Inhalt

SG München, Urteil v. 09.10.2020 – S 8 AS 293/16
Titel:

Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit bei Bezug von ALG II-Leistungen

Normenketten:
SGB X 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 50
SGB II § 40 Abs. 2 Nr. 3
SGB III § 330
ALG II-VO § 3 Abs. 1, § 3 Abs. 2, § 3 Abs. 3
Leitsatz:
§ 3 Abs. 3 Satz 4 ALG II-VO ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass zwar weder ein betriebliches Darlehen als Einkommen anzurechnen noch tatsächlich geleistete Ausgaben bis zur Höhe des Darlehens als Betriebsausgaben anzuerkennen sind. Sehr wohl als Betriebsausgaben anzuerkennen sind bei verfassungskonformer Auslegung jedoch Tilgungen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleistet werden.  (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
endgültige Festsetzung und Erstattung von ALG-II Leistungen, Einkommensberechnung bei selbständiger Arbeit, Betriebsausgaben
Fundstelle:
BeckRS 2020, 44350

Tenor

I. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2016 wird dahingehend abgeändert, dass die Aufhebungs- und Erstattungssumme auf monatlich 536,04 Euro, also auf insgesamt 3.216,24 Euro für den gesamten Zeitraum April bis September 2012 reduziert wird.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu 1/3.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Rechtsmäßigkeit eine Aufhebung und Erstattung über 5.052,12 Euro für den Zeitraum April bis September 2012 (Bescheid vom 12.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2016).
2
Der Kläger war als selbständiger Kfz-Händler tätig. Für den Zeitraum April bis September 2012 stellte er erstmals Antrag auf SGB-II-Leistungen. Für die Zeit ab Oktober 2012 meldete er sich aus dem SGB-II-Bezug wieder ab.
3
Aufgrund des SGB-II-Antrags des Klägers sowie der von ihm eingereichten vorläufigen Anlage EKS bewilligte der Beklagte dem Kläger zunächst vorläufig Leistungen in Höhe des vollen Regelbedarfs und der vollen Kosten der Unterkunft mit vorläufigem Bescheid vom 20.07.2012 für den hier streitgegenständlichen Zeitraum April 2012 bis September 2012, jedoch zunächst ohne Berücksichtigung von Krankenversicherung und Pflegeversicherung (374,00 Euro voller Regelbedarf und 243,45 Euro volle Kosten der Unterkunft und Heizung, somit monatlich insgesamt 617,45 Euro).
4
Am 30.07.2012 gingen beim Beklagten die Angaben zur freiwilligen Krankenversicherung und Pflegeversicherung des Klägers bei der AOK ein. Mit nicht mehr als vorläufig bezeichnetem Änderungsbescheid vom 08.08.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger nunmehr höhere Leistungen für den Zeitraum April 2014 bis September 2014 (zusätzlich zur bereits bewilligten Höhe nun auch noch die Krankenversicherungsbeiträge von monatlich 293,34 Euro und die Pflegeversicherungsbeiträge von 43,31 Euro monatlich; monatliche Gesamtbewilligung damit insgesamt 954,10 Euro). Die Gesamtsumme der dem Kläger im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum von April bis September 2014 gewährten SGB-II-Leistungen belief sich damit auf insgesamt 5.724,60 Euro.
5
Kurz vor Ablauf des Bewilligungszeitraums legte der Kläger mit Stand 27.09.2020 eine detaillierte EinnahmenAusgabenrechnung vor. Darin war kein Darlehen als Einnahme vermerkt, keine Darlehenstilgung. Auch der März 2012 war mit von der Aufstellung umfasst. Für den noch laufenden Monat September 2012 waren als Teil der Betriebsausgaben Wareneinkäufe in Höhe von 5.524,89 Euro angegeben.
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Mit Schreiben vom 29.11.2012 meldete sich der Kläger für die Zeit ab Oktober 2012 aus dem SGB II-Bezug ab.
7
Mit Schreiben vom 13.11.2012 hatte der Beklagte den Kläger um die Vorlage einer Schlussabrechnung für April bis September 2012 mit Frist bis zum 30.11.2012 gebeten, da ja mit Bescheid vom 20.07.2012 Leistungen vorläufig bewilligt worden seien; der danach ergangene endgültige Bescheid vom 08.08.2012 wird in dem Schreiben nicht erwähnt.
8
Da der Kläger keine Unterlagen einreichte, setzte der Beklagte mit (hier nicht streitigem und später wieder aufgehobenem) Bescheid zur endgültigen Festsetzung und Erstattung vom 04.12.2012 den Leistungsanspruch des Klägers für April bis September 2012 auf Null fest und forderte die insgesamt für diesen Zeitraum geleisteten 5.724,60 Euro zur Erstattung.
