Inhalt

VG München, Urteil v. 02.07.2020 – M 11 K 18.1331, M 11 K 18.5288
Titel:

Beseitigungsanordnung hinsichtlich eines im Außenbereich errichteten Wohnhauses anstelle eines zerstörten genehmigten Badehauses

Normenketten:
BayBO Art. 76 S. 1
BauGB § 35 Abs. 2, Abs. 4 S. 1 Nr. 3
Leitsatz:
„Gleichartigkeit“ des neu errichteten und des zerstörten Gebäudes im Sinne des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB bedeutet, dass es im Bauvolumen, in der Nutzung und in der Funktion mit dem zerstörten Gebäude gleichartig ist. Soll der Ersatzbau mit einer Nutzungsänderung verbunden werden, beurteilt sich diese nach § 35 Abs. 2 BauGB (hier unzulässige Änderung der Funktion angenommen bei der Errichtung eines Wohnhauses anstelle eines zerstörten genehmigten Badehauses).  (Rn. 26 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigungsanordnung, Baugenehmigung, Außenbereich, Errichtung Wohnhauses anstelle eines abgebrannten „Badehauses“, Bestandsschutz (verneint), Bauaufsicht, Gleichartigkeit, Nutzungsänderung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 08.02.2021 – 1 ZB 20.2258
Fundstelle:
BeckRS 2020, 42276

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerinnen - eine Erbengemeinschaft - wenden sich gegen die Anordnung zur Beseitigung eines Wohnhauses (M 11 K 18.1331) und begehren eine nachträgliche Baugenehmigung (M 11 K 18.5288).
2
Mit Bescheid vom … Dezember 1960 erteilte das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen (im Folgenden: Landratsamt) dem früheren Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 1467 der Gemarkung … eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Badehauses mit Hallenbad und Außenschwimmbecken. Nach den genehmigten Eingabeplänen handelt es sich um ein erdgeschossiges Gebäude mit zwei Gebäudeflügeln, die rechtwinklig - nördlich bzw. südöstlich - um ein Außenschwimmbecken angeordnet sind. Der genehmigte Grundrissplan sieht im nördlichen Gebäudeflügel eine Badehalle mit Hallenbecken vor und im nordöstlichen Gebäudeeck einen Saunabereich mit Tauchbecken, Umkleideraum, Bad und WC. Der südöstliche Gebäudeflügel umfasst Räumlichkeiten, die in den Planunterlagen als „Halle“, „Garderobe - Windfang“, „Ankleideraum“, „Herr“ und „Dame“ bezeichnet werden. Der Bauplatz liegt abseits zusammenhängender Bebauung im Landschaftsschutzgebiet H. ...
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Im Frühjahr 2017 stellte das Landratsamt fest, dass zwischenzeitlich anstelle des genehmigten Badehauses ein Wohnhaus mit angebautem Carport errichtet wurde.
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Im Rahmen der Anhörung ließen die Klägerinnen als zwischenzeitliche Eigentümerinnen (Erbengemeinschaft) des Grundstücks Fl.Nr. 1467 durch ein Planungsbüro im Mai/ Juni 2017 vortragen, dass der Bau des ehemaligen Badehauses nach den damaligen Eingabeplänen durchgeführt worden sei. Nach einem Brandfall im Januar 1999 sei das Gebäude komplett abgebrochen und mit einem vorerst räumlich reduzierten Bauvolumen wiederaufgebaut worden. Der Wiederaufbau des südöstlichen Gebäudeflügels sei auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden, da der damalige Bauherr und Eigentümer Herr W. S. ... einziger Nutzer des Schwimmbeckens gewesen sei. Somit sei die Wohnnutzung früherer Zeiten entfallen, als dieser „Wohnflügel“ als Bademeisterwohnung genutzt worden sei. Die Fundamente des vormaligen Wohnflügels seien derzeit mit einer Abdeckung versehen. Die Nutzung zum Einfamilienhaus sei auch aufgrund eines bauphysikalischen Konstruktionsfehlers beim Wiederaufbau erfolgt, da trotz Rückbau und Wiedereinbringen der Wärmedämmung im Deckenbereich, aufgrund der starken Luftfeuchtigkeit bei wassergefülltem Becken, eine ständige Durchfeuchtung der Deckenkonstruktion haben hingenommen werden müssen. Die Wohnnutzung durch die Familie der Enkelin des Bauherrn sei erst kürzlich aufgenommen worden, sodass die Abwasserbeseitigung noch über die ursprüngliche Dreikammerausfaulgrube erfolge. Ein entsprechender Bauantrag für eine geordnete Abwasserentsorgung wurde angekündigt. Weiter nahm mit Schreiben vom 15. November 2018 und vom 21. Dezember 2018 der Bevollmächtigte der Klägerinnen ausführlich Stellung.
