Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 10.12.2020 – 14 O 4339/19
Titel:

Gewerberaummiete - Umfang der Mitbenutzungsrechte von Gemeinschaftsflächen

Normenkette:
BGB § 535 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der Mieter von Geschäftsräumen in einem Einkaufscenter hat auch ohne besondere Vereinbarung im Mietvertrag Anspruch auf Mitbenutzung der Gemeinschaftsflächen, die für den Zugang zu den Geschäftsräumen wie Treppenhaus, Fahrstuhl oder Flure, typischerweise erforderlich sind. (Rn. 32 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein direkter barrierefreier überdachter Zugang von einem Parkhaus zum Einkaufscenter, stellt insbesondere in Innenstadtlagen einen erheblichen Umstand für die Attraktivität der Ladenlokale dar, sodass unter Berücksichtigung des maßgeblichen objektiven Empfängerhorizonts die Mitbenutzung des Parkhauses und des überdachten Zugangs zwischen Parkhaus und Center zum Inhalt des Mietverhältnisses für das Ladenlokal wird. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ladenlokal, Parkhaus, Benutzung, Gemeinschaftsflächen, Übergang
Fundstellen:
BeckRS 2020, 42085
ZMR 2021, 494
LSK 2020, 42085

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die im Zugangswegbereich zwischen den Parkebenen P2, P3 und P4 des auf dem Anwesen … gelegenen Parkhauses und dem dort über diesen Zugangsweg verbundenen Einkaufszentrum … mit der postalischen Adresse … befindlichen Zu- und Ausgangstüren (Türanlage) wieder zu öffnen und die Öffnung dieses Zu-/Ausgangs zumindest während der Öffnungszeiten des Einkaufszentrums dauerhaft aufrecht zu halten, soweit dem nicht etwa notwendige Reparaturarbeiten der Zu-/Ausgangstüren entgegenstehen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer 1 vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen ist das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird bis 27.08.2020 auf 40.000,00 € und danach auf 122.241,88 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten und Widerklägerin einen - derzeit von ihr gesperrten - überdachten Zugangsweg zwischen dem Einkaufszentrum … und dem benachbarten Parkhaus wieder zu öffnen und während der Öffnungszeiten des Einkaufszentrums die Öffnung dauerhaft aufrechtzuerhalten, sowie die Verpflichtung der Klägerin und Widerbeklagten, die von ihr in dem Einkaufszentrum als Gewerbelokal mit der Bezeichnung … angemietete Mietfläche zu räumen und an die Beklagte und Widerklägerin herauszugeben.
2
Die Klägerin ist eine Mieterin im Einkaufszentrum … (im Folgenden: Center) die Beklagte ist dessen Betreiberin.
3
Mit Mietvertrag vom 31.08./14.10.2016 mietete die Klägerin im 1. Obergeschoss des im Jahr 1999 eröffneten Centers eine Ladenfläche im Gesamtumfang von knapp 361 m² zum Betrieb eines Fachgeschäftes für Mode unter der Bezeichnung … an. Die Mietvertragsurkunde (Anlage 1) setzt sich zusammen aus einzelnen Vertragsteilen, einem Teil A (grundlegende Bestimmungen), einem Teil B (allgemeine Bedingungen), einem Teil C (centerspezifische Bedingungen), sowie einem Teil D (zusätzliche Vereinbarungen). Ursprünglicher Vertragspartner auf Vermieterseite war die … KG, Hamburg, die die Rechtsvorgängerin der Beklagten ist. Mit Übertragung des Eigentums des Mietgrundstücks auf die Beklagte im Jahr 2017 trat diese auf Vermieterseite in das Mietverhältnis ein.
4
Gemäß Teil C Ziffer 1.1 des Mietvertrages sichert die Vermieterin der Klägerin die Vorhaltung von Stellplätzen in mindestens der behördlich geforderten Anzahl zu, wobei die Stellplätze gemäß diesem Vertragsteil ausdrücklich nicht Mietgegenstand sind und der Mieter keinen Anspruch auf eine bestimmte Anzahl von Stellplätzen hat.
