Titel:
Kein Rechtsschutzbedürfnis für Untätigkeitsklage nach Versagungsbescheid bei fehlender Mitwirkung
Normenketten:
SGG § 60, § 88
ZPO § 44 Abs. 2
SGB I § 66
SGB VI § 43
Leitsätze:
1. Ein Ablehnungsgesuch ist rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig, wenn mit diesem allein unsubstantiierte Behauptungen aufgestellt werden. (Rn. 21)
2. Die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung kann versagt werden, wenn die antragstellende Person sich weigert, sich einer hierzu erforderlichen und zumutbaren Untersuchungsmaßnahme zu unterziehen. (Rn. 29 – 31)
3. Nach Erlass eines Versagungsbescheides entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Untätigkeitsklage. (Rn. 34)
Schlagworte:
Erwerbsminderung, Rente, Erwerbsminderungsrente, Bescheid, Widerspruchsbescheid, Behinderung, Krankheit, Berufung, Widerspruch, Feststellung, Ablehnungsgesuch, Auslegung, Verwaltungsverfahren, Ablehnung, Rente wegen Erwerbsminderung, Rente wegen voller Erwerbsminderung, wichtiger Grund
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Beschluss vom 11.11.2020 – L 6 SF 303/20 AB
BSG Kassel, Beschluss vom 16.12.2020 – B 13 R 54/20 S
Fundstelle:
BeckRS 2020, 43761
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente sowie die Benennung der Ärzte samt deren Adressen, welche die medizinischen Unterlagen der Klägerin eingesehen haben.
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Die 1957 geborene Klägerin ist gelernte Hauswirtschafterin. Von 1994 bis 1996 erfolgte eine Umschulung zur Industriekauffrau. Bis zuletzt war sie geringfügig als Haushaltshilfe beschäftigt.
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Am 21.02.2019 beantragte die Klägerin mit formlosem Schreiben die rückwirkende Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab dem 23.02.2017. Bereits zu diesem Datum hatte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente gestellt, welcher mit Bescheid vom 13.04.2017 abgelehnt wurde. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2017 zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil des Sozialgerichts München vom 25.04.2018 (Az.: S 25 R 993/17) abgewiesen. Auf die hiergegen eingelegte Berufung wurde das erstinstanzliche Urteil mit Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13.11.2018 bestätigt.
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Mit formlosen Schreiben vom 08.03.2019 bat die Klägerin zudem um Mitteilung darüber, welche personenbezogenen Daten von ihr bei der Beklagten geführt werden. Dabei bezog sie sich auch ausdrücklich auf die Daten im sozialmedizinischen Bereich. Mit Schreiben vom 21.03.2019 übersandte die Beklagte der Klägerin unter Erläuterung der darin enthaltenen Informationen einen sogenannten Kontospiegel. Zudem wies sie darauf hin, dass in einem weiteren Programm, dem sogenannten „J/SMD“ ebenfalls Daten gespeichert seien. Bei diesem Programm handele es sich um ein Verwaltungsprogramm für den sozialmedizinischen Dienst, aus dem ersichtlich ist, ob medizinische Unterlagen eingesandt bzw. ob Untersuchungen veranlasst wurden. Schließlich wies sie darauf hin, dass ein umfangreicher, teilweise digitalisierter Aktenvorgang existiere, welcher den Schriftverkehr beinhalte. In diesem Zusammenhang bot die Beklagte der Klägerin auch an, Einsicht in die sie betreffende Akte zu nehmen. Mit Schreiben vom 01.07.2019 bat die Klägerin um Mitteilung aller medizinischen Daten, die bei der Beklagten erhoben, verarbeitet und weitergeleitet worden sind. Am 30.07.2019, 05.08.2019 und 10.08.2019 mahnte die Klägerin die entsprechende Übersendung der Daten an. Am 16.08.2019 übersandte die Beklagte der Klägerin schließlich Kopien der bei ihr vorliegenden medizinischen Unterlagen. In ihrem Begleitschreiben wies sie darauf hin, dass eine Herausgabe der Originale nicht möglich sei, da es sich hierbei um ihr Eigentum handele. Zugleich bot die Beklagte der Klägerin erneut an, Einsicht in ihre Akte zu nehmen. Mit Schreiben vom 24.08.2019 rügte die Klägerin, dass das „Gutachten des Dr. C. vom 20.06.2019“ nicht anerkannt werde, da eine entsprechende Unterschrift fehle. Auch fehle ein Beglaubigungsstempel. Mit Schreiben vom 27.08.2019 wies die Beklagte die Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens des Dr. C. zurück und verwies auf die Ausführungen im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13.11.2018.
