Titel:
Erfolglose Klage auf Bewilligung von Ausbildungsförderung
Normenkette:
BAföG § 11, § 12 Abs. 1 Nr. 1, § 13a, § 36 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der Bedarf für die Ausbildungsförderung wird pauschal danach bemessen, ob der Auszubildende in häuslicher Gemeinschaft mit Eltern bzw. in im Eigentum der Eltern stehenden Räumen wohnt, unabhängig davon, ob der Auszubildende seinen Eltern Miete zahlt oder sogar Mitmieter der Wohnung ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es besteht bzgl. der Ausbildungsförderung kein Gleichlauf mit den BAföG-Regelungen zur Förderung ohne Anrechnung von elterlichem Einkommen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausbildungsförderung, Anrechnung elterlichen Einkommens, Aktualisierungsantrag, Vorausleistung, Förderung, elterliches Einkommen, häusliche Gemeinschaft, Anrechnung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 41816
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, wird abgelehnt.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bewilligung von Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum 9/2017 bis 8/2018.
2
Der Kläger beantragte am 11. Mai 2017 bei der Beklagten Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für den Besuch der Berufsfachschule für Kunst und Bauhandwerk in …, wobei er als Bewilligungszeitraum 9/2017 bis 8/2020 angab. Hierbei erklärte er, zum Zeitpunkt der Antragstellung kein Vermögen zu besitzen und keine Einkünfte zu beziehen. Er wohne derzeit mit seiner Mutter in häuslicher Gemeinschaft und müsse …,- Euro Wohngeld bezahlen. Der Vater des Klägers sei am 15. März 2015 verstorben. Nach mehrmaliger Aufforderung durch die Beklagte wurde am 25. Juli 2017 ein von der Mutter des Klägers vollständig ausgefülltes Formblatt 3 (Einkommenserklärung für das Jahr 2015) nachgereicht. Hinsichtlich der Schwester des Klägers wurde als voraussichtliches Ausbildungsende der 31. August 2017 angegeben.
3
Mit Bescheid vom 25. Juli 2017 setzte die Beklagte die zu gewährenden Leistungen wegen Anrechnung des Einkommens der Mutter unter Festlegung des Bewilligungszeitraums auf 9/2017 bis 7/2018 auf,- Euro fest.
4
Hiergegen ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 20. August 2017 Widerspruch einlegen. Es sei unberücksichtigt gelassen worden, dass die Mutter des Klägers für ein weiteres Kind unterhaltsverpflichtet sei. Des Weiteren werde ein Antrag auf Vorausförderung gestellt, da keine Unterhaltsleistungen an den Kläger erbracht würden. Die Mutter des Klägers lehne eine Unterhaltsverpflichtung ab, da der Kläger in … bereits eine Ausbildung begonnen, diese jedoch abgebrochen habe. Der Kläger sei im Moment nicht in der Lage, für den ihm überlassenen, abgeschlossenen Teil der Mietwohnung seiner Mutter Miete zu zahlen. Dem Grunde nach werde von der Mutter des Klägers Miete eingefordert. Zugleich wurde ein Sozialleistungsantrag mit der Bitte um Weiterleitung an die zuständigen Sozialleistungsträger nach § 16 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) gestellt.
5
Die Beklagte leitete den formlosen Antrag auf Wohngeld an das Sozialreferat und auf Arbeitslosengeld II an das Jobcenter weiter. Mit Schreiben vom 6. September 2017 führte die Beklagte aus, dass aus dem Einkommensteuerbescheid des Jahres 2015 nach § 21 Abs. 1 Satz 1 BAföG lediglich die positiven Einkünfte der Mutter, hier aus nichtselbstständiger Arbeit i.H.v. …,- Euro, nicht jedoch die Verluste aus Gewerbebetrieb i.H.v. …,- Euro, übernommen worden seien. Nach Vorlage einer Studienbescheinigung der Schwester des Klägers könne für diese ein Freibetrag berücksichtigt werden. Da der Kläger noch keine Ausbildung abgeschlossen habe, sei seine Mutter nach wie vor unterhaltsverpflichtet. Eine elternunabhängige Förderung nach dem BAföG sei nicht möglich. Die Tatsache, dass der Kläger an seine Mutter Miete zahlen müsse, spiele keine Rolle. Er bewohne keine eigenständige Wohneinheit mit separater Küche und Bad, sondern lediglich ein Zimmer. Dafür könne nicht der erhöhte Bedarf gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 BAföG gewährt werden. Zudem wurde ein für einen Antrag auf Vorausleistung nach § 36 Abs. 1 BAföG auszufüllendes Formblatt 8 übersandt.
