Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 27.10.2020 – B 5 K 20.322
Titel:

Fehlendes Rechtsschutzinteresse bei Klage gegen Beurteilung nach Zurruhesetzung

Normenkette:
BBG § 44 Abs. 1, § 46 Abs. 1 S. 2
Leitsatz:
Es besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für die von einem wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzten Beamten erhobene Klage gegen seine dienstliche Beurteilung. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bundesbeamter, Dienstliche Beurteilung, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, Wegfall der Zweckbestimmung der Beurteilung, Reaktivierungsmöglichkeit (verneint), dienstliche Beurteilung, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, fortgeltende Richtigkeit amtsärztlicher Befunde, dauernder Dienstunfähigkeit, vorzeitiger Ruhestand
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 16.02.2021 – 6 ZB 20.2847
Fundstelle:
BeckRS 2020, 43404

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die ihm am 8. Januar 2013 eröffnete Regelbeurteilung (Beurteilungszeitraum 1.2.2010 - 1.8.2012).
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1. Der im Jahr 1962 geborene Kläger stand bis Ende Mai 2014 als Zolloberinspektor im Dienste der Beklagten. Mit Bescheid vom 23. Mai 2014 versetzte ihn die Beklagte wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg (VG Ansbach, U.v. 18.11.2015, Az. AN 11 K 14.01468; BayVGH, B.v. 26.9.2016, Az. 6 ZB 16.249, und B.v. 11.11.2016, Az. 6 ZB 16.2147; BVerfG B.v. 13.7.2017, Az. 2 BvR 2603/16). Eine Nachuntersuchung bzw. eine Reaktivierung des Klägers ist nicht vorgesehen. Seine im Jahr 2012 gegen die periodische dienstliche Beurteilung zum Beurteilungsstichtag 31. Januar 2010 (Beurteilungszeitraum 1.2.2007 - 31.1.2010) erhobene Klage wies das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach mit rechtskräftigem Urteil vom 11. Februar 2020 ab (Az. AN 11 K 17.01895).
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Zum 1. September 2014 erstellte der Beklagte die Regelbeurteilung betreffend den Beurteilungszeitraum vom 2. August 2012 bis 1. September 2014. Den hiergegen erhobenen Widerspruch (Schreiben vom 24.8.2015) wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.1.2018). Die dagegen erhobene Klage ist beim Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth unter dem Aktenzeichen B 5 K 20.323 (früher: B 5 K 18.168) anhängig.
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2. Bereits am 8. Januar 2013 hatte die Beklagte dem Kläger die Regelbeurteilung betreffend den Beurteilungszeitraum vom 1. Februar 2010 bis 1. August 2012 eröffnet und die vom Kläger vorgebrachten Einwände (Schreiben vom 11.10.2013) zurückgewiesen (Schreiben vom 1.4.2014). Der hiergegen erhobene Widerspruch (Schreiben vom 29.4.2014) blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 5.9.2017).
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3. Mit Schriftsatz seines damaligen Prozessbevollmächtigten vom 11. Oktober 2017, eingegangen beim Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth am 12. Oktober 2017, erhob der Kläger, ohne einen förmlichen Klageantrag zu stellen, Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 5. September 2017, mit welchem der Widerspruch gegen die Beurteilung vom 1. August 2012 zurückgewiesen worden war.
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Mit Schriftsatz vom 21. November 2017 beantragte die Beklagte,
die Klage abzuweisen, und nahm zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid Bezug.
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3. Nach Anhörung der Beteiligten setzte das Gericht das Klageverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim Bayer. Verwaltungsgericht Ansbach anhängigen Verfahrens aus (Beschluss vom 19.2.2018). Nach Mitteilung des Bayer. Verwaltungsgerichts Ansbach, dass das Verfahren Az. AN 11 K 17.01895 mit Urteil vom 11. Februar 2020 rechtskräftig abgeschlossen sei, nahm das Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth das Verfahren B 5 K 17.814 unter dem Az. B 5 K 20.322 von Amts wegen wieder auf.
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Mit Schriftsatz vom 3. September 2020 führte die Beklagte aus, das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage sei aufgrund des Eintritts des Klägers in den Ruhestand entfallen. Die bloße abstrakte Möglichkeit, dass der Dienstherr den Kläger wieder zum Beamten ernenne, wofür es vorliegend unter sachgerechter Würdigung aller Umstände keine Erfolg versprechenden Anhaltspunkte gebe, stehe der Erledigung der Zweckbestimmung der dienstlichen Beurteilung nicht entgegen. Insoweit wäre auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig, weil der Kläger kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Beurteilung habe.
