Titel:
Isolierte Zwangsgeldandrohung: Wirksamkeit des Grundverwaltungsakts
Normenketten:
BayVwZVG Art. 38 Abs. 1 S. 3
BayVwVfG Art. 44 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4
Leitsätze:
1. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG setzt voraus, dass die Durchführung der Anordnung objektiv tatsächlich unmöglich ist, dass also nach dem gegenwärtigen Stand der Technik, Wissenschaft und Ähnlichem niemand den Verwaltungsakt ausführen kann. Eine rechtliche Unmöglichkeit ist nicht ausreichend. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein besonders schwerwiegender Fehler nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG ist gegeben, wenn der Verwaltungsakt in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrundeliegenden Wertvorstellungen steht, dass es unerträglich wäre, wenn der Verwaltungsakt die mit ihm intendierten Rechtswirkungen hätte. (Rn. 45 – 46) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Fehler ist nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG offenkundig, wenn die schwere Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich sein bzw. sich geradezu aufdrängen muss. (Rn. 45 – 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
isolierte Zwangsgeldandrohung, Grundbescheid, Wirksamkeit, Nichtigkeit, Unmöglichkeit, besonders schwerwiegender Fehler, Offenkundigkeit, Ermessensfehler
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 11.03.2021 – 20 ZB 20.2153
Fundstelle:
BeckRS 2020, 43788
Tenor
I. Das Verfahren wird bezüglich des Feststellungsantrags eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Androhung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Mitteilung von Maßnahmen zur künftigen und dauerhaften Einhaltung einer einwandfreien mikrobiologischen Wasserqualität in der Wasserversorgungsanlage … durch das Landratsamt D..
2
Der Kläger ist Alleineigentümer des im Grundbuch des Amtsgerichts Deggendorf für …, Bd. 11, Bl. 530 eingetragenen Grundstücks der Gemarkung …, Flurstücknummer 611, …, …, … In diesem Grundstück befinden sich zwei gefasste Quellen und eine Trinkwasserversorgungsanlage. Aus dieser werden das Grundstück des Klägers und mehrere weitere Grundstücke mit Trinkwasser versorgt.
3
Mit notarieller Urkunde vom 28.1.2000 bestellte der Kläger für weitere elf Eigentümer von Grundstücken der Gemarkung Grunddienstbarkeiten. Die Grunddienstbarkeiten wurden im Grundbuch eingetragen. Diese besagt, dass die jeweiligen Eigentümer der herrschenden Grundstücke berechtigt seien,
1. das Wasser aus den im dienenden Grundstück Flst. Nr. 611 vorhandenen, bereits gefassten Quellen zu beziehen und abzuleiten,
2. die im dienenden Grundstück bereits vorhandene Trinkwasserversorgungsanlage zu belassen, zu betreiben und zu unterhalten und
3. im dienenden Grundstück alle zur Reparatur, Unterhaltung, Überwachung und Erneuerung der vorgenannten Anlagen erforderlichen Maßnahmen, insbesondere Aufgrabungsarbeiten durchzuführen bzw. durchführen zu lassen, wobei nach Durchführung jener Arbeiten unverzüglich der frühere Zustand der Erdoberfläche wiederherzustellen sei.
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Der Eigentümer des dienenden Grundstücks habe außerdem alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Beeinträchtigung des Quellwassers gefährden oder beeinträchtigen könnten (sic). Die Grunddienstbarkeiten würden erlöschen, wenn für die herrschenden Grundstücke (einzeln oder gesamt) eine Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Wasserversorgungsanlage bestehe.
5
Mittels schuldrechtlicher Vereinbarung verpflichteten sich die elf Eigentümer der herrschenden Grundstücke in der notariellen Urkunde, die jährlich anfallenden Gebühren für die Wasseruntersuchung und Aufwendungen (Betreiben der Entsäuerungsanlage) anteilsmäßig zu entrichten und sich ebenfalls anteilsmäßig an den Reparaturen und Investitionen an der gesamten Anlage zu beteiligen. Im Übrigen wird auf die notarielle Urkunde Bezug genommen.