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Durch entsprechende Aushänge im Center erfolgte im Jahr 2018 die Mitteilung, dass das Parkhaus zum 31.12.2018 dauerhaft geschlossen werde (Anlage K3). Die Klägerin intervenierte mit anwaltlichen Schreiben vom 14.12.2018 und forderte die Beklagte auf, den Parkhausbetrieb aufrechtzuerhalten (Anlage K4). Unter dem 28.12.2018 (Anlage K5) teilte die Beklagte mit, dass das Parkhaus nicht geschlossen, sondern weiterbetrieben werde.
6
Anfang Juni 2019 wurde seitens der Beklagten eine Sperrung der Zugänge (Glastüren) des Zugangsweges zwischen den Parkebenen P2, P3 und P4 des - auf dem Anwesen … - gelegenen Parkhauses und dem über diesen Zugangsweg verbundenen Centers sowie umgekehrt veranlasst, worauf durch entsprechende Hinweisschilder hingewiesen wurde (Anlage K6a-c). Bis zu der Sperrmaßnahme der Beklagten war ein unbeschränkter Direktzugang zwischen Parkhaus und Center über den Übergang bereits seit Eröffnung des Centers in den 80er-Jahren fortwährend möglich gewesen. Die Sperrung wurde mit technischen Gründen begründet (Anlage K6a-c).
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Der streitgegenständliche Zugangsweg befindet sich im Bereich des Parkhauses auf Höhe der Parkebene P3. Den Zugangsweg erreicht der das Parkhaus nutzende Centerkunde, entweder direkt, wenn er auf der Ebene P3 parkt oder durch Nutzung des Treppenhauses oder des Liftes von Parkebene P2 oder P4 kommend. Der Zugangsweg überbrückt Höhenunterschiede durch einen Fahrsteig und mündet im Basement des Centers. Den von den Parkebenen P2, P3 und P4 kommenden Kunden bleibt derzeit aufgrund der geschlossenen Türen nichts anderes übrig als unter Nutzung des Treppenhauses in die Fußgängerzone, also ins Freie, zu gelangen, um von dort um das Centergebäude herumzugehen und auf diese Weise die Eingangsmöglichkeiten des Centers in der … und der … zu erreichen. Für Kunden, die aufgrund ihrer körperlichen Verfassung nicht in der Lage ist, Treppen zu gehen, ist die Nutzung dieses Zugangsweges allerdings ausgeschlossen, da hierfür zwingend die Treppenanlage genutzt werden muss, weil ein Aufzug nur zwischen den Parkebenen P2 bis P4 pendelt und keinen Zugang ins Freie ermöglicht.
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Ein direkter Zugang zwischen den Objekten ist nur noch vom 1. Obergeschoss des Einkaufscenters zur Parkhausebene P1 möglich. Die Parkebene P1 ist die kleinste der vier Parkebenen. Es befinden sich dort ca. 20 Frauen- und Behindertenparkplätze. Auf den großflächigeren Parkebenen P2 bis P4 befinden sich jeweils 63 Pkw-Stellplätze. Die Nutzer des Parkhauses werden durch Hinweisschilder (Anlage K 6b) aufgefordert, die Parkflächen der Parkebene P1 für behinderte Personen frei zu halten. Dort findet sich auch ein Hinweis auf die Sperrung des Zugangs von P2 - P4 zum Center.
9
Auf den Parkebenen P2, P3 und P4 selbst befindet sich erst unmittelbar im Bereich der verschlossenen Zugangstüren zum Übergangsweg ein Hinweis darauf, dass ein Zugang zum Center grundsätzlich nur noch über die Haupteingänge der … und der … möglich ist (Anlage K6c). Ein Hinweis auf den zumindest bestehenden Zugang vom Parkhaus ins Center über die Parkebene P1 fehlt. Umgekehrt wird der Centerkunde erst unmittelbar vor dem verschlossenen Überweg zu den Parkebenen P2 bis P4 darauf hingewiesen, dass die Zugänge zum Parkhaus nur über den … und den … möglich sind (Anlage K6a). Die Parkdecks P2 - P4 befinden sich auf einer anderen Liegenschaft als die Plattform P1 und das Center.
