Inhalt

VG München, Urteil v. 06.10.2020 – M 17 K 19.184
Titel:

Versäumung der Antragsfrist zur Geltendmachung von beihilfefähigen Taxifahrten

Normenketten:
BayBG Art. 96 Abs. 3a
BayBhV § 48 Abs. 6 S. 1
BayVwVfG Art. 32
Leitsätze:
1. Die beihilferechtliche Antragsfrist von einem Jahr beginnt für grundsätzlich beihilfefähige Taxifahrten anlässlich der Behandlung eines Brustkarzinoms mit der jeweiligen Rechnungsstellung, ohne dass eine auf das Ende der gesamten Behandlung abstellende "Gesamtbetrachtung" erfolgt. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Erkrankung kann eine - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigende - Fristversäumung nur dann entschuldigen, wenn sie so schwer war, dass der Betroffene weder selbst handeln konnte, noch im Stande war, einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen und im gebotenen Umfang zu informieren. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beihilfe, Versäumen der Jahresfrist, Keine Wiedereinsetzung, (keine) Wiedereinsetzung, Brustkarzinom, Operation an der Wirbelsäule, Taxifahrten, Ausschlussfrist, Spezial-Schwerbehindertentransport
Fundstelle:
BeckRS 2020, 41820

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Tatbestand

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Die Klägerin ist als Versorgungsempfänger des Beklagten mit einem Bemessungssatz von 70% beihilfeberechtigt.
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Mit auf den ... 2018 datierten Beihilfeantrag, beim Landesamt für Finanzen, Dienststelle … (im Folgenden: Landesamt), eingegangen am 26. November 2018, machte sie unter anderem Aufwendungen für Taxifahrten im Zeitraum vom ... 2015 (vgl. Bl. ... der Behördenakte (BA), die das Datum des Belegs nicht eindeutig erkennen lässt) bzw. ... 2017 bis zum ... 2017 in Höhe von insgesamt 690,40 € (Belege auf Bl. ... ff. der BA) sowie Aufwendungen für einen Spezial-Schwerbehindertentransport am 5., 14., 25. September 2017 und 2. Oktober 2017, jeweils abgerechnet mit Rechnung vom ... 2017 (Bl. ... und … der BA), in Höhe von insgesamt 390,00 € geltend.
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Mit Bescheid vom 3. Dezember 2018 lehnte das Landesamt die Gewährung einer Beihilfe für diese Aufwendungen mit dem Hinweis auf die Nichtwahrung der Jahresfrist des § 48 Abs. 6 BayBhV ab.
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Hiergegen legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2018 Widerspruch ein. Die Taxikosten seien anlässlich einer Bestrahlungstherapie aufgrund eines Brustkarzinoms der Klägerin entstanden. Aus Sicht der Klägerin sei der Zeitraum der Bestrahlung immer zusammenhängend anzusehen und es sei kein Grund ersichtlich, für einzelne Taxirechnungen jeweils getrennt die Jahresfrist zu prüfen. Darüber hinaus sei die Versäumnis der Jahresfrist allein krankheitsbedingt und von der Klägerin nicht beeinflussbar gewesen. Seit der sechsmonatigen Chemobehandlung wegen des Brustkarzinoms im Jahr 2017 habe die Klägerin erhebliche Schmerzen an den Füßen und Fingern aufgrund einer Polyneuropathie, die in der Regel irreparabel sei. Zusätzlich hätten sich ab Anfang Januar 2018 erhebliche Bewegungseinschränkungen an beiden Beinen mit großen Schmerzen wegen einer Blockade im Bereich der Wirbelsäule entwickelt. Die Notoperation im Klinikum ... am ... 2018 habe zwar eine Lähmung verhindert, die Nervenschmerzen an beiden Beinen und Füßen würden aber seitdem anhalten. Die inzwischen chronischen Schmerzen bei Tag und Nacht ließen sich nur mit regelmäßig hochdosierten Schmerzmitteln einigermaßen für einige Stunden erträglich im Zaum halten. Die Nebenwirkungen der Medikamente, wie unter anderem Übelkeit, Schwindelanfälle und Müdigkeit würden die Klägerin aber immer wieder in die absolute Ruhestellung ins Bett zwingen. An eine regelmäßige Arbeit am Schreibtisch bzw. PC sei nicht zu denken, auch wenn es nur ein bis zwei Stunden dauere. Die Klägerin lebe außerdem allein und es würden auch keine Verwandten in der Nähe wohnen. Die Klägerin habe auch nicht gewollt, dass die vielen Taxirechnungen von fremden Dritten für sie kopiert würden. Dies hätte erneute Anstrengungen für die Klägerin bedeutet, die einzelnen Rechnung zu sortieren und zu kopieren.