9
Gegen den Bescheid zur endgültigen Festsetzung und Erstattung vom 04.12.12 legte der Kläger mit Schreiben vom 13.12.2012, eingegangen am 18.12.2012, Widerspruch ein. Zur Begründung trug der Kläger vor, er habe doch bereits am 28.09.2012 alle Unterlagen eingereicht. Als Anlage reichte der Kläger eine aktualisiere Gewinnermittlung mit Stand Dezember 2012 ein. Die Angaben stimmten mit den Angaben in der mit Stand 27.09.2020 abgegebenen Gewinnermittlung überein bis auf in folgenden Punkten:
- im Monat März 2012, also im Monat vor dem hier streitigen Zeitraum, ist als Betriebseinnahme ein Darlehen seiner Schwester in Höhe von 20.000 Euro angegeben,
- im Monat Juni 2012 ist bei den Betriebseinnahmen unter der Rubrik „Darlehensgewährung“ eine Summe von -5.000 Euro Darlehenstilgung vermerkt.
- Im Monat September 2012 sind statt zuvor 5.524,89 Euro (Stand 28.09.2012) als Teil der Betriebsausgaben für Wareneinkäufe nunmehr 14.224,89 Euro angegeben.
10
Nicht in der Gewinnermittlung angegeben war ein mit Bescheid vom 01.08.2012 gewährtes Einstiegsgeld in Höhe von 187,00 Euro monatlich gewährt (für den Zeitraum April bis September 2012).
11
Zu dem Darlehen der Schwester existiert ein Darlehensvertrag vom 19.03.2012 mit folgendem Wortlaut: „Hiermit gebe ich [Name der Schwester], geb. xx.xx.1976 ein Darlehen in Höhe von 20.000,00 Euro an [Name des Klägers], geb. xx.xx.1985. Dieses Darlehen ist ausschließlich nur für geschäftliche Zwecke zu nutzen (Ankauf von gebrauchten Autos). Die Rückzahlung des Darlehens erfolgt ab Januar 2013 mit einer monatlichen Rate von 300,00 Euro. Die Rate kann jederzeit erhöht werden. Nach vollständiger Rückzahlung ist ein einmaliger Zins von 500,00 Euro zu zahlen.“
12
Mit hier nicht streitigem Widerspruchsbescheid vom 04.03.2013 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die endgültige (0-Euro-)Festsetzung und Erstattung vom 04.12.2012 als unbegründet zurück. Auch bei Berücksichtigung der vom Kläger eingereichten Gewinnermittlung ergebe sich ein SGB II-Anspruch von 0 Euro im Monat. Die dabei in Bezug genommenen Zahlen des Beklagten stützen sich auf eine Mischung zwischen der Gewinnermittlung mit Stand 27.09.2012 und der Gewinnermittlung Stand Dezember 2012: Der Darlehenszuflusses im März 2012 wurde ebenso berücksichtigt, wie das Einstiegsgeld, und zwar dahingehend, dass Betriebsausgaben im streitigen Zeitraum bis zur Höhe des ab 01.04.2012 noch zur Verfügung stehenden Darlehens zuzüglich des Einstiegsgelds nicht anzuerkennen seien, dafür aber weder Darlehen noch Einstiegsgeld auf der Einkommensseite angerechnet werden. Die Darlehenstilgung in Höhe von 5.000 Euro wurde nicht einnahmenmindernd angerechnet. Als Betriebsausgaben im September 2012 wurde von den niedrigeren Betriebsausgaben, wie sie mit Stand 27.09.2020 angegeben waren, ausgegangen und nicht von den höheren Betriebsausgaben bis Ende des Monats, wie sie mit Gewinnermittlung vom Stand Dezember 2012 angegeben wurden.
13
Gegen die endgültige Festsetzung und Erstattung vom 04.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2012 klagte der Kläger zum Sozialgericht München. Im diesbezüglichen Verfahren vor dem Sozialgericht München (Az. S 40 AS 770/13) gab der Beklagte am 18.05.2015 in der mündlichen Verhandlung ein Anerkenntnis dahingehend ab, dass die endgültige Feststellung und Erstattung mit Bescheid vom 04.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2013 wegen formeller Fehler aufzuheben sei. Denn nach der ursprünglichen vorläufigen Bewilligung für diesen Zeitraum war mit Änderungsbescheid vom 08.08.2012 (mit dem die Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers berücksichtigt werden sollte) bereits (wenn wohl auch unbeabsichtigt) bereits ein endgültiger (Änderungs-) Bescheid für den Zeitraum April bis September 2012 ergangen, anstatt dass weiter vorläufig bewilligt worden wäre. Das Anerkenntnis im Verfahren S 40 AS 770/13 wurde mit Ausführungsbescheid vom 30.06.2015 umgesetzt, mit dem der Bescheid vom 04.12.2012 aufgehoben wurde. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass sich der Beklagte eine erneute Prüfung der Rückforderung ausdrücklich vorbehalte. Im Verfahren S 40 AS 770/13 konnte zudem geklärt werden, dass Ausgaben für einen weiteren Wagen nicht im streitgegenständlichen Zeitraum angefallen waren.