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In dem derzeit geschlossenen Übergang befindet sich ein Fahrsteig, der ähnlich einer Flughafenrolltreppe die beiden Baulichkeiten (Gewerbemietobjekt einerseits und Parkhaus andererseits) miteinander verbindet. Unstreitig darf dieser Fahrsteig auch zur Nutzung von Personen freigegeben werden, wenn er nicht in Betrieb ist.
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Mit anwaltlichen Schreiben vom 03.06.2009 (Anlage K8) wurde die Beklagte aufgefordert, die von ihr angeführten „technischen Gründe“ für die Zugangssperrung mitzuteilen, sowie die Sperrung bis spätestens 11.06.2019 zu beseitigen und den freien Zugang zwischen Parkhaus und Center wiederherzustellen. Mit anwaltlichen Schreiben vom 12.06.2019 ließ die Beklagte mitteilen, dass das Parkhaus weiterhin betrieben werde, es sei aber nicht Mietgegenstand und zudem sei lediglich eine Zugangsmöglichkeit geschlossen worden. Der freie Zugang zwischen Parkhaus und Center über die versperrten Türanlagen und den überdachten Zugangsweg wurde nicht wieder ermöglicht.
12
Zwischen den Parteien fanden Verhandlungen bezüglich einer möglichen Vertragsbeendigung statt. Diesbezüglich wurde von der Beklagten eine Entschädigungszahlung in Höhe von ca. … € vorgeschlagen. Die Klägerin teilte daraufhin mit, man werde ohne eine Abfindung von … € das Objekt nicht verlassen. Mit Schreiben vom 08.06.2020 (Anlage B2) ließ die Klägerin ankündigen, fehlende Corona-Maßnahmen im Center zur Anzeige zu bringen.
13
Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin die Prozesskündigung wegen unzulässiger Rechtsausübung durch die Klägerin und Schikane gegenüber der Beklagten erklärt.
14
Die Klägerin behauptet, es bestünden keine technischen Gründe, die eine Sperrung des direkten Zugangsweges zwischen den Parkhausebenen P2 bis P4 und Center rechtfertigen könnten.
15
Der besondere wirtschaftliche Standortvorteil für das Center ergebe sich gerade aus dem Umstand, dass vor allem auch außerhalb der Nürnberger Innenstadt bzw. außerhalb Nürnbergs wohnenden Kunden, die Möglichkeit gegeben ist, mit dem Pkw in die Innenstadt zu fahren und unmittelbar am Center Parkplätze im Parkhaus vorzufinden, von denen aus sie dann im direkten Zugang - ohne irgendwelche Umwege - das Center bequem erreichen können.
16
Die von der Beklagten beschriebenen Corona-Maßnahmen im Center seien weit davon entfernt, den Anforderungen für das geforderte Infektionsschutzmaßnahmenkonzept auch nur ansatzweise zu erfüllen.
