehörigkeiten: im Königreich Bayern seit Geburt, erworben s. Punkt 3.8 Der Staatsangehörigkeitsausweis wurde vom Landratsamt … am 20.07.2016 wie beantragt ausgestellt und dem Beklagten am 28.07.2016 gegen Empfangsbestätigung ausgehändigt. Die dafür angefallene Gebühr in Höhe von 25,00 Euro wurde von dem Beklagten am 28.07.2016 entrichtet.
85
Der Sachverhalt steht fest aufgrund der vorliegenden Akten. Er wurde von dem Beklagten in seiner persönlichen Anhörung am 11.10.2018 eingeräumt. Der Beklagte hat dazu angegeben, er habe sich bei seinen Angaben an einem im Internet zu findenden Video orientiert, in dem … … hierzu Erklärungen und Tipps gibt.
86
2. Unter dem 28.07.2016 hat der Beklagte beim Bundesverwaltungsamt … unter Verwendung des vom Bundesverwaltungsamt vorgesehenen Formulars RE einen Antrag auf Selbstauskunft aus dem Register EStA (Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten) gestellt. Der Antrag wurde von dem Beklagten handschriftlich ausgefüllt und unterschrieben. Als Geburtsstaat wurde angegeben: Bayern.
87
Der Sachverhalt steht fest aufgrund der vorliegenden Akten. Der Beklagte räumte den Sachverhalt in seiner persönlichen Anhörung am 11.10.2018 ein und nahm auch insoweit auf das Video von … … Bezug.
88
3. Am 08.09.2016 erschien der Beklagte zusammen mit Herrn … … beim Einwohnermeldeamt der Stadt … und wandte sich an den zuständigen Verwaltungsbeamten … … Er äußerte gegenüber Herrn … sinngemäß, dieser brauche keine Angst zu haben, er sei auch ein Beamtenkollege und sie bekämen das Folgende schon hin. Daraufhin trug er gegenüber Herrn … vor, er wolle seinen Personalausweis abgeben, weil er kein Personal der Bundesrepublik sei. Zur weiteren Begründung führte er aus, das Deutsche Reich habe nie aufgehört zu existieren, die Bundesrepublik Deutschland sei nur eine Erfindung der Siegermächte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Er erkenne deshalb die Bundesrepublik auch nicht als Staat an. Von Herrn … verlangte er in diesem Zusammenhang, dass dieser ihm die Rücknahme des Ausweisdokuments schriftlich bestätigen solle. Der Personalausweis war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht abgelaufen. Herr … verweigerte die Rücknahme des gültigen Ausweisdokumentes und wies den Beklagten auf die gesetzliche Ausweispflicht hin. Der Beklagte erwiderte, er habe noch einen Reisepass, den er notgedrungen noch bräuchte, der allerdings auch nicht gültig sei, weil die Anzahl der Federn auf dem dort abgebildeten Wappentier nicht korrekt sei. Abgesehen davon, habe er mittlerweile ja einen gültigen Staatsangehörigkeitsausweis und benötige keine weiteren Ausweispapiere. Über diese Thesen und Theorien hat der Beklagte vor Herrn … und zwei weiteren im gemeinsamen Büro anwesenden Kolleginnen mit seinem Begleiter … … einige Minuten lang laut und mit Überzeugungsabsicht diskutiert.
89
Beim Verlassen des Büros von Herrn … hat der Beklagte diesem gegenüber bemerkt, dieser wisse ja als Beamter, dass er Recht habe. Den Personalausweis hat er im Einwohnermeldeamt zurückgelassen.
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Der Sachverhalt steht fest aufgrund der vorliegenden Akten, der glaubhaften Aussage des Zeugen … und der Einlassung des Beklagten in seiner persönlichen Anhörung, soweit ihm gefolgt werden konnte.
91
Der Zeuge … hat in seiner Aussage vor der Disziplinarbehörde ohne Belastungseifer den Vorgang aus seiner aktuellen Erinnerung geschildert. Er konnte sich dabei an das Kerngeschehen und die Kernaussagen des Beklagten genau erinnern. Es spricht für die Glaubhaftigkeit seiner Aussage und die Glaubwürdigkeit seines Aussageverhaltens, dass er nicht versucht hat, seine Erinnerungslücken, die aufgrund des Zeitablaufs nachvollziehbar erscheinen, durch Angaben aus dem von ihm auf Veranlassung der Kriminalpolizei im März 2017 gefertigten Vermerk (Bl. 43 DA) einfach zu kaschieren. Er hat vielmehr das angegeben, was ihm anlässlich seiner Zeugenaussage am 23.01.2018 noch konkret erinnerlich war. Soweit sein Gesprächsvermerk darüber hinaus weitere und konkretere Aussagen enthält, hat der Zeuge … angegeben, dass er sich sicher sei, diesen Vermerk exakt nach seiner damals (März 2018) aktuellen Erinnerung abgefasst zu haben. Der Zeuge … hat persönlich einen unaufgeregten und korrekten Eindruck gemacht, was auch stimmig ist zu seiner Schilderung des Geschehensablaufs.
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Der Beklagte bestritt vehement, gegenüber dem Zeugen … gesagt zu haben, dieser brauche keine Angst zu haben. Er habe Herrn … darauf aufmerksam machen wollen, dass sein Personalausweis den gesetzlichen Vorgaben nach dem Personalausweisgesetz nicht entsprochen habe. Nähere Erinnerung an das Gespräch habe er nicht. Seinen Begleiter … … kenne er schon seit seinem 15. Lebensjahr. Er habe ihn als Zeugen mitgenommen und sei auch insoweit den Empfehlungen aus dem Internet gefolgt. Dazu, was Herr … hätte bezeugen sollen, hat der Beklagte keinen weiteren Angaben gemacht.
93
Er sei nach dem 08.09.2016 ein weiteres Mal in der Stadtverwaltung … vorstellig geworden, um sich - wiederum einer Empfehlung von aus dem Internet bezogenen Videos folgend - eine vollständige Auskunft aus dem Melderegister geben zu lassen. Herr … habe dabei wörtlich zu ihm gesagt „Wir können, wenn wir wollen“.
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Die Einlassung des Beklagten ist nicht glaubwürdig. Sein gesamtes Aussageverhalten war davon geprägt, dass er den Fragen auswich und keine konkreten Antworten gab. Konkret wurde er in seine Angaben lediglich dann, wenn er die Aussage des Zeugen … anzweifelte oder diesen in einem schlechten Licht darstellen wollte.
95
4. Der Beklagte ist seit Januar 2013 mit seiner Hauptwohnung in der … … in … … unter der Teilnehmer-/Beitragsnummer … beim ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice als Beitragsschuldner angemeldet. Sein Beitragskonto wies zum 30.11.2016 einen negativen Kontostand von minus 234,00 Euro auf.
96
4.1 Der Beklagte hat sich hierzu gegenüber dem ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice mit Schreiben vom 03.10.2016 unter Bezugnahme auf die von ihm in eckige Klammern gesetzte und „sog.“ bezeichnete Beitragsnummer … wie folgt geäußert:
„Zunächst möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich gerne bereit bin Ihre Zwangsgebühr zu entrichten, unter der Voraussetzung, dass Sie mir nachwiesen, auf welcher gesetzlichen Grundlage Sie berechtigt sind einen Bescheid zu erlassen.
Ein Bescheid ist ein Verwaltungsakt, der nur von einer staatlichen Seite erlassen werden kann. Selbst wenn Sie dazu berechtigt wären, was Sie als privates Unternehmen natürlich nicht sind, wäre Ihr sog. Bescheid aus mehreren Gründen nichtig. Das wissen Sie genau. Ich hoffe Sie kennen die gesetzlichen Grundlagen hierfür genauso gut wie ich.
Wenn Sie mir jedoch anhand gültiger Gesetze nachweisen, dass ich im Irrtum bin, werde ich unverzüglich den fälligen Betrage in einer Ihrer Filialen in bar bezahlen.
