Titel:
Keine Haftung von Vertragshändler und Porsche AG für Thermofenster in Dieselmotor (hier: Porsche Macan S Diesel)
Normenkette:
BGB § 311 Abs. 2, § 437, § 438, § 823 Abs. 1, Abs. 2, § 826, § 831
Leitsätze:
1. Zu - jeweils verneinten - Schadensersatzansprüchen von Käufern eines Porsche-Fahrzeugs, in das ein mit einem sog. Thermofenster ausgestatteter, von Audi entwickelter Diesel-Motor eingebaut ist, vgl. auch OLG München BeckRS 2020, 41015; OLG Dresden BeckRS 2020, 32522; OLG Bamberg BeckRS 2021, 2533; LG München I BeckRS 2020, 42410; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2020, 43093. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Porsche AG ist nicht Erfüllungsgehilfin der Händlerin im Sinne des § 278 BGB und mangels einer Stellvertretung erfolgt auch keine Wissenszurechnung nach § 166 BGB, so dass eine eventuelle Verletzung von Aufklärungspflichten seitens der Porsche AG der Händlerin nicht zuzurechnen ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Verwendete Thermofenster, die jedenfalls in der Fachöffentlichkeit allgemein bekannt sind, stellen - unabhängig davon, ob sie in Einzelfällen unzulässig sind - kein besonders verwerfliches, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und auf die Schädigung von Fahrzeugnutzern gerichtetes Verhalten dar. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Porsche, 3.0 Liter V6-Dieselmotor, Thermofenster, Temperaturabhängigkeit der Abgasrückführungsrate, Motorsteuerung, Täuschung, Sittenwidrigkeit, unzulässige Abschalteinrichtung, Erfüllungsgehilfe
Fundstelle:
BeckRS 2020, 43746
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klagepartei begehrt von der Beklagten zu 1) die Rückzahlung des Kaufpreises eines Fahrzeugs, welches sie bei der Beklagten zu 1) gekauft hat, und gegenüber der Beklagten zu 2) die Feststellung, dass sie ihr gegenüber zum Schadenersatz verpflichtet ist. Zur Begründung macht sie geltend, dass das von ihr erworbene Fahrzeug vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffen sei.
2
Die Klagepartei kaufte im Jahr 2014 bei der Beklagten zu 1) ein Neufahrzeug des Typs Porsche Macan S Diesel, Fahrzeugidentifikationsnummer WP1ZZZ… zu einem Kaufpreis von … € (Bestellung am 25.01.2014 und Auftragsbestätigung am 19.08.2014, Anlage K30).
3
Die Klagepartei hat den am 11.12.2014 in Rechnung gestellten Kaufpreis vollständig bezahlt. Das von der Beklagten zu 2) hergestellte Fahrzeug wurde durch die Beklagte zu 1) am 18.12.2014 an die Klagepartei übergeben; die Zulassung erfolgte am 08.01.2015. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 03.03.2020 hatte das Fahrzeug einen Kilometerstand von 92.927 km. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs V6 TDI 3,0 I eingebaut, welcher nach Herstellerangaben die Grenzwerte der Schadstoffklasse Euro 6 einhalten soll (Anlage K32). Der Motor wurde von der … AG entwickelt und der Beklagten zu 2) für ihre Produktion zur Verfügung gestellt. Die Klagepartei hat mit Schreiben vom 20.02.2018 einerseits den Kaufvertrag gegenüber der Beklagten zu 1) wegen arglistiger Täuschung angefochten und den Rücktritt erklärt und andererseits beide Parteien zur Rückzahlung des Kaufpreises bis 06.03.2018 aufgefordert (Anlage K 31).
4
Die Klagepartei trägt vor, ihr sei es beim Erwerb des Fahrzeugs darauf angekommen, ein umweltfreundliches und wertstabiles Fahrzeug zu erwerben, das die Voraussetzungen für eine „grüne Plakette“ erfülle für das Befahren von Städten. Die Beklagte zu 2) habe der Wahrheit zuwider mit der Umweltfreundlichkeit und der Einhaltung der Euro 6 Abgasnorm geworben.
5
Der Geschäftsführer der Klagepartei ergänzte hierzu in der mündlichen Verhandlung, ihm sei es beim Erwerb des Fahrzeugs auf den guten Wiederverkaufswert angekommen. Er habe einen Diesel gewählt, weil ein solcher aus Umweltgründen und aus ökonomischen Gründen die bessere Motorvariante sei.