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Aufgrund der Bewilligung wurde in das Grundbuch für das Grundstück des Klägers jeweils ein Quellwasserbezugsrecht, ein Quellwasserableitungsrecht und ein Trinkwasserversorgungsanlagenrecht für die entsprechenden Eigentümer in Abteilung II eingetragen.
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Mit Bescheid des Landratsamtes D. vom 8.3.2010 wurde die wasserrechtliche Erlaubnis zur Ableitung von maximal 10.000 m³ Wasser erteilt.
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Am 11.5.2017 fand zwischen dem Landratsamt, dem Kläger sowie … ein Gespräch statt, bei dem unter anderem festgestellt wurde, dass derzeit kein Betriebsbeauftragter festgelegt sei. Die baulichen Teile der Wasserversorgungsanlage befänden sich auf dem Grundstück des Klägers. Ein Ansprechpartner sei dem Gesundheitsamt mitzuteilen. Durch die Anlage würden 65 Personen mit Trinkwasser versorgt. Auch würden die Vorgaben der Trinkwasserverordnung nicht eingehalten. Mikrobiell belastetes Wasser - wie das in der Anlage - bedürfe einer Aufbereitung durch Filtration und Desinfektion. Ein Konzept zur dauerhaften Sicherstellung der Trinkwasserqualität durch Einbau von Aufbereitungs- und/oder Desinfektionsanlagen sei zu erstellen und dem Gesundheitsamt vorzulegen. Die Anzeige eines Betriebsbeauftragten sei für den weiteren Betrieb der Wasserversorgungsanlage notwendig. Auch läge der Maßnahmenplan nur teilweise vor, die Ablaufbeschreibung entsprächen nicht den Vorgaben. Auf das Protokoll des Landratsamtes vom 11.5.2017 wird Bezug genommen.
9
Mit Schreiben vom 4.2.2018 teilte der Kläger dem Gesundheitsamt des Landratsamtes D. mit, dass er als alleiniger Quellbesitzer die Wasserversorgung … in Zukunft betreiben und übernehmen werde. Eine Einigung sei nicht möglich.
10
Am 29.10.2018 wurde aus der Wasserversorgungsanlage eine Wasserprobe zur mikrobiologische Untersuchung entnommen. Laut Befund des untersuchenden Labors war diese wegen des Nachweises coliformer Bakterien und Enterokokken zu beanstanden.
11
Mit Bescheid des Landratsamtes D. vom 6.11.2018, dem Kläger zugestellt am 7.11.2018, wurde der Kläger als Vertreter der Wasserversorgung unter anderem verpflichtet, schriftlich mitzuteilen, durch welche Maßnahmen eine einwandfreie mikrobiologische Wasserqualität zukünftig und dauerhaft eingehalten werde (Ziffer 4). In Ziffer 10 wurde unter anderem ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR zur Zahlung fällig gestellt, wenn der Betreiber der Wasserversorgungsanlage die Maßnahme unter Punkt 4 nicht bis spätestens 30.11.2018 durchführe.
12
Zur Begründung führt das Landratsamt im Wesentlichen aus, dass bei der Untersuchung einer Wasserprobe festgestellt worden sei, dass das Wasser Krankheitserreger (Coliforme Bakterien, Enterokokken) enthalte. Daher seien die angeordneten Maßnahmen durchzuführen. Auf den Bescheid wird Bezug genommen.