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Mit als Einschreiben versandten Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2018 wies das Landesamt den Widerspruch der Klägerin zurück. Die streitgegenständlichen Aufwendungen seien verspätet eingereicht worden. Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sei mangels fristgerechter Antragstellung auf Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hinderungsgrundes nicht möglich.
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Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom ... 2019, eingegangen am 14. Januar 2019, Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München. Zur Begründung trug die Klägerin unter Vorlage von Arztberichten vor, dass sie nach der Behandlung des Brustkarzinoms im Jahr 2017 und der Operation an der Wirbelsäule im Mai 2018 heftige Schmerzen sowohl an beiden Füßen und Beinen sowie an den Händen gehabt habe, die insbesondere wegen der Unverträglichkeit von drei Medikamenten im Oktober/November 2018 zu regelmäßigen Schmerzattacken rund um die Uhr geführt hätten und neben Gangstörungen auch ein Arbeiten am Schreibtisch oder PC und damit auch die rechtzeitige Antragstellung für die Beihilfe unmöglich gemacht hätten. Insbesondere die Unverträglichkeiten des dritten Medikaments mit seinen erheblichen Nebenwirkungen, das der Klägerin am ... 218 verschrieben worden sei, habe für sie zusätzlich und unvorhersehbar den andauernden Schmerzzustand verschlimmert. Der Hausarzt habe danach neue Dosierungen der bisherigen starken Schmerzmittel ausprobiert und die Klägerin darauf eingestellt. Erst ab Mitte November 2018 habe die Klägerin wieder von einem erträglichen Schmerzzustand ausgehen können. Daraufhin habe sie mit Antrag vom ... 2018 unter anderem noch die offenen Fahrt- und Taxikosten aus 2017 abgerechnet. Da die Klägerin alleine lebe, habe sie auch nicht fremde Dritte bitten können, in der kritischen Zeit im Oktober bis Mitte November 2018 die Belege für sie zu kopieren bzw. den Beihilfeantrag für sie auszufüllen. Der Klägerin sei daher kein Verschulden an der verspäteten Antragstellung vorzuwerfen. Zwar habe sie keinen ausdrücklichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gestellt, jedoch sei dieser in den Beihilfeantrag vom ... 2018 konkludent hinein zu lesen.
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Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 11. Februar 2019,
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die Klage abzuweisen.