6
Die Klagepartei trägt weiter vor, in die Motorsteuerung des Dieselmotors V6 TDI 3,0 I sei eine „Manipulationssoftware“ eingebaut worden, welche erkenne, wenn das Fahrzeug auf einem Prüfstand betrieben werde. In diesem Fall optimiere die Software den Stickoxidausstoß, solange das Fahrzeug unter den Bedingungen des Prüfstandbetriebes betrieben werde. Die Beklagte zu 2) bzw. ihre Lieferantin, die … AG, habe zu diesem Zweck einen Mechanismus eingebaut, der durch Aufwärmen des Abgassystems den Schadstoffausstoß verringere. … Nur aufgrund dieser Manipulationen würden die gesetzlichen Grenzwerte der Euro 6 Norm für Stickoxide unter den im Testbetrieb herrschenden Bedingungen eingehalten, unter den im realen Straßenverkehr herrschenden Verhältnissen aber um ein Vielfaches überschritten. Denn die Manipulationssoftware führe dazu, dass das Auto im realen Fahrbetrieb mit einer viel geringeren Abgasrückführungsrate und einer geringeren Einspritzung von Ad-Blue betrieben werde.
7
Bei der die Abgaswerte regulierenden Software der Motorsteuerung handele es sich um eine nach Artikel 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung. …
8
Vor diesem Hintergrund sei die für den streitgegenständlichen Modelltyp erteilte Typgenehmigung rechtswidrig gewesen und hätte nicht erteilt werden dürfen. Die Beklagte zu 2) habe daher auch keine Übereinstimmungserklärung ausstellen dürfen. Sie hätte das Fahrzeug mit dem Motor V6 TDI 3,0 l gar nicht in Verkehr bringen dürfen. Nunmehr drohe eine Stilllegung des Fahrzeuges durch das Kraftfahrtbundesamt. Der im Fahrzeug verbaute Motor und damit auch das gesamte Fahrzeug seien mangelhaft. Hätte die Klagepartei gewusst, dass die Motorsteuerung nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspreche, dann hätte sie das Fahrzeug nicht erworben.
9
Der Einbau einer „unzulässigen Manipulationssoftware“ in der Motorsteuerung und im … stelle eine sittenwidrige Handlung dar, denn die Beklagte zu 2) habe im Interesse der Gewinnmaximierung und um Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten zu haben, bewusst gesetzliche Vorschriften verletzt. Die Beklagte zu 2) habe mit Schädigungsvorsatz gehandelt. Die bei der Beklagten zu 2) verantwortlich tätigen Techniker, … seien von der … AG über die Funktionsweise des Motors einschließlich der eingebauten unzulässigen Abschalteinrichtung informiert worden. … Darüber hinaus hätten hochrangige Führungspersönlichkeiten der … AG, der … AG und der … AG von der Manipulation gewusst und hätten diese angewiesen und gebilligt. Sogar der damalige Vorstand sei daran beteiligt gewesen. Zahlreiche Mitarbeiter der Beklagten zu 2) hätten von den Manipulationen gewusst.
10
Die Beklagte werde auch durch Ermittlungsergebnisse von US-Justizbehörden belastet, welche Manipulationen bei Dieselmotoren des Typs EA 189 aufgedeckt hätten. Schließlich sei gegen die Beklagte zu 2) auch ein Bußgeldbescheid in Höhe von … € wegen fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht ergangen. Die Klagepartei könne zur Kenntnis und zum Handeln von Vorständen, Repräsentanten und Verrichtungsgehilfen nicht genauer vortragen, weil sie keinen Einblick in die Abläufe und die Organisation der Beklagten habe. Die Beklagte zu 2) treffe daher eine sekundäre Darlegungslast, im Rahmen derer sie zu den Kenntnissen ihrer gesetzlichen Vertreter, ihrer Repräsentanten und ihrer Verrichtungsgehilfen vortragen müsse.
11
Soweit sich die Beklagten darauf berufen würden, die Nutzungen seien anzurechnen, müssten sie darlegen und beweisen, wie hoch dieser Nutzungsersatz sein solle. Eine Nutzungsentschädigung komme jedoch ohnehin nicht in Betracht, weil der Kläger im Rahmen der Naturalrestitution die vollständige Rückabwicklung seiner Verbindlichkeiten aus dem Kaufvertrag verlangen könne und dies die Anrechnung etwaiger Vorteile im Wege der Vorteilsausgleichung grundsätzlich ausschließe.