13
Der Kläger bat daraufhin telefonisch darum, den Bescheid vom 6.11.2018 auch den Herren …, … und P. … zuzustellen. Das Landratsamt teilte mit Schreiben vom 16.11.2018 mit, dass dies nicht möglich sei, weil Adressat des Bescheides nur der Betreiber oder sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage sei. Da sich die Quelle auf dem Grundstück des Klägers befände, und nach dem vorliegenden Grundbuchauszug für die anderen Wasserabnehmer kein Unterhaltungs-, Betretungs- und Aufgrabungsrecht eingetragen sei, sei der Kläger als alleinig verantwortlicher Ansprechpartner für die Wasserversorgung … zuständig. Im Übrigen werde auf das Schreiben vom 4.2.2018 verwiesen, nach dem er die Quelle alleine betreibe.
14
Auf entsprechenden Antrag des Klägers vom 27.11.2018 wurde die Frist für die Durchführung der Ziffer 4 des Bescheides vom 6.11.2018 mit Schreiben des Landratsamtes vom 7.12.2018 bis 31.1.2019 unter der Maßgabe verlängert, dass ab dem 17.12.2018 eine wöchentliche Trinkwasseruntersuchung nach § 20 TrinkwV durchgeführt werde. Für den Fall der Nichtdurchführung wurde die Anordnung der Maßnahme mit kostenpflichtigem Bescheid beziehungsweise die Festsetzung des Zwangsgeldes in Ziffer 10 des Bescheides vom 6.11.2018 angedroht. Mit Schreiben vom 4.1.2019 korrigierte das Landratsamt, dass jeweils Wasserproben im Anwesen des Klägers und beim Zulauf der Entsäuerungsanlage entnommen werden müssten.
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Aufgrund des Nachweises coliformer Bakterien mit der Probenentnahme vom 7.1.2019 ordnete das Landratsamt mit Schreiben vom 10.1.2019 an, dass das Wasser nur noch im abgekochten Zustand verwendet werden dürfe. Die Nutzer des Wassers seien darüber zu informieren. Eine Reinigung, Spülung und/oder Desinfektion der gesamten Wasserversorgungsanlage sei durchzuführen. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 11.1.2019 mit, dass er die Nutzer entsprechend informiert habe.
16
Mit Schreiben vom 7.2.2019 wurde der Kläger durch das Landratsamt darauf hingewiesen, dass bis dato keine wirksamen Maßnahmen zur dauerhaften Sicherstellung der Trinkwasserqualität für die Wasserversorgungsanlage mitgeteilt bzw. durchgeführt worden seien. Zur Stellungnahme wurde eine Frist bis 26.2.2019 gesetzt. Nach Anzeige der Vertretung durch den Klägervertreter wurde die Frist bis 8.3.2019 verlängert.
17
Mit Bescheid vom 10.4.2019, dem Klägervertreter zugestellt am 12.4.2019 stellte das Landratsamt ein Zwangsgeld von 500,00 EUR zur Zahlung fällig, falls die in Ziffer 4 des Bescheides vom 6.11.2018 festgelegten Maßnahmen nicht bis spätestens 24.4.2019 erfüllt würden. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 10.5.2019 Klage zum Verwaltungsgericht. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen RN 5 K 18.859 geführt, die Klage am 25.6.2020 abgewiesen.
18
Mit Schreiben des Landratsamtes vom 15.4.2019 wurde der Kläger aufgefordert, die fehlenden Unterlagen bezüglich Maßnahmenplan und Sachstandsbericht bis 2.5.2019 vorzulegen.
19
Mit Bescheid vom 9.5.2019, dem Klägervertreter zugestellt am 14.5.2020, stellte das Landratsamt D.ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR zur Zahlung fällig, falls die in Ziffer 4 des Bescheides vom 6.11.2018 festgelegten Maßnahmen nicht bis spätestens 24.5.2019 erfüllt würden (Ziffer 1). Der Kläger habe die Kosten des Verfahrens zu tragen, die Gebühr werde auf 30 EUR festgesetzt, die Auslagen betrügen 1,45 EUR (Ziffer 2).
