Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 12.11.2020 – B 7 K 18.30936
Titel:

Fehlendes Rechtsschutzinteresse nach Absetzen des Asylbewerbers ins Ausland

Normenketten:
VwGO § 82 Abs. 1
ZPO § 130 Abs. 1, § 227
Leitsatz:
Das Absetzen eines Asylklägers ins Ausland stellt schon im Ansatz keinen erheblichen Grund für eine Terminsverlegung iSd § 173 S. 1 VwGO iVm § 227 ZPO dar. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Äthiopien, Absetzen des Asylbewerbers ins Ausland, keine Terminsverlegung wegen Untertauchen des Klägers, zutreffende Angabe der ladungsfähigen Anschrift, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei nicht nur vorübergehender Aufgabe der Unterkunft, Pflicht zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers trotz anwaltlicher Vertretung, Pflicht zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, keine Terminsverlegung wegen Untertauchen, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis
Fundstelle:
BeckRS 2020, 43492

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen. 
2.    Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 
3.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger, vom Volksstamm Tigrinya und christlich-orthodoxen Glaubens, reiste am 11.12.2017 im Rahmen des Relocationprogrammes aus Italien in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 18.12.2017 einen Asylantrag.
2
Bei der persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 19.12.2017 trug der Kläger im Wesentlichen vor, er sei im Jahr 1989 der europäischen Zeitrechnung in Adi Hagerai in der äthiopischen Provinz Tigrey geboren. Seine Eltern seien Viehzüchter gewesen und immer wieder zwischen Äthiopien und dem heutigen Eritrea mit ihren Tieren gewandert. Etwa einen Monat nach seiner Geburt seien seine Eltern mit ihm nach Debre Sahel in das Gebiet des heutigen Staates Eritreas zurückgekehrt. Seine Eltern seien bereits verstorben, als er noch sehr klein gewesen sei. Nach dem Tod seiner Eltern sei er in Shambuko im heutigen Eritrea bei seiner Tante aufgewachsen. Eine Schule habe er nicht besucht. Er sei Analphabet und habe lediglich mit den von seiner Mutter geerbten Tieren als Bauer gearbeitet.
3
Am 11. Juli 2012 sei er zu Fuß von Shambuko aus nach Äthiopien geflohen, da es in Eritrea kein ruhiges Leben und keine Demokratie gegeben habe. Man habe wiederholt versucht, ihn als Soldat zu verpflichten. Da er das nicht gewollt habe, sei er jedes Mal, als er bemerkt habe, dass man ihn habe holen wollen, mit seinen Tieren weitergezogen. Deshalb habe man ihn nie erwischt. Auslöser für die Flucht sei letztlich gewesen, dass zu seinem Onkel bzw. zu seiner Tante ein Brief gekommen sei, mit dem er zum Nationaldienst hätte einberufen werden sollen. Dieser Brief sei die letzte Warnung gewesen, sich selbst für den Nationaldienst zu stellen. Ein Cousin sei daraufhin zu ihm gerannt und habe ihm von dem Brief berichtet. Dem Cousin habe er gesagt, dass er gleich kommen werde. Stattdessen habe er sich aber sofort auf den Weg gemacht und sei zu Fuß nach Äthiopien geflohen. Da sein Onkel selbst Soldat gewesen sei, hätte dieser ihn zum Nationaldienst geschickt. Bei einer zwangsweisen Mitnahme hätte er als Strafe sein ganzes Leben als Soldat verbringen müssen.
4
In Äthiopien habe er sich ca. fünf Jahre in May Ayni in einem UN-Flüchtlingslager aufgehalten, bevor er am 27.02.2017 über den Sudan und Libyen nach Italien eingereist sei.
5
Bei einer Rückkehr nach Eritrea werde er in ein Spezialgefängnis kommen. Nach Äthiopien könne er ebenfalls nicht zurückkehren, da er 23 Jahre lang in Eritrea gelebt und dann lediglich vier Jahre und sechs Monate der UN in Äthiopien geholfen habe. Er habe keinen Kontakt nach Äthiopien und kenne dort niemanden. Seine Frau sei mittlerweile in Adi Woala in Äthiopien.
