Titel:
Schadensersatz, Kaufvertrag, Annahmeverzug, Rechtsanwaltskosten, Fahrzeug, Unfall, PKW, Feststellung, Anfechtung, Verletzung, Herausgabe, Kenntnis, Gebrauchtwagen, Zahlung
Schlagworte:
Schadensersatz, Kaufvertrag, Annahmeverzug, Rechtsanwaltskosten, Fahrzeug, Unfall, PKW, Feststellung, Anfechtung, Verletzung, Herausgabe, Kenntnis, Gebrauchtwagen, Zahlung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 02.09.2020 – 27 U 1998/20
OLG München, Beschluss vom 18.11.2020 – 27 U 1998/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 44497
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 61.500,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Schadensersatz und Feststellung im Zusammenhang mit dem sogenannten Diesel-Abgasskandal.
2
Die Klägerin erwarb am 23.01.2017 von der Beklagten zu 1) einen gebrauchten PKW Porsche Macan S Diesel (Fahrzeugidentitätsnummer: …), Kilometerstand 51.900, zum Kaufpreis von 61.500,00 € (Anlage K 30).
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Das Fahrzeug ist ausgestattet mit einem 3,0 l V6 Dieselmotor des Audi Konzerns und benützt zur Schadstoffausstoßreduktion eine sog. Aufheizstrategie (Lenkwinkelerkennung) sowie ein sog. Thermofenster mit ADBlue Dosierung.
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Die Klagepartei trägt im Wesentlichen vor, sie sei beim Kauf darüber getäuscht worden, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug eine unerlaubte Abschalteinrichtung verbaut worden sei, aufgrund der vorliegenden Manipulation käme es zu Problemen u.a. drohende Stilllegung, erhöhter Kraftstoffverbrauch. Die gesetzlich vorgeschriebenen Abgaswerte könnten nicht eingehalten werden.
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Der Einbau des Motors mit manipulierter Steuerung sei in Kenntnis von Organgen der Beklagten zu 2) erfolgt. Die Beklagte zu 1) müsse sich das Verhalten der Beklagten zu 2) zurechnen lassen.
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Die Klägerin sei auf der Suche nach einem umweltfreundlichen Fahrzeug gewesen, ein Kaufvertrag wäre bei Kenntnis der Manipulation nicht zustande gekommen.
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Die Klägerin habe den Kaufvertrag wirksam anfechten können bzw. wegen vorhandener Mängel vom Kaufvertrag zurücktreten können (Schreiben vom 09.01.2019).
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Die Klagepartei beantragt:
- 1.
-
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klagepartei € 61.5000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.01.2019 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW Porsche Macan S Diesel, … und Zug-umZug gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des PKW.
- 2.
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Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs Porsche Macan S Diesel (Fahrzeugidentifikationsnummer: …) durch die Beklagtenpartei resultieren.
- 3.
-
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. Genannten PKW im Annahmeverzug befindet.
- 4.
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Die Beklagtenparteien werden jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils € 2.994,04 freizustellen.
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Die Beklagten beantragen jeweils
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Die Beklagten tragen im Wesentlichen vor, die ergangenen Entscheidungen zum EA 189 Dieselmotor seien auf den konkreten Fall nicht übertragbar, nachdem im streitgegenständlichen Fahrzeug ein solcher Dieselmotor nicht zum Einsatz gekommen, sondern ein Sechszylindermotor mit 3 Liter Hubraum zugekauft und verbaut ist.
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Ein Thermofenster erfülle schon nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Im Bezug auf den SCR-Katalysator und die ADBlue-Dosierung habe das KBA bereits festgestellt, dass insoweit keine unzulässige Abschalteinrichtung vorliege.
12
Auch seien Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt gewesen. Ein bereits durchgeführtes Software-Update habe keinen negativen Auswirkungen geführt.
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Die Beklagte zu 1) sei ein unabhängiges Unternehmen; eine Zurechnung von Erklärungen und Handlungen der Beklagten zu 2) scheide bereits aus. Vermeintliche Ansprüche der Klägerin seien darüber hinaus gemäß § 377 Abs. 2, 3 HGB erloschen. Außerdem beruft sich die Beklagte zu 1) auf Verjährung.
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Die Beklagte zu 2) hat vorgetragen, sie habe bis zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Kaufvertrages von einer Abschaltautomatik keine Kenntnis gehabt, vielmehr sei seitens des Audikonzerns versichert worden, es läge hinsichtlich des verwendeten Motors keine (unzulässige) Abschaltautomatik vor (vgl. Schriftsatz vom 03.06.2019, S. 2, Bl. 222 d.A.).
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Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die umfangreichen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2019 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Das Landgericht Augsburg ist örtlich zuständig, da der streitgegenständliche Kaufvertrag im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Augsburg geschlossen wurde.