6
Am 17. Mai 2018 legte der Kläger eine Immatrikulationsbescheinigung seiner Schwester vor und beantragte unter Vorlage des Formblattes 8 eine Vorausleistung gemäß § 36 Abs. 1 BAföG, da seine Mutter seit ihrer Arbeitslosigkeit ab April 2018 jegliche Unterhaltszahlungen eingestellt habe. Auf dem vom Bevollmächtigten des Klägers ausgefüllten und unterschriebenen Formblatt 7 (Aktualisierungsantrag) wurde angegeben, dass die Mutter nur Arbeitslosengeld beziehe. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden nicht aufgeführt. Zudem wurde ein Bewilligungsbescheid für Arbeitslosengeld i.H.v. täglich … Euro vom 1. April 2018 bis 30. Juni 2019 zugunsten der Mutter des Klägers vorgelegt.
7
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2018 bewilligte die Regierung von … dem Kläger Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich … Euro für den Bewilligungszeitraum 9/2017 bis 7/2018 (Nr. 1). Über den nachträglich gestellten Antrag auf Aktualisierung nach § 24 Abs. 3 BAföG sowie Vorausleistung nach § 36 BAföG sei eine Entscheidung nicht möglich, da sie nicht ausreichend begründet worden seien (Nr. 2). Dem Kläger wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt und festgestellt, dass die Zuziehung eines Rechtsanwaltes nicht notwendig gewesen sei (Nr. 3). Eine Erhöhung des gesetzlich normierten Bedarfs nach § 12 Abs. 2 BAföG könne - unabhängig von der Höhe der tatsächlichen Ausgaben - nur erfolgen, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohne. Die Voraussetzungen einer Leistungsberechnung ohne Berücksichtigung des elterlichen Einkommens nach § 11 BAföG lägen nicht vor. Die Anrechnung gelte grundsätzlich unabhängig davon, ob die Eltern bürgerlich-rechtlich zur Zahlung von Unterhalt an den Auszubildenden verpflichtet seien (BVerwG, B.v. 5.7.1997 - 11 B 63/94). Nachdem zwischenzeitlich die Immatrikulationsbescheinigung der Schwester des Klägers vorgelegt worden sei, werde der anrechenbare Einkommensbetrag der Mutter auf beide Kinder aufgeteilt, sodass sich nur noch anrechenbares Einkommen i.H.v. … Euro ergebe. Hinsichtlich des Aktualisierungsantrags wurde darauf hingewiesen, dass sich das Einkommen nach § 24 Abs. 4 Satz 2 BAföG anteilig aus den Gesamteinkünften der Kalenderjahre 2017 und 2018 errechne und - da im Antragsformular keine Angaben zum Einkommen im Bewilligungszeitraum bis zum 1. April 2018 gemacht worden seien - eine Berechnung nicht erfolgen könne. Überdies sei der Aktualisierungsantrag auch durch die Mutter des Klägers auszufüllen und zu unterschreiben. Die Bevollmächtigung umfasse das Verfahren des Klägers; die Abgabe der Unterschriften der Mutter im Aktualisierungsverfahren sei nicht erfasst. Eine Vorausleistung nach § 36 Abs. 1 BAföG sei nicht möglich, da der Antrag nur unzureichend ausgefüllt worden sei, sodass nicht festgestellt werden könne, ob und in welchem Umfang und ab welchem Zeitpunkt die Mutter tatsächlich Unterhaltsleistungen erbringe bzw. nicht mehr erbringe. Insbesondere sei im Vorausleistungsantrag angegeben, dass die Mutter keinerlei Sachbezüge in Form von Verpflegung erbringe, was jedoch aufgrund der häuslichen Gemeinschaft kaum glaubhaft sei. Auch sei angegeben, dass Unterkunft als Sachbezug erbracht werde, was im Widerspruch zu der Angabe im BAföG-Antrag stehe, dass der Kläger Miete zu begleichen habe. Auch sei das Formblatt trotz Aufforderung durch die Behörde vom 6. September 2017 erst am 17. Mai 2018 eingereicht worden, sodass eine Gefährdung der Ausbildung bereits aus diesem Grunde zweifelhaft scheine. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes sei nicht notwendig, da die Neuberechnung lediglich aufgrund der ungenügenden Angaben der Mutter des Klägers im Formblatt 3 notwendig gewesen sei, was nicht der Behörde anzulasten sei. Im Weiteren hätte die Mutter selbst die notwendige Immatrikulationsbescheinigung einreichen und somit die nicht ausreichenden Angaben ergänzen können.