20
Das Landratsamt begründet den Bescheid im Wesentlichen damit, dass Verpflichtung in Ziffer 4 des Bescheides vom 6.11.2018 nicht erfüllt worden sei. Es sei nicht mitgeteilt worden, durch welche Maßnahmen eine einwandfreie mikrobiologische Wasserqualität zukünftig und dauerhaft eingehalten werde. Der Bescheid vom 6.11.2018 sei bereits bestandskräftig. Der Kläger habe mit Schreiben vom 4.2.2018 angekündigt, als alleiniger Quellenbesitzer die Wasserversorgung … zu betreiben.
21
Der Kläger hat am 14.6.2019 Klage zum Verwaltungsgericht erheben lassen. Er beantragte zunächst die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 10.4.2019 sowie die Feststellung, dass er nicht Adressat des Bescheides vom 6.11.2018 ist.
22
Der Kläger lässt vortragen, dass er sich im Jahr 2018 an das Landratsamt gewandt habe, um für seine Kinder ein Baurecht auf zwei Parzellen in … zu erlangen. Dabei sei ihm mitgeteilt worden, dass es bezüglich der Sicherung der Erschließung Probleme gebe. Die Wasserversorgung in … sei dem Landratsamt ein Dorn im Auge. Der Kläger habe daraufhin erklärt, dass er alles unternehmen werde, um die Wasserversorgungsanlage zu übernehmen. Er habe sich daraufhin an die Gemeinde gewandt, die ihm in Aussicht gestellt habe, bei einer Regelung hinsichtlich der Wasserversorgungsanlage auch eine Lösung für seine Bauwünsche zu finden.
23
Er ist der Auffassung, dass er nicht der Betreiber der Wasserversorgungsanlage sei. Aufgrund der notariellen Dienstbarkeitsbestellung und der darin enthaltenen schuldrechtlichen Vereinbarungen sei eine BGB-Gesellschaft aus den Eigentümern der herrschenden Grundstücke entstanden, von welcher der Kläger selbst sein Wasser bezöge. Der Bescheid sei rechtswidrig und daher aufzuheben. Entsprechende Maßnahmen seine gegenüber der BGB-Gesellschaft Der Bundesgerichtshof habe den Betreiber einer Anlage als denjenigen definiert, der die tatsächliche Sachherrschaft über die Anlage habe. Auf die Eigentumsverhältnisse käme es nicht an, sondern nur darauf, wer die mit der Unterhaltung verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten habe. Enthalten wären über die tatsächliche Verfügungsgewalt auch alle Rohrleitungen, Apparate und Armaturen zur Trinkwasserversorgung. Das streitgegenständliche Grundwasser sei nicht eigentumsfähig. Dem Kläger sei nur ein passives Nutzungsrecht in der notariellen Urkunde eingeräumt worden. Es werde im Gegenteil den Eigentümern der jeweiligen herrschenden Grundstücke der Betrieb der Wasserversorgungsanlage ausdrücklich genehmigt. Der Betreiber müsse ohne Abhängigkeit von den Entscheidungen Dritter die Verpflichtungsüberwachung sowie behördliche Auflagen und sonstige Anordnungen erfüllen können.
24
Dreh- und Angelpunkt der an der Quelle bestehenden Rechtsverhältnisse sei die Dienstbarkeitsbestellung. Durch die eingeräumten Rechte sei der Kläger als Eigentümer des dienenden Grundstücks von den Eigentümern der herrschenden Grundstücke von der Mitbenutzung der Anlage ausgeschlossen worden. Diese Eingriffsrechte gingen so weit, dass auch Grabungsarbeiten und Baumaßnahmen auf dem dienenden Grundstück von den Berechtigten, ohne entsprechend zu fragen, ausgeübt werden dürften. Der Eigentümer sei insofern auch vom Besitz der entsprechenden Quell- und Wasserversorgungsanlage ausgeschlossen. Die BGB-Gesellschaft sei nach neuerer Rechtsprechung auch per se rechtsfähig, sie trete nach außen durch Verwaltungshandeln auf. Da der Kläger selbst nur schuldrechtliche Ansprüche bezüglich des Wassers habe, sei es rechtsfehlerhaft, den Kläger in seiner Eigentümerposition mit den streitgegenständlichen Bescheiden zu überlasten. Die Durchsetzung der Verwaltungsbescheide sei mangels Besitzes des Klägers nicht gesichert. Insofern seien die Bescheide rechtswidrig. Der Bescheid dürfe außerdem nichtig sein.