14
Mit Schreiben vom 27.07.2015 leitete der Beklagte die erneute Rückforderung für den Zeitraum April 2012 bis September 2012 durch Anhörung zu einer Überzahlung ein. Der Kläger habe nachträglich Einkommen erzielt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X). Unabhängig von einem Verschulden des Klägers sei daher die Bewilligung voll aufzuheben und die gewährten Leistungen teilweise zu erstatten. Die Aufhebungssumme belaufe sich auf die vollen im Leistungszeitraum gewährten 5.724,50 Euro, da das Einkommen den Bedarf übersteige. Die Erstattungssumme sei demgegenüber jedoch nach § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II um 112,08 Euro monatlich zu reduzieren, weil 56% der Kosten der Unterkunft des Klägers bei diesem verbleiben müssten. Die Erstattungssumme für den gesamten Zeitraum belaufe sich daher auf insgesamt 5.052,12 Euro.
15
Eine Stellungnahme des Klägers zur Anhörung erfolgte nicht.
16
Am 12.10.2015 erließ der Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid zur Aufhebung und Erstattung der für den Zeitraum April bis September 2012 gewährten SGB II-Leistungen. Summen und Begründung wiederholten die bereits in der Anhörung vom 27.07.2015 gemachten Angaben.
17
Dabei legte der Beklagte zugrunde, dass Betriebsausgaben im streitgegenständlichen Zeitraum bis zur Höhe des Einstiegsgeldes (6x 187,00 Euro = insg. 1.122,00 Euro) zuzüglich des Darlehens in Höhe von 20.000,00 Euro, soweit es am 01.04.2012 noch zur Verfügung standen, nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen seien. Als am 01.04.12 aus dem Darlehen noch zur Verfügung stehende Summe berechnete der Beklagte dabei - entsprechend den Angaben des Klägers in beiden Gewinnermittlungen, sowohl Stand 27.09.2012 als auch Stand Dez. 2012 - einen verbleibenden Darlehensbetrag, indem er die gesamten Betriebsausgaben des Klägers im März 2012 (4.300,41 Euro) ansetzte abzüglich eines nach Auffassung des Beklagten als bloße steuerliche Abschreibung und damit nicht als tatsächlich geleistete Betriebsausgabe anzusehenden Postens vom März 2012 („GWG < 150“ in Höhe von 113,45 Euro). Somit kam der Beklagte neben dem Einstiegsgeld von 1.122,00 auf einen die Betriebsausgaben im streitgegenständlichen Zeitraum mindernden Betrag von 15.813,04 Euro kam (20.000 Euro - 4.300,41 Euro + 113,45 Euro).
18
Der Beklagte berücksichtigte bei deinen Berechnungen auch weiterhin nicht die im Juni 2012 erfolgte Darlehenstilgung in Höhe von 5.000,00 Euro.
19
Im Übrigen übernahm der Beklagte alle Zahlen aus der Gewinnermittlung des Klägers (Stand Dezember 2012) einschließlich der höheren Betriebsausgaben für September 2012 gegenüber Stand 27.09.2020.
20
Für den streitgegenständlichen Zeitraum vom April bis September 2012 berücksichtigte der Beklagte somit folgende Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben (soweit nicht kursiv gekennzeichnet in Übereinstimmung mit den Angaben des Beklagten in der Gewinnermittlung vom Dezember 2012):
- Betriebseinnahmen in Euro:
o April 2012 0,00 o Mai 2012 10.200,00 o Juni 2012 6.125,00 (statt 1.125,00 laut Kl. wg. 5.000 Euro Darl.-Tilgung)
o Juli 2012 6.400,00 o Aug. 2012 15.650,00 o Sept. 2012 12.100,00 Gesamt 50.465,00 (statt 45.465,00 laut Kl.)
- Betriebsausgaben in Euro:
o April 2012 6.466,44 o Mai 2012 10.621,61 o Juni 2012 1.366,24 o Juli 2012 7.157,59 o Aug. 2012 17.788,25 o Sept. 2012 16.801,12 Gesamt 60.201,25
- 15.813,04 (Darl., soweit am 01.04.2012 noch nicht verbraucht)
- 1.122,00 (Einstiegsgeld)
43.266,21 berücksichtigte Gesamtausgaben nach Minderung
21
Aus den so errechneten Gesamteinnahmen von 50.465,00 Euro abzüglich der nach Ansicht des Beklagten zu berücksichtigenden Gesamtausgaben von 43.379,51 Euro errechnete der Beklagte einen Gesamtgewinn von 7.208,29 Euro, aufgeteilt auf 6 Monate somit einen monatlichen Gewinn von 1.201,47 Euro.