8
Hiergegen erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit am 7. Juni 2018 eingegangenen Schriftsatz vom 5. Juni 2018 Klage beim … und beantragte,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 25. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von … vom 28. Mai 2018 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. September 2017 bis 31. Juli 2018 Leistungen nach dem BAföG in Höhe von monatlich … Euro und für den Monat August 2018 Leistungen in Höhe von monatlich … Euro zu bewilligen,
ferner bezüglich des Widerspruchsverfahren zur Regierung von … gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2017 die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig zu erklären.
9
Soweit dem Kläger nicht der volle Bedarfssatz bewilligt worden sei, für den Monat August 2018 jegliche Leistungen abgelehnt worden seien und keine für den Kläger günstige Kostengrundentscheidung nach § 63 SGB X getroffen worden sei, seien der Bescheid sowie der Widerspruchsbescheid rechtswidrig. Die Mutter des Klägers habe, nachdem diese ab April 2018 arbeitslos geworden sei, die Zahlung jeglicher Unterhaltsleistungen eingestellt. Es werde auch kein Naturalunterhalt in Form von Essen und Trinken erbracht. Ein entsprechender Antrag auf Vorausleistungen nach § 36 BAföG sowie ein Antrag auf Aktualisierung des Einkommens nach § 24 Abs. 3 BAföG seien gestellt worden.
10
Die Beklagte beantragte,
hilfsweise die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren für nicht notwendig zu erklären.
11
Die Klage sei insoweit unzulässig, als die Beklagte verpflichtet werden solle, dem Kläger Ausbildungsförderung auch für 8/2018 zu bewilligen. Für den Monat August liege noch keine Entscheidung der Beklagten vor, weder eine positive noch eine negative. Damit fehle der Klage insoweit das Rechtsschutzbedürfnis. Die Beklagte habe den Bewilligungszeitraum zudem in rechtmäßiger Weise festgelegt. Gemäß § 50 Abs. 3 BAföG werde über die Ausbildungsförderung nur „in der Regel“ für ein Jahr entschieden. Im Falle eines in Schuljahre unterteilten Schulbesuch sei es demgegenüber praktikabel, über die Ausbildungsförderung jeweils für die Dauer eines Schuljahres zu entscheiden (Tz. 50.3.1 Satz 2 Halbs. 1 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG-VwV). Das Schuljahr ende jeweils am 31. Juli eines Jahres (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen - BayEUG). Die innerhalb einer förderfähigen Ausbildung liegenden - dem Grunde nach förderfähigen - Ferienzeiten seien jeweils dem Folgebewilligungszeitraum zuzuschlagen, sofern rechtzeitig ein Weiterförderungsantrags gestellt werde und auch die sonstigen Förderungsvoraussetzungen vorlägen. Hierfür sprächen zudem Praktikabilitätserwägungen (Vermeidung von Rückforderungen im Falle eines Ausbildungsabbruchs zum Schuljahresende) sowie der Rechtsgedanke des § 15b Abs. 2 und Abs. 2a BAföG. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die Beklagte verwies insoweit auf die Begründung des Widerspruchsbescheids.
