Titel:
Dienstliche Beurteilung eines Lehrers
Normenketten:
LlbG Art. 56 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 46
Leitsätze:
1. Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle ist darauf zu beschränken, ob der Beurteiler einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, ob er den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob allgemeine Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind und ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten ist; soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abfassung der dienstlichen Beurteilung erlassen hat, ist vom Gericht zu prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen in Einklang stehen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Periodische Beurteilung eines Lehrers, Verfahrensfehler, Unterrichtsbesuche, keine Unmöglichkeit der Neuerstellung der Beurteilung, Lehrer, Beurteilung, periodische Beurteilung, Unterrichtsbesuch, Unmöglichkeit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 43426
Tenor
1. Die periodische dienstliche Beurteilung des Klägers über den Beurteilungszeitraum 01.08.2015 bis 31.12.2018 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu beurteilen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger ist Studienrat am Gymnasium … und wendet sich gegen die ihm am 26.07.2019 eröffnete dienstliche Beurteilung über den Beurteilungszeitraum 01.08.2015 bis 31.12.2018.
2
Der Kläger ist Beamter in Diensten des Beklagten. Er ist als Studienrat (Besoldungsgruppe A 13) am Gymnasium … mit den Fächern Geographie und Wirtschaftswissenschaften tätig. Der Kläger wurde mit Wirkung vom 01.08.2015 in den staatlichen Gymnasialdienst in Bayern übernommen. Zuvor war er Beamter auf Lebenszeit im Zuständigkeitsbereich der niedersächsischen Landesschulbehörde.
3
Im Beurteilungszeitraum fanden einmal im März 2018 sowie am 01.10.2018 und am 17.12.2018 Unterrichtsbesuche statt, jeweils im Fach Wirtschaft und Recht in der 10. Jahrgangsstufe. Am 08.02.2019 wurde dem Kläger seine Regelbeurteilung über den Beurteilungszeitraum 01.08.2015 bis 31.12.2018 eröffnet, die im Gesamtergebnis die Bewertung HM (Leistung, die den Anforderungen in hohem Maße gerecht wird) ausweist. Gegen diese Beurteilung erhob der Kläger Einwendungen. Auf diese hin wurde die angegriffene Beurteilung durch den Beklagten aufgehoben und es wurden im Frühjahr 2019 zwei weitere Unterrichtsbesuche durchgeführt. Ein Unterrichtsbesuch erfolgte im Fach Geographie in der Jahrgangsstufe 11, der andere im Fach Geographie in der Jahrgangsstufe 10. Die daraufhin neu erstellte Beurteilung wurde dem Kläger am 26.07.2019 eröffnet. Sie weist als Gesamtergebnis wiederum HM aus.
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Mit am 12.08.2019 beim Bayerischen Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, die periodische Beurteilung des Klägers durch das Gymnasium … 2018 für den Beurteilungszeitraum 01.08.2015 bis 31.12.2018 aufzuheben und dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beurteilen.
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Zur Begründung führt er aus, dass die angegriffene Beurteilung rechtswidrig sei, weil sie auf keine hinreichende Erkenntnisgrundlage gestützt sei. Die Beurteilung werde auf Unterrichtsbesuche gestützt, die lediglich am Ende des Beurteilungszeitraums bzw. erst nach dem Beurteilungszeitraum erfolgt seien. Es sei nicht möglich, Unterrichtsbesuche nach Ende des Beurteilungszeitraums nachzuholen, da die Beurteilung das Leistungsbild des Beamten im Beurteilungszeitraum abbilden solle. Daher sei im vorliegenden Fall der Beurteiler gezwungen, sich auf anderem Wege eine hinreichende Erkenntnisgrundlage zu beschaffen, wobei Tatsachen aus dem gesamten Beurteilungszeitraum und aus dem gesamten Aufgabenbereich der zu beurteilenden Lehrkraft zugrunde zu legen seien. Insofern hätte sich der Beurteiler zum einen mit der Selbstauskunft des Klägers zur periodischen Beurteilung auseinandersetzen müssen. Des Weiteren wären entsprechende Stellungnahmen von weiteren am Beurteilungsverfahren beteiligten Personen, sofern sie erfolgt seien, zu dokumentieren. Die Dokumentationspflicht in Bezug auf das nach einem Unterrichtsbesuch zu führende Gespräch diene dem Beurteiler als Nachweis für die Tatsachengrundlage, auf welcher die Beurteilung basiere. An einer entsprechenden Dokumentation fehle es aber. Zudem hätten bei zwei der drei in den Beurteilungszeitraum fallenden Unterrichtsbesuche besondere Erschwernisse vorgelegen, die in der Beurteilung nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Denn bei den Unterrichtsbesuchen am 01.10.2018 und am 17.12.2018 seien jeweils fortbildungsbedingt die beiden Vorstunden entfallen.