97
4.2 Mit Schreiben vom 27.10.2016 erhielt der Beklagte vom ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice eine Antwort auf sein Schreiben vom 03.10.2016. Darin wurde er ausführlich informiert über die rechtlichen Grundlagen der Beitragserhebung. Der Beklagte antwortete hierauf mit handschriftlichem Schreiben vom 20.11.2016, erneut unter dem Betreff [sog. Beitragsnummer: …], und führte hierbei u.a. Folgendes aus:
„Ich bin sehr wohl mit Ihrer Forderung einverstanden, wenn Sie mir anhand von gültigem Recht nachweisen, dass der Bayer. Rundfunk als Privatunternehmen berechtigt ist, Verwaltungsakte (Bescheide!) zu erlassen. sollte es sich um einen Verwaltungsakt handeln, was natürlich nicht der Fall sein kann, wäre dieser ohne leserliche Unterschrift nichtig. Das wissen Sie genauso gut wie ich.
Wie kann ein Vertrag (Rundfunkbeitragsstaatsvertrag), der nach Handelsrecht geschlossen wurde eine gesetzliche Grundlage sein?! (…)
Ich will Ihnen nicht verschweigen, dass ich deutscher Staatsangehöriger nach § 4 Abs. 1 RuStag (Stand 1913) bin. Ich bitte Sie deshalb damit aufzuhören, mich weiterhin als Sklaven zu behandeln, mit dem man alles machen kann. Seien Sie versichert, es gibt noch Rechtsinstitutionen, die nach gültigem Recht urteilen (…).
Um Missverständnissen vorzubeugen, wiederholte ich hier letztmalig: Wenn Sie mir nachweisen, dass Ihre Forderung gültigem Recht entspricht, werde ich den geforderten Betrag sofort einzahlen!“
98
Der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice informierte den Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 08.12.2016 erneut ausführlich über die gesetzlichen Grundlagen für die Erhebung des Rundfunkbeitrags und forderte ihn erneut zum Ausgleich des offenen Betrags in Höhe von 234,00 Euro auf.
99
4.3 Mit Vollstreckungsersuchen vom 02.01.2017 bat der Bayerische Rundfunk schließlich das Amtsgericht … um Vollstreckung der festgesetzten Forderungen. Der Beklagte richtete daraufhin unter dem 16.01.2017 ein weiteres Schreiben an den „Beitragsservice“ zum Betreff sog. Beitragsnr. […] und führte darin u.a. Folgendes aus:
„Der Rundfunkstaatsvertrag ist kein Gesetz! Das Inkassounternehmen „Beitragsservice“ ist nicht rechtsfähig. Das sieht man daran, dass weder beim sog. Beitragsservice noch bei den Rundfunkanstalten jemals eine Unterschrift geleistet wird. (…) Im Übrigen möchte ich endlich mal ein unterschriebenes Original vom Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sehen, außerdem die rechtliche Legitimation, d.h. weisen Sie mir Ihre Hoheitsrecht nach, die Sie berechtigt von mir Geld zu fordern! Hören Sie endlich auf, sich hinter der Anonymität zu verstecken. Sie wollen Geld von mir, also unterschreiben Sie gefälligst leserlich Ihre Forderung, so wie es jede private Firma, die Sie nun mal sind, auch macht! (…)
Mit weiterem Vollstreckungsersuchen vom 02.11.2017 bat der Bayerische Rundfunk das Amtsgericht … um Vollstreckung der festgesetzten Forderungen in Höhe von insgesamt 397,75 Euro, die den Zeitraum Dezember 2015 bis einschließlich Mai 2017 betrafen.
Mit weiterem Vollstreckungsersuchen vom 05.07.2018 bat der Bayerische Rundfunk das Amtsgericht … um Vollstreckung weiterer ausstehender Beiträge in Höhe von insgesamt 181,50 Euro, betreffend den Zeitraum Juni 2017 bis einschließlich Februar 2018.
Die Beträge wurden im Vollstreckungsverfahren von dem Beklagten mit der Notiz „unter Vorbehalt wegen Erpressung“ überwiesen.“
100
Zur begangenen Dienstpflichtverletzung wird in der Disziplinarklage ausgeführt, während für die aktiven Beamten gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG die Treuepflicht ein Gebot zum Bekennen zur freiheitlich demokratischen Grundordnung beinhalte und eine Verpflichtung bestehe, für sie aktiv einzutreten, beschränke sich § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG im Hinblick auf Ruhestandsbeamte auf das Verbot der Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Dies bedeute aber nicht, dass von Ruhestandsbeamten ein geringeres Maß an Verfassungstreue erwartet und eingefordert werde (vgl. Weiß/Niedermayer/Summer/Zängl, § 47 BeamtStG Rn. 132). Der Grund für diesen graduellen Unterschied liege vielmehr darin begründet, dass ein Ruhestandsbeamter kein Amt mehr inne habe bzw. keine Dienstleistungspflicht mehr habe, das bzw. die Bezugspunkt einer Dienstpflichtverletzung sein könnte (vgl. Beck OK Beamtenrecht Bayern/Eck, BayBG, Art. 77 Rn. 4; BayVGH U.v. 20.05.2015 - Az. 16 a D 14.1158 - juris Rn. 37).
101
Das Bundesverfassungsgericht habe im Leitsatz zwei seiner grundlegenden Entscheidung vom 22. Mai 1975 das Wesen der politischen Treuepflicht wie folgt umschrieben:
„Die Treuepflicht gebietet, den Staat und seine geltende Verfassungsordnung, auch soweit sie im Wege einer Verfassungsänderung veränderbar ist, zu bejahen und dies nicht bloß verbal, sondern insbesondere in der beruflichen Tätigkeit dadurch, dass der Beamte die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachtet und erfüllt und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führt. Die politische Treuepflicht fordert mehr als eine nur formal korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten insbesondere, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßige Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Vom Beamten wird erwartet, dass er diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennt und anerkennt, für den einzutreten sich lohnt. Politische Treuepflicht bewährt sich in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen, in denen der Staat darauf angewiesen ist, dass der Beamte Partei für ihn ergreift.“ (BVerfGE 39, 334)
102
Die politische Treuepflicht verlange vom Beamten, sich eindeutig von Gruppierungen und Bestrebungen zu distanzieren, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (BVerfG, B.v. 06.05.2008 - Az. 2 BVR 337/08 - juris Rn. 17; VG München, U.v. 8.02.2018 - Az.: M 19 L DK 17.5914 S. 13).
103
Diesen Anforderungen genüge ein Beamter nicht, wenn er als „Reichsbürger“ oder Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“ die Geltung des Grundgesetzes und die verfassungsmäßige Struktur der Bundesrepublik Deutschland in Frage stelle oder pflichtwidrig in Frage stellen lasse (vgl. VG München, U.v. 08.02.2018, a.a.O.; VG Ansbach, B.v. 28.12.2017 - Az. AN 13a DS 17.01351 - juris Rn. 126 ff; VG Magdeburg, U.v. 30.03.2017 - Az. 15a 16/16 - juris Rn. 33 ff; VG Düsseldorf, B.v. 23.11.2016 - Az. 35 K 1373/16. O - juris Rn. 8; OVG NW, B.v. 22.03.2017 - Az. 3 D 296/17.O - juris Rn. 7).