12
Ein Softwareupdate könne nur zu „unvollkommenen Ergebnissen führen“ und sei daher zur Mangelbeseitigung nicht geeignet. … Die Klagepartei könne deshalb ohne Nachfristsetzung vom Kaufvertrag zurücktreten. Darüber hinaus sei die arglistige Täuschung der Beklagten zu 2) im Hinblick auf die Softwaremanipulationen der Beklagten zu 1) zuzurechnen, weshalb die Klagepartei den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung wirksam anfechten könne. Schließlich sei der Kaufvertrag wegen des Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot des § 27 Abs. 1 EG-FGV nach § 134 BGB nichtig.
13
Die Beklagte zu 2) habe Schadensersatz zu leisten, den die Klagepartei derzeit nicht abschließend benennen könne. Die Beklagte zu 1) befinde sich, nachdem die Klagepartei sie zur Rücknahme des Fahrzeuges aufgefordert habe, mit der Rücknahme des Fahrzeuges in Verzug. Die Beklagten seien zudem verpflichtet, die Klagepartei von ihren außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten freizustellen.
14
Die Klagepartei beantragt zuletzt,
15
Die Beklagten zu 1 und 2 beantragen Klageabweisung.
16
Die Beklagte zu 1) trägt vor, das streitgegenständliche Fahrzeug sei nicht mangelhaft, weshalb keine Gewährleistungsansprüche bestünden. Eine Betriebsuntersagung drohe nicht. Eine vom Kläger behauptete Täuschung seitens der Beklagten zu 2) sei, selbst wenn sie vorläge, der Klagepartei nicht zuzurechnen. Die Klagepartei könne daher den Kaufvertrag nicht wirksam anfechten. Darüber hinaus seien die vom Kläger erhobenen Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) verjährt. Die Beklagte zu 1) hat die Einrede der Verjährung erhoben.
17
Die Beklagte zu 2) trägt vor, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug komme keine prüfstandoptimierte Umschaltlogik und damit auch keine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz. Der Einsatz von sogenannten Thermofenstern bei Dieselmotoren entspreche dem Stand von Wissenschaft und Technik und sei allgemein bekannt. Ihre Verwendung sei die einzige Möglichkeit, um Motorschäden, die insbesondere bei niedrigen Außentemperaturen auftreten könnten, zu vermeiden. Des Weiteren entspreche es der technischen Funktionsweise eines Automatikgetriebes, dass dieses eigenständig zwischen verschiedenen Fahrstufen wechsele. Die vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte der Euro 6 Norm würden vollumfänglich eingehalten. Vor diesem Hintergrund sei es nicht richtig, dass die Beklagte zu 2) potentielle Käufer ihrer Fahrzeuge durch Werbeaussagen oder Aussagen in Verkaufsprospekten getäuscht habe. Der Sachvortrag der Klagepartei zu einem vorsätzlichen und sittenwidrigen Verhalten von Vorständen, Repräsentanten und Verrichtungsgehilfen sei unschlüssig. Beim Fahrzeug der Klagepartei sei überdies Ende 2016 bereits ein Software-Update aufgespielt worden, weshalb sich das Aufspielen eines weiteren Software-Updates erübrige.
18
Hinsichtlich des übrigen Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2020 (Blatt 499/505 der Akten).
Entscheidungsgründe
19
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
20
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht München II sachlich und örtlich zuständig.
21
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klagepartei stehen weder die gegen die Beklagte zu 1) noch die gegen die Beklagte zu 2) geltend gemachten Ansprüche zu.
22
I. Der Klagepartei stehen keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) zu. Diese befindet sich daher auch nicht im Annahmeverzug und ist nicht verpflichtet, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten der Klagepartei zu tragen.
