Inhalt

VG München, Urteil v. 19.02.2020 – M 23 K 19.862 950
Titel:

Berichtigung der amtlichen Flurkarte und des amtlichen Liegenschaftskatasters, Untätigkeitsklage, Entgegenstehende Bestandskraft einer ablehnenden Entscheidung bei neuerlichem gleichlautendem Antrag, Rechtsschutzbedürfnis

Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 58 Abs. 2 S. 1
BayVwVfG Art. 35
BayVwVfG Art. 51 Abs. 1
Schlagworte:
Berichtigung der amtlichen Flurkarte und des amtlichen Liegenschaftskatasters, Untätigkeitsklage, Entgegenstehende Bestandskraft einer ablehnenden Entscheidung bei neuerlichem gleichlautendem Antrag, Rechtsschutzbedürfnis
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 01.03.2021 – 19 ZB 20.1039
Fundstelle:
BeckRS 2020, 43068

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt, die Grenzen seines Grundstücks zu berichtigen, ebenso die Berichtigung von Katasterunterlagen auf den Stand vor der zwischen 1967 und 1970 erfolgten und mittlerweile bestandskräftigen und vom Kläger anerkannten Flurbereinigung ( … II).
2
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks mit der Flurnummer (FlNr.) 877, Gemarkung … Südlich grenzt das Grundstück mit der FlNr. 881 an.
3
Unter Zugrundelegung der sich aus der Flurbereinigung … II ergebenden Katasterunterlagen führte das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung M. (im Folgenden: Vermessungsamt) auf Antrag des Rechtsvorgängers des Klägers eine Vermessung der zwischen beiden Flurstücken verlaufenden Grenze durch. Mit Abmarkungsbescheid vom 14. Juni 2005 gab das Vermessungsamt dem Kläger die Abmarkung bekannt. Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage wies das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 18. Januar 2008 ab (M 23 K 07.2539). Rechtsmittel legte der Kläger nicht ein; das Urteil ist rechtskräftig.
4
Am 12. Mai 2016 beantragte der Kläger über seinen Vertreter im Verwaltungsverfahren die Berichtigung der in der aktuellen amtlichen Flurkarte dargestellten Flurstückgrenze zwischen den benannten Flurstücken durch Wiederherstellung der vor der Flurbereinigung gültigen Flurkarte, insbesondere anhand des Fortführungsrisses Nr. 41 aus dem Jahre 1899 und eines beigefügten Plans. Mit Schreiben vom 12. Juli 2016 teilte das Vermessungsamt M. dem Kläger über dessen Vertreter im Verwaltungsverfahren mit, eine Änderung der amtlichen Flurkarte auf den Stand vor der Flurbereinigung sei unzulässig. Eine Unrichtigkeit liege nicht vor. Auf ein weiteres sich auf den Antrag vom … Mai 2016 beziehendes Schreiben des Klägers erwiderte das Vermessungsamt, der Antrag sei bereits mit Schreiben vom 12. Juli 2016 zurückgewiesen worden. Weitere Eingaben würden ohne Sachverhaltsänderung nicht beantwortet. Beiden Schreiben des Vermessungsamts sind keine Rechtsmittelbelehrungen angefügt.
5
Mit weiterem Schreiben vom … September 2018 wiederholte der Kläger über seinen Bevollmächtigten wortgleich den Antrag vom 12. Mai 2016. Eine Beantwortung seitens des Vermessungsamts blieb aus.
6
Mit Schriftsatz vom … Februar 2019 erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem wörtlichen Antrag:
A. Das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung M. ist anzuweisen, die Berichtigung der amtlichen Flurkarte der Gemarkung … durchzuführen und den dazugehörigen amtlichen Liegenschaftsnachweis zu berichtigen.
B. Es sollen die Flurstücksgrenzen zwischen den Flurstücken m.d.Nrn. 877 und 881, Gemarkung …, zum Zeitpunkt vor der Flurbereinigung im Jahre 1967 ausweislich der damals gültigen Flurkarte, insbesondere anhand des Fortführungsrisses mit der Nummer 41 aus dem Jahre 1899, Steuergemeinde …, Ortslage …, und des diesem Antrag beigefügten Planes, wieder hergestellt werden.
7
Am … Februar 2020 begründete der Kläger die Klage unter Vorlage eines Parteigutachtens im Wesentlichen dahingehend, er habe einen Berichtigungsanspruch aus Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG, da die Flurkarte auf dem nichtigen Abmarkungsbescheid vom 14. Juni 2005 beruhe und auch die Grenzfestlegung aus dem Jahr 1970 nichtig sei. Die Nichtigkeit ergebe sich daraus, dass bei der Abmarkungsentscheidung formal der Verlauf aus dem Ergebnis der Flurbereinigung übernommen worden sei. Die Flurbereinigung sei allerdings offensichtlich unrichtig i.S.d. § 132 FlurbG. Auch soweit der Abmarkungsbescheid und die Grenzfeststellung aus dem Flurbereinigungsverfahren nur rechtswidrig seien, habe er einen Anspruch auf Berichtigung der Flurkarte. Denn der Abmarkungsbescheid sowie die Grenzfestlegung seien rechtswidrig und daher nach Art. 48 BayVwVfG aufzuheben.
8
Der Beklagte beantragte
Klageabweisung
und trat der Klage mit Schriftsatz vom 18. Februar 2020 entgegen. Auf die Klageerwiderung wird verwiesen.
9
Am 19. Februar 2020 fand die mündliche Verhandlung statt. Die Gerichtsakte zum Verfahren M 23 K 07.2539 hat das Gericht beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