17
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr aufgrund des Mietvertrages die Offenhaltung des streitgegenständlichen Zugangs zustehe. Dies ergebe sich aus den mietvertraglichen Abreden, insbesondere erwähne der Mietvertrag in Teil B unter Ziffer 6.1.1 die Stellplatzanlagen und definiere Parkplätze, Parkdecks, Parkhäuser und Tiefgaragen als zum Einkaufszentrum gehörende Gebäudeteile, auf die sich etwa auch auf die Mieter umgelegte Nebenkosten mit beziehen. In Teil C des Mietvertrages würden die Stellplatzeinlagen unter Ziffer 2.1.1.b) ausdrücklich als Serviceeinrichtungen für Kunden des Centers beschrieben. Selbst wenn bestimmte Grundstücke oder Gebäudeteile nicht ausdrücklich dem Mietgegenstand der Klägerin zugeordnet worden seien, könne die Klägerin dennoch davon ausgehen, dass unmittelbar angrenzende Gemeinschaftsflächen und -anlagen, die allgemein zugänglich sind, wie eben Zugangswege, Eingangstüren, Treppenhäuser, aber auch Aufzüge, Fahrstühle, Flure usw. auch soweit sie den Zugang zum Mietgebäude und zu den vermieteten Räumen und den Mietzweck erst ermöglichen bzw. erleichtern grundsätzlich mitbenutzt werden dürfen, auch wenn sie nicht Gegenstand des Mietvertrages, also nicht mit vermietet sind.
18
Es handele sich um einen Bruch des Mietverhältnisses. Die Beklagte könne nicht willkürlich die Klägerin bzw. deren Kunden von der Mitbenutzung von Gemeinschaftsflächen ausschließen. Anlässlich der Beschreibung des Mietobjektes sei zugleich eine Aussage über dessen Charakter und damit eine diesem Charakter entsprechende Beschaffenheit getroffen. Das Ladenlokal befinde sich nicht in einer isolierten Raumeinheit, sondern sei Teil eines großen mehrstöckigen Einkaufscenters.
19
Hinsichtlich der Widerklage ist die Klägerin der Auffassung, es gebe bei Verhandlungen über eine einvernehmliche Vertragsaufhebung keine „maßlose und höchst provokative Forderungen“, da von vornherein unter dem Blickwinkel des Grundsatzes pacta sunt servanda kein Anspruch auf eine Vertragsaufhebung bestehe. Wenn die Klägerin im Sinne des Schutzes ihrer eigenen Mitarbeiter und der Kunden vor Ort im Center im Einzelfall auf gegebene Missstände hinsichtlich geforderter Infektionsschutzmaßnahmen hinweise, was durchaus ein behördliches Einschreiten nach sich ziehen könnte, so stehe ihr diese Rechtsposition zu und könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, schon gar nicht im Sinne der Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung im Mietverhältnisses.
20
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, die im Zugangswegbereich zwischen den Parkebenen P2, P3 und P4 des auf dem Anwesen … Nürnberg, gelegenen Parkhauses und dem dort über diesen Zugangsweg verbundenen Einkaufszentrum … mit der postalischen Adresse …, befindlichen Zu- und Ausgangstüren (Türanlage) wieder zu öffnen und die Öffnung dieses Zu-/Ausgangs zumindest während der Öffnungszeiten des Einkaufszentrums dauerhaft aufrecht zu halten, soweit dem nicht etwa notwendige Reparaturarbeiten den Zu-/Ausgangstüren entgegenstehen.
21
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und beantragt widerklagend,
die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, die vertragsgegenständliche Mietfläche im 1. Obergeschoss, Ladenfläche 310,71 qm und Nebenfläche 50 qm, von ihr derzeit als Gewerbelokal mit der Bezeichnung „…“ genutzt zu räumen und an die Beklagte und Widerklägerin herauszugeben.
22
Die Klägerin beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
23
Die Beklagte ist der Auffassung, dass maßgeblich der sich aus dem Vertrag ergebende Mietgegenstand sei. Die Stellplätze seien gemäß § 1.1 Teil C des Mietvertrages kein Mietgegenstand. Ferner sei der Vermieter zur Ausbesserung und baulichen Veränderungen einschließlich Erweiterung und Ausbau des Einkaufscenters berechtigt und letztlich auch verpflichtet. Es handele sich bei den gerügten Einschränkungen weder um Fehler der Mietsache noch um Umstände, die eine zugesicherte Eigenschaft darstellten. Es handele sich ausschließlich um Einflüsse, die von außen mittelbar auf die Mietsache einwirken würden. Es liege daher unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH NJW 2000, 1714, 1981, 2405 sowie dessen ständiger Rechtsprechung kein Fehler der Mietsache vor. Vertraglich stehe der Klägerin kein direkter Zugang zum Parkhaus zu. Aufgrund der klaren Regelung des Mietvertrages in Teil C Ziffer 1.1. handele es sich nicht um den Vertragsgegenstand. Eine „bequeme Erreichbarkeit des Centers“ sei aufgrund der vertraglichen Gestaltung von der Beklagten nicht geschuldet.