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Mit Schriftsatz vom 24.02.2020 beantragt die Regierung von Oberfranken für den Beklagten,
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Das Beurteilungsverfahren entspreche hinsichtlich der besuchten Unterrichtsstunden und der dazu erfolgten Nachbesprechungen mit dem Kläger den Vorgaben. So hänge die Unterrichtsleistung einer Lehrkraft nicht vom Vorunterricht bzw. von Stundenausfällen oder ähnlichem ab. Vielmehr sei es je nach Unterrichtssituation die Aufgabe und Auftrag des Lehrers, einen angemessenen Unterricht zu planen und durchzuführen. Die Unterrichtsbeobachtungen seien in allen Fällen von den Beobachtern mit dem Kläger besprochen worden. Diese Gespräche seien nach den während des Unterrichts handschriftlich gemachten Privataufzeichnungen der Beobachter verlaufen. Offizielle Ergebnisprotokolle solcher Gespräche würden nicht erstellt. Solche seien auch nicht vorgeschrieben; der Kläger habe dies auch nicht beanstandet. Die Unterrichtsbesuche, die nach dem Einspruch des Klägers im Nachgang zur Eröffnung gemacht worden seien, seien aufgrund seines Einspruchs erfolgt, um das Leistungsbild in der notwendigen Breite zu erfassen. Weil der erste Unterrichtsbesuch im März 2018 stattgefunden habe, sei die vorgegebene Streuung über den Beurteilungszeitraum gewährleistet. Der Beurteilung liege ein Abgleich zwischen den Beobachtungen des Schulleiters, seines ständigen Vertreters und weiteren an den Unterrichtsbesuchen bzw. am Beurteilungsverfahren beteiligten Personen zugrunde.
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Mit Schriftsatz vom 28.04.2020 hat der Beklagte Stellungnahmen des Schulleiters des Gymnasiums …, des kommissarischen Fachbetreuers Wirtschaft und Recht am Gymnasium … und des Fachbetreuers Geographie am Gymnasium … vorgelegt. Aus diesen geht hervor, dass bei der Einschätzung der Unterrichtsqualität auf besondere Umstände Rücksicht genommen worden sei. Der Kläger sei über den gesamten Beurteilungszeitraum hin regelmäßig fachlich beraten worden. Die Stellungnahme des Fachleiters für Geographie weise eher in Richtung des (schlechteren) Beurteilungsgrades MA, während die Feststellungen des Fachbetreuers Wirtschaft und Recht hinsichtlich der Verbesserungen beim Kläger den Beurteilungsgrad HM stützen würden. Im Gesamtprädikat habe der Beurteiler nach Abwägung aller Gegebenheiten das Prädikat HM erteilt, um bei allen vorhandenen Mängeln ein durchaus positives Zeichen zu setzen.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 09.11.2020 hat der Beklagte ausgeführt, die Formulierung in Abschnitt A Nr. 4.8 der maßgeblichen Beurteilungsrichtlinien bezüglich des nach einem Unterrichtsbesuch durchzuführenden Gesprächs („Dadurch können Missverständnisse ausgeräumt und der Lehrkraft Hilfen gegeben werden, wie sie etwa aufgetretene Schwächen beseitigen kann“) zeige, dass Nr. 4.8 lediglich eine Ordnungsvorschrift sei und ein Verstoß die Beurteilung nicht rechtswidrig machen solle. Die Häufigkeit und zeitliche Verteilung der Unterrichtsbesuche könne der Beurteiler nach seinem Ermessen bestimmen, vorliegend sei dies sachgerecht erfolgt. Zugleich legte der Beklagte eine „Zusammenfassende Dokumentation der Unterrichtsbesuche von Herrn StR … durch OStD …“ vor, die der Beurteiler persönlich erstellt habe. Sie gehe aus dessen Aufzeichnungen während der Unterrichtsbesuche hervor, die er mit dem Kläger eingehend besprochen habe. Entsprechende Zusammenfassungen könnten auch für die übrigen Unterrichtsbesuche vorgelegt werden.
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Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen, § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Zum Verlauf der mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten ihre schriftlich gestellten Anträge wiederholt haben, wird auf das Protokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Die Klage ist zulässig und begründet. Die angegriffene Beurteilung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Neuerstellung der Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 2 VwGO).