6
Mit Bescheid vom 18.04.2018, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 27.04.2018, lehnte die Beklagte den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1) und den Antrag auf Asylanerkennung (Ziff. 2) ab. Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (Ziff. 3). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4). Dem Kläger wurde die Abschiebung nach Äthiopien angedroht (Ziff. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 6).
7
Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG. Die vom Kläger genannten Fluchtgründe bezögen sich ausschließlich auf das heutige Staatsgebiet Eritreas. Nach Informationen des Bundesamtes sei der Kläger allerdings äthiopischer Staatsangehöriger. Die Einlassung des Klägers, er sei eritreischer Staatsangehöriger, sei unzutreffend. Die Frage, welche Staatsangehörigkeit eine Person innehabe, bestimme sich nach dem Staatsangehörigkeitsrecht des in Frage kommenden Staates. Der Kläger sei nach eigenen Angaben am 12.11.1989 in Adi Hagerai in der heute noch zu Äthiopien gehörenden Provinz Tigrey geboren. Damit habe er zweifelsfrei die äthiopische Staatsangehörigkeit erworben, denn nach Art. 1 des damals gültigen äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22.07.1930 seien alle Personen äthiopischer, eritreischer oder gemischt äthiopisch-eritreischer Herkunft, die in Eritrea, Äthiopien und Drittländer lebten, und die vor der offiziellen Unabhängigkeit Eritreas am 24.05.1993 geboren worden seien, äthiopische Staatsbürger. Durch die Entstehung des neuen, selbstständigen Staates Eritrea, habe der Kläger auch nicht automatisch mit der völkerrechtlich anerkannten Unabhängigkeitserklärung Eritreas die eritreische Staatsangehörigkeit erworben. Nach Art. 2 Abs. 1 der insoweit maßgeblichen Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit sei eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt, wer in Eritrea oder im Ausland als Kind eines Vaters oder einer Mutter eritreischer Abstammung geboren worden sei. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift sei eritreischer Abstammung, wer 1933 seinen Aufenthalt in Eritrea gehabt habe. Diese Voraussetzungen seien im Fall des Klägers nicht gegeben. Die Eltern des Klägers seien beide nach 1933 geboren und somit nicht eritreischer Abstammung im Sinne der Proklamation Nr. 21/1992. Zwar werde mitunter in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung auch die Auffassung vertreten, dass es für die Annahme der eritreischen Staatsangehörigkeit bereits ausreiche, wenn die nach 1933 geborenen Eltern den Nachweis eritreischer Abstammung erbringen könnten. Dies widerspreche jedoch eindeutig dem Wortlaut von Art. 2 der Proklamation Nr. 21/1992. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Proklamation im Jahr 1992 erlassen worden sei, also fast 60 Jahre nach dem für die Bestimmung der Eritreischstämmigkeit maßgeblichen Zeitpunkt. Wenn der eritreische Staat tatsächlich auch die „dritte Generation“ von der Regelung des Art. 2 Abs. 2 hätte erfassen wollen, hätte dies in der Proklamation auch so festgelegt werden können. Das man darauf verzichtet habe, mache deutlich, dass ausschließlich die unmittelbaren Nachkommen, also nur die Kinder der Personen begünstigt sein sollten, die schon 1933 auf eritreischem Gebiet gelebt hätten. Letztlich müsse der Meinungsstreit nicht entschieden werden, da der Kläger nach wie vor jedenfalls auch die äthiopische Staatsangehörigkeit besitze. Nach dem bis 2003 gültigen äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetz (1930) habe ein äthiopischer Staatsangehöriger seine Staatsbürgerschaft nur verloren, wenn er diese aufgegeben oder eine fremde Staatsangehörigkeit erworben habe. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Der Kläger habe auch nicht nach neuem Recht die äthiopische Staatsangehörigkeit verloren. Seit dem 23.12.2003 regele sich die Staatsangehörigkeit Äthiopiens nach der Proklamation Nr. 378/2003 über die äthiopische Staatsangehörigkeit vom 23.12.2003. In den Artikeln 19 ff., insbesondere in Art. 20 Abs. 2 und 3 der Proklamation Nr. 378/2003, seien zwar weitere Verlustbestände bezüglich der äthiopischen Staatsangehörigkeit aufgeführt, diese würden jedoch keine Rückwirkung entfalten. Dies zugrunde gelegt, habe der Kläger keinerlei Gründe vorgetragen, die darauf schließen könnten, dass für ihn eine nach § 3 AsylG relevante Verfolgung in Äthiopien erfolgt sei oder ihm bei einer Rückkehr eine solche drohe.