22
Den monatlichen Gewinn von 1.201,47 Euro bereinigte der Beklagte um folgende monatliche Summen:
- 366,65 Euro Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträgen
- 30,00 Euro Versicherungspauschale
- 200,00 Euro Erwerbstätigenfreibetrag
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Damit errechnete der Beklagte ein monatliches zu berücksichtigendes Einkommen des Klägers von 634,82 Euro.
24
Bei einem monatlichen Bedarf des Klägers von 374 Euro Regelbedarf sowie 243,45 Euro vollen Kosten der Unterkunft und Heizung (monatlicher Gesamtbedarf somit 617,45 Euro) errechnete der Beklagte ein den Bedarf um 17,37 Euro übersteigendes monatliches zu berücksichtigendes Einkommen des Klägers und somit einen SGB-II-Leistungsanspruch von 0 Euro monatlich.
25
Gegen den Bescheid vom 12.10.2015 legte der Kläger persönlich mit Schreiben vom 08.11.2015 (Eingang: 10.11.15) Widerspruch ein. Das Sozialgericht habe doch verbindlich festgestellt, dass er dem Beklagten nichts schulde.
26
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2016 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. In der mündlichen Verhandlung vor der 40. Kammer sei keineswegs gesagt worden, dass der Kläger nichts schulde, sondern nur, dass der alte Aufhebungs- und Erstattungsbescheid auf eine falsche Rechtsgrundlage gestützt gewesen sei und dass bei einem erneuten Bescheid mit neuer Rechtsgrundlage zu berücksichtigen sei, dass 56% der Kosten der Unterkunft beim Kläger zu verbleiben hätten. Im Übrigen nahm der Beklagte zur Begründung seines Widerspruchsbescheids den alten Widerspruchsbescheid vom 04.03.2013 in Bezug. Insbesondere sei das Darlehen in Höhe von 20.000,00 Euro im Hinblick auf § 3 Abs. 3 Satz 4 ALG-II-VO nach wie vor zu behandeln wie im Widerspruchsbescheid vom 04.03.2013 erläutert.
27
Am 05.02.2016 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Klage zum Sozialgericht München erhoben. Die Berechnung der betrieblichen Ausgaben durch den Beklagten sei falsch. Es ergebe sich durchaus ein Leistungsanspruch des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum. Der Beklagte habe nunmehr für September 2012 statt bisher (Widerspruchsbescheid vom 04.03.2013) 7.982,24 Euro nunmehr neu 16.801,12 Euro anerkannt an Ausgaben, das sei auch richtig so. Der Beklagte habe damit 8.818,88 Euro mehr als zuvor anerkannt. Die Gesamtausgaben müssten dann ausgehend von Berechnungen im Widerspruchsbescheid zuzüglich der für September anerkannten höheren Ausgaben Kosten bei 64.500,97 Euro liegen; der Gewinn sei damit um 4.299,72 zu reduzieren. Dann liege nur noch ein Gesamtgewinn von 2.009,07 vor. Das mache einen monatlichen Gewinn von nur 484,85 Euro Gewinn statt der angenommenen 1.201,47 Euro. Unter Berücksichtigung von Grundfreibetrag, Krankenversicherung und Pflegeversicherung und der Versicherungspauschale ergebe sich damit kein anzurechnendes Einkommen. Außerdem regele § 3 Abs. 3 Nr. 4 ALG II-VO regelt zwar, dass Ausgaben nicht abzusetzen seien, soweit dafür betriebliche Darlehen aufgenommen worden seien. Die Verfassungsgemäßheit dieser Vorschrift sei jedoch zweifelhaft. Zwar sei der Darlehenszufluss zutreffend nicht als Zufluss zu berücksichtigen. Auch, dass Tilgungen nicht als Ausgaben anzusehen seien, möge richtig sein. Aber Zinsen müssten als Ausgaben anerkannt werden und ebenso Ausgaben, die mit Darlehensmitteln finanziert werden. Dass diese nicht als Betriebsausgaben angerechnet würden, sei schlicht nicht nachvollziehbar. Denn sonst würden sowohl Tilgungen als auch Ausgaben, die aus dem Darlehen finanziert werden, nicht berücksichtigt. Das sei eine doppelte Nichtberücksichtigung und damit verfassungswidrig. Auch im Steuerrecht werde dies entsprechend anders gehandhabt. Letztlich komme es auf die Verfassungsgemäßheit von § 3 Abs. 3 Nr. 4 ALG II-VO jedoch gar nicht an, da sich auch bei der Anwendung dieser Norm nach der oben angeführten Berücksichtigung der Freibeträge usw. kein anrechenbares Einkommen für den Kläger errechne.