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Nachdem der formlose Rentenantrag der Klägerin bei der Beklagten bei der zuständigen Abteilung eintraf, wies diese mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 24.07.2019 darauf hin, dass zur sachgerechten Bearbeitung des Antrags ein ausgefüllter Formblattrentenantrag benötigt würde. Mit Schreiben vom 27.07.2019 wies die Klägerin darauf hin, dass es der Beklagten möglich sein sollte, den Antrag selbst auszufüllen. Die relevanten Daten lägen der Beklagten bereits seit dem Jahr 2016 vor. Sobald der Formblattantrag korrekt ausgefüllt worden sei, werde sie, die Klägerin, ihn unterschreiben. Am 19.09.2019 übersandte das Kreisverwaltungsreferat der A-Stadt schließlich einen von der Klägerin unterschriebenen Formblattantrag. Die Beklagte leitete daraufhin das Verfahren zur Begutachtung der Klägerin ein. Den ersten, für den 29.10.2019 angesetzten Untersuchungstermin sagte die Klägerin ab.
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Mit auf den 31.01.2020 datiertem Schreiben, beim Gericht am 30.01.2020 eingegangen, erhob die Klägerin schließlich Klage „wegen der Nichtherausgabe des Rentenbescheides trotz Fristsetzung“.
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Einem erneut von der Beklagten angesetzten Termin zur medizinischen Begutachtung der Klägerin für den 13.02.2020 kam die Klägerin nicht nach. Hierzu erklärte sie, dass sie die Einladung zur Begutachtung nicht erhalten habe. Am 24.02.2020 setzte die Beklagte schließlich einen weiteren Untersuchungstermin für den 12.03.2020 an. Mit Schreiben vom 27.02.2020 erklärte die Klägerin, diesen Termin nicht wahrnehmen zu wollen. Zur Begründung führte sie unter anderem an, dass ein Name des Facharztes nicht angegeben worden sei, welchen sie schon mit Schreiben vom 25.02.2020 erbeten hatte. Mit letztgenanntem Schreiben bat sie zudem erneut um Mitteilung der Namen, Anschrift und Fachgebiete der Ärzte, welche ihre medizinischen Unterlagen geprüft hatten.
8
Mit Schreiben vom 03.03.2020 und 09.03.2020 wies die Beklagte die Klägerin unter Hinweis auf ihre Mitwirkungspflichten darauf hin, dass eine Entscheidung über den Rentenantrag erst nach einer Begutachtung getroffen werden könne. Zugleich erklärte sie, dass wenn die Klägerin den Termin für den 12.03.2020 verstreichen lasse, sie mit einer Ablehnung des Rentenantrags mangels Mitwirkung rechnen müsse. Eine weitere Einladung zur Begutachtung sei nunmehr nicht mehr beabsichtigt.
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Mit Bescheid vom 20.03.2020 erklärte die Beklagte, dass sie dem Antrag auf Rente nicht entsprechen kann, solange die Klägerin nicht mitwirke. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2020 zurückgewiesen. Im Wesentlichen führte die Beklagte zur Begründung aus, dass die Versagung der Rente wegen Erwerbsminderung rechtmäßig sei. Die Klägerin sei ihren Mitwirkungspflichten aus § 62 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) nicht nachgekommen. Da eine ärztliche Untersuchung zur Prüfung der Frage, ob eine rentenbedeutsame Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bestehe, zwingend erforderlich sei, vorliegend aber nicht durchgeführt werden konnte, eine erneute Ladung zur Untersuchung nicht erfolgsversprechend schien sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Ablehnung der beantragten Leistung nicht endgültig sein müsse, verbleibe es bei der bisherigen Entscheidung.