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Die Voraussetzungen der Asylanerkennung gem. Art. 16a Abs. 1 GG seien nicht gegeben, da nicht einmal der weitergefasste Schutzbereich des § 3 AsylG einschlägig sei.
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Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus seien nicht gegeben. Unter Verweis auf die Ausführungen zum Flüchtlingsschutz liege kein Hinweis darauf vor, dass dem Kläger in Äthiopien ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG drohe.
10
Abschiebungsverbote seien nicht gegeben. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bewertet werden. Selbst unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Dem Kläger sei es vor seiner Ausreise aus Äthiopien gelungen, seinen Lebensunterhalt dort zu bestreiten. Es sei nicht ersichtlich, warum dies nicht auch bei einer Rückkehr nach Äthiopien wieder der Fall sei. Er sei gesund, jung und arbeitsfähig. Vor seiner Ausreise habe er vier Jahre und sechs Monate als Helfer für die UN in Äthiopien gearbeitet. Zudem lebten seine Ehefrau und ein Cousin in Äthiopien. Daneben habe offensichtlich noch Kontakt zu seinen in Eritrea lebenden Verwandten bestanden, die die erheblichen Fluchtkosten finanziert hätten. Somit sei davon auszugehen, dass es dem Kläger nach seiner Rückkehr erneut gelingen werde, sein Existenzminimum in Äthiopien durch eigene Arbeit und gegebenenfalls durch familiäre Unterstützung zu decken.
11
Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG seien weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich.
12
Mit Schriftsatz vom 07.05.2018, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage und beantragt,
1.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18.04.2018 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen;
2.
Hilfsweise dem Kläger subsidiären Schutz im Sinne des § 4 AsylG zuzuerkennen;
3.
Weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
13
Eine gesonderte Begründung der Klage erfolgte bei Klageerhebung nicht.
14
Mit Schriftsatz vom 14.05.2018 beantragt die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
15
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.
16
Mit Schriftsatz vom 26.10.2020 führte der Bevollmächtigte des Klägers zur Begründung der Klage im Wesentlichen aus, der Kläger sei eritreischer Staatsangehöriger und befürchte bei einer Rückkehr in sein Heimatland Eritrea, zum Nationaldienst herangezogen zu werden. Er habe allein die eritreische Staatsangehörigkeit. Bereits bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 19.12.2017 habe der Kläger mitgeteilt, dass seine Eltern in Eritrea geboren worden seien. Der Vater des Klägers sei in Besitz eines eritreischen Ausweises, ausgestellt durch die provisorische Regierung Eritreas. Der Kläger spreche die tigrinische Sprache und damit die Amtssprache Eritreas. Die Dolmetscherin bei der Anhörung vor dem Bundesamt habe mitgeteilt, dass der Kläger ein Tigrinya spreche, welches nur in Eritrea gesprochen werde. Darüber hinaus habe er sämtliche Fragen zu Eritrea beantworten können. Gemäß der Proklamation Nr. 21/1992 vom 06.04.1992 besitze jede Person mit einem eritreischen Vater oder einer eritreischen Mutter durch Geburt die eritreische Staatsangehörigkeit, ungeachtet davon, ob sie sich in Eritrea oder im Ausland aufhalte. Damit habe der Kläger die eritreische Staatsangehörigkeit von seinen Eltern erworben, unabhängig davon, dass der Kläger in Äthiopien geboren worden sei. Dem Schriftsatz wurde eine Kopie eines Ausweises (Nr. ER0996511), ausgestellt von der „provisorischen Regierung Eritreas“ (EPLF-Eritrean Peoples Liberation Front/Befreiungsfront des eritreischen Volkes), vom 02.01.1993 vorgelegt, wonach eine Person namens Ghebrehiwet Ghebremeskel Bahre im Jahr 1945 in Debresahli geboren sei.
17
Mit Schriftsatz vom 27.10.2020 teilte die Beklagte mit, dass ein Übernahmeersuchen der britischen Behörden eingegangen sei, welchem man am 27.10.2020 gem. Art. 18 Abs. 1d Dublin III-VO zugestimmt habe. Aus der beigezogenen Akte des „Überstellungsverfahrens“ ergibt sich, dass der Kläger nach Angaben der britischen Behörden am 29.09.2020 illegal mit einem Boot in das Vereinigte Königreich eingereist ist und dort am selben Tag um Asyl nachgesucht hat.