28
Der Kläger beantragt,
den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 12.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2016 aufzuheben.
29
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
30
§ 3 Abs. 3 Satz 4 ALG II-VO sehe tatsächlich eine vom Steuerrecht abweichende Regelung vor. Das sei seit langem bekannt; Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht seien diesbezüglich allerdings nicht anhängig. Der Streit sei daher zu entscheiden.
31
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogene Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

32
Die Klage ist zulässig, aber nur im tenorierten Umfang begründet.
33
Streitgegenstand ist die Rechtsmäßigkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 12.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2016.
34
Die Klage ist in der Form der Anfechtungsklage statthaft, form- und fristgerecht erhoben und auch im übrigen zulässig.
35
Sie ist jedoch nur im tenorierten Umfang begründet, da der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheid nur insoweit teilweise rechtswidrig ist, als dass die Bewilligung vom 08.08.2012 in Höhe von mehr als 536,04 Euro monatlich aufgehoben und zur Erstattung gefordert wird.
36
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Erstattung ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III, § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II sowie § 50 SGB X.
37
Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruches geführt haben würde. Nach § 330 Abs. 3 SGB III (der nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II auch auf SGB-II-Leistungen anzuwenden ist), ist abweichend von der Soll-Regelung zwingend eine Aufhebung für die Vergangenheit vorzunehmen; eine Ermessensentscheidung zugunsten des Betroffenen ist also ausgeschlossen. Auf ein Verschulden des Leistungsempfängers kommt es bei einer rückwirkenden Aufhebung aufgrund Einkommenszuflusses nicht an. Nach § 50 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben wurde.
38
Das Anerkenntnis des Beklagten im Verfahren S 40 AS 770/13 steht dabei dem Erlass eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheids für den hier streitgegenständlichen Zeitraum April 2012 bis September 2012 nicht entgegen. Das Anerkenntnis bezog sich allein auf den aus formalen Gründen rechtswidrigen Bescheid vom 04.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2013, mit dem eine falsche Rechtsgrundlage für die Rückforderung von SGB-II-Leistungen in diesem Zeitraum gewählt wurde: nämlich eine endgültige Festsetzung, die jedoch nur nach einer (rein) vorläufigen Bewilligung möglich ist. Vorliegend hatte der Beklagte aber bereits mit Änderungsbescheid vom 08.08.2012 (wenn auch irrtümlich) eine nicht mehr als vorläufig gekennzeichnete, und damit endgültige Bewilligung vorgenommen, sodass eine erneute endgültige Festsetzung nicht möglich war.
39
Die nunmehr mit dem hier streitigen Bescheid vom 12.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2016 vorgenommene Aufhebung und Erstattung ist hingegen auf die richtige Rechtsgrundlage gestützt.
40
Der Bescheid ist auch nicht von vornherein deswegen rechtswidrig, weil die Jahresfrist nach §§ 48 Abs. 4 Satz 2, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB II nicht gewahrt worden wäre. Denn nach der dort vorgesehenen Regelung ist eine Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes zwar nur innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen rechtmäßig, welche die Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit rechtfertigen. Es scheint auch für ein Überschreiten der Jahresfrist zunächst zu sprechen, dass der Beklagte letztlich bei den Berechnungen für die hier streitige Aufhebung mit Bescheid vom 12.10.2015 auf die Gewinnermittlung des Klägers zurückgriff, die dieser bereits bis Dezember 2012 vorgelegt hatte. Es ist allerdings nach der Rechtsprechung davon auszugehen, dass Kenntnis - solange die Behörde in diesem Sinne nicht selbst überzeugt ist - nicht gegeben sein kann, soweit das vorhandene Wissen die Beurteilung der Aufhebbarkeit des zu überprüfenden Bescheids objektiv nicht ermöglicht (Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB B X, 8. Aufl., § 45, Rz. 83). Vorliegend waren erst im Laufe des mit Anerkenntnis vom 18.05.2015 seinen Abschluss gefunden habenden Verfahrens S 40 AS 770/13 für den Leistungsanspruch des Klägers im streitrelevanten Zeitraum notwendige Tatsachen wie der Zeitpunkt von Betriebsausgaben für einen weiteren Wagen außer- und nicht innerhalb des hier streitrelevanten Zeitraums geklärt worden. Damit war die Jahresfrist, beginnend am 18.05.2015, bei Erlass des hier streitgegenständlichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid am 12.10.2015 noch nicht abgelaufen.
41
Vorliegend hat der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Einkommen erzielt, das zur Minderung des Anspruches auf SGB II-Leistungen geführt haben würde. Das Einkommen war jedoch entgegen den Ausführungen des Beklagten im Bescheid vom 12.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2016 nicht so hoch, dass der SGB II-Leistungsanspruch ganz entfiele, sondern lediglich so hoch, dass der Bescheid in der tenorierten Höhe aufzuheben war.