104
Die in unter 1. und 2. festgestellten Antragsstellungen i.V.m. den dabei gemachten Angaben des Beklagten sowie die „Rückgabe“ des gültigen Personalausweises ebenso wie die unter 3. festgestellten Äußerungen des Beklagten gegenüber Mitarbeitern der Stadt … am 8. September 2016 wie auch die unter 4. festgestellten Verhaltensweisen und Äußerungen im Zusammenhang mit der Weigerung zur Zahlung der Rundfunkbeiträge zeigten, dass der Beklagte der „Reichsbürgerbewegung“ nahestehe bzw. sich damit identifiziere und damit die Gründung und das Fortbestehen der Bundesrepublik Deutschland sowie die Geltung des Grundgesetzes und der Verfassung des Freistaats Bayern sowie der darauf basierenden Rechtsordnung in Abrede stelle. Dadurch habe der Beklagte sich sowohl aktiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung i.S.d. Grundgesetzes betätigt als auch zugleich an Bestrebungen teilgenommen, die dem Bestand der Bundesrepublik wie auch des Freistaats Bayern zu beeinträchtigen trachte. Insoweit sei auf die aktuellen Einschätzungen seitens der Verfassungsschutzbehörden im Hinblick auf die „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ hinzuweisen. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachte die „Reichsbürgerbewegung“ und die sog. „Selbstverwalter“ und erachte deren Ziele und Aktivitäten als hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen, die gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet seien (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG, vgl. Verfassungsschutzbericht 2017, Seite 172). Der vom Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat vorgelegte Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2017 gehe vor diesem Hintergrund von einem hohen Gefährdungspotenzial durch die dieser Erscheinung zuzurechnenden Personen aus (Verfassungsschutzbericht 2017, Seite 92 ff, 97).
105
Der Beklagte habe durch seine Handlungen und Äußerungen aktiv die geltende Rechts- und Verfassungslage in Abrede gestellt und zu erkennen gegeben, dass er die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat anerkenne. Er sei in diesem Zusammenhang auf den Sachbearbeiter bei der Stadt …, Herrn … aktiv zugegangen und habe versucht, diesen von seinen Ansichten zu überzeugen und ihn zu rechtswidrigen Amtshandlungen zu veranlassen. Dadurch habe er sich aktiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung des Grundgesetzes betätigt. Zugleich habe er damit an den im Hinblick auf die „Reichsbürgerbewegung“ und die „Selbstverwalter“ festgestellten Bestrebungen teilgenommen, die darauf abzielten, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik und/oder des Freistaats Bayern zu beeinträchtigen. Von einer „Beeinträchtigung“ sei nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im NPD - Parteiverbotsverfahren bereits dann auszugehen, wenn eine Partei, selbst wenn sie noch nicht erkennen lasse, welche Verfassungsordnung an die Stelle der bestehenden treten solle, qualifiziert die Außerkraftsetzung der bestehenden Verfassungsordnung betreibe, wobei es als ausreichend angesehen worden sei, dass sie sich gegen eines der Wesenselemente der freiheitlich demokratischen Grundordnung (Menschenwürde, Demokratie, Rechtsstaat) wende (BVerfG, U.v. 17.01.2017 - 2 BvB 1/13 - juris Rn. 556). Entscheidend sei nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, dass eine Partei sich gezielt gegen diejenigen fundamentalen Prinzipien wende, die für ein freiheitliches und demokratisches Zusammenleben unverzichtbar seien. Diese Grundsätze seien auf die rechtlich nicht als parteiorganisierte „Reichsbürgerbewegung“ entsprechend übertragbar. Der Verfassungsschutzbericht des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz für das Jahr 2017 enthalte zu den ideologischen Zielen der „Reichsbürger“ folgende Aussage:
„Reichsbürger berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reichs. Dabei werden z.B. der Rechtsstand von 1937, 1914 zwei Tage vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges oder 1971 genannt. Reichsbürger behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung 1990 seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich Reichsbürger auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetzen Folge zu leisten.“
106
Der Beklagte habe bei der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises Angaben gemacht, die eindeutig auf seine Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerbewegung“ hindeuteten. Durch die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises unter Berufung auf das RuStAG in der Verfassung von 1913 mit behaupteter sonstiger Staatsangehörigkeit in Bayern und entsprechenden Angaben bei den beigefügten Anlagen habe der Beklagte eindeutig nach außen gegenüber dem Landratsamt … zu erkennen gegeben, dass es ihm nicht nur um den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises gehe, sondern dass er damit ideologische und für „Reichsbürger“ typische Ziele verfolge (BayVGH, B.v. 10.02.2018 - 21 CS 17.1339 - juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 12.12.2017 - 21 CS 17.1332 - juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 19.12.2017 - 21 CS 17.2029 - juris Rn. 16; VG München, U.v. 8.2.2018 - M 19 L DK 17.5914 -, S. 17 ff; VG Ansbach, B.v. 28.12.2017 - AN 13a Ds 17.01351 - juris Rn. 131).
107
Der Beklagte habe weitere Anzeichen dafür gesetzt, dass er Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“ sei. Die Beantragung einer Selbstauskunft aus dem StA-Register stelle ein in „Reichsbürgerkreisen“ typisches Vorgehen dar, um zu überprüfen, ob die Antragsangaben in den für „Reichsbürger“ entscheidenden Punkten übernommen worden seien.
108
Auch sein Verhalten und seine Argumentation im Zusammenhang mit der Weigerung der Zahlung von Rundfunkbeiträgen zeugten eindeutig von einer für Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“ typischen Vorgehensweise. Die Nichtanerkennung der Rechtsgrundlagen für die Beitragserhebung, die Berufung auf gültiges Recht (welches in „Reichsbürgerkreisen“ als über dem geltendem Recht stehend angesehen werde), das Insistieren auf angeblichen Formmängeln wegen fehlender Unterschriften, die letztlich doch erfolgte Zahlung der Rundfunkbeiträge „unter Vorbehalt wegen Erpressung“ sowie der Verwendung eckiger Klammern als Ausdruck der Nichtanerkennung des in Klammern Stehenden seien eindeutige Anzeichen für eine „Reichsbürgergesinnung“.
109
Dass der Beklagte dabei nicht lediglich einem Irrtum oder einer Fehlvorstellung aufgesessen sei, ergebe sich jedenfalls aus seinem gesamten Auftreten, insbesondere seinem persönlichen Auftritt im Einwohnermeldeamt der Stadt … beim zuständigen Sachbearbeiter … wie auch im Kontext der Rundfunkbeiträge, und stehe zur Überzeugung der Disziplinarbehörde fest. Seine dortigen Ausführungen entsprächen den in „Reichsbürgerkreisen“ immer wieder anzutreffenden ideologischen Vorstellungen von der fehlenden Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland, zu deren „Personal“ man nicht gehören wolle, weshalb man den Personalausweis zurückgebe.
110
Die Betrachtung des Staatsangehörigkeitsausweises als Legimitationspapier wie auch die am deutschen Reisepass geäußerten Zweifel belegten dies ebenso. Auch die gegenüber dem Zeugen … einleitend gewählte Formulierung, dieser brauche keine Angst zu haben, er - der Beklagte - sei auch ein Beamtenkollege und sie bekämen das Folgende schon hin, so wie der im weiteren Verlauf an den Tag gelegte Überzeugungseifer sprächen gegen die Annahme eines Irrtums. Letztlich zeige auch das von dem Beklagten gegenüber der Disziplinarbehörde im laufenden Disziplinarverfahren an den Tag gelegte Verhalten - die Annahme der Schreiben der Disziplinarbehörde sei mit einer Ausnahme durchgängig unter dem Hinweis auf angebliche Zustellungsmängel, die vor allem im fehlenden Beamtenstatus der Zustellpersonen gesehen würden - ein bewusstes und planvolles Vorgehen, wie es üblicherweise in „Reichsbürgerkreisen“ propagiert und praktiziert werde.
