Titel:
Prozesskostenhilfe für mangels Rechtsschutzinteresse unzulässigen Antrag
Normenketten:
VwGO § 166
AufenthG § 60a Abs. 2
Leitsatz:
Das erforderliche Rechtsschutzinteresse ist dann gegeben, wenn die Entscheidung des Gerichts die Rechtsstellung des Antragstellers verbessern kann. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Isolierter Prozesskostenhilfeantrag, Duldung, fehlendes Rechtsschutzinteresse, isolierter Prozesskostenhilfeantrag
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 16.02.2021 – 10 C 20.1350
Fundstelle:
BeckRS 2020, 43389
Tenor
I. Die Verfahren M 25 K0 20.588 und M 25 E0 20.589 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine noch zu erhebende Klage bzw. einen noch zu erhebenden Antrag werden abgelehnt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen künftig zu stellenden Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer Duldung und eine künftige Klage mit demselben Begehren.
2
Der Antragsteller ist ein pakistanischer Staatsangehöriger dessen Asylantrag vom 9. Dezember 2014 mit Bescheid vom 7. September 2016 bestandskräftig abgelehnt wurde (VG München, U. v. 23.1.2017, M 23 K 16.32948). Er ist seit dem 28. September 2016 vollziehbar ausreisepflichtig.
3
Der Antragsteller erhielt in der Folgezeit laufend auf seinen Antrag hin Duldungen, letztmals bis 28. November 2019. Vom 14. November 2019 bis 23. Dezember 2019 befand sich der Antragsteller im Krankenhaus.
4
Der mit Vorsorgevollmacht Bevollmächtigte beantragte mit E-Mail vom ... Januar 2020 die Übersendung der Duldungsverlängerung an sich.
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Mit Schreiben vom 6. Februar 2020 forderte der Antragsgegner den Antragsteller zur Vorsprache zwecks Überprüfung des Duldungsanspruchs auf. Eine Reaktion des Antragstellers erfolgte nicht. Der Bevollmächtigte übermittelte ein von ihm selbst ausgefülltes und unterschriebenes Formular vom 8. Februar 2020.
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Mit Schreiben vom ... Februar 2020 beantragte der mit Vorsorgevollmacht Bevollmächtigte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine noch zu erhebende Klage und einen noch zu erhebenden Eilantrag auf Ausstellung einer Duldung und Aushändigung an ihn.
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Zur Begründung wurde angeführt, der Antragsgegner würde auf der persönlichen Vorsprache des Antragstellers bestehen und die Vorsorgevollmacht nicht akzeptieren. Die Vorsprachen würden dazu missbraucht, um erheblichen Druck auf die Familie hinsichtlich der Mitwirkungspflichten auszuüben. Aufgrund der Ereignisse bei der letzten Vorsprache im Dezember 2019 sei der Antragsteller für mehrere Wochen in einer Klinik gewesen.
8
Der Antragsgegner erwiderte mit Schreiben vom 20. April 2020, der Antragsteller sei aufgrund fehlender Reisedokumente aktuell zu dulden und Duldungen würden bei Vorsprache entsprechend verlängert. Der Antragssteller käme trotz fortlaufender ausführlicher Belehrungen seiner Mitwirkungspflicht nicht nach.
9
Mit Beschluss vom 28. April 2020 wurde der Bevollmächtigte des Antragstellers als Prozessbevollmächtigter gemäß § 67 Abs. 3 Satz 1 VwGO zurückgewiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine noch zu erhebende Klage und einen Eilantrag auf Verlängerung der Duldung und Aushändigung der Duldung an den mit Vorsorgevollmacht Bevollmächtigten bleiben ohne Erfolg.
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Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Hinreichend sind die Erfolgsaussichten einer Klage jedenfalls dann, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BVerfG, B. v. 28.01.2013 - 1 BvR 274/12 - juris) oder wenn der von dem Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint (Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 166 Rn. 26), der Prozessausgang also offen ist. Dabei sollen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes nicht überspannt werden, um zu vermeiden, dass der unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten der grundrechtlich garantierte Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz unverhältnismäßig erschwert wird (vgl. BVerfG a.a.O.).
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Nach diesen Grundsätzen haben der beabsichtigte Antrag, den Antragsgegner zur Erteilung einer Duldung und Aushändigung dieser an den Bevollmächtigten zu verpflichten sowie eine entsprechende Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
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Der beabsichtigte künftig zu stellende Eilantrag gemäß § 123 VwGO ist unzulässig, da ihm das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt.
16
Voraussetzung für das in allen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht erforderliche Rechtsschutzinteresse ist, dass die Entscheidung des Gerichts die Rechtsstellung des Antragstellers verbessern kann. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Nach den Ausführungen des Antragsgegners erfüllen der Antragssteller sowie auch dessen Familie die Voraussetzungen des § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zur vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung (Duldung) wegen fehlender Reisepapiere sowie der Anhängigkeit einer Asylklage des jüngsten Kindes. Die Duldungen werden dem Antragsteller sowie dessen Familie bei einer persönlichen Vorsprache, die auch in Begleitung erfolgen kann (Schreiben des Antragsgegners vom 27. Mai 2020) erteilt. Die vom Antragsgegner geforderte persönliche Vorsprache ist auch erforderlich, um insbesondere überprüfen zu können, ob sich der Antragssteller noch im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners aufhält. Eine Übergabe der Duldung an den mit Vorsorgevollmacht Bevollmächtigten, welche nur in Notfällen der Handlungsunfähigkeit des Vollmachtgebers wirksam wird, ist aus diesem Grund nicht möglich. Eine krankheitsbedingte Unmöglichkeit der persönlichen Vorsprache des Antragstellers ist nicht substanziell belegt (vgl. den Neurologischen Abschlussbericht der BGU M* … vom 1.4. 2020).
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Eine noch zu erhebende Klage ist neben dem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis auch unzulässig, da die Klage dasselbe Rechtschutzbegehren wie der Eilantrag hat.
18
Die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ergeht kostenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.