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Mit Bescheid vom … Februar 2018 wurde den Klägerinnen jeweils auferlegt, das als Wohngebäude wiedererrichtete ehemalige Badehaus inklusive des zusätzlich angebauten Carports, des Kellerabgangs mit Überdachung und der Terrasse mit Unterbau innerhalb von 3 Monaten nach Eintritt der Bestandskraft und Eintritt der Duldungspflicht der derzeitigen Bewohner zu beseitigen (Ziff. I). Für den Fall der Zuwiderhandlung wurden jeweils Zwangsgelder i. H. v. 10.000,- EUR angedroht (Ziff. III). Den Bewohnern des Gebäudes wurde die Duldung der Beseitigung unter Zwangsgeldandrohung aufgegeben (Ziff. II und IV). Zur Begründung der auf Art. 76 Satz 1 BayBO gestützten Anordnung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorhaben ohne die erforderliche bauaufsichtliche Genehmigung errichtet worden sei und rechtmäßige Zustände nur durch die vollständige Beseitigung der Anlagen hergestellt werden könnten. Eine nachträgliche Genehmigung komme nicht in Betracht. Es handele sich um ein sonstiges Vorhaben im Außenbereich, das in mehrfacher Hinsicht öffentliche Belange beeinträchtige. Es widerspreche den Festsetzungen des Flächennutzungsplans, der eine Grünfläche festsetze. Darüber hinaus beeinträchtige das Vorhaben insbesondere die Belange des Naturschutzes, da es innerhalb des Landschaftsschutzgebiets „H. ...“ liege. Neben einer Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswertes lasse das Vorhaben insbesondere auch die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten. Eine Heranziehung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB scheitere bereits an der nicht gleichartigen Nutzung des Gebäudes. Auf einen Bestandsschutz aufgrund einer zu irgendeinem Zeitpunkt vorherrschenden gleichartigen Nutzung könnten sich die Eigentümerinnen nicht berufen. Der Bestandsschutz des Badehauses sei aufgrund des rechtswidrigen Wiederaufbaus im Jahr 1999 und der unzulässigen Umnutzung in ein Wohngebäude erloschen. Eingehend auf den Vortrag des Klägerbevollmächtigten im Rahmen der Anhörung wurde weiter ausgeführt, dass es sich bei den vermeintlichen „Betten“ im Grundrissplan um Ruheräume mit Liegen handele und auch das Nichtvorhandensein einer Küche/ Kochnische der Annahme einer Wohnnutzung im Sinne des Baurechts entgegen stehe. Ebenso lasse die Formulierung der Flächenaufstellung der Antragsunterlagen aus dem Jahr 1959 nicht auf eine Wohn- oder Doppelfunktion des Vorgängerbaus als Wohn- und Badehaus schließen, zumal diese Unterlagen kein Bestandteil der Genehmigung seien. Soweit vorgetragen worden sei, dass eine Nutzung zu Wohnzwecken bereits nach der Errichtung des Gebäudes im Jahr 1960 stattgefunden habe, sei durch den Brandfall ein nicht genehmigtes Wohnhaus zerstört worden und der Bestandsschutz des Gebäudes damit bereits zu diesem Zeitpunkt erloschen. Die Nutzung des Vorgängergebäudes zu Wohnzwecken habe einer baurechtlichen Genehmigung bedurft, die bereits zum Zeitpunkt der Umnutzung nicht habe erteilt werden können. Die Umnutzung sei daher sowohl formell als auch materiell rechtswidrig erfolgt, sodass die Nutzung als Wohngebäude keinen Bestandsschutz genieße. Auch der Ersatzbau selbst genieße aufgrund der fehlenden baurechtlichen Genehmigung keinen Bestandsschutz. Selbst bei Annahme einer zumindest materiell zulässigen Wiedererrichtung des durch den Brandfall zerstörten Badehauses könnten sich die Klägerinnen nicht auf Bestandsschutz berufen, da sie einen solchen Schutz spätestens durch die heute eindeutig rechtswidrig vorliegende Wohnnutzung des gesamten Gebäudes verwirkt hätten. Im Übrigen besitze das Gebäude keine ordnungsgemäße Abwasserentsorgungsanlage, sodass keine ordnungsgemäße Erschließung vorliege. Die Anordnung sei ermessensgerecht, insbesondere sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet. Die Anordnung stelle für die Klägerinnen keine unangemessene Härte dar. Es entstehe keine übermäßige finanzielle Belastung und auch die gesetzte Frist für die Beseitigung sei angemessen. Der Bescheid wurden den Klägerinnen jeweils am 2. März 2018 zugestellt.
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Hiergegen ließen die Klägerinnen durch ihren Bevollmächtigten am 19. März 2018 Klage (M 11 K 18.1331) erheben und beantragen,
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den Bescheid des Landratsamts vom … Februar 2018 hinsichtlich der Baubeseitigung des Wohnhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. 1467 der Gemarkung … aufzuheben.
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Unter dem 11. Juni 2018 beantragten die Klägerinnen in Erbengemeinschaft eine Baugenehmigung für die „Nachlegalisierung eines Wohnhauses“. In der eingereichten Baubeschreibung und den Eingabeplänen wird im Wesentlichen auf den „Bestand“ verwiesen. Im Lageplan ist vermerkt, dass zur ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung die bestehende Abwasserbehandlungsanlage nach den anerkannten Regeln der Technik nachgebessert werden solle. Mit Beschluss des Bauausschusses vom 13. August 2018 erteilte die Beigeladene das gemeindliche Einvernehmen unter der Bedingung u. a. des Vorliegens der Voraussetzungen des § 35 BauGB und des Nachholens der kanalmäßigen Erschließung.