111
Hinsichtlich der gebotenen Disziplinarmaßnahme wird in der Disziplinarklage ausgeführt, vorliegend stehe die Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue und damit der zentralen Kernpflicht eines Beamten in Mitten. Bei einer Verletzung der politischen Treuepflicht in der besonders schweren Form verfassungsfeindlicher Aktivitäten sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis erforderlich (BVerwG, U.v. 29.10.1981 - 1 D 50/80 - juris; Zenkel, Kommentar zum BayDG, MatR/I/Rn. 117; Beck OK Beamtenrecht Bayern /Eck, BayBG Art. 77 Rn. 9). Wer - wie vorliegend der Beklagte - die Bundesrepublik Deutschland und geltendes Recht nicht anerkenne und zudem durch sein Verhalten darauf abziele, dass sich Dritte - vorliegend noch dazu der Beamte … - diesen Überzeugungen anschließen und entsprechend motivieren ließen, habe seine Verfassungstreuepflicht in einer Intensität und Weise verletzt, die nicht mehr hingenommen werden könne und sei deshalb aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (vgl. VG Magdeburg, U.v. 30.03.2017 - 15 A 16/16 - juris). Die Verletzung der - für Ruhestandsbeamte in der besonderen Ausprägung des § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG bzw. Art. 77 Nr. 1 BayBG geltenden - Pflicht zur Verfassungstreue führe bei Ruhestandsbeamten ebenso regelmäßig zur Aberkennung des Ruhegehalts (Beck OK Beamtenrecht Bayern / Eck, BayBG Art. 77 Rn. 9).
112
Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Verhalten des Beklagten um ein persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder in einer psychischen Ausnahmesituation gehandelt habe, lägen nicht vor. Ebenso bestünden keine Milderungsgründe, auf Grund derer ein Absehen von der Höchstmaßnahme naheliegen würde. Insbesondere habe sich der Beklagte nicht glaubhaft distanziert. Durch das bloße Abstreiten einer entsprechenden für „Reichsbürger“ typischen Gesinnung könne eine solche auch nicht gelingen. Der Beklage habe bei seiner persönlichen Anhörung mit seinen Einlassungen, er wisse gar nicht, was ein „Reichsbürger“ sei, er kenne auch keine, in Oberfranken gebe es garantiert keinen, sowie mit seinen ansonsten überwiegend ausweichenden und unpräzisen Antworten ein in „Reichsbürgerkreisen“ typisches Verhalten gezeigt, welches als nicht glaubwürdige Distanzierung angesehen werden könne. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Vorwürfen habe nicht stattgefunden. Die bagatellisierenden Einlassungen wirkten daher eher erschwerend (vgl. auch BayVGH, U.v. 16.01.2019 - 16a D 15.2672 -).
113
Die Disziplinarklage wurde dem Bevollmächtigten des Beklagten mit der Belehrung nach Art. 53 Abs. 1 und 2 BayDG zugestellt.
114
Der Bevollmächtigte des Beklagten erwiderte mit Schriftsatz vom 5. September 2019, die Landesanwaltschaft Bayern habe den Sachverhalt einseitig zu Lasten des Beklagten ermittelt und gewürdigt. Zwar werde erwähnt, dass das Landesamt für Verfassungsschutz mit E-Mail vom 7. Juli 2017 mitgeteilt habe, es lägen keine Erkenntnisse zum Beklagten vor. Diese Tatsache sei aber im Weiteren nicht in die Würdigung des Sachverhaltes eingeflossen. Es sei davon auszugehen, dass das Landesamt für Verfassungsschutz einen recht guten Überblick über die Reichsbürgerbewegung in Bayern besitze. Aus Presseberichten sei bekannt, dass der Verfassungsschutz insbesondere nach der Ermordung eines Polizisten durch einen sogenannten Reichsbürger in … umfassend und sehr sorgfältig die betreffende Szene beobachtet habe. Der Umstand, dass der Beklagte nicht in den Fokus des Landesamtes für Verfassungsschutz geraten sei, sei eindeutig als entlastender Umstand zu werten.
115
Reichsbürger würden sich in der Regel offen zu ihrer Gesinnung bekennen und brächten diese Gesinnung bei allen ihren Kontakten mit der staatlichen Verwaltung zum Ausdruck. Sie weigerten sich beispielsweise auch, ihren steuerlichen Pflichten nachzukommen. Dies habe der Beklagte indessen nicht getan. So habe der Beklagte stets seine Steuerpflicht gegenüber dem Finanzamt und dem Kraftfahrtbundesamt erfüllt.
116
Namens des Beklagten werde beantragt, dazu eine amtliche Auskunft beim zuständigen Finanzamt … und beim Kraftfahrtbundesamt einzuholen.
117
Richtig sei zwar, dass der Beklagte im Jahr 2016 einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt habe. Diese Handlung sei für sich genommen aber nicht illegal, denn sie sei im Staatsangehörigkeitsgesetz ausdrücklich vorgesehen. Allein die Tatsache, dass der Beklagte als Geburtsstaat „Bayern“ angegeben habe, lasse nicht darauf schließen, dass er damit ideologische und für Reichsbürger typische Ziele verfolge.
118
Der Beklagte habe in seiner persönlichen Anhörung angegeben, dass er sich nicht zur Reichsbürgerbewegung bekenne und dass die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises und der Selbstauskunft aus dem StA-Register während einer Lebensphase stattgefunden habe, in der er sich in einer tiefen persönlichen Krise befunden habe.
119
Außerdem habe der Beklagte bestritten, dass er sich gegenüber Herrn … in der von der Landesanwaltschaft dargestellten Weise geäußert habe. Zum Beweis, dass der Beklagte bei dem Termin im Landratsamt … am 8. September 2016 den Verwaltungsangestellten … nicht zu überzeugen versucht habe, dass das Deutsche Reich nie aufgehört habe zu existieren, die Bundesrepublik Deutschland nur eine Erfindung der Siegermächte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sei und er deshalb die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat anerkenne, werde die Einvernahme von Herrn … … als Zeugen beantragt.
120
Des Weiteren werde zum Beweisthema, dass der Beklagte keinen Kontakt zur Reichsbürgerbewegung habe und sich mit deren Zielen nicht identifiziere, die Einvernahme der Ehefrau des Beklagten als Zeugen beantragt.
121
Zu den Äußerungen des Beklagten bei der Abholung des Staatsangehörigkeitsausweises am 28. Juli 2019, in denen er klargestellt habe, dass er mit den „Spinnern“ der Reichsbürgerbewegung nichts zu tun haben wolle, werde beantragt, Herrn … …, der den Beklagten zu diesem Termin begleitet habe, als Zeugen einzuvernehmen.
122
Hinsichtlich der rechtlichen Würdigung sei daraufhin zuweisen, dass § 47 Abs. 2 BeamtStG ausdrücklich zwischen aktiven Beamten und Ruhestandsbeamten differenziere. Von einem Ruhestandsbeamten werde nicht dasselbe Maß an Verfassungstreue verlangt, wie von einem aktiven Beamten.
123
Aktive Beamte verkörperten bei ihrer Amtsausübung staatliche Institutionen. Es sei selbstverständlich, dass sich ihr Verhalten sowohl im Dienst als auch außerhalb des Dienstes in der Pflicht zur Loyalität gegenüber dem demokratischen Staat messen lassen müsse. Die von der Landesanwaltschaft angeführten Entscheidungen z.B. des VG Ansbach vom 28. Dezember 2017 - AN 13a Ds 17.10315 und des VG Magdeburg vom 30. März 2016 - 25 K 1373/16.O hätten aktive Polizeivollzugsbeamte betroffen, von denen ein besonders hohes Maß an Gesetzes- und Verfassungstreue verlangt werde.
124
Dem gegenüber sei der Beklagte zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Handlungen bereits seit mehr als 20 Jahren nicht mehr im aktiven Beamtendienst tätig gewesen. In der Öffentlichkeit verkörpere der Beklagte nicht mehr eine staatliche bzw. kommunale Behörde. Der Vorwurf der besonderen Schwere des Dienstvergehens könne auf den Fall des Beklagten nicht übertragen werden.
125
Der Beklagte habe selbst eingesehen, dass er einen Fehler begangen habe. Dies habe er in der persönlichen Anhörung auch sehr glaubwürdig geschildert.
126
Allein die Tatsache, dass er von sich aus in der Anhörung zugegeben habe, sich einschlägige Videos aus dem Internet angesehen und sich von diesen habe irreführen lassen, belege, dass er diese Handlungen heute bereue und sie gerne rückgängig machen würde.
127
Inzwischen habe er auch seinen Personalausweis wieder beim Landratsamt abgeholt. Er zahle auch regelmäßig seine Rundfunkgebühren.