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Mit Ablauf der Jahresfrist sei der Beihilfeanspruch für die verfristeten Aufwendungen erloschen. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung könne nach Art. 32 Abs. 3 BayVwVfG nur innerhalb eines Jahres seit dem Ende der versäumten Frist beantragt werden. Außerdem werde eine Wiedereinsetzung nur auf Antrag gewährt, der innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen sei und in dem die Tatsachen zur Begründung der Wiedereinsetzung glaubhaft zu machen seien. Stelle man auf die Erkrankung der Klägerin als maßgebliches Hindernis für die rechtzeitige Geltendmachung der Beihilfeansprüche ab, sei dieses Hindernis spätestens mit der Erstellung des Beihilfeantrags weggefallen. Gründe, die eine Fristversäumung entschuldigen könnten, würden darin jedoch wieder benannt noch seien sie offenkundig, weshalb der Beihilfeantrag für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nicht ausreiche. Da der Beihilfeantrag auf den ... 2018 datiere, hätte ein Wiedereinsetzungsantrag bis zum 5. November 2018 gestellt werden müssen. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin von einem Schreibfehler ausginge, wofür das Datum ... 2018 auf der Zusammenstellung der Aufwendungen spreche, hätte die Wiedereinsetzung des 6. Dezember 2018 beantragt werden müssen. Als Wiedereinsetzungsantrag könne allerdings erst das nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist am 11. Dezember 2018 eingegangene Widerspruchsschreiben der Klägerin vom 10. Dezember 2018 ausgelegt werden. Unabhängig davon könnten die von der Klägerin vorgetragenen Gesichtspunkte eine Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen. Denn diese müssten insbesondere eine präzise zeitliche Einordnung sowie substantiierte Ausführungen zu dem Umstand, dass der Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung Tätigkeiten wie die Beantragung von Beihilfe durchgehend bis zum Ablauf der Jahresfrist nicht möglich gewesen sein sollten, entnehmen lassen. Entsprechendes könne dem Vortrag der Klägerin nicht entnommen werden.
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Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2019 und 11. Februar 2019 erklärten sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
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Mit Beschluss vom 5. Oktober 2020 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über den Rechtsstreit konnte mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Das Klagebegehren ist nach § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Klägerin unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 3. Dezember 2018 sowie des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2018 die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 756,28 € (70% von 1.080,40 € (690,40 € + 390,00 €)) für die im Zeitraum vom ... 2015 bzw. ... 2017 bis zum ... 2017 entstandenen Taxi- und Transportkosten beantragt.
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Die zulässige Klage ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
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Der Bescheid des Beklagten vom 3. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr begehrten weiteren Beihilfeleistungen (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. statt aller BVerwG, U.v. 2.4.2014 - 5 C 40.12 - NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Die Aufwendungen gelten nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BayBhV in dem Zeitpunkt als entstanden, in dem die sie begründende Leistung erbracht wird. Hier sind die streitgegenständlichen Aufwendungen für die Taxifahrten und den Schwerbehindertentransport im Zeitraum vom ... 2015 bzw. ... 2017 bis zum ... 2017 entstanden. Die Frage der Beihilfefähigkeit bestimmt sich daher nach Art. 96 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juli 2008 (GVBl S. 500), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2014 (GVBl.S. 511) bzw. Gesetz vom 12. Juli 2017 (GVBl. S. 362), und der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung - BayBhV) vom 2. Januar 2007 (GVBl S. 15) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 29. Juli 2014 (GVBl.S. 352, ber. 447) bzw. vom 24. Juli 2017 (GVBl. S. 418).
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2. Ansprüche der Klägerin auf Gewährung von Beihilfeleistungen zu den streitgegenständlichen Aufwendungen sind wegen Ablaufs der Antragsfrist erloschen. Nach Art. 96 Abs. 3a BayBG (in der maßgeblichen Fassung) und § 48 Abs. 6 Satz 1 BayBhV wird Beihilfe nur gewährt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach dem Entstehen der Aufwendungen oder Ausstellung der Rechnung beantragt wird. Bei dieser Antragsfrist handelt es sich um eine sogenannte Ausschlussfrist (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2018 - 14 ZB 17.1841 - juris).