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Nach Anhörung der Klägerseite lehnte das Landratsamt die beantragte Baugenehmigung mit Bescheid vom … September 2018 ab, wobei die Begründung im Wesentlichen den Ausführungen des Bescheids vom … Februar 2018 entspricht. Der Bescheid wurde den Klägerinnen jeweils am 4. Oktober 2018 zugestellt.
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Daraufhin ließen die Klägerinnen durch ihren Bevollmächtigten am 25. Oktober 2018 Klage (M 11 K 18.5288) erheben und zuletzt beantragen,
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den Bescheid des Landratsamts vom … September 2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Antrag vom 11. Juli 2018 hinsichtlich der Nachlegalisierung eines Wohnhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. 1467 der Gemarkung … zu genehmigen;
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hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids vom … September 2018 zu verpflichten, über den Antrag der Klägerinnen auf Baugenehmigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Zur Begründung der Klagen wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB ein Anspruch auf Wiedererrichtung des durch Brand untergegangenen Wohn- und Schwimmgebäudes bestanden habe und das Gebäude somit materiellrechtlich Bestandsschutz genieße. Das Landratsamt gehe zu Unrecht davon aus, dass eine nachträgliche Genehmigung gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB mangels gleichartiger Nutzung und ordnungsgemäßer Abwasserentsorgung ausscheide. Insoweit wurde zunächst der Vortrag im Rahmen der Anhörung wiederholt. Der Planzeichnung sei ein mit „Herrn“ und „Damen“ bestimmter Raum zu entnehmen, welcher offensichtlich jeweils 2 Betten aufweise. Ferner seien in der dem damaligen Bauantrag beigefügten Nutzflächenbeschreibung unter „nutzbaren Wohnflächen“ neben der Halle mit einer Fläche von 79,85 m² weitere Flächen im EG von 151,39 m² aufgeführt. Nach der Errichtung des Gebäudes im Jahr 1960 sei das Badehaus tatsächlich bewohnt worden, vorübergehend von Gästen und Mitgliedern der Familie, teilweise auch längerfristig. Auch im wiederaufgebauten Gebäude sei eine Wohnnutzung integriert gewesen. Somit stehe fest, dass sich das Gebäude mit einer Doppelfunktion - als Badehaus und auch als Wohngebäude - darstelle und es sei insofern von Anfang an eine Wohnnutzung genehmigt gewesen. Der Vortrag betreffend die Baubeschreibung vom 1. Dezember 1959 wurde vertieft. Zum Sachverhalt wurde klargestellt, dass die Wiedererrichtung nicht durch den früheren Eigentümer und Vater der Klägerinnen erfolgt sei. Der als „Schwimmhalle“ bezeichnete Bauteil sei 1998/1999 mit einer Grundfläche von ca. 82 m² wiedererrichtet worden und habe ein Schwimmbecken von 4 × 6 m aufgewiesen. Das größere Außenschwimmbecken sei zu einem späteren Zeitpunkt verfüllt und begrünt worden. Der östliche Gebäudeflügel mit einem Teil der Wohnräume sei nicht wiederaufgebaut worden. Stattdessen sei zu einem Zeitpunkt der Raum mit Schwimmbecken aufgelassen und einer wohnwirtschaftlichen Nutzung zugeführt worden. Die Wohnflächenberechnung zum Bauantrag 1960 weise als Größe der Wohnräume 151,39 m² netto und als Größe der Halle 79,85 m² netto aus. Der nicht wieder errichtete Bauteil habe eine Größe von ca. 80 m² Wohn- bzw. Nutzfläche aufgewiesen. Der vorhandene bauliche Bestand weise dabei eine Wohnfläche auf, die der Wohnfläche des ursprünglich genehmigten Bauvorhabens entspreche. Das Landratsamt behaupte zu Unrecht, dass das Vorgängergebäude als Badehaus ohne Wohnnutzung genehmigt worden sei, wobei die „Betten“ als „Liegen“ interpretiert worden seien. Diese Beurteilung widerspreche der eindeutigen Wortwahl und der Tatsache, dass Liegen zur Schwimmbadnutzung im Regelfall im Schwimmbad aufgestellt würden. Weiter wurde vorgetragen, dass noch eine detailliertere Flächenaufstellung aufgefunden worden sei (Anlage K 3 im Verfahren M 11 K 18.1331). Eine Einbauküche sei im Flur-/ Dielenbereich vorhanden gewesen, der auch als Essraum gedient habe. Da die Bauaufsichtsbehörde nach früherer Rechtslage verpflichtet gewesen sei, eine Bauabnahme vorzunehmen, werde davon ausgegangen, dass dies auch bei dem ursprünglich hergestellten Badehaus erfolgt und die wohnwirtschaftliche Nutzung offensichtlich gewesen sei. Auch sei die Baubeschreibung zu berücksichtigen, da sie Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens und Grundlage der Baugenehmigung sei. In einem Bereich von ca. 160 m² sei demnach bereits 1960 eine Wohnnutzung genehmigt worden. Dabei sei zu beachten, dass die Sanitär- und Nebenräume nicht nur der Schwimmhalle gedient hätten, sondern zugleich auch der wohnwirtschaftlichen Nutzung. Die gegenwärtige Nutzung entspreche der genannten Größenordnung. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB erfordere nicht ein „nutzungsidentisches“ Gebäude als Ersatzbau, sondern lediglich ein „gleichartiges“ Gebäude. Dies schließe ein, dass der Ersatzbau hinsichtlich der Zuordnung der Wohnräume gegenüber dem ursprünglichen Bestand wesentlich abweichen könne. Weiter sei die Voraussetzung einer „alsbaldigen Neuerrichtung“ nach dem Brandfall im Jahr 1999 gegeben, auch wenn die Neuerrichtung ohne erforderliche Baugenehmigung erfolgt sei. Obwohl der Brandfall und im Grundsatz auch die Neuerrichtung dem Landratsamt habe bekannt sein müssen, habe dieses eine Bauantragstellung nicht gefordert. Nach dem Gesetzeswortlaut reiche allein das tatsächliche Vorgehen. Aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB genieße das Vorhaben zumindest materiellen Bestandsschutz, sodass eine Beseitigungsanordnung ausscheide. Durch die rechtswidrige Wohnnutzung des Gesamtgebäudes werde der Bestandsschutz nur verwirkt, wenn es sich bei den im Jahr 1960 genehmigten Gebäude nicht um ein solches mit Wohnnutzung gehandelt habe. Soweit im Inneren des Gebäudes zwischenzeitlich bauliche Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Ersatzbau vorgenommen worden seien, hätten diese gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 a) und b) BayBO verfahrensfrei durchgeführt werden können. Hinsichtlich der Umnutzung der Schwimmhalle in einen allgemeinen Wohnraum greife Art. 57 Abs. 4 BayBO, da es sich um die Umwandlung einer von bereits im Weiteren der Wohnnutzung dienenden Nutzung handele. Hinzu komme, dass bei familiärem Bedarf gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB sogar eine bauliche Erweiterung des Bestandsgebäudes zulässig sei. Zur Erschließungsproblematik wurde vorgetragen, dass in Zusammenhang mit der Errichtung des Badehauses eine Entwässerungsplanung gefordert worden sei. Der Planzeichnung (Anlage K 4 im Verfahren M 11 K 18.1331) könne entnommen werden, dass die Anschlussleitungen von Küche, Bad und sonstigen Sanitärbereichen an eine teilbiologische Kleinkläranlage anzuschließen seien. Sofern diese Art der Entwässerung nicht mehr heutigen Ansprüchen entspreche, könnten Nachbesserungen erfolgen, sodass eine allein hierauf gestützte Beseitigungsverfügung unverhältnismäßig sei. Schließlich seien die Ermessensabwägungen der verfügten Beseitigungsanordnung nicht geeignet und ausreichend, um eine ordnungsgemäße Ermessensausübung erkennen zu lassen. Es handele sich vorliegend um einen atypischen Sachverhalt. Da nur plakativ erklärt werde, dass die Abbruchverpflichtung keine übermäßige finanzielle Belastung für die Klägerinnen darstelle, liege ein Ermessensausfall vor. Das Landratsamt habe ohne eigene Erkundungen oder aufgrund der Vermutung der finanziellen Ausstattung der Klägerinnen Aussagen getroffen. Jede Beseitigungsanordnung hinsichtlich wohnwirtschaftlich verwendbarer Anlagen stelle einen erheblichen finanziellen Eingriff dar.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klagen abzuweisen.
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Hinsichtlich der begehrten Baugenehmigung sei die Klage bereits unzulässig, da die Bauantragsunterlagen mangelhaft seien. Jedenfalls seien beide Klagen unbegründet. Nach Aktenlage werde davon ausgegangen, dass der aktuelle Baubestand zu einem Zeitpunkt nach 2012 als vollständiger Neubau mit Holzständerwerk auf den betonierten Kellerwänden errichtet worden und nicht mit dem 1999 wieder errichteten Gebäude einer Schwimmhalle identisch sei. Neben dem Vortrag der Klägerseite würden die Angaben des Planungsbüros im Rahmen des Anhörungsverfahrens nahelegen, dass ein Wiederaufbau der Schwimmhalle 1999 und die Nutzung dieses Baubestands durch Herrn W. S. ... erfolgt sei. Pläne zu dem damals errichteten Gebäude und dessen Nutzung seien von Klägerseite nicht vorgelegt worden. Die von Klägerseite vorgelegte „Planung von 1998“ (Anlage K 2 im Verfahren M 11 K 18.1331) sei hinsichtlich des Datums unlesbar und insofern nicht nachvollziehbar, als der Brandfall vom Januar 1999 datiere. Auch bleibe offen, wo innerhalb des 1999 wiedergeschaffenen Baubestands ein Nutzung zu Wohnzwecken durch Gäste, Besucher oder Familienmitglieder stattgefunden haben soll. Ein weiterer Widerspruch ergebe sich daraus, dass seitens des Planungsbüros im Rahmen der Anhörung auf eine Nutzung des südöstlichen Flügels als Bademeisterwohnung Bezug genommen werde, was sich mit der vorgetragenen sonstigen Wohnnutzung nicht in Einklang bringen lasse. Die Pläne mit Datum vom 1. Februar 2012 würden einen vollständigen Neubau eines Wohnhauses mit Holzständerwerk auf den betonierten Kellerwänden zeigen. Es sei nicht ersichtlich, dass nach 2012 nur die geschädigte Dachkonstruktion habe verändert werden sollen. Die reine Wohnnutzung sei nach den Angaben des Planungsbüros erst „kürzlich“ aufgenommen worden. Die Ausführungen der streitgegenständlichen Bescheide zur bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit nach § 35 BauGB wurden vertieft. Bei einer Errichtung nach 2012 fehle es bereits an einer „alsbaldigen“ Neuerrichtung i. S. v. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Zur fehlenden „Gleichartigkeit“ der Gebäude wurde ergänzend vorgetragen, dass der flächenmäßig weit überwiegende Teil der genehmigten Anlage (Außen- und Innenschwimmbecken, Halle, Tauchbad, Sauna, Umkleide, Ankleideraum) erkennbar allein der Entspannung und temporären Erholung gedient habe, jedoch nicht der auf Dauer angelegten Häuslichkeit des in unmittelbarer Nähe wohnenden Bauherrn. Die übrigen Räume seien erkennbar zugeordnete Funktionsräume. Unabhängig davon habe der „Nichtwohnteil“ ein solches Übergewicht, dass von einem einheitlichen Wohngebäude ersichtlich nicht gesprochen werden könne. Schließlich sei das Vorhaben wegen fehlender kanal- und wegemäßiger Erschließung nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig und scheitere hieran auch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht.