128
Namens des Beklagten werde ausdrücklich betont, dass sich dieser von der sogenannten Reichsbürgerbewegung distanziert habe. Er habe sich nie als Mitglied dieser Bewegung betrachtet.
129
§ 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG nenne in Bezug auf die Verfassungstreue zwei Tatbestände für ein Dienstvergehen eines Ruhestandsbeamten, nämlich die Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung i.S.d. Grundgesetzes und die Teilnahme an Bestrebungen, die darauf abzielten, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik zu beeinträchtigen.
130
Die dienstpflichtwidrigen Handlungen eines Ruhestandsbeamten i.S.d. § 47 Abs. 2 BeamtStG müssten auf ein bestimmtes Ergebnis abzielen, nämlich die Schwächung der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder die Schädigung staatlicher Institutionen. Eine solche Absicht könne dem Beklagten nicht unterstellt werden.
131
Die Disziplinarbehörde erwiderte mit Schriftsatz vom 18. September 2019, der Vorwurf, die Disziplinarbehörde habe den Sachverhalt einseitig zu Lasten des Beklagten ermittelt und gewürdigt, sei mit aller Deutlichkeit zurückzuweisen. Die Disziplinarbehörde habe alle ihr zur Verfügung stehenden bzw. naheliegende Erkenntnisquellen im Disziplinarverfahren bemüht bzw. ausgeschöpft. Insoweit sei es unbehilflich, wenn der Bevollmächtigte des Beklagten nunmehr erneut beantrage, eine amtliche Auskunft dazu einzuholen, dass der Beklagte seiner Steuerpflicht gegenüber dem Finanzamt und Kraftfahrtbundesamt bislang unbeanstandet nachgekommen sei. Derartiges sei nicht Gegenstand der Vorwürfe im Disziplinarverfahren. Es könne den Beklagten auch nicht von den ihm vorgeworfenen Handlungen und Äußerungen entlasten.
132
Dass dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz Mitte 2017 noch keine Erkenntnisse im Hinblick auf die reichsbürgertypischen Handlungsweisen des Beklagten vorgelegen hätten, obwohl sie - wie seine Antragsstellung vom 11. Juli 2016 auf Feststellung der Deutschen Staatsangehörigkeit zeige - objektiv bereits gegeben gewesen seien, entlasteten den Beklagten nicht.
133
Die weiteren gestellten Beweisanträge seien ebenfalls unbehilflich und seien bereits im Disziplinarverfahren zurückgewiesen worden. Richtigzustellen sei, dass sich der Beklagte im Disziplinarverfahren lediglich hinsichtlich der Äußerung, er habe zu Herrn … gesagt, dieser brauche keine Angst zu haben etc., vehement distanziert habe. Ansonsten habe der Beklagte sich an weitere Einzelheiten des Gesprächs bzw. des Ablaufs nicht mehr erinnern können oder wollen. Von daher gesehen sei es verwunderlich, dass der Beklagte nunmehr Beweis anbiete durch Einvernahme des Zeugen … für Äußerungen, zu denen er sich selbst nicht erinnern könne, ob sie gefallen seien.
134
Die der Bewegung der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ zuzurechnenden Personen seien an ihrer grundsätzlichen Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland als Staat zu erkennen. Dies könne in unterschiedlichsten Ausprägungen und Ausführungen und in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen deutlich werden. Es gebe insoweit keinen abschließenden Kanon der Kriterien bzw. Erkennungsmerkmale, die erfüllt sein müssten, um von einer Zugehörigkeit zu dieser Bewegung sprechen zu können. Der Beklagte habe etliche Erkennungsmerkmale der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ gezeigt und dabei auch die Bundesrepublik Deutschland als Staat dezidiert nicht anerkannt, vielmehr als eine Erfindung der Siegermächte bezeichnet.
135
Festzuhalten bleibe, dass der Beklagte vielfach und in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen für „Reichsbürger und Selbstverwalter“ typische Verhaltensweisen gezeigt habe. Dies gelte zum einen für die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises und die dabei gemachten Angaben, ebenso für die Selbstauskunft aus dem EStA-Register. Dies gelte auch für die Rückgabe seines Personalausweises und die dabei gemachten Ausführungen. Dies gelte ebenso für sein Verhalten gegenüber der GEZ. Schlussendlich habe er sich auch im Disziplinarverfahren bis zur abschließenden Anhörung in einer eindeutigen Art und Weise, die eine Zugehörigkeit zu „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“ belegten, verhalten, in dem er die Schreiben der Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - ungeöffnet und versehen mit entsprechenden Aufklebern und Bemerkungen zurückgesandt habe. Seine Einlassung, er sei davon ausgegangen, dass die Landesanwaltschaft Bayern im Zusammenhang mit dem GEZ-Gebühren tätig geworden sei, erscheine völlig unverständlich. Spätestens seit der am 25. Januar 2018 erfolgten Zustellung der Niederschrift über die Beweisaufnahme vom 23. Januar 2018 durch Schreiben der Disziplinarbehörde vom 23. Januar 2018, welches der Beklagte nicht in der vorher gewählten Art und Weise zurückgesandt habe, sei dem Beklagten jedenfalls klar gewesen, dass es sich nicht um eine Angelegenheit der GEZ handeln würde. Gleichwohl sei er bis zur Mitteilung des abschließenden Ergebnisses der Ermittlung mit Schreiben vom 27. August 2018 bei seiner Haltung geblieben und habe sich nicht um Aufklärung bemüht. Erst als ihm durch die Übermittlung des abschließenden Vermerks vom 27. August 2018 deutlich vor Augen geführt worden sei, welche Konsequenzen sein Verhalten nach sich ziehen würde, habe er um einen Termin zur persönlichen Anhörung gebeten. In der persönlichen Anhörung habe der Beklagte zunächst versucht, in einer wiederum für „Reichsbürger und Selbstverwalter“ typischen Art und Weise von sich und den gegen ihn erhobenen Vorwürfen abzulenken.
136
Auf gerichtliche Anfrage teilte der im Disziplinarverfahren vernommene Zeuge … … mit Schreiben vom 18. Februar 2020 mit, der Beklagte habe am 17. Oktober 2018 seinen Personalausweis bei seiner Kollegin, Frau …, abgeholt. Laut Erinnerung von Frau … habe der Beklagte nur geäußert, dass er seinen Personalausweis wieder benötigen würde. Ansonsten habe sich der Beklagte nicht geäußert, warum er seinen Personalausweis abhole.
137
Das Gespräch mit dem Beklagten vom September 2016 habe er erst im Oktober 2017 aus dem Gedächtnis niedergeschrieben. An die meisten Aussagen habe er sich gut erinnern können, an andere nur bruchstückhaft. Die Aussage, dass das Deutsche Reich nicht aufgehört habe zu existieren…, sei eine Aussage, an die er sich nicht mehr so genau erinnern könne. Er habe bereits bei der Landesanwaltschaft in … angegeben, dass es sein könne, dass diese Aussage in einem anderen Fall geäußert worden sei, und er dies durcheinandergebracht habe, da es zu dieser Zeit mehrere Vorfälle mit vermeintlichen Reichsbürgern gegeben habe. Aus diesem Grund wolle er diese Aussage nicht wiederholen.
138
Die anderen Aussagen könne er bestätigen, da er sich an diese recht gut habe erinnern können.
139
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
140
Die zulässige Disziplinarklage führt in Anwendung des Art. 12 BayDG zu einer Kürzung des Ruhegehaltes des Beklagten um 1/20 für fünf Jahre.
141
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche werden auch nicht geltend gemacht.
142
Die Gemeinschaftsversammlung der Verwaltungsgemeinschaft … an der … hat als frühere Dienstherrin des Beklagten mit Beschluss vom 6. Juli 2017 gemäß § 4 Abs. 2 DVKommBayDG die Disziplinarbefugnisse vollständig auf die Landesanwaltschaft Bayern übertragen. Der Beklagte wurde im Disziplinarverfahren ordnungsgemäß belehrt und angehört (Art. 22 BayDG). Er konnte sich gemäß Art. 32 BayDG abschließend äußern und hat von dieser Möglichkeit auch u.a. in einer persönlichen Anhörung durch die Disziplinarbehörde Gebrauch gemacht.