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Mit Schriftsatz vom 28. September 2020 teilte der bisherige Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dass man das Vertretungsmandat mit Schreiben vom selben Tag mit sofortiger Wirkung gekündigt habe, und legte dem Gericht im weiteren sowohl das Kündigungsschreiben als auch einen Zustellungsnachweis vor.
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4. In der mündlichen Verhandlung, zu der der Kläger nicht erschienen ist, beantragte der Vertreter der Beklagten,
die Klage abzuweisen.
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Hinsichtlich des weiteren Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Das Gericht kann trotz des Nichterscheinens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden, weil alle Beteiligten bei der Ladung vom 28. August 2020, die dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers gemäß § 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO ausweislich des Empfangsbekenntnisses am selben Tag zugegangen ist, darauf hingewiesen worden sind, dass bei ihrem Ausbleiben auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 1 und 2 VwGO).
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2. Das Gericht legt das Klagebegehren im wohlverstandenen Interesse des Klägers dahingehend aus, dass er die Aufhebung der ihm am 8. Januar 2013 eröffneten dienstlichen Beurteilung vom 1. August 2012 (Beurteilungszeitraum: 1.2.2010 - 1.8.2012) sowie des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 5. September 2017 und die Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu beurteilen.
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3. Die so verstandene Klage ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Denn nach der Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für die von einem wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzten Beamten erhobene Klage gegen seine dienstliche Beurteilung (vgl. BayVGH, B.v. 3.11.2016 - 6 ZB 15.2243 - juris Rn. 5). Für die Klage gegen eine dienstliche Beurteilung fehlt es nämlich dann an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse, wenn die Beurteilung ihre rechtliche Zweckbestimmung verliert, Auswahlgrundlage für künftige Personalentscheidungen zu sein. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der beurteilte Beamte in den Ruhestand getreten, bestandskräftig aus dem Beamtenverhältnis entlassen worden ist oder bis zum Eintritt in den Ruhestand nicht mehr befördert werden darf. In diesen Fällen kann die dienstliche Beurteilung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt noch als Grundlage einer künftigen, die Beamtenlaufbahn des Beurteilten betreffenden Personalentscheidung dienen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 19.12.2002 - 2 C 31/01 - juris Rn. 14 m.w.N.; vgl. auch: OVG NW, B.v. 26.9.2007 - 1 A 4138/06 - juris Rn. 5 ff.; NdsOVG, B.v. 4.11.2011 - 5 ME 319/11 - juris Rn. 12 ff.). Das gilt auch im Falle einer vorzeitigen Zurruhesetzung jedenfalls dann, wenn keine Reaktivierung mehr in Betracht kommt. Die bloße abstrakte Möglichkeit, dass der Dienstherr den Kläger wieder zum Beamten ernennen könnte, steht der Erledigung der Zweckbestimmung nicht entgegen (stRspr. BVerwG U.v. 13.6.1985 - 2 C 6/83 - ZBR 1985, 347 f.; BayVGH B.v. 3.11.2016 - 6 ZB 15.2243 - juris Rn. 12).
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Gemessen daran ist die Klage unzulässig, weil sich der Kläger aufgrund des bestandskräftigen Bescheids der Beklagten vom 23. Mai 2014 seit Ende Mai 2014 wegen dauernder Dienstunfähigkeit im (vorzeitigen) Ruhestand befindet. Nach den Ausführungen der Beklagten - zuletzt in der mündlichen Verhandlung - ist eine amtsärztliche Nachuntersuchung bzw. eine Reaktivierung des Klägers nicht vorgesehen. Für eine solche Reaktivierung bestehen keine Anhaltspunkte. Denn nach den rechtskräftigen Feststellungen des Bayer. Verwaltungsgerichts Ansbach beruht die vorzeitige Zurruhesetzung wegen dauernder Dienstunfähigkeit alternativ auf psychiatrischen und orthopädischen Erkrankungen (vgl. VG Ansbach U.v. 18.11.2015 - AN 11 K 14.01468). Schon dem amtsärztlichen Gutachten vom 6. Februar 2014 ist zu entnehmen, dass die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt nicht wahrscheinlich sei. Anhaltspunkte für eine maßgebliche Verbesserung des Gesundheitszustands des Klägers sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).
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5. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.