24
Soweit sich die Klägerin auf ein Mitbenutzungsrecht berufe, stünden ihr keine Besitzschutzansprüche zu.
25
Da der Zugang zu den Parkebenen P2 bis P4 über städtisches Fremdeigentum führe, habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten keine sachenrechtlichen Zuordnungen, abweichend von der dinglichen Rechtslage vornehmen wollen.
26
Die Klägerin handele mit ihrem vehement eingeforderten Begehren der Beklagten gegenüber schikanös, weil die mietvertragliche Verpflichtung der Beklagten sich nicht auf die Stellplatzebenen P2 bis P4 erstrecke.
27
Sollte die Klägerin die Beklagte als Vermieterin bei den Behörden unberechtigt angeschwärzt haben, so würde dies eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellen, die zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt. Vor diesem Hintergrund sei das Drohen der Klägerin mit einer Anzeige neben einer Nötigung auch eine unzulässige Rechtsausübung (Schikane) gegenüber der Beklagten. Als objektives Merkmal sei hier bei verständiger Würdigung der gesamten Rechtslage kein sonstiger Zweck auf Mieterseite erkennbar als die Benachteiligung der Beklagten.
28
Aufgrund der fortgesetzten Schikane sei die erklärte Prozesskündigung wirksam. Bei dem Versuch, eine unberechtigte Rechtsposition im Klagewege zu erzwingen, die die Kostenlast der Beklagten unbillig erhöhen würde, handele es sich um nötigungsähnliche Züge im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB und sei unter Heranziehung von § 826 Abs. 1 BGB oder wegen Verletzung von § 241 Abs. 2 BGB durch grobe Rücksichtslosigkeit schikanös.
29
Das Gericht hat keinen Beweis erhoben. Für weitere Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie das Protokoll des Termins vom 17.09.2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

30
Die zulässige Klage ist begründet, die zulässige Widerklage dagegen unbegründet.
31
I. Der Klägerin steht gemäß § 535 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Wiedereinräumung der direkten Zugangsmöglichkeit zwischen Parkhaus und dem Center über den derzeit gesperrten überdachten Zugangsweg zu.
32
1. Gemäß § 535 Abs. 1 BGB wird der Vermieter durch den Mietvertrag verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten.
33
a) Maßgeblich ist für die Frage, wie weit die räumliche Überlassungspflicht des Vermieters geht, demnach die schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Parteien. Der Vermieter hat dem Mieter zur Erfüllung seiner Überlassungspflicht sämtliche Bestandteile der Mietsache zu übergeben. Welche Räume und Grundstücksflächen als Bestandteil der Mietsache mitvermietet sind, ist in erster Linie anhand der vertraglichen Vereinbarungen zu ermitteln, kann sich aber auch aus Treu und Glauben und/oder der Verkehrssitte ergeben (Lindner-Figura/Oprée/Stellmann Geschäftsraummiete, Kapitel 14. Ansprüche und Rechte des Mieters im Rahmen der Gebrauchsüberlassung und Gebrauchsgewährung Rn. 63).
