Inhalt

VG München, Beschluss v. 20.04.2020 – M 23 M 18.4321
Titel:

Kostenerinnerung, Einigungsgebühr

Normenketten:
VwGO § 165, § 151
RVG Nr. 1000 VV
Schlagworte:
Kostenerinnerung, Einigungsgebühr
Fundstelle:
BeckRS 2020, 41824

Tenor

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. Juni 2018 wird dahingehend geändert, als die den Bevollmächtigten der Antragstellerin zustehende 1,0- fache Einigungsgebühr aus einem Streitwert von 5.000 EUR statt aus einem Streitwert von 943,50 EUR festzusetzen ist.
Dem Urkundsbeamten werden die Neuberechnung und Anordnung übertragen.

Gründe

I.
1
Die Kammer stellte das von der (hiesigen) Antragstellerin angestrengte Klageverfahren auf Anordnung eines eingeschränkten Halteverbotes in der …straße in München in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2018 aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen ein; die Parteien einigten sich hierauf auf Kostenübernahme durch die (hiesige) Antragsgegnerin (M 23 K 17.1025).
2
Am 5. Februar 2018 beantragten die Bevollmächtigten der Antragstellerin Kostenfestsetzung. Hierin enthalten war der Antrag auf 1,0-fache Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1003 VV in Höhe von 303 EUR.
3
In einem (1.) Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. April 2018 wurden die der Antragstellerin entstandenen notwendigen Aufwendungen auf 925,23 EUR festgesetzt. Hierin wurde u.a. ausgeführt, dass die beantragte 1,0-fache Erledigungsgebühr nicht erstattungsfähig sei.
4
Auf die von der Bevollmächtigten der Antragstellerin hierauf erhobene Erinnerung vom 3. Mai 2018 erließ der zuständige Urkundsbeamte nach ablehnender Stellungnahme der Antragsgegnerin am 11. Juni 2018 einen (2.) Kostenfestsetzungsbeschluss, wonach der Beschluss vom 10. April 2018 aufgehoben und die der Antragstellerin zu erstattenden Aufwendungen auf 1.020,43 EUR festgesetzt wurden.
5
Berücksichtigt wurde eine 1,0-fache Einigungsgebühr aus dem „kleinen“ Streitwert der Summe der Verfahrens-, und der Terminsgebühr, der Auslagenpauschale, der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Gerichtskosten (943,50 EUR); die Einigungsgebühr wurde damit auf 80 EUR festgesetzt.
6
Der erneuten Erinnerung der Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 25. Juni 2018 im Hinblick auf die beanspruchte Erledigungs- bzw. Einigungsgebühr aus dem gesamten „großen“ Streitwert half der Kostenbeamte nicht ab und legte sie der Kammer durch Schreiben vom 4. Juli 2018 zur Entscheidung vor.
7
Die Beteiligten vertieften ihre Rechts- und Sachausführungen hierzu schriftsätzlich. Auf die Einzelheiten wird Bezug genommen.
8
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
9
Die gemäß §§ 165, 151 VwGO statthafte Erinnerung hat in der Sache Erfolg.
10
Die Bevollmächtigten der Antragstellerin beanspruchen zu Recht eine 1,0-fache Gebühr aus dem „großen“ Streitwert, den die Kammer im Einstellungsbeschluss auf 5000 EUR festgesetzt hatte.
11
Da es wegen eines jeweils identischen 1,0-fachen Satzes gebührenrechtlich unerheblich bleibt, lässt es das Gericht letztlich dahinstehen, ob vorliegend - wie von den Bevollmächtigten der Antragstellerin ursprünglich und in der Erinnerung hauptsächlich beansprucht - eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV-RVG oder aber eine hilfsweise beantragte und von dem Urkundsbeamten zumindest dem Grunde nach anerkannte Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV-RVG i.V.m. Nr. 1003 VV-RVG anzusetzen war. Denn jedenfalls steht den Bevollmächtigten der Antragstellerin die Gebühr in voller Streitwerthöhe zu.