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Im vorliegenden Fall sind die streitgegenständlichen Aufwendungen mit der jeweiligen Inanspruchnahme der Taxifahrten bzw. - hinsichtlich des Schwerbehindertentransportes - mit jeweiliger Rechnungsstellung im Zeitraum vom ... 2015 bzw. ... 2017 bis zum ... 2017 entstanden. Anders als die Klägerin meint, kommt es für den jeweiligen Beginn der Jahresfrist nach dem klaren Gesetzeswortlaut auf die isolierte Entstehung der jeweiligen Aufwendungen an, eine „Gesamtbetrachtung“ erfolgt nicht. Die Jahresfrist endete somit gemäß Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB selbst hinsichtlich der am spätesten entstandenen Aufwendung (Taxifahrt am ... 2017) zu einem Zeitpunkt vor dem 24. November 2018, 0:00 Uhr. Für die Einhaltung der einjährigen Antragsfrist kommt es auf das Datum des Eingangs des Beihilfeantrages bei der Festsetzungsstelle an (vgl. BayVGH, B.v. 20.1.2012 - 14 ZB 11.1379 - juris, Rn. 5). Hier ist der Beihilfeantrag der Klägerin am 26. November 2018 - und damit nach Ablauf der Jahresfrist - bei der Festsetzungsstelle eingegangen. Damit ist der Anspruch auf Gewährung von Beihilfeleistungen bezüglich der streitgegenständlichen Aufwendungen wegen Versäumung der Jahresfrist gemäß Art. 96 Abs. 3a BayBG und § 48 Abs. 6 Satz 1 BayBhV erloschen.
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Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer solchen materiellen Ausschlussfrist bestehen keine Bedenken (BVerwG, U.v. 28.6.1965 - VIII C 334.63 - BVerwGE 21, 258). Die Ausschlussfrist dient aus haushaltstechnischen Gründen dazu, eine baldige Klärung etwa noch bestehender Beihilfeansprüche herbeizuführen und ist mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar. Im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist sie jedenfalls dann unbedenklich, wenn die Möglichkeit besteht, im besonderen Einzelfall Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen (vgl. BayVGH, U.v. 5.4.1990 - 3 B 89.2831 - juris, Rn. 14; VG München, U.v. 23.4.2015 - M 17 K 14.517). Obwohl es sich bei der Jahresfrist nach § 48 Abs. 6 Satz 1 BayBhV um eine materielle Ausschlussfrist handelt, gehen Rechtsprechung und Literatur übereinstimmend von der Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus, was auch in den entsprechenden Vollzugshinweisen des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen zu § 48 BayBhV ausdrücklich vorgesehen ist.
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3. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die abgelaufene Ausschlussfrist liegen nicht vor. Nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
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Die Klägerin war nicht ohne Verschulden daran gehindert, die Jahresfrist einzuhalten. Verschuldet ist eine Fristversäumnis dann, wenn der Betroffene die Sorgfalt walten lässt, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zumutbar ist (BVerwG, U.v. 8.3.1983 - 1 C 34/80 - BayVBl 1983, 476). Rechtsunkenntnis kann die Fristversäumnis grundsätzlich nicht entschuldigen. Ein juristisch nicht vorgebildeter Bürger muss sich bei ihm nicht geläufigen juristischen Problemen grundsätzlich in geeigneter Weise juristischen Rat einholen (zum insoweit wortgleichen § 60 VwGO vgl. Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 60 Rn. 23).
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Eine Erkrankung kann eine Fristversäumung nur dann entschuldigen, wenn sie so schwer war, dass der Betroffene weder selbst handeln konnte, noch im Stande war, einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen und im gebotenen Umfang zu informieren (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 32 Rn. 29; VG München, U.v. 13.11.2019 - M 17 K 18.2550). Die diesbezüglichen Tatsachen sind vom Wiedereinsetzung Begehrenden glaubhaft zu machen (Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Bei einer Ausschlussfrist, auf die die Wiedereinsetzungsregeln ohnehin nur ausnahmsweise Anwendung finden, sind diese restriktiv zu handhaben, so dass an eine Entschuldigung der Fristversäumnis erhöhte Anforderungen gestellt werden dürfen (BayVGH, B.v. 2.10.2018 - 14 ZB 17.1841). Es kommt darauf an, ob dem Beteiligten nach den Umständen des Falles ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er die Frist versäumt hat (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 32 Rn. 21). Der klägerische Vortrag ergibt hier nicht, dass die Klägerin ihre ihr zumutbare Sorgfalt hat walten lassen, um eine rechtzeitige Antragstellung sicherzustellen. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Vorkehrungen ist hier ein strenger Maßstab anzulegen, da es sich um eine ohnehin schon sehr großzügig bemessene Frist handelt (vgl. VG München U.v. 11.4.2013 - M 17 K 12.2893).