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Mit Schriftsätzen vom 15. Juli 2019 vertiefte der Klägerbevollmächtigte das bisherige Vorbringen in beiden Klageverfahren. Insbesondere wurde ausgeführt, dass das Schwimmbecken im Jahr 2012 aufgrund von Feuchtigkeitsschäden aufgelassen und als allgemeiner Wohnraum genutzt worden sei. Diese Nutzungsänderung bewege sich im Rahmen des Nutzungsspektrums einer Wohnnutzung. Ein Raum mit Wasserbecken sei Bestandteil der Gesamtwohnnutzung. Auf etwaige formale Mängel des Bauantrags habe das Landratsamt nicht hingewiesen. Sowohl der Anschluss an einen Abwasserkanal als auch eine rechtliche Sicherung der verkehrlichen Zufahrtsmöglichkeit seien herstellbar.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klagen bleiben ohne Erfolg. Sie sind zulässig, aber unbegründet.
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Die streitgegenständlichen Bescheide vom … Februar 2018 und vom … September 2018 sind rechtmäßig ergangen. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung oder erneute Verbescheidung. Sie werden weder durch die Versagung der Baugenehmigung noch durch die verfügte Baubeseitigung in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung oder - wie hilfsweise beantragt - erneute Entscheidung, da dem Bauvorhaben öffentlichrechtliche Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren - hier im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO - zu prüfen sind, vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO.
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Eine Genehmigungsfähigkeit des bereits errichteten, unstrittig genehmigungspflichtigen Gebäudes ist zu verneinen. Als sonstiges Bauvorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB ist das bereits errichtete Vorhaben nicht zulässig, weil öffentliche Belange in mehrfacher Hinsicht beeinträchtigt werden.
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1.1 Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich nach § 35 BauGB, da das Vorhaben unstrittig im Außenbereich liegt. Das Landratsamt hat in den streitgegenständlichen Bescheiden zutreffend ausgeführt, dass das nicht privilegierte Vorhaben die natürliche Eigenart der Landschaft im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB beeinträchtigt, zumal das Grundstück im Landschaftsschutzgebiet „H. ...“ liegt. Darüber hinaus widerspricht das Vorhaben den Festsetzungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Auch ginge von der Zulassung des Vorhabens als sonstigem Vorhaben eine Bezugsfallwirkung aus, die das Entstehen bzw. die Verfestigung einer im Außenbereich unerwünschten Splittersiedlung nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten ließe.
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1.2. Die Klägerinnen können sich demgegenüber nicht auf eine Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 BauGB berufen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Begünstigungstatbeständen des § 35 Abs. 4 BauGB um eng auszulegende Ausnahmevorschriften handelt, die weder entsprechend auf von den einzelnen Regelungen nicht unmittelbar erfasste Sachverhalte angewendet noch miteinander kombiniert werden dürfen (BayVGH, U.v. 5.2.2007 - 1 BV 05.2981 - juris; BVerwG, NVwZ 1988, S. 357; NVwZ 1998, S. 842).
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1.2.1 Insbesondere können sich die Klägerinnen entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nicht auf den Tatbestand des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB berufen. Dieser Begünstigungstatbestand erfasst die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle.
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a) Selbst bei Annahme, dass es sich bei dem heutigen Baubestand um einen alsbald nach dem Brandereignis errichteten Ersatzbau des zerstörten Badehauses handeln sollte, ist die Beklagtenseite zutreffend davon ausgegangen, dass es an einer „Gleichartigkeit“ des neu errichteten und des zerstörten Gebäudes im Sinne des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB fehlt.