143
Der dem Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegte Sachverhalt ist mit den nachfolgend aufgeführten Einschränkungen erwiesen durch die Ermittlungen der Disziplinarbehörde im Disziplinarverfahren und die Einlassungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarkammer.
144
In der Disziplinarakte finden sich die Unterlagen zum Antrag des Beklagten vom 11. Juli 2016 auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, der Antrag des Beklagten vom 28. Juli 2016 an das Bundesverwaltungsamt Köln auf Selbstauskunft aus dem Register EStA (Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten), sowie die Schreiben des Beklagten an den ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice vom 3. Oktober 2016, 20. November 2016 und 16. Januar 2017.
145
Soweit es die Äußerungen des Beklagten am 8. September 2016 bei der Vorsprache beim Einwohnermeldeamt der Stadt … betrifft, sind die dem Beklagten zur Last gelegten Äußerungen mit der nachfolgend bezeichneten Einschränkung zur vollen Überzeugung der Kammer durch die Angaben des Gesprächspartners des Beklagten, Herrn Verwaltungshauptsekretär … …, erwiesen.
146
Dies gilt jedoch nicht für die dem Beklagten zur Last gelegte Äußerung, das Deutsche Reich habe nie aufgehört zu existieren und die BRD sei nur eine Erfindung der Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg. Entsprechende Angaben finden sich in der schriftlichen Stellungnahme des Herrn …, die mit Schreiben der Stadt … vom 18. Oktober 2017 an die Disziplinarbehörde übermittelt worden ist.
147
Herr … hat in seiner Zeugeneinvernahme durch die Disziplinarbehörde am 23. Januar 2018 diese Aussage nicht wiederholt. Auf gerichtliche Nachfrage hat Herr … unter dem 18. Februar 2020 mitgeteilt, dass er sich an eine derartige Aussage des Beklagten nicht mehr so genau erinnern könne. Er habe bereits bei der Disziplinarbehörde angegeben, dass es sein könne, dass diese Aussage in einem anderen Fall geäußert worden sei.
148
Die dem Beklagten in der Disziplinarklage insoweit zur Last gelegte Äußerung ist somit nicht zur vollen Überzeugung der Kammer erwiesen.
149
Soweit der Beklagte in seiner persönlichen Anhörung ausgeführt hat, er habe - auch nicht sinngemäß - zu Herrn … gesagt, dieser brauche keine Angst zu haben, er habe vielmehr geäußert: „Sie sind ein netter Mensch und ich bin ein netter Mensch, warum sollten wir nicht miteinander auskommen?“, kann dahinstehen, welchen Wortlaut die Äußerung des Beklagten tatsächlich hatte, da dies nicht entscheidungserheblich ist. Es bedurfte deshalb auch keiner Beweiserhebung.
150
Für die disziplinarrechtliche Würdigung relevant ist insoweit lediglich das zur vollen Überzeugung der Kammer nachgewiesene Verhalten des Beklagten am 8. September 2016, als dieser bei der Stadt … seinen Personalausweis abgeben wollte, mit der Begründung, er sei kein Personal der Bundesrepublik Deutschland, er in dem mit Herrn … geführten Gespräch auch angebliche Mängel an seinem Reisepass rügte und anschließend den Personalausweis im Einwohnermeldeamt zurückließ.
151
Der Beklagte hat in seiner Anhörung durch die Disziplinarbehörde selbst eingeräumt, er wisse nur noch, dass er Herrn … mitgeteilt habe, sein Personalausweis entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben. Was er darüber hinaus gegenüber Herrn … geäußert habe, wisse er heute nicht mehr.
152
Der Beklagte hat durch das ihm zur Last gelegte und im oben dargestellten Umfang auch nachgewiesene Verhalten als Ruhestandsbeamter gegen seine Verpflichtung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG verstoßen.
153
Nach dieser Bestimmung gilt bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 BeamtStG bestimmten Pflichten verstoßen.
154
Da mit dem Eintritt in den Ruhestand das Beamtenverhältnis endet, also kein Dienstverhältnis mehr besteht, können auch keine Dienstpflichten im Sinne des § 47 Abs. 1 BeamtStG mehr verletzt werden. Abs. 2 Satz 1 enthält deshalb eine gesetzliche Fiktion, indem für Ruhestandsbeamte und gleichgestellte frühere Beamte, obwohl sie in keinem Dienstverhältnis mehr stehen, bestimmte aus dem früheren Beamtenverhältnis fortdauernde Pflichten als Dienstpflichten behandelt werden, deren schuldhafte Verletzung einem Dienstvergehen gleichgestellt wird.
155
Als Dienstvergehen gilt - wie bereits dargelegt - u.a. die Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.
156
Die Pflicht zur Verfassungstreue ist die Grundpflicht der Beamten gegenüber dem Staat. Sie bildet auch einen Kernbestandteil des Diensteids (§ 38 Abs. 1 Satz BeamtStG), den der Beklagte vor der Übernahme in das Beamtenverhältnis abgelegt hat.
157
Wegen ihrer grundlegenden Bedeutung wirkt die Pflicht zur Verfassungstreue auch über das Ende des Beamtenverhältnisses hinaus, wenn und solange der (frühere) Beamte aufgrund seines früheren Beamtenverhältnisses finanzielle Leistungen erhält. Zwischen der nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG für aktive und nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG für Ruhestandsbeamte und gleichgestellte frühere Beamte getroffenen Regelung besteht ein gradueller Unterschied. Während für die aktiven Beamten ein Gebot zum Bekennen zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und eine Verpflichtung besteht, für sie einzutreten, beschränkt sich § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG auf das Verbot der Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Der Pflichtenrahmen ist somit für den Ruhestandsbeamten enger als für den aktiven Beamten gezogen. Der Grund liegt aber nicht darin, dass von Ruhestandsbeamten ein geringeres Maß an Verfassungstreue erwartet wird, sondern dass den Ruhestandsbeamten und gleichgestellten früheren Beamten schon aus altersbedingten Gründen keine weitreichenden aktiven Handlungspflichten auferlegt werden können (Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Rn. 132 zu § 47 BeamtStG).
158
Während der aktive Beamte nach § 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG sich somit durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten muss, nimmt § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG eine passive Haltung gegenüber verfassungsfeindlichen Bestrebungen hin. Als Dienstvergehen gilt deshalb erst, wenn sich der Ruhestandsbeamte oder frühere Beamte mit Versorgungsbezügen selbst aktiv verfassungsfeindlich betätigt (Schachel in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand 9/2018, § 47 BeamtStG Rn. 29; Heitz, GKÖD, L § 77 Rn. 14).
159
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts werden dem entsprechend Aktivitäten feindseliger Art gefordert (BVerfG, B.v. 22.5.1975 - 2 BvL 13/73, BVerfGE 39, 334-391, Rn. 46). Meinungsäußerungen können, müssen aber nicht in jedem Fall den Charakter von solchen Aktivitäten feindseliger Art haben. Solange sie sich daran erschöpfen, im Vertrauen auf die Überzeugungskraft des Arguments Kritik an bestehenden Zuständen zu üben oder bestehende rechtliche Regelungen in Gesetzen und in der Verfassung in den dafür vorgesehenen verfassungsrechtlichen Verfahren zu ändern, erfüllen sie nicht die genannten Tatbestände eines Dienstvergehens. Dagegen stellen Agitationen, die die freiheitlich demokratische Grundordnung herabsetzen, verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und Institutionen diffamieren und zum Bruch geltender Gesetze auffordern, Betätigungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung dar (BVerfG, a.a.O.).