42
Der Kläger war nach § 7 SGB II grundsätzlich leistungsberechtigt, da er im streitgegenständlichen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hatte (Nr. 1), er erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) war und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte (Nr. 4).
43
Er war jedoch in einem geringeren Maße hilfebedürftig, als in der endgültigen Bewilligung vom 08.08.2012 angenommen, da er über zu berücksichtigendes Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit verfügte, §§ 9, 11 SGB II.
44
Bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ALG II-VO von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen, § 3 Abs. 1 Satz 2 ALG II-VO. Nach § 3 Abs. 2 ALG II-VO sind zur Berechnung des Einkommens von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen. Nach § 3 Abs. 3 Satz 4 SGB II sind Ausgaben nicht abzusetzen, soweit für sie Darlehen oder Zuschüsse nach dem SGB II erbracht oder betriebliche Darlehen aufgenommen worden sind.
45
Die Berechnungen des Beklagten zum Bescheid vom 12.10.2015 übernehmen insofern weitgehend die Angaben des Klägers in seiner im Dezember 2012 vorgelegten Gewinnermittlung. Insbesondere berücksichtigte der Beklagte auch die höheren Betriebsausgaben bis zum Abschluss des Monates September 2012, wie sie sich aus der im Dezember 2012 vorgelegten Gewinnermittlung gegenüber der am 27.09.2012 (und damit noch vor Abschluss des Monats September 2012) vorgelegten Gewinnermittlung ergab. Nicht zu beanstanden ist dabei der grundsätzliche Ansatz, die Betriebsausgaben im streitgegenständlichen Zeitraum zunächst um denjenigen Betrag zu mindern, zu dem das Einstiegsgeld gewährt worden war (insgesamt 1.122 Euro), da es sich insofern um einen Zuschuss nach dem SGB II im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 4 ALG II-VO handelte. Weiterhin ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte das betriebliche Darlehen der Schwester aus dem März 2012 in Höhe von 20.000,00 Euro, soweit es bis zum Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums am 01.04.2012 noch nicht aufgebraucht war, von den Betriebsausgaben abzog, § 3 Abs. 3 Satz 4 SGB II (und es andererseits auch nicht als Betriebseinnahme ansetzte). Die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten, dass § 3 Abs. 3 Satz 4 SGB II den steuerrechtlichen Regelungen widerspreche, sind unbeachtlich, da § 3 Abs. 2 SGB II ausdrücklich klarstellt, dass steuerrechtliche Vorschriften keine Berücksichtigung bei der Gewinnermittlung nach der ALG II-VO und damit nach dem SGB II finden. Auch den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten dazu, dass § 3 Abs. 3 Satz 4 SGB II verfassungswidrig sei, weil diese Regelung den Leistungsberechtigten doppelt benachteilige, wenn sie sowohl Betriebsausgaben bis zur Höhe eines betrieblichen Darlehens als auch zugleich Tilgungszahlungen unberücksichtigt lasse, ist nicht zu folgen. Denn verfassungswidrig wäre diese Norm nur dann, wenn der Wortlaut eine solche doppelte Berücksichtigung überhaupt erzwingen würde. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall. Bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung (s,u,) sind nämlich zwar weder ein betriebliches Darlehen auf der Einnahmenseite noch Ausgaben bis zur Höhe des Darlehens bei der Gewinnermittlung zu berücksichtigen, sehr wohl aber im Bewilligungszeitraum tatsächlich vorgenommene Tilgungen (s.u.).
46
Wenn somit der grundsätzliche Ansatz des Beklagten, bei der Gewinnermittlung Betriebsausgaben bis zur Höhe des am 01.04.2012 noch zur Verfügung stehenden Darlehens nicht zu berücksichtigen, so ist dennoch die Berechnung der Höhe des am 01.04.2012 zur Verfügung stehenden Darlehens durch den Beklagten fehlerhaft: Der Beklagte zog 113,45 Euro an Betriebsausgaben im März 2012 ab, da es sich um eine reine steuerliche Abschreibung handele. Tatsächlich fielen diese 113,45 Euro jedoch als „GWG >150“ an. „GWG < 150“ sind jedoch geringwertige Güter mit einem Wert von weniger als 150 Euro, die steuerrechtlich gerade nicht abgeschrieben, sondern im Monat der tatsächlichen Ausgabe angesetzt werden. Es handelt sich bei den 113,45 Euro im März 2012 also um tatsächliche Ausgaben, nicht um eine steuerrechtliche Abschreibung. Vom Darlehen der Schwester, das im März in Höhe von 20.000 Euro gewährt worden war, sind zur Ermittlung der am 01.04.2012 noch vorhandenen Darlehenssumme die vollen 4.300,41 Euro abzuziehen, die der Kläger in seiner Gewinnermittlung an Ausgaben für den Monat März 2012 angegeben hatte, und nicht nur - wie vom Beklagten angenommen - 4.186,96 Euro. Damit standen am 01.04.2012 nur noch 15.699,59 Euro aus dem Darlehen zur Verfügung und nicht noch, wie vom Beklagten angenommen, 15.813,04 Euro.