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Die Klage gegen die Beklagte zu 1) war abzuweisen.
19
Anhaltspunkte dafür, die Beklagte zu 1) habe selbst eine Täuschung begangen, liegen nicht vor.
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Ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, die Beklagte zu 1) als unabhängiger (Gebrauchtwagen-)Händler müsse sich eine mögliche Täuschung durch die Beklagte zu 2) zurechnen lassen, liegen ebenfalls nicht vor. Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich um einen Gebrauchtwagenkauf handelt. Auf eventuelle Anordnungen des KBA gegenüber der Beklagten zu 2) kommt es insoweit nicht entscheidend an.
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Ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, eine Fristsetzung zur Nacherfüllung sei gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB entbehrlich gewesen, liegen nicht vor (vgl. OLG München 21 U 4818/16). Für die Frage einer Unzumutbarkeit einer Nacherfüllung und deren Art und Weise sind bei einer Gesamtbetrachtung auch Kilometerstand und Alter des Fahrzeugs zu berücksichtigen. Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung liegt ein Kilometerstand von 66.729 vor. Gemäß der vom Kläger vorgelegten Rechnung vom 23.01.2017 (K 30) erfolgte die Erstzulassung am 03.09.2015. Der Rücktritt erfolgte mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 09.01.2019, also mehr als 3 Jahre nach der Erstzulassung des Fahrzeugs und ca. 2 Jahre nach dem Erwerb desselben durch den Kläger. Bei diesen Umständen ist nicht ersichtlich, dass eine auch zeitlich zumutbare Nacherfüllung unmöglich gewesen wäre.
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Bei Anwendung des § 377 HGB wären mögliche Mängelbeseitigungsansprüche jedenfalls bereits ausgeschlossen.
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Abgesehen davon ist von Verjährung auszugehen; vertragliche Ansprüche aus dem geschlossenen Kaufvertrag vom 23.01.2017 waren zum Zeitpunkt des Rücktritts bereits verjährt.
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Aus den gleichen Gründen liegt auch keine Nichtigkeit des Kaufvertrages wegen der erklärten Anfechtung oder aus sonstigen Gründen vor.
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Damit ist die Beklagte zu 1) weder mit der Rückzahlung des Kaufpreises noch mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Verzug bzw. Annahmeverzug geraten, sie hat den Kläger nicht von vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten freizustellen.
26
Die Klage gegen die Beklagte zu 2) war ebenfalls abzuweisen.
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Der unter Ziffer 2. gestellte Feststellungsantrag ist bereits unzulässig. Insoweit fehlt es - worauf die beklagte Partei hingewiesen hatte - an dem erforderlichen Feststellungsinteresse des Klägers gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Bei Verletzung einer Norm zum Schutz des Vermögens fehlt es an einem feststellbaren Rechtsverhältnis, solange der Eintritt irgendeines Schadens noch ungewiss ist; hier muss der Kläger schon für die Zulässigkeit der Klage eine Vermögensgefährdung, das heißt die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens substantiiert dartun (Zöller, ZPO, 32. Auflage, 2018, § 256 ZPO Rn. 9 m.w.N.). Vorliegend sind mit Wahrscheinlichkeit zu erwartende künftige Schadensfolgen schon nicht in hinreichend substantiierter Form dargetan.
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Ergänzend wird ausgeführt, dass ein derartiger Antrag mangels Bestehens eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach auch unbegründet wäre.
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Vertragliche Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) sind nicht ersichtlich, nachdem die Beklagte zu 2) am (Gebrauchtwagen-) Kaufvertrag nicht beteiligt war.
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Ein deliktischer Anspruch gegen die Beklagte zu 2) scheitert bereits daran, dass die Klägerin kein sitenwidriges Verhalten bei der Verwendung einer Abschalteinrichtung (so z.B.„Thermofenster“) darlegen konnte (vgl. z.B. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019 - 10 U 134/19).
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Hierfür wäre nötig konkret darzulegen, dass im Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs ein bestimmtes Konstruktionsteil vorhanden ist (ggf. auch Software), dass in bestimmten konkret darzulegenden Umwelt- oder Fahrsituationen die Abgasreinigung abgeschaltet wird und dass diese Abschaltung nicht notwendig ist, um den Motor vor m Beschädigung oder Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.
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Die ist weder hinsichtlich des Thermofensters noch im Bezug auf den SCR-Katalysator und die ADBlue-Dosierung geschehen.
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Die weiteren Anträge unter Ziffern 3. und 4 betreffend die Feststellung von Annahmeverzug und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sind ebenfalls unbegründet. Sie teilen das Schicksal der Hauptforderung. Mangels Bestehens eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach besteht weder ein Zinsanspruch noch ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.