23
1. Mögliche kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche im Sinne von § 437 BGB sind verjährt. Die Verjährung richtet sich nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 BGB und nicht nach § 438 Abs. 3 BGB, da unabhängig von der Frage, ob Mängel vorliegen, die Beklagte zu 1) jedenfalls nicht arglistig gehandelt hat. Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde der Klagepartei am 18.12.2014 übergeben. Die zweijährige Verjährungsfrist endete somit mit Ablauf des 18.12.2016 (§§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB). Sowohl die Erklärung des Rücktritts mit Schreiben vom 20.02.2018 (Anlage K 31) als auch die Klageerhebung vom 26.02.2019, bei Gericht eingegangen am selben Tag und der Beklagten zu 1) zugestellt am 16.03.2019, erfolgten daher nach Ablauf der Verjährungsfrist. Die Beklagte zu 1) hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie kann infolgedessen die Leistung von Schadensersatz verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Der von der Klagepartei erklärte Rücktritt ist unwirksam (§ 218 Abs. 1 BGB). Einer weitergehenden Prüfung des Bestehens von Gewährleistungsansprüchen bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.
24
2. Die Beklagte zu 1) haftet nicht nach § 311 Abs. 2 BGB wegen fehlerhafter Aufklärung der Klagepartei im Rahmen von Vertragsverhandlungen vor Kaufvertragsschluss. Eine solche Aufklärungspflichtverletzung könnte sich im vorliegenden Fall nur in Bezug auf die Themen Beschaffenheit und Verwendbarkeit des Fahrzeugs im Hinblick auf das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung und die Nichteinhaltung der Stickoxidgrenzwerte der Euro 6 Abgasnorm ergeben. Ansprüche aus c.i.c. wegen fahrlässiger Verletzung vorvertraglicher Offenbarungs-, Aufklärungs- und Beratungspflichten durch den Verkäufer mit Bezug auf Sach- oder Rechtsmängel sind jedoch ausgeschlossen, da insoweit die Gewährleistungsrechte aus § 437 BGB eine abschließende Sonderregelung darstellen (Jauernig/Berger, BGB, 17. Aufl. 2018, § 437 Rn. 33, 34). Unabhängig davon ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu 1) überhaupt Aufklärungspflichten verletzt haben könnte, nachdem sie die von der Klagepartei behaupteten „Manipulationen“ nicht kannte und auch nicht hätte kennen können. Die von der Klagepartei behauptete Verletzung von Aufklärungspflichten der Beklagten zu 2) ist, unabhängig davon, ob sie vorliegt, der Beklagten zu 1) nicht zuzurechnen, da die Beklagte zu 2) nicht Erfüllungsgehilfin der Beklagten zu 1) im Sinne des § 278 BGB ist und mangels einer Stellvertretung auch eine Wissenszurechnung nach § 166 BGB nicht erfolgt.
25
3. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB. Der zwischen der Klagepartei und der Beklagten zu 1) geschlossene Kaufvertrag ist wirksam. § 27 Abs. 1 EG-FGV ist kein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB (OLG München, Urteil vom 09.09.2019, Az. 21 U 1216/19). Die Beklagte zu 1) hat den Kaufpreis aufgrund dieses Vertrages und damit nicht ohne Rechtsgrund erhalten.
26
Die Klagepartei konnte den Kaufvertrag mangels Anfechtungsgrundes auch nicht wirksam anfechten. Die Beklagte zu 1) hat die Klagepartei nicht arglistig getäuscht. Eine Zurechnung der vom Kläger behaupteten arglistigen Täuschung der Beklagten zu 2) findet nicht statt, da die Beklagte zu 1) unabhängig davon, ob die Beklagte zu 2) die behauptete arglistige Täuschung begangen hat, im Verhältnis zur Beklagten zu 2) Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB ist (OLG München, Urteil vom 09.09.2019, Az. 21 U 1216/19) und die behauptete Täuschung weder kannte noch kennen musste.
27
II. Der Klagepartei stehen auch keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) zu. Auch diese befindet sich daher nicht im Annahmeverzug und ist nicht verpflichtet, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten der Klagepartei zu tragen.
28
1. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte zu 2) keinen Anspruch auf Schadenersatz nach § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB.
29
a) Die Klagepartei hat das im Rahmen von § 826 BGB erforderliche vorsätzliche Handeln der Beklagten zu 2) nicht schlüssig dargelegt.