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Weiterhin waren entgegen den Berechnungen des Beklagten für den Bescheid vom 12.10.2012 die 5.000 Euro Tilgung des Darlehens im Juni 2012 durchaus einkommensmindernd (rechnerisch identisch mit: ausgabenerhöhend) anzusetzen. Denn § 3 Abs. 3 Satz 4 ALG II-VO ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass zwar weder ein betriebliches Darlehen als Einkommen anzurechnen noch tatsächlich geleistete Ausgaben bis zur Höhe des Darlehens als Betriebsausgaben anzuerkennen sind. Sehr wohl als Betriebsausgaben anzuerkennen sind bei verfassungskonformer Auslegung jedoch Tilgungen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleistet werden. Obergerichtliche Rechtsprechung ist zu dieser Frage nicht erkennbar. Klarstellende Rechtsprechung findet sich lediglich zur Frage, ob Betriebsausgaben bis zur Höhe des Darlehens nach Darlehensaufnahme nicht als Betriebsausgaben absetzbar sind (so etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.2014, Az. L 12 AS 1858/13). Dies ergibt sich jedoch ohnehin bereits aus dem Wortlaut von § 3 Abs. 3 Satz 4 SGB II. Erstinstanzlich hat das Sozialgericht Konstanz (Urteil vom 18.06.2020) im Leitsatz der juris-Veröffentlichung dahingehend Stellung bezogen, dass sowohl Tilgungs- als auch Zinszahlungen eines Darlehens als Betriebsausgaben anzuerkennen seien. Es handelt sich hierbei jedoch um eine insofern interessante Form eines obiter dictums (d.h. einer im entschiedenen Fall tatsächlich nicht relevanten Rechtsfrage), als dass die Frage der Berücksichtigung von Tilgungsraten im Urteilstext selbst noch nicht einmal erwähnt oder gar diskutiert wird, vielmehr finden sich weder in der Rz., auf die der Leitsatz verweist, noch sonst im Urteil Ausführungen zur Berücksichtigung von Tilgungsraten. Dennoch ist der im Leitsatz aufgestellten Rechtsansicht, dass Tilgungsraten durchaus als Betriebsausgaben anzuerkennen sind, zu folgen. Dies folgt daraus, dass letztlich das Darlehen, soweit es im Bewilligungszeitraum tatsächlich getilgt wurde, zwar zu Beginn des Bewilligungszeitraums in einer bestimmten Höhe zur Verfügung gestanden haben mag (was wiederum - da ja auch auf der Einnahmenseite der Darlehenszufluss nicht berücksichtigt wird - auf der Ausgabenseite die in der ALG II-VO vorgesehene Nichtberücksichtigung von Betriebsausgaben bis zu dieser Höhe rechtfertigt), dieses Darlehen aber im Bewilligungszeitraum (als Zeitraum betrachtet), wenn Tilgungen geleistet werden, ja gerade in der getilgten Höhe nicht mehr zur Verfügung steht. Eine Nichtberücksichtigung von Ausgaben bis zur Höhe des zu Beginn eines Bewilligungszeitraums zur Verfügung stehenden Darlehens und zusätzlich eine Nichtberücksichtigung von Tilgungsraten, die die Höhe des im Bewilligungszeitraum zur Verfügung stehenden Darlehens verringern, würde daher zu einer verfassungswidrigen Doppelbelastung des Leistungsempfängers führen. Denn das verfassungsmäßig garantierte Existenzminimum ist dann nicht mehr gesichert, wenn aufgrund einer fiktiven Nichtanrechnung auch von tatsächlich geleisteten Tilgungsraten der Leistungsempfänger von einem fiktiven Einkommen Nahrung und Wohnung sichern soll. Im Gegensatz zu einer privaten Schuldentilgung ist die Rückzahlung eines betrieblichen Darlehens bei selbständiger Tätigkeit während des SGB II-Bezugs auch mit dem Grundgedanken des SGB II vereinbar, da eine selbständige Erwerbstätigkeit, deren Förderung zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit eines der Ziele des SGB II ist, realistisch nur möglich ist, wenn Kredite aufgenommen und getilgt werden können, ohne dass dies durch fiktive Nichtberücksichtigung von tatsächlich erfolgten Tilgungen dazu führt, dass das Existenzminimum tatsächlich nicht gesichert ist. Der Wortlaut des § 3 Abs. 3 Satz 4 SGB II steht einer Berücksichtigung von Tilgungszahlungen auch nicht entgegen, sodass eine verfassungskonforme Auslegung der Norm in diesem Sinne möglich und erforderlich ist.