34
Werden in einem Objekt Geschäftsräume vermietet, erstreckt sich das Recht des Mieters zur Benutzung der gemieteten Räume auf das Recht zur Mitbenutzung der Gemeinschaftsflächen des Objekts. Sind keine besonderen Vereinbarungen getroffen, ist die übliche Benutzung umfasst und deckt alle mit der Benutzung von Geschäftsräumen typischerweise verbundenen Umstände (vgl. BGH, NJW 2007, 146). Regelmäßig kann der Mieter davon ausgehen, dass das Treppenhaus, der Fahrstuhl und Flure, soweit sie für den Zugang zur Mietsache und zu den mitvermieteten Gemeinschaftsflächen durchschritten werden müssen, mitbenutzt werden dürfen, auch wenn sie selbst nicht Gegenstand des Mietvertrages, also vermietet sind (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, BGB § 535 Rn. 25).
35
b) Was Gegenstand des Mietvertrages und damit der Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters ist, richtet sich in erster Linie nach dem jeweiligen Mietvertrag. Trifft dieser - wie üblich - nur unvollständige Regelungen, kommt der am Vertragszweck orientierten Auslegung gemäß § 157 BGB besondere Bedeutung zu; hilfsweise ist der Vertragsgegenstand nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu bestimmen (Bub/Treier MietR-HdB, Kapitel III. Durchführung des Mietverhältnisses Rn. 2775).
36
Die Gebrauchsüberlassung setzt bei der Miete nicht in jedem Falle voraus, dass dem Mieter auch der (Mit-)Besitz an der Sache verschafft wird. Was der Vermieter im Einzelfall tun muss, um seiner Pflicht zu genügen, dem Mieter die Mietsache zum Gebrauch zu überlassen und während der Mietzeit zu belassen, richtet sich nach der Art und dem Umfang des Gebrauchs, der dem Mieter nach dem Vertrag gestattet ist. Nur wenn hiernach der Gebrauch der Mietsache notwendig deren Besitz voraussetzt, gehört zur Gebrauchsgewährung auch die Verschaffung des Besitzes. Ist dagegen der vertragsmäßige Gebrauch nur ein beschränkter, richtet er sich namentlich nur auf eine gelegentliche, dem jeweiligen Bedarf angepasste Nutzung und ist daher eine Überlassung des Besitzes zur Ausübung des Gebrauchs nicht erforderlich, so entfällt damit nicht der Begriff der Gebrauchsgewährung und infolgedessen auch nicht der der Miete. Dementsprechend kann es auch die Pflicht des Vermieters sein, die ungestörte Benutzung der Sache - in der Art und dem Umfang, wie es der Vertrag vorsieht, - zu gewähren (BGH: NJW-RR 1989, 589).
37
Den Entzug eines vertraglich begründeten Mitbenutzungsrechts braucht der Mieter nicht zu dulden (Bub/Treier MietR-HdB, Kapitel III. Durchführung des Mietverhältnisses Rn. 2778).
38
2. Gemäß der vertraglichen Vereinbarung besteht für die Klägerin und ihre Kunden ein Mitbenutzungsrecht an dem derzeit versperrten Zugangsweg.
39
a) Zwar handelt es sich bei dem Mietgegenstand selbst nur um die in Teil A 0.4 sowie Teil B 1.1 des Mietvertrages bezeichnete Mietfläche. Ausweislich Teil C 1.1 des Mietvertrages sind die Kfz-Stellplätze kein Mietgegenstand. Dies steht aber - wie dargestellt - der Annahme eines „bloßen“ Mitbenutzungsrechts an dem versperren Übergang nicht entgegen.
40
b) Aufgrund der am Vertragszweck orientierten Auslegung der vertraglichen Vereinbarung gemäß § 157 BGB besteht ein Mitbenutzungsrecht der Klägerin für sich und ihre Kunden an dem versperrten Übergang.