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Im zwischenzeitlich anhängigen Rechtsstreit hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 05.03.2020 zur eingelegten Untätigkeitsklage Stellung genommen und unter Hinweis auf die bislang nicht wahrgenommenen Untersuchungstermine Klageabweisung beantragt. Zudem führte sie aus, dass im Hinblick auf das vorangegangene Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 25 R 993/17 und die in diesem Zusammenhang stehenden weiteren Verfahren - unter anderem wurde eine Beschwerde zum Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz eingeleitet - eine Aktenübersendung nur nach ausdrücklicher Einverständniserklärung der Klägerin an das Sozialgericht beabsichtigt sei. Mit Schriftsatz vom 18.03.2020 hat die Klägerin gerügt, dass ihr Name und Adresse der Fachärzte nicht genannt worden seien. Auch sei ihr nicht mitgeteilt worden, welcher Arzt seit dem Jahr 2016 Bewertungen vorgenommen habe. Eine Einwilligung zur Entbindung von der Schweigepflicht werde sie nicht abgeben. Zwar könne der Vorsitzende persönlich Einsicht in die medizinischen Unterlagen bekommen. Anderen Personen sei die Einsicht hingegen untersagt. Unter dem 20.03.2020 hat das Gericht die Klägerin darauf hingewiesen, dass allein die Einsicht in die medizinischen Unterlagen nicht genügt, sondern vielmehr die Einsicht auch in die übrige Verwaltungsakte erforderlich ist, um die Begründetheit der Untätigkeitsklage zu prüfen. Daraufhin hat die Klägerin ein Verfahren zur Ablehnung des Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit angestrengt, welches mit Beschluss vom 27.04.2020 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
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Mit Schreiben vom 06.04.2020 hat die Klägerin sich mit der Übersendung der Verwaltungsakte der Beklagten an das Gericht einverstanden erklärt, nahm hiervon aber ausdrücklich medizinische Befunde aus. Unter dem 07.04.2020 betonte die Klägerin nochmals ihr Anliegen, Adresse und Praxisanschrift des Dr. C. sowie derjenigen Prüfärzte, welche seit 2016 die bei der Beklagten befindlichen schriftlichen Befunde geprüft haben, zu erfahren. Auch seien die Facharztgebiete zu benennen. Da die Klägerin keinen Fortschritt in ihrem Klageverfahren erkennen konnte, hat sie mit Schreiben vom 28.04.2020 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich „der Herausgabe“ ihrer „Unterlagen sowie der Befundberichtsbearbeitung“ sowie „der Zulässigkeit der Untätigkeitsklage“ (Az. S 21 R 558/20 ER) gestellt. Als Anlage legte sie ihrem Schreiben ein an die Beklagte adressiertes Schreiben vom 28.04.2020 bei, in welcher die Herausgabe der medizinischen Befunde in beglaubigter Form, der Arztnamen samt Anschrift und die Unterlagen von 2016 bis 2019 erbeten wurde.
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Mit Schreiben vom 06.05.2020 hat das Gericht die Klägerin um Mitteilung gebeten, ob sie angesichts des zwischenzeitlich ergangenen Bescheids ihre Untätigkeitsklage zurücknehmen wolle. Zugleich hat es darauf hingewiesen, dass sie nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens auch Klage gegen den Bescheid vom 20.03.2020 erheben könne. Mit Schriftsatz vom 08.05.2020 führte die Klägerin aus, dass unter anderem der Bescheid der Beklagten vom 20.03.2020 mangels Unterschrift und Behördenstempel unwirksam sei. Des Weiteren führte sie aus, dass es eine einseitige Mitwirkung nicht gebe, was die Beklagte verkenne. Auch seien ihre Arztbefunde aus den Jahren 2016 bis 2019 nicht beigebracht worden. Name und Adresse des Arztes, welcher die schriftlichen Befunde geprüft habe, seien noch nicht mitgeteilt worden. Ihres Erachtens sei die Untätigkeitsklage rechtens. Unter anderem seien ärztliche Befundberichte zur Rentensache aus dem Jahr 2019 von der D. MVZ - Orthopädische Praxisklinik vom 22.11.2019, der Gemeinschaftspraxis Dres. E. und F. vom 25.09.2019 sowie zwei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 18.03.2020 und vom 25.10.2019 nicht bearbeitet worden, welche sie als Anlage nun auch dem Gericht übermittelte.