12
Eine Einigungsgebühr kann auch bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen anfallen, wenn gleichzeitig eine Einigung über den in Frage stehenden materiell-rechtlichen Anspruch erzielt wird (vgl. BayVGH, B.v. 11.6.2008 - 10 C 08.777 - juris Rn. 10; B.v. 13.12.2013 - 2 C 12.2523 - juris Rn. 11; VG München, B.v. 13.3.2012 - M 2 K 12.928 - juris Rn. 14; B.v. 2.7.2012 - M 8 K 12.30424 - juris Rn. 13; B.v. 7.11.2012 - M 8 M 12.4172 - juris Rn. 12). Die Einigungsgebühr setzt die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages voraus, durch den der Streit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Dabei setzt eine Einigungsgebühr keinen protokollierten Vergleich, sondern nur eine Einigung über materielle Ansprüche voraus (BayVGH, B.v. 11.6.2008, a.a.O.). Dementsprechend kann eine Einigungsgebühr auch anfallen, wenn der Rechtsstreit durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Parteien beendet wird. Zwar stellen die übereinstimmenden Erledigungserklärungen als solche bloße Prozesshandlungen dar, die lediglich die Rechtshängigkeit der bisher streitigen Ansprüche beseitigen. Wenn jedoch gleichzeitig eine Einigung über die in Frage stehenden materiell-rechtlichen Ansprüche erzielt wird, ist eine Einigungsgebühr anzunehmen (BayVGH, B.v. 11.6.2008, a.a.O., m.w.N.) (vgl. VG München, B.v. 18.12.2014 - M 8 M 14.5277 - juris Rn. 17).
13
Ausgehend hiervon ist für den vorliegenden Fall festzustellen, dass sich die Mitwirkung der Bevollmächtigten der Antragstellerin tatsächlich nicht nur auf die reine Kostenregelung beschränkte, sondern sie durchaus auch bei der Einigung in der Sache mitwirkte. Es trifft zwar zu, dass zwar das Gericht ausweislich der Niederschrift der damaligen mündlichen Verhandlung die Antragsgegnerin auf die Rechtswidrigkeit der Anordnung aus zweierlei Gründen hingewiesen hatte und diese hierauf zusagte, die Verkehrszeichen abzumontieren und damit den Weg zur Einigung ebnete. Maßgeblich ist aber, dass, wenn die Antragsgegnerseite ausschließlich und nur die Rechtsauffassung des Gerichts befolgt hätte und hätte anerkennen wollen, sie eine sofortige Demontage der Verkehrszeichen hätte zusagen müssen. Von Antragsgegnerseite war in der damaligen mündlichen Verhandlung hingegen ausgeführt und der Antragstellerin angeboten worden, dass man dies erst nach Ablauf der damaligen versuchsweisen Anordnung unternehmen werde und darüber hinaus zusage, für die Zeit danach keine neue Anordnung zu treffen, sollte sich die Sachlage nicht ändern. Selbst wenn es faktisch unerheblich erscheinen mag, dass von dieser Zusage und diesem Angebot lediglich noch ein Zeitraum von etwa zwei Wochen nach Einstellung des Verfahrens betroffen war, ergibt sich aus der hierauf von Antragstellerseite abgegebene Erklärung, man sei „mit dieser Regelung einverstanden und erkläre die Sache für erledigt“ (und einige sich auf die Kosten), jedenfalls ein (wenngleich geringes) Nachgeben in der Sache und eine Bemühung um eine Einigung, zumal von dort in Kenntnis dessen Rechtswidrigkeit zumindest der Ablauf des Verkehrsversuches in zeitlicher Hinsicht akzeptiert wurde. Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, der Antragstellerseite die Einigungsgebühr aus dem „großen“ Streitwert von 5.000 EUR zuzubilligen.
14
Das Gericht überträgt die erforderliche Neuberechnung des Differenzbetrages und die entsprechende Anordnung dem Urkundsbeamten (§ 173 VwGO, § 572 Abs. 3 ZPO).
15
Die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.