10
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig.
11
I. Soweit der Kläger mit seinem Antrag ausdrücklich die Änderung der Flurkarte und des dazugehörenden amtlichen Liegenschaftsnachweises auf den Katasterstand vor 1967 begehrt, ist die Klage als Verpflichtungsklage zwar statthaft, § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO. Denn mit der Änderung dieser Katasterunterlagen begehrt er einen Verwaltungsakt gem. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG (vgl. VG München, U.v. 6.4.2009 - M 23 K 08.2232 - juris Rn. 17).
12
Es fehlt der Klage insoweit aber am Rechtsschutzbedürfnis. Der Verpflichtungsklage mit dem zugrundeliegenden wiederholten Anspruchsbegehren steht ein bestandskräftiger Versagungsbescheid entgegen. Ist bereits bestandskräftig entschieden, dass der verfolgte Anspruch nicht besteht, ist die Klage unzulässig (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 32 m.w.N.).
13
So liegt der Fall hier. Dem neuerlichen Antrag an den Beklagten vom … September 2019, dessen Durchsetzung der Kläger mit der vorliegenden Klage beabsichtigt, steht bereits eine zeitlich vorangegangene und bestandskräftige Ablehnung in derselben Sache entgegen. So hatte der Kläger bereits mit Schreiben vom … Mai 2016 den identischen Antrag gestellt. Diesen Antrag hat das Vermessungsamt bereits mit Schreiben vom 12. Juli 2016 und zuletzt mit Schreiben vom 9. November 2016 verbindlich abgelehnt. Von der Möglichkeit, hiergegen Klage zu erheben, hat der Kläger nicht binnen Jahresausschlussfrist gem. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO Gebrauch gemacht.
14
Auch wenn den Schreiben vom 12. Juli und 9. November 2016 keine Rechtsmittelbelehrungangefügt ist, ergibt sich hieraus dennoch eine verbindliche Ablehnung in Form eines Verwaltungsakts gem. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Das Fehlen der Rechtsmittelbelehrungsteht dem nicht entgegen und bewirkt ausschließlich den Lauf der Jahresausschlussfrist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
15
Mit den benannten Schreiben hat das Vermessungsamt als Behörde mit Außenwirkung gegenüber dem Kläger einseitig hoheitlich zu erkennen gegeben, dass es das vom Kläger geltend gemachte Recht verbindlich verneint und hat dadurch eine verbindliche Rechtsfolge als Regelung gesetzt. So weist das Vermessungsamt im Schreiben vom 9. November 2016, das an das Schreiben vom 12. Juli 2016 anknüpft, den Antrag ausdrücklich zurück und gibt damit unmissverständlich zu verstehen, dass es dem klägerischen Begehren nicht nachkommen wird. Diese Finalität bekräftigt das Vermessungsamt dadurch, dass es am Ende darauf verweist, sich weiteren Eingaben nur noch bei Vorliegen eines neuen Sachverhalts anzunehmen. Insoweit verweist das Vermessungsamt in der Sache auf die Voraussetzungen des Art. 51 BayVwVfG.
16
Da das Vermessungsamt den Antrag damit verbindlich und bestandskräftig abgelehnt hatte, besteht auch insoweit kein Raum für eine Untätigkeitsklage.
17