18
Mit gerichtlichem Schreiben vom 06.11.2020 wurde der Bevollmächtigte des Klägers aufgefordert, dem Gericht die ladungsfähige Anschrift des Klägers mitzuteilen, woraufhin dieser mit Schriftsatz vom 11.11.2020 die … in … als ladungsfähige Anschrift des Klägers benannte. Im Übrigen wurde darauf hingewiesen, dass, soweit sich der Kläger derzeit im Vereinigten Königreich Großbritannien aufhalten sollte, aufgrund der sehr kurz gesetzten Frist die dortige Anschrift nicht zu ermitteln sei. Es sei jedoch davon auszugehen, dass sich der Kläger in Großbritannien in Haft befinde, um eine Rücküberstellung in das Bundesgebiet sicherzustellen.
19
Mit Beschluss der Kammer vom 24.09.2020 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
20
Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 12.11.2020 wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Die Bundesamtsakte des „Überstellungsverfahrens“ (* …*) wurde beigezogen.

Entscheidungsgründe

I.
21
Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beteiligten an der mündlichen Verhandlung am 12.11.2020 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO). Ein Terminverlegungsantrag des Klägerbevollmächtigten vom 11.11.2020 wurde mit gerichtlichem Schreiben vom selben Tag abgelehnt, da das Absetzen des Klägers ins Ausland schon im Ansatz keinen erheblichen Grund für eine Terminsverlegung i.S.d. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 ZPO darstellt. Aufgrund der vom Gericht getätigten Recherchen (vgl. hierzu auch Bl. 41 der Gerichtsakte) hat der Kläger Ende September 2020 -womöglich im unmittelbaren Zusammenhang mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung - Deutschland verlassen und sich illegal nach Großbritannien begeben, ohne hiervon den Hausverwalter der Unterkunft, seine „Freundin“, seinen Rechtsanwalt oder irgendwelche Behörden, geschweige denn das Gericht, in Kenntnis zu setzen.
II.
22
Die Klage ist unzulässig, da die ladungsfähige Anschrift des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht bekannt ist (hierzu 1.). Im Übrigen ist die Klage auch deshalb unzulässig, weil das Rechtsschutzbedürfnis durch das Absetzen des Klägers nach Großbritannien entfallen ist (hierzu 2.).
23
1. Die Klage ist unzulässig geworden, da dieser trotz Aufforderung mit Fristsetzung eine aktuelle ladungsfähige Anschrift nicht angegeben hat.
24
Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage als Sachentscheidungsvoraussetzung den Kläger bezeichnen, wozu nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 130 Abs. 1 ZPO auch die Angabe seines Wohnortes gehört. Gemeint ist damit der tatsächliche Wohnort des Klägers, also die ladungsfähige Anschrift, unter der er auch tatsächlich zu erreichen ist. Dass dies auch dann gilt, wenn zwar in der Klageschrift zunächst eine ladungsfähige Anschrift genannt wurde, die Anschrift des Klägers jedoch im Laufe des Verfahrens unbekannt geworden ist, ergibt sich aus § 117 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und im Hinblick auf die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung notwendigerweise im Urteil enthaltenen Angaben zur Wohnanschrift des jeweiligen Verfahrensbeteiligten. Die Mitteilung einer ladungsfähigen Anschrift ist auch nicht aufgrund der anwaltlichen Vertretung des Klägers entbehrlich (BayVGH, B.v. 13.11.2018 - 15 B 18.32145 - juris; VG Augsburg, U.v. 25.11.2016 - Au 4 K 15.1656 - juris, jeweils m.w.N.).