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Zwar hat die Klägerin mit der Vorlage der ärztlichen Unterlagen glaubhaft gemacht, dass sie nach der Behandlung des Brustkarzinoms im Jahr 2017 und nach der Operation an der Wirbelsäule im Mai 2018 an wiederkehrenden Schmerzattacken litt, die, aufgrund der Nebenwirkungen der Medikamente, häufig mit Übelkeit, Schwindelanfällen, Müdigkeit und einem Unvermögen, Arbeiten am Schreibtisch bzw. PC zu verrichten, einhergingen und für die Klägerin nicht vorhersehbar waren. Es ergibt sich daraus jedoch nicht, dass sie deshalb durchgehend und für den gesamten Zeitraum der Jahresfrist nicht in der Lage gewesen wäre, rechtzeitig Beihilfe zu beantragen, zumal sich nach dem Vortrag der Klägerin die kritischste Zeit, in der die Klägerin starke Schmerzen aufgrund der Unverträglichkeit von drei Medikamenten hatte, nur auf den Oktober/November 2018 beschränkte. Der Verweis auf die gesundheitliche Ausnahmesituation der Klägerin ist menschlich verständlich, genügt aber nicht, um die Klägerin von ihren organisatorischen Pflichten vollumfänglich zu befreien. Als sich abzeichnete, dass die Bewältigung des Alltags die Klägerin über einen nicht absehbaren Zeitraum über das gewöhnliche Maß hinaus beanspruchen würde, hätte sie entsprechend reagieren müssen und gegebenenfalls, wenn, wie die Klägerin vortrug, keine Verwandten in der Nähe zur Verfügung standen, auch fremde Dritte mit der Erledigung ihrer Angelegenheiten beauftragen müssen. Bei derartig unwägbaren Hinderungsgründen erfordert es die auch in eigenem Interesse aufzubringende Sorgfalt, sich um Abhilfe zu bemühen und nicht lediglich zuzuwarten (VG München, U.v. 10.12.2015 - M 17 K 15.402). Es ist nicht ersichtlich, dass es der Klägerin gänzlich unmöglich gewesen wäre, Dritte mit der Stellung des Beihilfeantrags zu beauftragen, zumal es sich beim Ausfüllen eines Beihilfeantrages samt Zusammenstellung der Belege um eine einfache Tätigkeit handelt, die von jeder erwachsenen Person übernommen werden kann. Zwar trug die Klägerin vor, dass sie nicht gewollt habe, dass die vielen Taxirechnungen von fremden Dritten für sie kopiert würden, da das eine erneute Anstrengung für sie bedeutet hätte, die einzelnen Rechnungen zu sortieren und zu kopieren. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Klägerin Dritte, zum Beispiel Freunde, ihren Nachbarn, der ihr auch bei der Abholung des Widerspruchsbescheids von der Post geholfen hat, oder einen - sollte sich die Klägerin um die Sicherheit ihrer privaten Daten sorgen - von Berufswegen zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten, nicht auch mit dem Durchsehen und Sortieren ihrer Rechnungen hätte beauftragen können, wodurch die beschriebenen Anstrengungen vermeidbar gewesen wären. Dass die Klägerin derart handlungsunfähig gewesen wäre, dass sie im fraglichen Zeitraum nicht einmal die Beauftragung eines Dritten hätte vornehmen können, hat sie nicht vorgetragen. Damit ist der Klägerin zumindest ein gewisses Maß an Verschulden vorzuwerfen.
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4. Umstände dafür, dass der Beklagte die Wahrung der Frist durch eigenes Verhalten treuwidrig verhindert hat und er sich ausnahmsweise nach den Rechtsgedanken der §§ 242, 162 BGB nicht auf das Versäumnis einer die Rechtsverfolgung hindernden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen darf (BVerwG, U.v. 18.4.1997 - BVerwG 8 C 38.95 - NJW 1997, 2966, m.w.N.), wurden weder vorgetragen, noch sind solche ersichtlich.
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5. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.