160
Hiervon ausgehend hat der Beklagte gegen § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG verstoßen, da er sich Gedankengut der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zu eigen gemacht hat und sich durch das ihm zur Last gelegte Verhalten mit Außenwirkung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung in dem oben dargestellten Sinne betätigt hat.
161
Der Beklagte hat am 11. Juli 2016 beim Landratsamt … einen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit, als auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, gestellt.
162
Beim Ausfüllen des Antragsformulars gab der Beklagte an, Wohnsitzstaat sei der „Bundesstaat Bayern“. Er habe die deutsche Staatsangehörigkeit durch Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG Stand 1913 erworben.
163
Hierin liegt ein für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typisches Verhalten. Aus der Sicht der „Reichsbürger“ bestimmt sich ihre Staatsangehörigkeit nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Jahr 1913 geltenden Fassung, wonach die Reichsangehörigkeit zum Deutschen Reich gegeben war, wenn eine Staatsangehörigkeit eines Landes des Deutschen Reichs bestand (vgl. Verfassungsschutzbericht 2018 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration, S. 180).
164
Auch die vom Beklagten im Disziplinarverfahren bzw. in der mündlichen Verhandlung genannten Gründe, die ihn zu der Antragstellung veranlasst hätten, bestätigen, dass sich der Beklagte mit der Reichsbürgerideologie befasst und diese aktiv umgesetzt hat. Der Beklagte beruft sich darauf, er sei durch Zufall bei YouTube auf ein Video von Herrn … … gestoßen, in dem empfohlen werde, einen Staatsangehörigkeitsausweises zu beantragen. Wie sich durch Eingabe des Suchbegriffs „… …“ bei der Suchmaschine „Google“ unschwer feststellen lässt, wird Herr … der Reichsbürgerbewegung zugerechnet. Auf der Homepage https://wiki.sonnenstaatland.com findet sich eine ausführliche Abhandlung über … … Dort wird u.a. ausgeführt, Herr … behaupte wie viele andere Staatsleugner, der deutsche Reisepass oder Personalausweis stelle keinen förmlichen Nachweis für das Vorliegen der deutschen Staatsangehörigkeit dar und könne nur durch den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises nachgewiesen werden.
165
Die Kammer nimmt es dem Beklagten nicht ab, dieser habe nicht erkannt, dass das von ihm gesehene Video bei YouTube und der Autor … … einen eindeutigen Bezug zur Reichsbürgerszene haben. Auf derartige Videos stößt man im Internet nicht zufällig, sondern nur, wenn man gezielt nach zugehörigen Begriffen, hier zum Thema Staatsangehörigkeitsausweises sucht.
166
Das Verhalten des Beklagten nach dem Ansehen des Videos von … … zeigt, dass sich der Beklagte die staatsleugnenden Aussagen des Autors des Videos zu eigen gemacht und nachfolgend bei der Beantragung einen Staatsangehörigkeitsausweises und der Vorsprache beim Einwohnermeldeamt der Stadt … zumindest sinngemäß übernommen hat.
167
Auch das weitere Verhalten des Beklagten ist typisch für Anhänger der Reichsbürgerszene. Nach der Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises stellte der Beklagte am 28. Juli 2016 einen Antrag auf Selbstauskunft aus dem Register EStA (Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten), um zu überprüfen, welche Eintragungen nach der von ihm beantragten Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises erfolgt sind.
168
Am 8. September 2016 kam es dann zu der Vorsprache beim Einwohnermeldeamt der Stadt … mit dem Ziel, den Personalausweis abzugeben, wobei der Beklagte angab, dies erfolge, da er kein Personal der Bundesrepublik Deutschland sei. In der Folge begann der Beklagte, sich mit seinem Begleiter darüber auszutauschen, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht durch rechtlich wirksame Akte zustande gekommen, sondern das Ergebnis von Staatsverträgen der Siegermächte sei. Hierdurch hat der Beklagte eindeutig und mit Außenwirkung zum Ausdruck gebracht, dass er die Ideologie der Reichsbürgerszene vertritt.
169
Der im Disziplinarverfahren vernommene Zeuge … … gab hierzu an, nach seiner Einschätzung habe der Beklagte die Diskussion mit seinem Begleiter geführt, um ihn, den Zeugen, von deren Ansichten zu überzeugen.
170
In diesem Kontext sind auch die schriftlichen Äußerungen des Beklagten vom 3. Oktober 2016, 20. November 2016 und 16. Januar 2017 gegenüber dem ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice zu sehen.
171
Obwohl dem Beklagten die Rechtsgrundlagen für die Erhebung des Rundfunkbeitrags erläutert worden waren, beharrte der Beklagte auf der Forderung, die Berechtigung für die Erhebung des Beitrags sei anhand von gültigem Recht nachzuweisen. Ein Verwaltungsakt ohne Unterschrift sei nichtig. Ein nach Handelsrecht geschlossene Vertrag könne keine gesetzliche Grundlage darstellen.
172
In diesem Zusammenhang verwies der Beklagte in seinem Schreiben vom 20. November 2016 darauf, er sei Staatsangehöriger nach § 4 Abs. 1 RuStAG (Stand 1913). Er bitte deshalb damit aufzuhören, ihn weiterhin als Sklaven zu behandeln, mit dem man alles machen könne.
173
Auch in der genannten Korrespondenz hat der Beklagte für „Reichsbürger“ typische Argumentationsmuster verwendet.
174
Der Beklagte hätte ohne Schwierigkeiten durch Recherche im Internet die Rechtsgrundlagen für die Erhebung des Rundfunkbeitrags auf der Grundlage des amtlich verkündeten Rundfunkbeitragsstaatsvertrages vom 7. Juni 2011 feststellen können. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hatte bereits am 15. Mai 2014 - Vf. 8.VII-12 - und - Vf. 24-VII-12 - entschieden, dass die Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags über die Erhebung eines Rundfunkbeitrags im privaten Bereich für jede Wohnung und im nicht privaten Bereich für Betriebsstätten sowie für Kraftfahrzeuge mit der Bayerischen Verfassung vereinbar sind. Diese Entscheidung war und ist im Internet für jedermann abrufbar.
175
Der Beklagte hat durch sein Verhalten zumindest Teile der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland infrage gestellt. Dies ergibt sich insbesondere aus seiner Behauptung, für ihn bestimme sich die Staatsangehörigkeit nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 und die Bundesrepublik Deutschland sei nicht durch rechtlich wirksame Akte zustande gekommen, sondern das Ergebnis von Staatsverträgen der Siegermächte. Zudem gebe es keine Rechtsgrundlage für die Ausstellung von Personalausweisen, er sei kein Personal der Bundesrepublik Deutschland. Auch im Zusammenhang mit der von ihm bestrittenen Möglichkeit der Erhebung eines Rundfunkbeitrags berief sich der Beklagte erneut auf seine Staatsangehörigkeit nach dem Rechtsstand von 1913, er könne nicht als „Sklave“ behandelt werden.
176
Mit dem ihm zur Last gelegten Verhalten hat der Beklagte die rechtlich zulässigen Grenzen, Kritik an bestehenden Zuständen zu üben oder bestehende rechtliche Regelungen in Gesetzen oder in der Verfassung in den dafür vorgesehenen verfassungsrechtlichen Verfahren ändern zu wollen, verlassen. Er stellt vielmehr zumindest Teile des Rechtssystems der Bundesrepublik Deutschland infrage.
177
Die Beklagte vertritt mit dem ihm zur Last gelegten Verhalten Gedankengut der „Reichsbürgerbewegung“. Diese beruft sich auf das Fortbestehen des Deutschen Reiches, welches juristisch niemals untergegangen sei und stellt die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland sowie ihre Organe infrage. Sie zweifelt die Legitimität des Grundgesetzes an, da das deutsche Volk niemals darüber abgestimmt habe. Sie hält die Bundesrepublik Deutschland für eine Firma, welche von den Alliierten regiert wird und behauptet, dass das Deutsche Reich weiter fortbestehe (vgl. OVG NRW, B.v. 22.3.2017 - 3d 296/17.0 -, juris Rn.7; VG Münster, B.v. 15.2.2017 - 20 L 254/17.O -; VG Düsseldorf, B.v. 12.7.2017 - 35 L 2031/17.O. -, juris; B.v. 23.11.2016 - 35 K 13737/16 -, juris; VG Magdeburg, U.v. 20.3.2017 - 15 A 16/16 -, juris; VG München, B.v. 20.6.2016 - M 5 S 16.1250 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 21.5.2015 - 10 M 4/15 u.a. -, juris).