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Damit sind vorliegend zwar nicht die Betriebsausgaben im engeren Sinne bis zur Höhe des zu Beginn des Bewilligungszeitraum zur Verfügung stehenden Darlehens zu berücksichtigen, wohl aber die Tilgungszahlung von 5.000 Euro. Mit der Berücksichtung der Tilgung als Betriebsausgabe identisch ist eine Berücksichtigung mit negativen Vorzeichen, also ein Abzug in gleicher Höhe, bei den Betriebseinnahmen, wie ihn auch der Kläger in seiner Gewinnermittlung vom Dezember 2012 vorgenommen hat, was letztlich widerspiegelt, dass das Darlehen im Bewilligungszeitraum (als Zeitspanne betrachtet) letztlich nur in um 5.000 Euro niedrigerer Höhe zur Verfügung stand.
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Damit ergibt sich folgende Gewinnermittlung (Änderungen gegenüber den Berechnungen des Beklagten fettgedruckt):
- Betriebseinnahmen in Euro:
o April 2012 0,00 o Mai 2012 10.200,00 o Juni 2012 1.125,00 (wie Kl., statt 6.125,00 laut Bekl., da 5.000 Euro Darlehens-Tilgung zu berücksichtigen)
o Juli 2012 6.400,00 o Aug. 2012 15.650,00 o Sept. 2012 12.100,00 Gesamt 45.465,00 (wie Kl., statt 50.465,00 laut Bekl.)
- Betriebsausgaben in Euro:
o April 2012 6.466,44 o Mai 2012 10.621,61 o Juni 2012 1.366,24 o Juli 2012 7.157,59 o Aug. 2012 17.788,25 o Sept. 2012 16.801,12 Gesamt 60.201,25
- 15.699,59 (Darl., soweit am 01.04.2012 noch nicht verbraucht, wie Kl., statt 15.813,04 laut Bekl., Differenz aus Anerkennung der 113,45 Euro Ausgaben im März, die keine Abschreibung, sondern als „GWG <150“ tatsächlich gezahlt)
- 1.122,00 (Einstiegsgeld)
43.379,51 berücksichtigte Gesamtausgaben nach Minderung
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Zieht man die gesamten zu berücksichtigenden Betriebsausgaben von den gesamten zu berücksichtigenden Betriebseinnahmen ab, so ergibt sich ein Gesamtgewinn im Bewilligungszeitraum von 2.095,49 Euro (= 45.465,00 Euro - 43.379,51 Euro).
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Aufgeteilt auf sechs Monate ergibt sich ein monatlicher Gewinn von 349,24 Euro.
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Davon sind folgende monatliche Absetzungen vorzunehmen:
- 100 Euro Pauschale nach § 11b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II; da das Einkommen unter 400 Euro liegt, keine weitere Berücksichtigung von Krankenversicherung und Pflegeversicherung oder Versicherungspauschale, sowie
- 49,85 Euro Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II (20/100 x (349,24 Euro - 100 Euro)).
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Damit verbleibt ein monatliches zu berücksichtigendes Einkommen von 199,39 Euro. das ergibt bei einem Bedarf des Klägers von monatlich insgesamt 617,45 Euro einen ungedeckten Bedarf von monatlich 418,06 Euro.
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Dem Kläger waren monatlich mit der (endgültigen) Bewilligung vom 08.08.2012 jedoch 954,10 Euro bewilligt worden. In Höhe der Differenz von 536,04 Euro monatlich war die endgültige Bewilligung vom 08.08.2012 daher aufzuheben. Soweit die Aufhebung mit dem hier streitigen Bescheid vom 12.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2016 darüber hinausging, war sie rechtswidrig. Die Aufhebung wird daher im tenorierten Maße abgeändert.
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Da somit monatlich nur eine Teilaufhebung der bewilligten SGB-II-Leistungen erfolgt, ist eine Reduzierung der zu erstattenden Leistungen für Unterkunft dahingehend, dass 56% der Kosten der Unterkunft beim Kläger verbleiben müssten, nicht vorzunehmen, denn nach § 40 Abs. 4 Satz 2 SGB II a.F. gilt diese Sonderregelung für die Erstattung von Kosten der Unterkunft nicht in Monaten, in denen nur eine teilweise Aufhebung erfolgt. Vorliegend erfolgt aber gerade nur eine teilweise Aufhebung und Erstattung in allen Monaten des streitigen Bewilligungszeitraums von April bis September 2012. Die Erstattung war daher ebenfalls nur im tenorierten Maße abzuändern.
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Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2016 wird daher im tenorierten Umfang aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.