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Am 20.05.2020 hat die Beklagte dem Gericht einen Abdruck des nunmehr ergangenen Widerspruchsbescheids übersandt und mitgeteilt, dass die ihr vom Gericht übersandte Schweigepflichtentbindung einen Ausschluss für medizinische Befunde enthalte, sodass allein der nichtmedizinische Aktenteil übersandt werden könne. Ein Einverständnis zum Einblick in die medizinischen Unterlagen aus der Beklagtenakte gab die Klägerin auch im Weiteren nicht ab. Zum Widerspruchsbescheid hat die Klägerin erklärt, dass dieser mangels Unterschrift und Beglaubigungsvermerk unwirksam sei und von ihr nur als Schutzbehauptung gewertet werde.
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Unter dem 29.05.2020 hat sie sich schließlich über die Dauer der „Feststellung einer Untätigkeitsklage“ erkundigt und bat des Weiteren darum, das von ihr eingeleitete Verfahren mit dem Aktenzeichen S 21 R 558/20 ER vorerst zurückzustellen.
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Mit Schreiben 08.06.2020 hat das Gericht die Klägerin zuletzt darauf hingewiesen, dass für die Erhebung einer Untätigkeitsklage kein Rechtsschutzbedürfnis mehr besteht, nachdem ihr Antrag inzwischen verbeschieden wurde. Zudem bat es sie um Mitteilung, ob sie unter Berücksichtigung dieses Umstandes ihre Klage zurücknehmen oder eine Klageänderung dahingehend erklären wolle, dass sie gegen den Bescheid vom 20.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2020 vorgehen will. Auch wurde die Klägerin darüber informiert, dass die von ihr bislang verweigerte Schweigepflichtentbindung sowie ihr ebenfalls verweigertes Einverständnis zur Einsicht der bei der Beklagten vorliegenden medizinischen Unterlagen zur Prüfung der Begründetheit ihrer Klage erforderlich ist. Daraufhin hat die Klägerin mit Schreiben vom 15.06.2020 sinngemäß ausgeführt, dass die Untätigkeitsklage sich auf die Herausgabe und Offenlegung der Prüfärzte der Beklagten sowie die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente seit 21.02.2019 beziehe. Eine Erklärung zur Entbindung von der Schweigepflicht erteile sie nicht. Eine solche sei auch zur Feststellung einer Untätigkeit der Beklagten nicht erforderlich.
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Mit gerichtlichen Schreiben vom 22.06.2020 hat das Gericht die Beteiligten zum beabsichtigten Erlass eines Gerichtsbescheids angehört. Die Beklagte hat sich hiermit einverstanden erklärt. Die Klägerin hat erklärt, dass sie der Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht zustimme. Mit Schreiben vom 01.07.2020 hat die Klägerin schließlich einen Befangenheitsantrag gestellt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass von der Ausübung des Amtes als Richter derjenige ausgeschlossen ist, wer an dem vorausgegangenen Verfahren mitgewirkt hat. Die Besorgnis der Befangenheit gelte als begründet, wenn der Richter dem Vorstand einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts angehört, deren Interessen durch das Verfahren unmittelbar berührt werden.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß:
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 20.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2020 dazu verurteilt, der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 21.02.2019 zu gewähren, hilfsweise den Bescheid vom 20.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2020 aufzuheben, hilfsweise die Beklagte dazu zu verurteilen, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden sowie
2. die Namen und Adressen der Ärzte zu benennen, welche die medizinischen Unterlagen der Klägerin geprüft haben.
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Die Beklagte beantragt,
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Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Gerichtsakte sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Vorsitzende ist nicht infolge des Befangenheitsgesuchs der Klägerin vom 01.07.2020 daran gehindert, eine Sachentscheidung in Form des Gerichtsbescheids zu treffen, da das Ablehnungsgesuch unzulässig ist.