25
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze des Klägervertreters und seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
26
Der Kläger lässt beantragen,
1. Der Bescheid des Landratsamtes D. vom 9.5.2019 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
27
Der Beklagte beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
28
Er ist der Auffassung, dass der Bescheid als isolierte Zwangsgeldandrohung nur insoweit angefochten werden könne, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet werde. Eine solche Rechtsverletzung werde in der Klageschrift nicht dargelegt. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der Kläger rechtlich und tatsächlich in der Lage sei, die mit der Zwangsgeldandrohung verfolgte Umsetzung der Verpflichtung aus dem Ausgangsbescheid zu erfüllen. Der Feststellungantrag sei unzulässig. Durch identischen Antrag in der Klage vom 10.5.2019 sei Rechtshängigkeit eingetreten.
29
Die Forderung, die Maßnahmen für die geregelte Trinkwasserversorgung der Wassergemeinschaft aufzuerlegen, sei nicht nachvollziehbar. Der Kläger sei Eigentümer der Wasserversorgungsanlage. Diese befinde sich auf seinem Grundstück. Der Kläger sei rechtlich und tatsächlich in der Lage, die mit der Zwangsgeldandrohung verfolgte Umsetzung der Verpflichtung aus dem Ausgangsbescheid zu erfüllen. Ferner sei der Kläger auch richtiger Adressat der Maßnahmen. Es fehle an einem Gesellschaftsvertrag für die Gründung einer BGB-Gesellschaft. Durch die Dienstbarkeitsbestellung würden keine Beziehungen zwischen den einzelnen Berechtigten geregelt. Ferner sei der Kläger als alleiniger Eigentümer sonstiger Inhaber der Wasserversorgungsanlage. Die Verwaltungsbehörde habe in diesem Fall ein Auswahlermessen, wobei zu berücksichtigen sei, dass die BGB-Gesellschaft keinen Vertreter bestellt habe, also Anordnungen gegenüber jedem Gesellschafter getroffen werden müssten. Aus sicherheitsrechtlichen Gründen sei der Adressat zu wählen, der die Anordnung am effektivsten umsetzen könne. Der tatsächliche Vortrag des Klägers zum Hergang habe außerdem keinen Bezug zu den Verpflichtungen nach der Trinkwasserverordnung. Auf die Schriftsätze des Beklagten und den Vortrag in der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
30
In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter erklärt, dass er die Klage bezüglich des in Ziffer 2 des Klageschriftsatzes vom 14.6.2019 zurücknehme.
31
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien, die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten, auch aus den Verfahren RN 5 K 19.859, RN 5 K 19.1081, RN 5 K 19.1819 und RN 5 K 20.1 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
32
Das Verfahren wird gem. § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO eingestellt, soweit der Klägervertreter die Klage in der mündlichen Verhandlung die Klage zurückgenommen hat.
33
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Landratsamtes D. vom 9.5.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
34
1. a) Statthafter Rechtsbehelf ist die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO. Der Kläger wendet sich gegen eine isolierte Zwangsgeldandrohung und damit gegen einen Verwaltungsakt.
35
b) Als Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes ist der Kläger klagebefugt gem. § 42 Abs. 2 VwGO.