25
Dieser Verpflichtung zur Angabe seiner gegenwärtigen Anschrift ist der Kläger trotz Aufforderung durch das Gericht nicht nachgekommen. Der Klägerbevollmächtigte teilte dem Gericht zwar mit Schriftsatz vom 11.11.2020 mit, dass nach seiner Kenntnis die ladungsfähige Anschrift die … in … sei. Dies ist jedoch offensichtlich nicht der Fall, da sich der Kläger seit Ende September 2020 nicht mehr in … aufhält und stattdessen illegal nach Großbritannien gereist ist, wo er am 29.09.2020 einen Asylantrag gestellt hat. Auch aufgrund der Ermittlungen des Gerichts hält sich der Kläger nicht mehr bzw. nicht wieder in der Gemeinschaftsunterkunft in … auf. Der Platz in der Unterkunft wurde freigegeben. Der Kläger wird bei der Regierung von Oberfranken als Unterkunftsverwaltungsbehörde als untergetaucht bzw. als nach unbekannt verzogen geführt. Aufgrund des Überstellungsgesuchs der britischen Behörden an die Beklagte hat das Gericht keinerlei Zweifel, dass der tatsächliche Wohn- und Aufenthaltsort des Klägers nicht mehr die vom Klägerbevollmächtigte Adresse in … ist. Im Übrigen räumt der Klägerbevollmächtigte im besagten Schriftsatz mehr oder weniger selbst ein, dass er nicht glaubhaft belegen könne, dass sich der Kläger noch unter der von ihm genannten Anschrift aufhalte. Eine ladungsfähige Anschrift in Großbritannien, wo sich der Kläger derzeit vermutlich aufhalten dürfte, vermochte der Klägerbevollmächtigte dem Gericht nicht mitzuteilen, obwohl seitens des Gerichts gem. § 82 Abs. 2 VwGO eine Frist zur Benennung der aktuellen ladungsfähigen Anschrift des Klägers gesetzt wurde (vgl. BayVGH, B.v. 3.2.2016 - 10 ZB 15.1413 - juris; BayVGH, B.v. 13.11.2018 - 15 B 18.32145 - juris). Diese Frist war in Anbetracht der Mitwirkungspflichten des Klägers im Asylverfahren (vgl. insbesondere § 10 Abs. 1 AsylG) ausreichend lang bemessen, zumal der Einzelrichter schon einige Tage vor der förmlichen Fristsetzung den Bevollmächtigten über das Absetzen des Klägers telefonisch informiert hat und der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als sechs Wochen abgetaucht war, ohne seinen Bevollmächtigten bzw. Behörden oder das Gericht über seinen jetzigen Wohn- bzw. Aufenthaltsort in Kenntnis zu setzen. Anhaltspunkte dafür, dass die Pflicht zur Angabe der Anschrift ausnahmsweise entfallen könnte (vgl. BVerwG, B.v. 14.2.2012 - 9 B 79.11 - juris) sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Insbesondere geht der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 11.11.2020 selbst davon aus, dass sich der Kläger im Vereinigten Königreich Großbritannien in Haft befinde, um eine Rücküberstellung in das Bundesgebiet sicherzustellen. Im Übrigen wurde lediglich vorgetragen, dass seitens des Klägervertreters eine Anschrift in Großbritannien nicht zu ermitteln gewesen sei.
26
2. Der Klage fehlt zudem seit dem Zeitpunkt des unbekannten Aufenthalts des Klägers das in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Rechtsschutzbedürfnis. Die nicht nur vorübergehende Aufgabe der Unterkunft durch den Kläger und die Absetzung ins Ausland ohne Mitteilung seines aktuellen Aufenthalts an die Beklagte und das Gericht (§ 10 Abs. 1 AsylG) oder zumindest an seinen Prozessbevollmächtigten lässt den Schluss zu, dass der Kläger sein Rechtsschutzbegehren gegen die Beklagte nicht mehr weiter verfolgen will oder er untergetaucht ist, was die Schutzwürdigkeit seines Rechtsschutzinteresses ebenfalls entfallen lässt (vgl. BayVGH, U.v. 13.11.2018 - 15 B 18.32145 - juris; BayVGH, B.v. 16.7.2010 - 20 B 10.30183 - juris; SächsOVG, B.v. 10.5.2017 - 4 A 453/16.A - juris). Allein die weiterbestehende anwaltliche Vertretung des Klägers gibt keinen Anlass, auf das Erfordernis der Adressenangabe zur Feststellung eines weiterbestehenden Rechtsschutzbedürfnisses zu verzichten, wenn dem Kläger ein berechtigter Grund für die Verweigerung der Adressenangabe fehlt (BayVGH, B.v. 9.2.2001 - 21 B 99.32019 - juris; BayVGH, U.v. 13.11.2018 - 15 B 18.32145 - juris).
III.
27
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.