178
Das dem Beklagten zu Last gelegte Verhalten erfüllt das Tatbestandsmerkmal des „Betätigens“ in § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG. Dieses Merkmal erfordert eine gesteigerte Aktivität des Ruhestandsbeamten. Einmalige Handlungen ohne Außenwirkung können ohne Hinzutreten weiterer Faktoren regelmäßig nicht als Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gewertet werden. Anders verhält es sich, wenn durch nachhaltiges reichsbürgertypisches Verhalten eine Außenwirkung entsteht.
179
Dies ist vorliegend der Fall, da der Beklagte mit seinen Anträgen bzw. Schreiben sowie mündlichen Äußerungen beim Einwohnermeldeamt … reichsbürgertypisches Verhalten bzw. Thesen nach außen getragen hat. Welche Motivation der Beklagte hierbei gehabt hat, ist für die Frage des Vorliegens eines Dienstvergehens unerheblich (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 15.3.2018 - 10 L 9/17 -, juris Rn. 51). Außenstehenden steht für die Beurteilung der inneren Einstellung einer Person lediglich der Rückschluss aus dem Verhalten sowie den getätigten Äußerungen zur Verfügung. Ein möglicher (innerer) Vorbehalt ist deshalb unerheblich, soweit dieser nicht durch entsprechendes aktives Verhalten deutlich gemacht wird. Die bloße Behauptung des Beklagten, er habe schon immer die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland anerkannt, genügt hierfür nicht.
180
Der Beklagte hat auch im laufenden Disziplinarverfahren zunächst ein für Anhänger der Reichsbürgerszene typisches Verhalten gezeigt.
181
Er hat wiederholt mittels Postzustellungsurkunde übermittelte Postsendungen der Disziplinarbehörde ungeöffnet an diese zurückgesandt. Zur Begründung berief sich der Beklagte einerseits darauf, Zustellungen von Postsendungen dürften nach gültigem deutschem Recht nur von Post-„Beamten“ persönlich erfolgen. Ein privater kommerzieller Postservice erfülle diese Voraussetzungen nicht. Das Zustellen solcher Briefe sei Amtsanmaßung und strafbar.
182
Bei einer anderen Sendung verwendete der Beklagte einen Aufkleber, in welchem von einem Zustellungsverbot wegen fehlender Rechts- und Vertragsgrundlage die Rede ist. Die juristische Person als Empfänger existiere nach geändertem Personenstand nicht mehr. Des Weiteren fehle zum Geschäftszeichen der Vertrag.
183
Auch hier bedient sich der Beklagte des typischen Argumentationsmusters der Anhänger der Reichsbürgerszene. Der Beklagte negiert die seit dem 1. Januar 1998 im Rahmen der Postreform geschaffene Rechtslage, wonach gemäß § 33 Abs. 1 des Postgesetzes ein Lizenznehmer, der Briefzustellungsdienstleistungen erbringt, verpflichtet ist, Schriftstücke unabhängig von ihrem Gewicht nach den Vorschriften der Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, förmlich zuzustellen. Im Umfang dieser Verpflichtung ist der Lizenznehmer mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet (beliehener Unternehmer), so dass eine Zustellung nicht durch Beamte erfolgen muss.
184
Der Beklagte hat mit seinem Handeln vorsätzlich gegen seine Verpflichtung aus § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG verstoßen. Die Voraussetzungen eines (nicht vermeidbaren) Verbotsirrtums liegen nicht vor. Als ehemaligem Beamten waren dem Beklagten - auch aus der Ausbildung - die Bedeutung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekannt. Der Beklagte wurde anlässlich seiner Vereidigung über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst belehrt. Dem Beklagten hätten deshalb bei Anspannung seiner geistigen Kräfte und erforderlichenfalls nach entsprechender Aufklärung zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens kommen müssen (vgl. Zängl., a.a.O., MatR/II Rn. 116).
185
Rechtfertigungs- bzw. Schuldminderungs- oder Schuldausschließungsgründe liegen ebenfalls nicht vor.
186
Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßen Ermessen, insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 -, juris; U.v. 29.10.2013 - 1 D 1.12 -, BVerwGE 148, 192). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, B.v. 8.12.2004 - 2 BvR 52/02 -, BVerfGK 4, 243). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252).
187
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat. Ruhestandsbeamten und -beamtinnen wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn sie, wären sie noch im Dienst, aus dem Beamtenverhältnis hätten entfernt werden müssen (Art. 14 Abs. 2 BayDG).
188
Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252).
189
In Ausfüllung dieses Rahmens ist die Kammer zu der Einschätzung gelangt, dass zur Ahndung des Dienstvergehens von der Aberkennung des Ruhegehaltes abgesehen werden kann, eine Kürzung des Ruhegehaltes im zeitlich höchstmöglichen Umfang jedoch zwingend geboten und auch verhältnismäßig ist (Art. 14 Abs. 2 BayDG).
190
Der Beklagte hat sich mit dem ihm zur Last gelegten Verhalten gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigt und damit als Ruhestandsbeamter ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen. Allerdings bewegen sich die zu ahndenden reichsbürgertypischen Aktivitäten des Beklagten mit Außenwirkung im unteren Schwerebereich.
191
Zugunsten des Beklagten ist als Milderungsgrund zudem zu berücksichtigen, dass er sich im Disziplinarverfahren - wenn auch spät - und in der mündlichen Verhandlung glaubhaft von der Ideologie der Reichsbürgerszene distanziert und sein Fehlverhalten mehrfach aufrichtig bedauert hat (vgl. BayVGH, U.v. 16.1.2019 - 16a D 15.2672 -, juris Rn. 45).
192
Nach dem Grundsatz in dubio pro reo (vgl. hierzu: Urban/Wittkowski, Bundesdisziplinargesetz, 2. Auflage 2017, Rn. 34 zu § 13 BDG m.w.N.) geht die Kammer zugunsten des Beklagten zudem davon aus, dass die vorübergehende Trennung von seiner Ehefrau zu einer erheblichen psychischen Belastung des Beklagten geführt hat und zumindest mitursächlich dafür war, dass er sich mit dem Gedankengut der Reichsbürgerszene beschäftigt hat. Ebenfalls zu Gunsten des Beklagten wurde berücksichtigt, dass er bisher straf- und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist.
193
Die Kammer ist in der Gesamtschau der den Beklagten be- und entlastenden Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass die verhängte Disziplinarmaßnahme, mit der eine finanziell spürbare deutliche Pflichtenmahnung verbunden ist, erforderlich, aber auch ausreichend (verhältnismäßig) ist, um das vom Beklagten begangene Dienstvergehen zu ahnden. Die Kammer ist überzeugt, dass der Beklagte aus seinem Fehlverhalten seine Lehren gezogen und sich insbesondere glaubhaft von der Reichsbürgerideologie distanziert hat.
194
Unter den genannten Umständen ist es deshalb vertretbar und dem früheren Dienstherrn des Beklagten auch zumutbar, den Beklagten weiterhin besoldungsrechtlich zu alimentieren.
195
Die Höhe der Kürzung des Ruhegehalts wurde auf ein Zwanzigstel festgesetzt, da der Beklagte dem mittleren Dienst angehörte (vgl. Urban/Wittkowski, a.a.O., Rn. 6 zu § 11 BDG; Rn. 7 zu § 8 BDG; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Rn. 7 zu Art. 9 BayDG m.w.N.).
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Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
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Das Verfahren ist gebührenfrei (Art. 73 Abs. 1 BayDG).