21
Gemäß § 60 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 44 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist der Ablehnungsgrund glaubhaft zu machen. Dies setzt voraus, dass mit dem Ablehnungsgesuch ein substantiierter Tatsachenvortrag erfolgt, was vorliegend nicht der Fall ist. Zur Begründung ihres Ablehnungsgesuchs hat die Klägerin allein die Absätze 2 und 3 des § 60 SGG in ihrem wesentlichen Wortlaut wiedergegeben. Schuldig geblieben ist sie aber jeglichen Vortrag von tatsächlichen Anhaltspunkten, aus denen sich ergeben könnte, dass der Vorsitzende in dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat oder aber dem Vorstand einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts angehört, deren Interessen durch das Verfahren unmittelbar berührt werden. In keiner Weise substantiierte Behauptungen, die letztlich allein dazu dienen, herauszufinden, ob überhaupt irgendwelche Ablehnungsgründe vorliegen könnten, sind aber rechtsmissbräuchlich und führen zur Unzulässigkeit eines Befangenheitsantrags.
22
Die Klage ist unbegründet, soweit dies den ersten Hauptklageantrag und den ersten hilfsweise gestellten Antrag betrifft (2.). Hinsichtlich des hilfsweise gestellten Antrags, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verbescheiden, sowie des Antrags auf Benennung der Ärzte samt deren Adresse, die die medizinischen Unterlagen über die Klägerin gesichtet und bewertet haben, ist die Klage bereits unzulässig (3.).
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1. Gemäß § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Zudem hat der Vorsitzende gemäß § 106 Abs. 1 SGG unter anderem darauf hinzuwirken, dass sachdienliche Anträge gestellt werden. Nach ständiger Rechtsprechung folgt hieraus auch, dass wenn sachdienliche Anträge nicht gestellt werden, die Anträge erforderlichenfalls entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auszulegen sind. Hiernach ist bei der Auslegung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am Wortlaut zu haften. Maßgebend ist, wie die Erklärung nach den Gesamtumständen zu verstehen ist. Es sind alle Umstände zu beachten. Das Gericht hat davon auszugehen, was der Kläger mit der Klage erreichen möchte. Im Zweifel wird der Kläger den Antrag stellen wollen, der ihm am besten zum Ziel verhilft (Meistbegünstigungsprinzip).
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Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente und die Feststellung einer Untätigkeit betreffenden Ausführungen der Klägerin im Rahmen des Klageverfahrens dahingehend zu verstehen, dass sie zuvörderst die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Erwerbsminderungsrente ab dem 21.02.2019 begehrt. Zwar insistiert die Klägerin auf die „Feststellung einer Untätigkeit“ der Beklagten. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) verbietet sich jedoch, an dem Wortlaut des Klagevorbringens festzuhalten, sofern in diesem Fall die Abweisung als unzulässig erfolgen müsste, gleichzeitig aber eine Auslegung möglich ist, die eine Sachentscheidung ermöglicht. Dies ist vorliegend insbesondere deswegen der Fall, weil die Klägerin zugleich vorträgt, dass sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung anstrebt. Darüber hinaus ist dem Antragsbegehren der Klägerin hinsichtlich der Feststellung einer Untätigkeit der Beklagten insofern entsprochen, als im Wege der Auslegung ein hilfsweise gestellter Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Verbescheidung der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts angenommen wurde. Allein ein solches Urteil wäre Folge einer zulässigen und auch im Zeitpunkt der Entscheidung begründeten Untätigkeitsklage gem. § 88 Abs. 1 SGG (vgl. hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt/Schmidt, SGG, 12, Auflage, § 88 Rn. 9).
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Hinsichtlich des Antrags der Klägerin auf Benennung der Ärzte samt deren Adresse, welche die medizinischen Unterlagen über die Klägerin gesichtet und bewertet haben, bedurfte es keiner weitergehenden Auslegung.
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2. Die Klage ist in ihrem ersten Hauptantrag sowie in ihrem ersten Hilfsantrag unbegründet. Ob die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente hat, ist derzeit nicht feststellbar. Dies wäre aber notwendige Voraussetzung, wenn im Zusammenhang mit einem gerichtlichen Vorgehen gegen einen Versagungsbescheid ausnahmsweise auch eine Verurteilung zur Leistung beansprucht wird (siehe hierzu bspw. Krahmer/Trenk-Hinterberger/Trenk-Hinterberger, SGB I, 4. Auflage 2020, § 66 Rn. 23). Zudem erweist sich der Bescheid der Beklagten vom 20.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2020 als rechtmäßig und beeinträchtigt die Klägerin damit auch nicht in ihren Rechten.