36
2. Die isolierte Zwangsgeldandrohung ist allerdings formell und materiell rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
37
Der Bescheid vom 9.5.2019 kann nur insoweit angefochten werden, als durch ihn selbst eine Rechtsverletzung geltend gemacht wird, Art. 38 Abs. 1 S. 3 VwZVG. Der Kläger wendet sich in seinem Klageantrag ausdrücklich gegen den Bescheid vom 9.5.2019.
38
a) Ermächtigungsgrundlage für die isolierte Zwangsgeldandrohung sind die Art. 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr. 1, 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 30 Abs. 1 S. 1, 31, 36 VwZVG.
39
b) Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Als anordnende Behörde ist das Landratsamt D.für die Vollstreckung des Grundbescheides vom 6.11.2018 zuständig, Art. 30 Abs. 1 S. 1 VwZVG. Eine Anhörung vor Erlass der Zwangsgeldandrohung war gem. Art. 28 Abs. 5 BayVwVfG entbehrlich. Der Bescheid wurde dem Klägervertreter am 14.5.2019 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt, Art. 36 Abs. 7 S. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 4, Art. 8 VwZVG.
40
c) Daneben ist der Bescheid auch materiell rechtmäßig.
41
aa) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sind gegeben. Der Bescheid ordnet die Vornahme einer Handlung an, ferner ist er wirksam und vollstreckbar. Vollstreckungshindernisse sind nicht ersichtlich.
42
(1) Bei dem Grundbescheid vom 6.11.2018 handelt es sich in Ziffer 4 um einen Verwaltungsakt, der ein Handeln des Klägers anordnet, Art. 18, 29 Abs. 1 VwZVG. Er verpflichtet den Kläger dazu, schriftlich mitzuteilen, durch welche Maßnahmen eine einwandfreie mikrobiologische Wasserqualität zukünftig und dauerhaft eingehalten wird.
43
(2) Der Verwaltungsakt ist insoweit auch nicht gem. Art. 44 BayVwVfG nichtig.
44
(a) Die Nichtigkeit ergibt sich zum einen nicht aus Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG. Die Anordnung des Ausgangsbescheides kann nicht aus tatsächlichen Gründen von niemandem ausgeführt werden. Keine Rolle spielt hier, ob dem Kläger durch die Bestellung der Grunddienstbarkeit der Zugriff auf die Wasserversorgungsanlage entzogen wurde und ob er Besitzer der selbigen ist. Eine rechtliche Unmöglichkeit ist nicht ausreichen. Vielmehr ist nach dem Wortlaut erforderlich, dass die Durchführung der Anordnung objektiv tatsächlich unmöglich ist, also dass nach dem gegenwärtigen Stand der Technik, Wissenschaft und ähnlichem niemand den Verwaltungsakt ausführen kann (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 44 Rn. 39; Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 44 Rn. 144 ff.). Die mangelnde Alleinberechtigung des Adressaten hat nur Unvermögen, keine objektive Unmöglichkeit zur Folge (Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 44 Rn. 147).
45
(b) Daneben ergibt sich die Nichtigkeit des Ausgangsbescheides auch nicht daraus, dass er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist, Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG.
46
Solche Fehler sind gegeben, wenn sie in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrundeliegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft stehen, dass es unerträglich wäre, wenn der Verwaltungsakt die mit ihm intendierten Rechtswirkungen hätte (BVerwG, U. v. 22.2.1985 - 8 C 107/83, NJW 1985, 2658, 2658; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 44 Rn. 8). Der Fehler ist offenkundig, wenn sich die schwere Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich sein muss, sich geradezu aufdrängen muss (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 44 Rn. 12). Ein solcher ist bezüglich der Adressierung des Bescheides an den Kläger nicht gegeben. Die Unerträglichkeit - unabhängig davon, ob es sich bei dem Kläger um den Betreiber oder den sonstigen Inhaber der Wasserversorgungsanlage handelt - kann schon deswegen ausgeschlossen werden, weil es sich bei dem Kläger um den Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstückes und der sich in dieser befindenden Wasserversorgungsanlage handelt. Des Weiteren fehlt es auch schon deshalb an einer Offenkundigkeit eines Fehlers, weil der Kläger gegenüber dem Landratsamt mit Schreiben vom 4.2.2018 mitgeteilt hatte, dass er die Wasserversorgung … in Zukunft betreiben und übernehmen werde.