12
Gemäß Art. 56 Abs. 1 Satz 1 des Leistungslaufbahngesetzes (LlbG) sind die fachliche Leistung, Eignung und Befähigung der bayerischen Beamtinnen und Beamten mindestens alle drei Jahre dienstlich zu beurteilen (periodische Beurteilung). Die Beurteilung hat die fachliche Leistung in Bezug auf die Funktion und im Vergleich zu den anderen Beamtinnen und Beamten derselben Besoldungsgruppe der Fachlaufbahn und, soweit gebildet, desselben fachlichen Schwerpunkts objektiv darzustellen und außerdem von Eignung und Befähigung ein zutreffendes Bild zu geben (Art. 58 Abs. 2 Satz 1 LlbG). Für die staatlichen Lehrkräfte sieht Art. 64 LlbG die Möglichkeit vor, hiervon abweichende eigene Beurteilungsrichtlinien zu erlassen, wovon das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus in Form der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der staatlichen Lehrkräfte sowie der Schulleiterinnen und Schulleiter an Schulen in Bayern gemäß Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 07.09.2011, Az. II.5-5 P 4010.2-6.60 919 (KWMBl. S. 306; im Folgenden: Beurteilungsrichtlinien - BeurtRL), Gebrauch gemacht hat.
13
Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 13.5.1965 - 2 C 146.62 - BVerwGE 21, 127 [129]; U.v. 26.6.1980 - 2 C 8/78 - BVerwGE 60, 245; ständige Rechtsprechung). Nach dem erkennbaren Sinn der Regelungen über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern der Beamte den vom Dienstherrn zu bestimmenden, zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu. Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, ob er den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob allgemeine Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind und ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten ist. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abfassung der dienstlichen Beurteilung erlassen hat, ist vom Gericht zu prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen in Einklang stehen (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.2007 - 2 C 2.06 - juris; BayVGH, B.v. 27.3.2013 - 3 ZB 11.1269 - juris). Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 18.1.2016 - 3 ZB 13.1994 - juris Rn. 4).
14
Gemessen daran ist die angegriffene Beurteilung rechtswidrig und daher aufzuheben (dazu unter lit. a). Der Kläger ist erneut zu beurteilen, was dem Beklagten auch nicht schlechterdings unmöglich ist (dazu unter lit. b).
15
a) Für die Erstellung der periodischen dienstlichen Beurteilung der Lehrkräfte des Freistaats Bayern ist in Abschnitt A, Nr. 4.1 BeurtRL vorgesehen, dass der Beurteilende der dienstlichen Beurteilung Tatsachen aus dem gesamten Beurteilungszeitraum und aus dem gesamten Aufgabenbereich der zu beurteilenden Lehrkraft zugrunde zu legen hat. Dabei sind Beobachtungen heranzuziehen, die innerhalb und außerhalb des Unterrichts gemacht werden. Als Hilfen dienen dabei vor allem Unterrichtsbesuche, daneben die Überprüfung der Aufgabenstellung, der Korrektur und Bewertung von Schülerarbeiten, die persönliche Aussprache sowie die Stellungnahme von weiteren am Beurteilungsverfahren beteiligten Personen. Der Leistungsfortschritt der Klasse ist ein wichtiger Indikator. Unter Nr. 4.1.2 wird weiter ausgeführt, dass Unterrichtsbesuche mehrmals - über den Beurteilungszeitraum verteilt - erfolgen sollen. Bei Realschulen, Gymnasien und beruflichen Schulen einschließlich den entsprechenden Schulen zur sonderpädagogischen Förderung ist darauf zu achten, dass Unterrichtsbesuche in allen Fächern, in denen die Lehrkraft die Lehramtsbefähigung besitzt und Unterricht gibt, - verteilt auf verschiedene Jahrgangsstufen - durchgeführt werden. Die Beobachtungen sind mit der Lehrkraft zu besprechen. Dieses Gespräch ist von besonderer Bedeutung. Der wesentliche Gesprächsinhalt ist zu dokumentieren.