41
Gemäß Teil A Ziffer 7 des Mietvertrages sind Bestandteile des Mietvertrages die Teile A - D. In Teil C 1.1 des Mietvertrages wird festgehalten, dass dem Einkaufszentrum Kfz.-Stellplatzanlagen angegliedert sind und dem Mieter zugesichert, dass mindestens die behördlich geforderte Zahl von Stellplätzen vorgehalten wird. In Teil C Ziffer 2.1.1 B) werden die Stellplatzanlagen als Flächen von Serviceeinrichtungen des Einkaufszentrums bezeichnet. Gemäß Teil B Ziffer 6.1.1 a betreffen die in Ziffer 6.1.2 Teil B genannten Nebenkosten die „folgenden Anlagen und Einrichtungen sowie zum Einkaufszentrum gehörenden Gebäudeteile und Grundstücksflächen: Stellplatzanlagen (Parkplätze, Parkdecks, Parkhäuser, Tiefgaragen, Zweiradstellplätze; vgl. hierzu Teil C des Mietvertrages), Verkehrswege Grünanlagen (einschließlich Dachbegründung) und sämtliche sonstige außerhalb der Gebäude (…) befindlichen Außenanlagen (…);“. Aus dieser ausdrücklich vertraglich vereinbarten Regelung folgt, dass es sich bei den Parkplätzen im angegliederten Parkhaus und den Verkehrsweg vom Parkhaus ins Center um zum Einkaufszentrum gehörende Teile handelt.
42
Der überdachte barrierefreie Zugang vom Parkhaus zum Center und umgekehrt war schon von jeher - insbesondere jedenfalls schon lange Zeit vor Beginn des Mietverhältnisses zwischen den Parteien - möglich. Ein solcher überdachter Zugang zu einem Einkaufszentrum stellt einen Umstand dar, der für die Attraktivität des Einkaufszentrums in der Innenstadtlage, und damit auch für die darin befindlichen Geschäfte von sogar erheblicher Bedeutung ist (vgl. auch BGH NJW 2000 1714). Gerade aus der Möglichkeit eines direkten vom Wetter völlig unabhängigen Zuganges vom Parkhaus zum Center ergibt sich der besondere wirtschaftliche Standortvorteil der Anmietung eines Ladenlokals im Center. Es reicht im Hinblick auf die Wesentlichkeit gerade eines solchen Zuganges nicht aus, dass andere Wege für die parkenden Kunden zur Verfügung stehen. Insoweit ist nämlich zunächst zu berücksichtigen, dass es schon für einen gesundheitlich nicht eingeschränkten Kunden einen Unterschied macht, wenn er die Möglichkeit hat auch bei widrigen Wetterverhältnissen relativ warm, geschützt und trockenen Fußes zu einer Einkaufsmöglichkeit zu gelangen oder im strömenden Regen in der Kälte. Für Kunden, die unter gesundheitlichen Einschränkungen leiden, gilt dies erst recht. Dieser Vorteil war den Parteien des Mietvertrages auch bei der Anmietung der Räumlichkeiten durch die Klägerin bewusst, sodass unter Berücksichtigung des maßgeblichen objektiven Empfängerhorizonts die Mitbenutzung des Parkhauses und des überdachten Zugangs zwischen Parkhaus und Center zum Inhalt des Mietverhältnisses zwischen den Parteien wurde.
43
c) Nachdem vorliegend durch die Sperrung des Zugangsweges den vertraglich vereinbarten Inhalt des Mietverhältnisses betrifft, liegt eine unmittelbare Beeinträchtigung der Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch vor. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zu der von der Beklagten angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 2000, 1714), in welchem ein überdachter Zugangsweg zum Mietobjekt die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nur mittelbar betraf.
44
Dass vom Parkhaus aus andere Zugänge zum Center bestehen, ändert an der Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin ihr Nutzungsrecht zu ermöglichen nichts, da aufgrund der geschilderten Umstände gerade ein überdachter direkter Zugang von den Parkflächen P2 - P4 zum Center und umgekehrt zum Vertragsinhalt geworden ist. Dass dieser Zugang nicht zwingend notwendig ist, hat keine Relevanz.