47
(3) Die Verpflichtung des Grundbescheides ist erfüllbar. Der Kläger ist objektiv in der Lage, die Verpflichtungen aus dem Bescheid zu erfüllen. Die Anordnung im streitgegenständlichen Grundbescheid richtet sich auf die Vorlage eines schriftlichen Maßnahmenplanes, durch den die einwandfreie mikrobiologische Wasserqualität zukünftig und unabhängig eingehalten werden soll. Selbst wenn der Kläger aufgrund der Dienstbarkeitsbestellung an die herrschenden Grundstücke an seinem (dienenden) Grundstück mit Bezug auf die Wasserversorgungsanlage keinen Besitz mehr hätte, so wäre es ihm dennoch möglich, einen Maßnahmenplan vorzulegen.
48
(4) Der Kläger hat die ihm auferlegte Verhaltenspflicht nicht erfüllt. Ein Maßnahmenplan wurde bisher nicht vorgelegt.
49
(5) Die Anordnung ist schließlich kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Gemäß §§ 39 Abs. 2 S. 2, 16 Abs. 8 IfSG entfaltet die Anfechtungsklage gegen Maßnahmen zur Einhaltung der Trinkwasserverordnung keine aufschiebende Wirkung.
50
bb) Die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen sind ebenfalls gegeben.
51
Die erneute Androhung eines Zwangsgeldes war zulässig, Art. 36 Abs. 6 S. 2 VwZVG. Die Androhung des Zwangsgeldes durch den Grundbescheid vom 6.11.2018 ist erfolglos geblieben, genauso wie die weitere isolierte Zwangsgeldandrohung vom 10.4.2019. Es ist nicht notwendig, dass das Zwangsmittel angewendet wird, also das Zwangsgeld beigetrieben wird (VG München, U. v. 20.1.2010 - M 7 K 9.4927, BeckRS 2010, 143944, Rn. 17). Gem. Art. 37 Abs. 1 S. 2 VwZVG kann ein Zwangsgeld so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist (VG München, U. v. 20.1.2010 - M 7 K 9.4927, BeckRS 2010, 143944, Rn. 18).
52
cc) Ermessensfehler bezüglich der Höhe des Zwangsgeldes von 1.000,00 EUR sind nicht ersichtlich. Der zulässige Rahmen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes beträgt mindestens 15,00 EUR und maximal 15.000,00 EUR, Art. 31 Abs. 2 S. 1 VwZVG. Insbesondere befindet sich das Zwangsgeld noch im unteren Bereich des Rahmens.
53
3. Die Kostenentscheidung in Ziffer 2 des Bescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Rechtsgrundlagen sind die Art. 1, 2 Abs. 1 S. 1, 6 und 10 des Bayerischen Kostengesetztes (KG).
54
Als Veranlasser des Zwangsgeldbescheides ist der Kläger der richtige Kostenschuldner, Art. 2 Abs. 1 S. 1 KG. Die Gebührenhöhe begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 KG in Verbindung mit Tarif-Nr. 1.I.8/1 der Verordnung über den Erlass des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetz beträgt der Gebührenrahmen für die Androhung von Zwangsmitteln nach Art. 36 VwZVG, die nicht mit dem Verwaltungsakt verbunden ist und durch die eine Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben wird, 12,50 bis 150,00 EUR. Mit 30,00 EUR befindet sich diese im unteren Bereich des Kostenrahmens. Die Auslagenhöhe von 1,45 EUR begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
55
Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 154 Abs. 1 S. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.