30
Bei der Beklagten zu 2) handelt es sich um eine juristische Person. Die anerkanntermaßen auf alle juristischen Personen anzuwendende Vorschrift des § 31 BGB bestimmt, dass sich die juristische Person den Schaden zurechnen lassen muss, den „der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt“. Der Begriff des „verfassungsmäßigen Vertreters“ wird von der Rechtsprechung so ausgelegt, dass damit jede Person gemeint ist - ob sie in der Satzung als solche erwähnt ist oder nicht -, der bedeutsame wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und die die juristische Person insoweit repräsentiert (Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl. 2020, § 31 Rn. 6).
31
Die Klagepartei trägt jedoch weder zum Vorsatz der verfassungsmäßigen Vertreter, insbesondere des Vorstandes bzw. einzelner Vorstandsmitglieder, noch zum Vorsatz sonstiger Repräsentanten der Beklagten substantiiert vor. Soweit sich die Klagepartei in ihrem Vortrag auf die in den Dieselmotoren EA 189 verwendete Umschaltlogik zur Steuerung der Abgasrückführung bezieht, die von der … AG entwickelt worden ist, so ist dies für den vorliegenden Fall unerheblich. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass Dieselmotoren des Typs EA 189 überhaupt in Fahrzeugen der Beklagten zu 2) verbaut wurden. Jedenfalls ist ein solcher Motor nicht im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut. Sofern die Klagepartei behauptet, dass „zahlreiche Mitarbeiter“ Kenntnis von Manipulationen gehabt haben sollen, ist der Vortrag auch deshalb unsubstantiiert, weil Personen weder namentlich benannt werden, noch erkennbar wird, warum es sich insoweit um Repräsentanten der Beklagten zu 2) handeln soll. … Schließlich ist auch die Bezugnahme der Klagepartei auf ein von der Staatsanwaltschaft Stuttgart in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren erwirktes Bußgeld … unbehelflich, da die Klagepartei selbst vorträgt, das Bußgeld sei wegen fahrlässiger Aufsichtspflichtverletzung verhängt worden.
32
Der Grundsatz der vollen Darlegungslast der eine für sie günstige Rechtsfolge behauptenden Partei bedarf zwar in Fällen, in denen wesentliche Geschehensabläufe außerhalb ihrer Wahrnehmung liegen und die sie auch nicht ermitteln kann, einer Einschränkung, wenn es der anderen Partei möglich und zumutbar ist, die notwendige Aufklärung zu leisten (BGH NJW 2014, 3033). Dies bedeutet aber nicht, dass sich die grundsätzlich darlegungsbelastete Partei jeglichen Sachvortrages enthalten oder lediglich Behauptungen ins Blaue hinein aufstellen kann. Vielmehr hat sie sich, soweit es ihr möglich ist, Kenntnis zu verschaffen. Das betrifft insbesondere die Themen, welche Personen zur maßgeblichen Zeit Vorstände und Repräsentanten der Beklagten gewesen sind, für welche Aufgabenbereiche sie zuständig waren und aufgrund welcher Tatsachen von einem vorsätzlichen Handeln dieser Personen auszugehen ist. Soweit die Klagepartei sich gehindert sieht, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen, ist zu erläutern, welche Anstrengungen sie zur Kenntniserlangung unternommen hat und welche Hinderungsgründe einer weiteren Substantiierung entgegenstehen. In jedem Fall hat sie aber zumindest greifbare Anhaltspunkte vorzutragen und unter Beweis zu stellen, aus welchen sich ein Vorsatz herleiten lässt (ebenda). Erst wenn aufgrund solcher greifbarer Anhaltspunkte in nachvollziehbarer Weise der konkrete Verdacht vorsätzlichen Handelns der Vorstände der Beklagten besteht, kommt eine Reduzierung der Anforderungen an die Darlegungslast der Klagepartei nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast in Betracht. Vorliegend kommen daher die Grundsätze der sekundären Darlegungslast nicht zur Anwendung.
33
b) Darüber hinaus liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten zu 2) vor. Es ist davon auszugehen, dass eine temperaturabhängige Regulierung der Abgasaufbereitung und -rückführung bei Dieselmotoren weit verbreitet und aus technischen Gründen für deren Funktionsfähigkeit notwendig ist. Darüber hinaus sind eine betriebsabhängige Steuerung der Einspritzung des Harnstoffs AdBlue und die Verwendung von SCR-Katalysatoren bei Dieselmotoren weit verbreitet. Die Verwendung sogenannter … die jedenfalls in der Fachöffentlichkeit allgemein bekannt sind, stellen daher, unabhängig davon, ob sie in Einzelfällen unzulässig sind, kein besonders verwerfliches, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und auf die Schädigung von Fahrzeugnutzern gerichtetes Verhalten dar. Ihr Einsatz beinhaltet daher keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. … Denn es ist davon auszugehen, dass kein fehlerhafter Betrieb vorliegt. Schließlich liegt darin, dass ein Automatikgetriebe eigenständig zwischen verschiedenen Fahrstufen wechselt, keine „Manipulation“. Vielmehr handelt es sich um ein technisches Funktionsprinzip solcher Getriebe.