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Diesen Anforderungen an das Verfahren zur Erkenntnisgewinnung für die Leistungsbewertung im Rahmen der periodischen dienstlichen Beurteilung wurde nicht genügt. Die Beurteilungsrichtlinien geben vergleichsweise präzise vor, dass die der Beurteilung zugrundeliegenden Erkenntnisse in erster Linie durch Unterrichtsbesuche zu gewinnen sind. Diese haben in dreifacher Hinsicht in der Breite der Lehrtätigkeit stattzufinden, nämlich in allen Fächern, in verschiedenen Jahrgangsstufen und verteilt über den Beurteilungszeitraum. Hieran fehlt es vorliegend. Die Besuche im Unterricht des Klägers fanden sämtlich im Fach Wirtschaft und Recht, sämtlich in der 10. Klasse und sämtlich am Ende des Beurteilungszeitraums, nämlich im Jahr 2018, statt. Nicht besucht wurden das Fach Geographie sowie die vom Kläger ebenfalls unterrichteten Jahrgangsstufen 5, 7, 9, 11 und 12. Außen vor blieben in zeitlicher Hinsicht die Jahre 2015, 2016 und 2017. Die im Frühjahr 2019 im Fach Geographie in der 11. sowie nochmals in der 10. Klasse durchgeführten Unterrichtsbesuche sind zur Behebung dieser Mängel unbehelflich, weil sie außerhalb des (bis zum 31.12.2018 reichenden) Beurteilungszeitraums liegen und damit auch keine Aussage zu der Leistung des Klägers innerhalb des Beurteilungszeitraums liefern können.
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Zwar sind die Ausführungen der Beurteilungsrichtlinien zu den Unterrichtsbesuchen nicht zwingend formuliert. Jedoch wird der besondere Stellenwert breit gestreuter Unterrichtsbesuche jedenfalls mit Nachdruck verdeutlicht, sodass eine Abweichung vom vorgegebenen Verfahren zumindest plausibel erklärt werden müsste. Der Beurteiler konnte im Rahmen der mündlichen Verhandlung jedoch die diesbezüglichen Versäumnisse nicht befriedigend erklären. Er führte lediglich an, dass das Fach Wirtschaft und Recht in der Unterstufe nicht unterrichtet werde, was aber insbesondere die Defizite hinsichtlich des Fachs Geographie sowie in zeitlicher Hinsicht unberührt lässt.
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Dieser formelle Fehler steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Leistungsbewertung des Klägers in der Sache, da die aus den durchgeführten Unterrichtsbesuchen gewonnenen Eindrücke mutmaßlich nicht die Leistung des Klägers im Beurteilungszeitraum insgesamt widerspiegeln und daher auch die Erkenntnisgrundlage an sich defizitär ist. Der Fehler ist somit auch nicht unbeachtlich i.S.d. Art. 46 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG).
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Nicht mehr entscheidungserheblich ist vor diesem Hintergrund, ob die vom Beurteiler vorgelegte „zusammenfassende Dokumentation“ der von ihm durchgeführten Unterrichtsbesuche der zwingenden Dokumentationspflicht hinsichtlich der Anschlussgespräche im Nachgang zu den Unterrichtsbesuchen genügt. Die hieran bestehenden erheblichen Zweifel des Gerichts können dahinstehen.
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b) Dem Beklagten ist es nicht von vornherein unmöglich, den Kläger erneut zu beurteilen. Zwar ist offensichtlich, dass die versäumten Unterrichtsbesuche nicht nachgeholt werden können. Die neu zu erstellende Beurteilung wird insoweit nicht mehr in allen Punkten den Verfahrensvorgaben der Beurteilungsrichtlinie genügen können. Jedoch ist vom Beklagten, in dessen alleiniger Verantwortung der festgestellte Verfahrensverstoß liegt, zumindest zu fordern, mittels aller anderen verfügbaren Erkenntnisquellen fundierte, konkrete Anhaltspunkte für die Leistung des Klägers in den bislang unberücksichtigten Jahren, Jahrgangsstufen und im Fach Geographie zu ermitteln, um die versäumte Erkenntnisgewinnung so weit als möglich nachzuholen. Hierfür kommen namentlich archivierte Klassenarbeiten (die zumindest für das Jahr 2018 noch verfügbar sein sollten), eine eingehende Stellungnahme der Fachbetreuer hinsichtlich ihrer Eindrücke in den betreffenden Punkten (insbesondere die in den Akten befindliche Stellungnahme des kommissarischen Fachbetreuers Wirtschaft und Recht bietet noch Raum für deutlich vertiefte Ausführungen), noch verfügbares Material von Projektarbeiten (z.B. hinsichtlich der vom Kläger geleiteten W- und P-Seminare), der Leistungsfortschritt der Klassen anhand der Notenlisten o.Ä. in Betracht. Die Nutzung solcher Erkenntnismittel steht auch nicht in Widerspruch zu den Beurteilungsrichtlinien, die zwar hauptsächlich, aber eben nicht ausschließlich Unterrichtsbesuche als Erkenntnismittel benennen (Nr. 4.1.1 BeurtRL: „vor allem“).
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegende Partei hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.
22
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 der Zivilprozessordnung.