Inhalt

LG Weiden, Beschluss v. 28.10.2020 – 22 T 66/20
Titel:

Zur Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts - Absehen von der persönlichen Anhörung im Beschwerdeverfahren wegen der aktuellen Entwicklung der Covid-19-Erkrankungen am Wohnort

Normenketten:
BGB § 1896 Abs. 1 S. 1, § 1903 Abs. 1 S. 1
FamFG § 34 Abs. 2, Abs. 3, § 278
Leitsätze:
1. Die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts ist aufgrund eines erkrankungsbedingten Realitätsverlustes zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für das Vermögen des Betroffenen, der an einer in § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgeführten Krankheit leidet, erforderlich. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Von einer persönlichen Anhörung im Beschwerdeverfahren kann abgesehen werden, wenn der Betroffene trotz wiederholter Ladungen nicht zur amtsgerichtlichen Anhörung erschienen ist, eine Anhörung an seinem Wohnort aussichtslos erscheint, weil sich der Betroffene dort nur sporadisch aufhält und einer Anhörung dort ausweichen würde, und seine Vorführung aufgrund der aktuellen Entwicklung der Covid-19-Erkrankungen am Wohnort und im Landkreis unverhältnismäßig erscheint, weil sie nur durch den Einsatz unmittelbaren Zwangs unter Inkaufnahme erheblichen selbst- und fremdgefährdenden Verhaltens des Betroffenen durchsetzbar wäre. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts, Vermögensgefährdung, persönliche Anhörung, Absehen von der persönlichen Anhörung, Corona-Pandemie, Covid-19
Vorinstanz:
AG Weiden vom 21.09.2020 – 1 XVII 742/99
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 24.02.2021 – XII ZB 503/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 44080

Tenor

1. Die befristete Beschwerde des Betreuten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weiden i. d. OPf. vom 21.09.2020, Az. 1 XVII 742/99, wird zurückgewiesen.
2. Der Betreute trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Das Amtsgericht Weiden i.d. OPf. hat mit Beschluss vom 21.09.2020 einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet, wonach der Beschwerdeführer zu Willenserklärungen, die den Aufgabenkreis der Vermögenssorge betreffen, der Einwilligung des Betreuers bedarf.
2
Mit Schreiben des Beschwerdeführers vom 20.09.2020 [sic], eingegangen bei Gericht am 25.09.2020, legte der Beschwerdeführer gegen diesen Beschluss Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 25.09.2020 half das Amtsgericht Weiden i.d. OPf. der Beschwerde nicht ab.
3
Mit Schreiben vom 28.09.2020 und 14.10.2020 führte der Beschwerdeführer seine Darstellungen weiter aus bzw. nahm weiter Stellung.
4
Das Landgericht hat dem Beschwerdeführer, dem Betreuer, dem Verfahrenspfleger sowie der Betreuungsstelle Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt.
5
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und auf das Schreiben des Betreuers vom 06.10.2020 Bezug genommen.
II.
6
1. Die befristete Beschwerde des Beschwerdeführers vom 20.09.2020 [sic] gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weiden i.d. OPf. vom 21.09.2020 war zurückzuweisen, da sie zwar zulässig, aber unbegründet ist.
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a) Die befristete Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß §§ 58 Abs. 1, 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Der Beschwerdeführer ist gemäß § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt. Die befristete Beschwerde wurde form- (§ 64 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 FamFG) und fristgerecht (§ 63 Abs. 1 FamFG) eingelegt.
8
b) Die befristete Beschwerde ist unbegründet, da das Amtsgericht gegenüber dem Beschwerdeführer den Einwilligungsvorbehalt zu Recht angeordnet hat.
9
Die Voraussetzungen aus § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts lagen vor.
10
Der an einer in § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgeführten Krankheit leidende Beschwerdeführer bedurfte der Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes im Aufgabenkreis der Vermögenssorge, da dies aufgrund eines erkrankungsbedingten Realitätsverlustes zur Abwendung einer 22 T 66/20 - Seite 3 - erheblichen Gefahr für das Vermögen des Beschwerdeführers erforderlich war.
11
Dies ergibt sich aus dem ärztlichen Gutachten des Sachverständigen Herrn Dr. ... vom 06.08.2020, dem Bericht der Betreuungsbehörde des Landratsamts vom 19.05.2020, dem Schreiben des Betreuers vom 06.10.2020, sowie den zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses, auf welche zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
12
Von einer persönlichen Anhörung im Beschwerdeverfahren wurde aus den bereits in dem angefochtenen Beschluss aufgeführten Gründen abgesehen. Insbesondere erscheint eine persönliche Anhörung im Wege einer Vorführung des Beschwerdeführers aufgrund der aktuellen Entwicklung der Covid-19 Erkrankungen in der Stadt Weiden i.d. OPf. und im Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab noch weniger verhältnismäßig, als noch bei Erlass des angefochtenen Beschlusses.
13
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandwertes beruht auf § 36 Abs. 1 GNotKG