45
d) Unerheblich ist indes, dass sich das Parkhaus auf dem Nachbaranwesen befindet, welches in Fremdeigentum steht. Maßgeblich für die Beurteilung des Verhältnisses von Klägerin und Beklagter ist allein der schuldrechtliche Inhalt des zwischen diesen Parteien bestehenden Mietvertrages.
46
e) Der Verweis der Beklagten auf die Rechtsprechung zu Besitzschutzansprüchen und Mitbesitz verfängt nicht, da die Klägerin lediglich einen Anspruch auf Mitbenutzung geltend macht.
47
f) Nachdem die Beklagte im Schriftsatz vom 28.10.2020 unter ausdrücklicher Aufgabe ihres bisherigen Sachvortrages unstreitig gestellt hat, dass der im Übergang zwischen Parkhaus und Center befindliche Fahrsteig auch im Ruhezustand von Personen benutzt werden kann und seitens der Beklagten auch keine anderen Gründe vorgetragen wurden, weshalb eine Öffnung des Zugangs technisch nicht möglich sein soll, war dem Antrag der Klagepartei stattzugeben.
48
g) Der neue und zwischenzeitlich von der Beklagten bestrittene Sachvortrag der Klagepartei im Schriftsatz vom 29.10.2020, es handele sich bei der verschlossenen Tür um eine Fluchttür, ist für die Entscheidung nicht von Belang. Schriftsatznachlass wie von der Beklagten mit Schriftsatz vom 26.11.2020 beantragt, musste daher nicht gewährt werden.
49
II. Die Widerklage war abzuweisen, da das Verhalten der Klägerin bzw. ihres Geschäftsführers eine außerordentliche fristlose Kündigung nicht rechtfertigt.
50
1. Die Forderung der Klägerin gegenüber der Beklagten, den überdachten Zugangsweg zu öffnen und offen zu halten, ist berechtigt (s.o.). Die Geltendmachung berechtigter Ansprüche gegenüber dem Verpflichteten kann ohne weitere besondere - hier nicht vorliegende - Umstände kein schikanöses Verhalten darstellen.
51
2. Sofern die Kündigung der Beklagten darauf gestützt wird, dass die Klagepartei mit Schreiben vom 08.06.2020 unter Bezugnahme auf die entsprechenden Regelungen der Infektionsschutzmaßnahmeverordnungen die Beklagte, als für das Center verantwortliche Betreiberin aufforderte, sich zu Infektionsschutzmaßnahmenkonzept hinsichtlich des Centers zu erklären und widrigenfalls die entsprechenden Behörden der Stadt Nürnberg zu informieren, stellt dies die Wahrnehmung berechtigter Interessen der Klagepartei dar. Dass die Klägerin vorliegend leichtfertig und unangemessen gehandelt hat, was ausnahmsweise eine Kündigung rechtfertigen könnte (vgl. hierzu: BVerfG NZM 2002, 61), hat die Beklagte nicht konkret vortragen und unter Beweis gestellt.
52
3. Bei der im Rahmen von seitens der Beklagten angestrebten Vertragsaufhebungsverhandlungen geäußerte Aussage des Geschäftsführers der Klägerin, man werde „ohne eine Abfindung von … Euro das Objekt nicht verlassen …“, handelt es sich nicht um ein schikanöses Verhalten. Die Beklagte hat keinerlei Anspruch auf eine einvernehmliche Aufhebung des noch bis zum Jahr 2026 bestehenden Mietvertrages. Wenn die Klägerin eine entsprechende Vertragsaufhebung nicht eingehen möchte, ist das ihr gutes Recht. Ebenso steht es ihr daher frei, einen Betrag zu benennen, bei dessen Zahlung sie sich bereit erklären würde, den Vertrag zu beenden. Dass die Beklagte diesen Betrag unter ihrer Einschätzung der Interessenlage für unverhältnismäßig hält, steht dem nicht entgegen.
III. Nebenentscheidungen
53
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
54
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich hinsichtlich Ziffer 1 des Urteils aus §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO, im Übrigen aus § 709 ZPO.