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aa) „Gleichartigkeit“ des neu errichteten Gebäudes bedeutet, dass es im Bauvolumen, in der Nutzung und in der Funktion mit dem zerstörten Gebäude gleichartig ist (vgl. (BVerwG U.v. 8.6.1979 - 4 C 23.77; U.v. 13.6.1980 - 4 C 63.77; U.v. 23.1.1981 - 4 C 85.77 - jew. juris). Soll der Ersatzbau mit einer Nutzungsänderung verbunden werden, beurteilt sich diese nach § 35 Abs. 2 BauGB (vgl. Söfker in E/Z/B/K, BauGB, § 35, Rn. 154). Um eine unzulässige Änderung der Funktion handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung etwa bei der Errichtung eines Wohnhauses anstelle eines Jagdhauses (vgl. BVerwG U.v. 8.6.1979 - 4 C 23.77 - juris) oder anstelle eines Wochenendhauses (vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2010 - 1 ZB 08.912 - juris). Eine geänderte Raumaufteilung oder eine nur untergeordnete Veränderung der Nutzung einzelner Räume berührt die Gleichartigkeit demgegenüber nicht (BVerwG, U.v. 23.1.1981 - 4 C 85.77 - juris).
28
Bei dem heutigen Gebäudebestand handelt es sich unstrittig um ein Gebäude, das dem dauerhaften Wohnen dient. Der Auffassung der Klägerseite, wonach es sich auch bei dem ursprünglich genehmigten Badehaus zumindest in einer Art „Doppelfunktion“ um ein genehmigtes Wohngebäude handeln soll, ist nicht zu folgen. Der städtebauliche Begriff des Wohnens umfasst eine auf gewisse Dauer angelegte, eigenständige Gestaltung des häuslichen Lebens auf der Grundlage eines freiwilligen Aufenthalts und bezieht sich auf die baulichräumliche Ausgestaltung und Ausstattung des Gebäudes sowie seine objektive Zweckbestimmung (vgl. Stock in E/Z/B/K, BauNVO, § 3, Rn. 36). Zum Wohnen gehören bestimmte Ausstattungsmerkmale des Gebäudes, vor allem ein entsprechender Grundriss sowie eine Küche oder Kochgelegenheit, Wasserversorgung, Ausguss und Toilette (vgl. Stock in E/Z/B/K, BauNVO, a.a.O). Darüber hinaus erfasst die Teilprivilegierung nur bisher zu Dauerwohnzwecken und als ständige Hauptwohnung genutzte Wohngebäude (vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2010 - 1 ZB 08.912 - juris Rn. 18 zu § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB). Keine Wohngebäude oder Wohnnutzungen in diesem Sinne sind daher Wochenendhäuser oder Ferienwohnungen (vgl. Stock in E/Z/B/K, BauNVO, § 3, Rn. 41 m.w.N.).
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Dies zugrunde gelegt, wurde in den Jahren 1959/ 1960 ein Wohngebäude weder beantragt noch genehmigt. Die genehmigten Planunterlagen sehen keinerlei Küche/ Küchenzeile oder auch nur einen sonstigen „Wohnbereich“ vor. Bei den als „Dame“ bzw. „Herr“ bezeichneten Räumen wie auch der „Halle“ handelt es sich nach der Anordnung der Räume und unter Zugrundelegung der im Bauantrag angegeben Zweckbestimmung des Vorhabens (zu deren Maßgeblichkeit vgl.: Stock in E/Z/B/K, BauNVO, § 3, Rn. 42) als „Badehaus“ erkennbar um bloße Ruhe- bzw. Aufenthaltsräume, die der dominierenden Schwimm- bzw. Saunanutzung zugeordnet sind und lediglich der temporären Erholung dienen. Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, lässt sich der Baubeschreibung vom 1. Dezember 1959 zudem nicht entnehmen, dass eine Wohnnutzung beantragt gewesen wäre. Insbesondere wurde Ziff. 8 der Baubeschreibung zur Aufteilung des Gebäudes in Wohnungen nicht ausgefüllt bzw. der Begriff „Raumwohnung“ sogar ausgestrichen. Allein der Umstand, dass im Zusammenhang mit den Flächenberechnungen die Formulierung „nutzbare Wohnfläche nach DIN 283“ verwendet wurde, führt nicht dazu, dass vorliegend von der Beantragung oder gar von der Genehmigung eines Wohngebäudes auszugehen wäre.
30
Soweit von Seiten des Klägerbevollmächtigten vorgetragen wurde, dass das Schwimmbecken Teil einer „Gesamtwohnnutzung“ des Badhauses bzw. des Ersatzbaus gewesen sei, fehlt es an letzterer damit gerade. Insoweit ist der vorliegende Sachverhalt auch nicht vergleichbar mit der Sachverhaltskonstellation einer Schwimmhalle z.B. im Kellerbereich eines Wohngebäudes, sofern diese dem Wohnen untergeordnet ist.
31
bb) Für die Genehmigungslage nicht entscheidungserheblich ist ferner der Vortrag, wonach in das Badehaus zu einem späteren Zeitpunkt eine Küchenzeile eingebaut worden sei und eine Wohnnutzung durch Gäste und/ oder einen Bademeister zumindest „zeitweise“ stattgefunden habe. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die zur Annahme eines „Wohngebäudes“ i. S. d. § 35 Abs. 4 BauGB erforderliche Nutzung als ständige Hauptwohnung zu Dauerwohnzwecken damit bereits nicht dargetan wurde.