34
2. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadenersatz nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 StGB.
35
Auch soweit die Klagepartei behauptet, die Beklagte zu 2) habe ihn betrügerisch geschädigt, trägt sie hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Dieser Darlegungs- und Beweislast ist sie zumindest im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen vorsätzlichen Handelns und des Vorliegens einer Bereicherungsabsicht im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB der Beklagten zu 2) bzw. der für sie handelnden Vorstände und sonstigen Repräsentanten (§ 31 BGB) nicht nachgekommen. Daher kommt auch hier nicht Betracht, die Grundsätze sekundärer Darlegungslast anzuwenden.
36
3. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte zu 2) keinen Anspruch auf Schadenersatz nach § 826 BGB in Verbindung mit § 831 Abs. 1 BGB.
37
Auch soweit die Klagepartei behauptet, die Beklagte zu 2) habe sie durch das Handeln ihr zuzurechnender Verrichtungsgehilfen vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, trägt sie hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Auch insoweit ist der Vortrag indes unsubstantiiert. Soweit die Klagepartei vorträgt, „zahlreiche Mitarbeiter“ hätten von „Manipulationen“ gewusst, handelt es sich um eine nicht prüfbare Behauptung ins Blaue hinein. Es bleibt unklar, wer wann weshalb was genau gewusst hat. Im Hinblick auf den Begriff Manipulationen bleibt unklar, ob die Klagepartei die - hier nicht entscheidungserhebliche - Umschaltlogik in Dieselmotoren des Typs EA 189 oder die von ihr behaupteten „Manipulationen“ des Dieselmotors V6 TDI 3,0 I meint.
38
Soweit die Klagepartei darlegt, der … hätte genaue Kenntnis von der Funktionsweise des Dieselmotors V6 TDI 3,0 I gehabt, erschließt sich aus dem Vortrag nicht, dass diese Person Fahrzeugnutzern vorsätzlich einen Schaden zufügen wollte und sittenwidrig handelte. Angesichts der weiten Verbreitung der hier relevanten Funktionsprinzipien eines Dieselmotors erschließt sich dies nicht ohne Weiteres.
39
Die Anwendung der Grundsätze der sekundären Darlegungslast kommt daher auch hier nicht in Betracht.
40
4. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadenersatz nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1 und 27 Abs. 1 EG-FGV.
41
Die §§ 6, 27 EG-FGV sind Vorschriften des öffentlichen Rechts, welche dazu dienen, sicherzustellen, dass in Verkehr gebrachte Fahrzeuge mit einer gültigen Übereinstimmungserklärung versehen sind. Die Vorschriften sollen im öffentlichen Interesse eine hohe Verkehrssicherheit und eine rationale Energienutzung gewährleisten, dem Gesundheits- und Umweltschutz dienen und einen wirksamen Schutz gegen unbefugte Nutzung bieten. Der Schutz von Individualinteressen von Kraftfahrzeugerwerbern gehört dagegen nicht zum Schutzzweck der Vorschriften (OLG Braunschweig, Urteil vom 19.02.2019, Az. 7 U 134/17; OLG München NJW-RR 2019, 1497; OLG München, Urteil vom 04.12.2019, Az. 3 U 2420/19).
42
5. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte zu 2) auch keinen Anspruch auf Schadenersatz nach §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG. Mit der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung durch die Beklagte zu 2) ist eine irreführende Darstellung eines besonders günstigen Angebots nicht verbunden. Die Beklagte zu 2) haftet auch nicht nach § 311 Abs. 3 BGB wegen der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens bzw. nach den Grundsätzen der sogenannten Prospekthaftung (OLG München, Urteil vom 04.12.2019, Az. 3 U 2420/19).
43
Die Klage war daher gegen beide Beklagte vollumfänglich abzuweisen.
44
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.