II. Auch unter der Annahme, der neuerliche Antrag vom … September 2019 sei auf Abänderung der vorgenannten bestandskräftigen Ablehnungsentscheidung gerichtet - mit dem Ziel, eine Änderung der Katasterunterlagen zu herbeizuführen - verhilft dies der Klage weder als Versagungsgegen- (§ 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO) noch als Untätigkeitsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 3 VwGO) zu ihrer Zulässigkeit. Ist verbindlich entschieden, dass der Anspruch nicht besteht, so bleibt dem Betroffenen nur die Möglichkeit, das Wiederaufgreifen des Verfahrens gem. Art. 51 BayVwVfG zu betreiben (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 32 m.w.N.).
18
Abgesehen davon, dass - entgegen objektiver Annahme - der anwaltlich vertretene Kläger selbst nicht von einer bestandskräftigen Ablehnung ausgeht und einen solchen Antrag konsequenterweise auch nicht ausdrücklich gestellt hat, wäre er insoweit auch nicht klagebefugt gem. § 42 Abs. 2 VwGO. Es fehlte von vornherein und nach jeder Betrachtungsweise an der Möglichkeit, dass der Kläger einen zu einer anderen Sachentscheidung führenden Wiederaufgreifensgrund gem. Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG geltend machen könnte. Er bezieht sich vielmehr weiterhin (auch im vorgelegten Parteigutachten) auf eine bereits zuvor - etwa im Verfahren M 23 K 07.2539 - beanspruchte Sachlage und macht auch keine geänderte Rechtslage geltend. Er trägt lediglich neue Rechtsansichten vor und beharrt dabei im Ergebnis weiterhin auf einer Fehlerhaftigkeit der Flurbereinigung. Diese Festlegungen sowie auch der Abmarkungsbescheid sind bestandskräftig, letzterer mit Ablauf der Rechtsmittelfrist zum Urteil aus 2008 (M 23 K 07.2539), und können somit von vornherein keine Änderung i.S.d. Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG begründen. Der vom Kläger angenommenen und im Gutachten besprochenen Nichtigkeit beider Akte (die das Gericht im Übrigen nicht zu erkennen vermag) ist das Fehlen einer Änderung immanent.
19
Die Voraussetzungen eines Wiederaufgreifengrundes können schlussendlich in der Sache vom Kläger nicht ansatzweise geltend gemacht werden. Sein Vortrag ist von vornherein und nach jeder vertretbaren Betrachtungsweise ungeeignet, einen Grund nach Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG zu begründen.
20
Schließlich hat der anwaltlich vertretene Kläger keinen ausdrücklichen Antrag auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Rücknahme der Grenzfeststellung aus der Flurbereinigung und des Abmarkungsbescheids gem. Art. 48, Art. 51 Abs. 5 BayVwVfG gestellt. Soweit er einen solchen Anspruch auf Rücknahme beider behördlicher Maßnahmen in seiner Klagebegründung in Bezug genommen hat, dient dies ausschließlich zur Begründung seines Antrags auf Änderung der Flurkarte und fehlt es der gerichtlichen Geltendmachung eines solchen Anspruchs mangels bei der jeweils zuständigen Behörde gestellten Antrags am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
21
Selbst wenn der Klageantrag dahingehend auszulegen wäre, wäre aus oben genannten Gründen ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zumindest gegenüber der Vermessungsverwaltung des Beklagten (um die es vorliegend einzig geht) nicht ersichtlich, wenngleich das Gericht die seit Jahrzehnten bestehende missliche Lage des Klägers nachzuvollziehen vermag.
22
Die Klage war daher unter Ausspruch der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.