32
Selbst wenn das Gebäude bereits vor dem Brand zur (Dauer-)Wohnnutzung verwendet worden sein sollte, ändert dies weder die Genehmigungslage, noch führt eine derartige Nutzung zu einem Bestandsschutz aufgrund zumindest zeitweise bestehender materieller Legalität. Zwar soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für das Merkmal des „zulässigerweise errichteten“ Gebäudes ausreichen, dass das Gebäude zu irgendeinem Zeitpunkt seines Bestehens zumindest materiell genehmigungsfähig gewesen wäre (vgl. BVerwGE, 124 (126 f.) = NJW 1980, 110 zu § 35 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BauGB 1976; Söfker in E/Z/B/K, BauGB, § 35, Rn. 143, 147 und 151 m.w.N.). Ein überwirkender Bestandsschutz, der generell auch Änderungen der genehmigten Nutzung umfassen würde (sog. aktiver Bestandsschutz) ist demgegenüber außerhalb der gesetzlichen Regelungen nicht mehr anzuerkennen (vgl. Simon/Busse/Decker, BayBO, Art. 76, Rn. 119 ff.; BVerwG, v. 1.12.1995).
33
Die Aufnahme einer Dauerwohnnutzung im Außenbereich war weder vor noch nach dem Inkrafttreten der Bayerischen Bauordnung von 1962 genehmigungsfähig, auch wenn Nutzungsänderungen nach der Bayerischen Bauordnung von 1901 bis zum Inkrafttreten der Bayerischen Bauordnung von 1962 nicht genehmigungspflichtig waren. Nach § 3 Abs. 1 der am 1. März 1936 in Kraft getretenen Verordnung über die Regelung der Bebauung vom 15. Februar 1936 (Reichsgesetzblatt I S. 104) sollte die baupolizeiliche Genehmigung für bauliche Anlagen, die außerhalb von Baugebieten oder soweit solche nicht ausgewiesen sind, außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils ausgeführt werden sollen, versagt werden, wenn ihre Ausführung der geordneten Entwicklung des Gemeindegebiets oder einer ordnungsgemäßen Bebauung zuwiderlaufen würde. Auch damals sollte der Außenbereich grundsätzlich von Bebauung freigehalten werden (vgl. VG München, U.v. 28.10.2010 - M 11 K 10.278). Die Rechtmäßigkeit der Genehmigung des ursprünglichen Badehauses im Jahr 1960 erscheint vor diesem Hintergrund zweifelhaft, kann angesichts der Bestandskraft des Bescheides aber dahingestellt bleiben.
34
Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass es - selbst unter Berücksichtigung eines etwaigen Bestandsschutzes - an einer Gleichartigkeit des neu errichteten Gebäudes mit dem zerstörten Badehaus § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB fehlt.
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b) Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es auch an der Voraussetzung einer „alsbaldigen“ Neuerrichtung nach dem Brandereignis im Jahr 1999 fehlen dürfte. Weder den Akten noch dem Vortrag der Klägerseite ist zu entnehmen, welche Anlage im Jahr 1999 im Bereich des vormaligen nördlichen Gebäudeflügels errichtet wurde. Das Gericht teilt insofern die Einschätzung der Beklagtenseite, dass es sich bei dem heutigen Gebäudebestand wohl nicht um den nach dem Brandereignis im Jahr 1999 errichteten Ersatzbau handeln dürfte. Die in den Akten befindlichen Lichtbilder zeigen über dem (erhaltenen) Hallenbecken offenbar eine Art Satteldach-Sichtstuhl-Konstruktion in massiver Holzbauweise (vgl. Fotos Bl. 65 ff. des Gehefts „Brandschaden/ Wiedererrichtung mit Verkleinerung 1999“), die sich im heutigen Baubestand so nicht wiederfindet und demnach offenbar nachträglich wieder beseitigt wurde. Nach dem Vortrag der Klägerseite wurde das Hallenbecken zudem erst im Jahr 2012 aufgelassen, sodass völlig unklar ist, in welchen der 1999 errichten Räumlichkeiten eine Wohnnutzung - und zwar in der Form einer Dauerwohnnutzung im Hauptwohnsitz - stattgefunden haben soll. Sollte es sich - wofür vorliegend einiges spricht - bei dem heutigen Baubestand um den Ersatzbau eines ersten Ersatzbaus handeln, scheidet eine Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB von vornherein aus, da andernfalls die engen Tatbestandsvoraussetzungen - gerade im Hinblick auf den engen Zeitzusammenhang zum Schadensereignis - umgangen würden. Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen zur Annahme einer „alsbaldigen Neuerrichtung“ liegt bei den Klägerinnen. Soweit sich der in der mündlichen Verhandlung beantragte Zeugenbeweis auch auf das im Jahr 1999 errichtete Gebäude und die (Nicht-)Vornahme einer Änderung des Dachstuhls bezog, war dem mangels Entscheidungserheblichkeit (s. dazu die Ausführungen unter Rn. 26 ff. sowie Rn. 37) nicht nachzukommen.