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Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Gemäß § 62 SGB I soll sich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers derjenige, der Sozialleistungen beantragt, ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, soweit dies für die Entscheidung über die Leistung erforderlich ist. Gemäß § 65 Abs. 1 SGB I bestehen die Mitwirkungspflichten unter anderem nach § 62 SGB I nicht, soweit ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann. Nach § 65 Abs. 2 SGB I können darüber hinaus Behandlungen und Untersuchungen, bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten, ebenfalls abgelehnt werden.
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Vorliegend begehrt die Klägerin die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Dabei sind Versicherte dann teilweise erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte unter im Übrigen gleichen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI schließlich sind nicht erwerbsgemindert diejenigen, die unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein können, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
29
Um die Frage zu klären, ob die Klägerin im Sinne des § 43 SGB VI erwerbsgemindert ist, hat die Beklagte die Klägerin mehrfach dazu aufgefordert, sich zu einer Begutachtungsuntersuchung vorzustellen. Hierzu hatte sie drei Termine (29.10.2019, 13.02.2020 und 12.03.2020) anberaumt. Für die Entscheidung über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ist die persönliche Untersuchung der Klägerin auch erforderlich. Zwar hat die Klägerin vorgetragen, dass medizinische Unterlagen bereits seit dem Jahr 2016 vorlägen und im Klageverfahren zudem auf der Beklagten übersandte Befundberichte vom 22.11.2019 und 25.09.2019 hingewiesen. Allerdings kann allein auf deren Grundlage nicht beurteilt werden, ob und inwieweit aus den dort genannten Gesundheitsstörungen insbesondere auch quantitative Leistungseinschränkungen bei der Klägerin resultieren. Zur Klärung dieser Fragen ist vielmehr eine persönliche Untersuchung der Klägerin erforderlich, nachdem nur im Ausnahmefall aus einer Diagnose die vollständige Aufhebung des Leistungsvermögens eines Versicherten geschlussfolgert werden kann (zur Notwendigkeit von Untersuchungen trotz Vorliegens von Arztbriefen siehe auch Schlegel/Voelzke/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl., § 62 SGB I (Stand: 05.10.2018), Rn. 32). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
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Gleichwohl ist die Klägerin zu allen anberaumten Untersuchungsterminen nicht erschienen. Einen wichtigen Grund zur Nichtwahrnehmung dieser Termine kann die Klägerin, abgesehen vom für den 13.02.2020 vorgesehenen Untersuchungstermin, nicht für sich in Anspruch nehmen. Dabei wird zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass sie das Einladungsschreiben für den Termin am 13.02.2020 tatsächlich nicht erhalten hat. Jedenfalls bestand kein wichtiger Grund für die Klägerin, auch zu den anderen Untersuchungsterminen nicht zu erscheinen. Insbesondere ist nicht vorgetragen und nicht ersichtlich, dass die Untersuchungen potenziell mit einem Schaden für Leben oder Gesundheit der Klägerin einhergehen würden, mit erheblichen Schmerzen verbunden wären oder einen erheblichen Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit bedeuteten. Auch ist kein wichtiger Grund darin zu sehen, dass in den Einladungsschreiben der Name und die Adresse des Arztes nicht genannt wurde, der die Klägerin untersuchen sollte. Zum einen ist nicht ersichtlich, wofür diese Information bereits im Vorfeld relevant sein sollte. Unterstellt man aber, dass die Klägerin bereits im Vorfeld etwaige Vorbehalte hinsichtlich der Neutralität des Sachverständigen prüfen wollte oder aber dessen fachliche Eignung zur Beurteilung ihres Gesundheits- und Leistungszustandes, so genügen diese Gründe nicht, um berechtigt der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht nicht nachzukommen. Etwaige Bedenken hinsichtlich der Neutralität des Sachverständigen hätte sie auch im Rahmen des Erstkontaktes mit diesem oder gegebenenfalls unmittelbar im Anschluss daran vorbringen können. Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob sie den Sachverständigen für ausreichend kompetent gehalten hätte.