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1.2.2 Ebenso scheidet eine erleichterte Zulassung der Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB aus, da es sich bei dem Badehaus - wie ausgeführt - bereits nicht um ein Wohngebäude handelte. Sonstige (Teil-)Privilegierungstatbestände sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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1.3 Im Übrigen besteht auf die begehrte Baugenehmigung auch deshalb kein Anspruch, weil von Klägerseite nach wie vor kein Nachweis der gesicherten Erschließung im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB erbracht wurde. Dass die derzeitige Erschließungssituation unzureichend ist, wird von Klägerseite nicht bestritten. Der in den eingereichten Planunterlagen enthaltene Vermerk ist zum Nachweis einer gesicherten kanalmäßigen Erschließung nicht ausreichend. In Hinblick auf die verkehrliche Erschließung sei zudem angemerkt, dass die von Klägerseite im Verfahren nicht weiter thematisierte Neuerrichtung eines Carports deutlich zeigt, dass sich durch die heutige Dauerwohnnutzung andere außenbereichsrelevante Anforderungen ergeben, als dies durch etwaige frühere temporäre Nutzungen der Fall gewesen sein mag.
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2. Soweit hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zur Neuverbescheidung beantragt wurde, hat auch dieser Antrag keinen Erfolg. Die getroffene Entscheidung des Landratsamts ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
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3. Schließlich ist auch die auf Grundlage des Art. 76 BayBO erlassene Beseitigungsanordnung rechtlich nicht zu beanstanden.
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3.1 Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von im Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften errichteten oder geänderten Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Diese Voraussetzungen liegen vor. Nach den obigen Ausführungen scheidet die erforderliche nachträgliche Genehmigung des Vorhabens zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände aus, sodass das gegenständliche Gebäude formell und materiell baurechtswidrig ist.
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3.2 Das vom Landratsamt im Bescheid vom … Februar 2018 ausgeübte Ermessen ist im Rahmen des nach § 114 Satz 1 VwGO im gerichtlichen Verfahren eingeschränkten Prüfungsumfangs nicht zu beanstanden.
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Der Bescheid leidet im Hinblick auf die Ermessensausübung weder unter formalen Begründungsmängeln i. S. v. Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG noch unter materiellen Ermessensfehlern nach Maßgabe von § 114 VwGO. Bei der Ermessensentscheidung, ob eine im Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften errichtete bauliche Anlage zu beseitigen ist, genügt es regelmäßig, dass die Behörde zum Ausdruck bringt, der beanstandete Zustand müsse wegen seiner Rechtswidrigkeit beseitigt werden (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2012 - 1 ZB 11.1210 - juris). Diesen Anforderungen wird der streitgegenständlichen Bescheid ohne Weiteres gerecht. Das Landratsamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beseitigung des rechtswidrig errichteten Gebäudes zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände und zur Vermeidung von Bezugsfällen pflichtgemäßem Ermessen entspricht.
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Die Beseitigungsanordnung ist zudem geeignet, um rechtmäßige Zustände herzustellen und auch verhältnismäßig. Zwar handelt es sich um einen intensiven Eingriff, da das streitgegenständliche Vorhaben aber unter keinem Gesichtspunkt materiell genehmigungsfähig ist (s.o.), kommen mildere Mittel wie die Aufforderung zur Stellung eines Bauantrags oder eine Nutzungsuntersagung (Art. 76 Satz 2 und 3 BayBO) nicht in Betracht. Auch ein etwaiger Rückbau in eine Schwimmhalle scheidet bereits deshalb aus, weil der Bestandschutz des vormaligen Badehauses durch die Neuerrichtung bzw. Umnutzung in ein Wohngebäude erloschen ist. Auf die zutreffenden Ausführungen des streitgegenständlichen Bescheids wird insoweit Bezug genommen.
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Die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Schadens, der durch die Beseitigung des Gebäudes entsteht, wie auch der durch den Rückbau entstehenden Kosten kann nicht dazu führen, dass derjenige, der sich baurechtswidrig verhält, gegenüber dem rechtstreuen Bauherrn bevorzugt wird, der sich vor der Errichtung des Bauvorhabens bei der Bauaufsichtsbehörde vergewissert, ob das Bauvorhaben mit den öffentlichrechtlichen Vorschriften vereinbar ist. Soweit von Klägerseite insofern ein Ermessensausfall unter allgemeinem Verweis auf die jeder Beseitigungsanordung wohnwirtschaftlich verwendbarer Anlagen innewohnenden finanziellen Belastungen gerügt wurde, wird verkannt, dass die Klägerinnen (bzw. deren Rechtsvorgänger) dieses finanzielle Risiko durch die Errichtung/ Umnutzung des Gebäudes ohne Einholung einer vorherigen Baugenehmigung eingegangen sind. Im Übrigen wurden weder der behauptete „atypische Sachverhalt“ noch das Vorliegen einer besonderen Härte substantiiert vorgetragen. Vom Verlust des Wohnraums sind die Klägerinnen ohnehin nicht unmittelbar betroffen - anders als die Bewohner, die gegen die Duldungsverfügung jedoch nicht vorgegangen sind.
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4. Schließlich ist auch die auf Grundlage der Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 und 2, Art. 36 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) erlassene Zwangsgeldandrohung nicht zu beanstanden. Einwendungen wurden von Klägerseite insoweit nicht erhoben.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die im Verfahren M 11 K 18.5288 Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst, da sie mangels Antragstellung kein Kostenrisiko eingegangen ist (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.