31
Nachdem die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht gemäß § 62 SGB I nicht nachkam und die Beklagte auch nicht auf andere Weise als durch eine Untersuchung der Klägerin feststellen kann, ob bei dieser eine rentenrechtlich relevante Erwerbsminderung vorliegt, war die Beklagte zur Erteilung des angegriffenen Versagungsbescheids vom 20.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2020 berechtigt, was sie schließlich auch unter Berücksichtigung und Ausübung des ihr zustehenden Ermessens tat. Die angegriffenen Bescheide erweisen sich daher als rechtmäßig.
32
Die Bescheide sind auch nicht, wie die Klägerin meint, deshalb unwirksam, weil sie nicht unterschrieben worden sind. Zwar bedarf die Entscheidung über einen Anspruch auf Leistung gemäß § 117 SGB VI der Schriftform. Gleiches gilt gemäße § 85 Abs. 3 SGG für den Widerspruchsbescheid. Allerdings können gemäß § 33 Abs. 5 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, und einen solchen stellt der Bescheid vom 20.03.2020 dar, die Unterschrift und Namensangabe fehlen. Zudem genügt zur Einhaltung der Schriftform gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X, dass die erlassende Behörde erkennbar ist und die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten ist. Diese Form ist bei dem Widerspruchsbescheid vom 20.05.2020 gewahrt.
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2. Die von der Klägerin hilfsweise erhobene Untätigkeitsklage, welche gemäß § 133 Abs. 3 SGG auf die Verpflichtung der Beklagten zur Verbescheidung der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gerichtet ist, ist unzulässig. Gleiches gilt hinsichtlich ihrer auf die Benennung der Ärzte samt deren Adressen gerichtete Leistungsklage. Der Klägerin fehlt insoweit das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
34
Gemäß § 88 SGG kann, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist, nach dem Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts Untätigkeitsklage erhoben werden. Nach Verbescheidung des Antrages entfällt allerdings das Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der Untätigkeitsklage, besteht sodann doch im Falle der Ablehnung der beantragten Leistung die Möglichkeit Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid einzulegen und gegebenenfalls im weiteren Verfahren Klage zu erheben. Ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Feststellung einer Untätigkeit besteht jedenfalls ebenso wenig wie an der Verurteilung zur Bescheidung des gestellten Antrags.
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Vorliegend hat die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin mit dem Versagungsbescheid vom 20.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2020 verbeschieden. Damit ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für die Untätigkeitsklage entfallen. Sofern man in dem erteilten Versagungsbescheid keine, das Rechtsschutzbedürfnis entfallen lassende Entscheidung erkennen wollte, wäre die Klage jedenfalls unbegründet, liegt dafür, dass in der Sache (noch) nicht entschieden wurde, doch ein zureichender Grund in Gestalt der Weigerung der Klägerin zur Vornahme der ihr obliegenden Mitwirkungshandlung vor.
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Die Klägerin hat auch kein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der Benennung der Ärzte, welche ihre medizinischen Unterlagen gesichtet und bewertet haben, nachdem die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 16.08.2019 sämtliche Kopien der bei ihr vorliegenden medizinischen Unterlagen übersandte. Sofern bei der Klägerin noch Zweifel bestehen sollten, dass ihr sämtliche Unterlagen übersandt wurden, kann sie sich hierüber auch im Wege der ihr ebenfalls angebotenen Akteneinsicht Gewissheit verschaffen. Soweit es der Klägerin tatsächlich auch auf die Benennung der Adressen der Ärzte ankommt, ist die entsprechende Klage unbegründet. Einen Anspruch auf Mitteilung der Privatadressen der Ärzte besteht jedenfalls nicht. Zudem sind die von der Beklagten zur Beurteilung der bei ihr vorliegenden medizinischen Unterlagen herangezogenen Ärzte bereits ausreichend dadurch erreichbar, dass an diese gerichtete Schreiben an die Beklagte mit der Bitte um Weiterleitung des jeweiligen Schreibens eingesendet werden.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.