12
Der Bevollmächtigte des Klägers erklärte, dass die Klage in Bezug auf den Monat 8/2018 zulässig sei, da es sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage handele. Die Beklagte hätte auch insoweit Leistungen bewilligen müssen. Der Kläger habe am 2. August 2018 einen weiteren Förderungsantrag gestellt. Höchst vorsorglich sei der Antrag auch für den Monat 8/2018 wiederholt worden. Der Kläger setze seine Ausbildung im Schuljahr 2018/2019 fort. Der Kläger habe darauf hingewiesen, dass es ihm unmöglich sei, von der möglicherweise unterhaltsverpflichteten Mutter das Formblatt 3 und den Einkommensteuerbescheid zu erhalten. Aus diesem Grunde sei auch das Formblatt 8 nach § 36 BAföG vorgelegt worden.
13
Die Beklagte erwiderte, dass der Folgebewilligungszeitraum des Schuljahres 2018/ 2019, welcher auch den Monat August 2018 umfasse, nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei, weil sich die Verpflichtungsklage gegen den Bescheid vom 25. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2018 richte. Jedenfalls sei der Monat 8/2018 nicht entscheidungsreif, da der Auszubildende für den Bewilligungszeitraum des Schuljahres 2018/2019 bislang keine Angaben zum Einkommen seiner Mutter getätigt habe und das eingeleitete Einkommensermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei.
14
Die Beklagte teilte mit, dass das Landesamt für Finanzen mit Schreiben vom 15. November 2019 festgestellt habe, dass im verfahrensgegenständlichen Förderungsfall kein Unterhaltsanspruch des Klägers gegenüber der Mutter bestehe (Bl. 408 f. der Behördenakte - BA). Mit Schreiben vom 17. Januar 2019 habe die Beklagte einen Vorausleistungsbescheid für den Bewilligungszeitraum 8/2018 bis 7/2019 erlassen (Förderung i.H.v. … Euro - Bl. 282 BA, zwischenzeitlich mit Bescheid vom 10. Mai 2019 mangels Nachweis zur Kranken-/Pflegeversicherung herabgesetzt - Bl. 299 BA, mit Bescheid vom 29. August 2019 erneut i.H.v. … Euro bewilligt - Bl. 326 BA). Zum streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum wurde ausgeführt, dass die durch den Widerspruchsbescheid der Regierung von … vom 28. Mai 2018 festgesetzte Förderung in Höhe von monatlich … Euro umgesetzt worden und die Auszahlung am 29. Juni 2018 erfolgt sei. Am 6. Juni 2020 (gemeint wohl: 2018) sei der Entwurf eines gleichlautenden Bewilligungsbescheides intern an das Sozialreferat als Nachweis bezüglich eines Wohngeldantrags übersandt worden. Mit Schreiben vom 20. August 2017 habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine fehlende Zustellung an ihn gerügt und Widerspruch gegen den vermeintlich neuen Bescheid eingelegt. Nach Aufklärung über die Umstände habe der Kläger am Widerspruch festgehalten, woraufhin der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2020 als unzulässig zurückgewiesen worden sei.
15
Ein auf vorläufige Bewilligung und Auszahlung von BAföG-Leistungen beginnend ab 1. August 2018 gerichteter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 16. Oktober 2018 wurde mit Beschluss vom 7. November 2018 abgelehnt (M 15 E 18.5115).
16
Mit Schreiben vom 18. und 19. November 2020 haben die Parteien ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die vorgelegten Behördenakten in diesem Verfahren und in den Verfahren M 15 E 18.2488 und M 15 E 18.5115 Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
18
Im vorliegenden Verfahren konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da sich die Parteien mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
19
Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
20
Soweit der Kläger Ausbildungsförderung für 8/2018 begehrt, ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis bereits unzulässig (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, vor § 40, Rn. 11), da der Kläger insoweit durch die Bewilligung von Ausbildungsförderung in der geforderten Höhe (* … Euro) mit Bescheiden der Beklagten vom 17. Januar 2019 bzw. 29. August 2019 klaglos gestellt wurde.
21
In Hinblick auf den Bewilligungszeitraum 9/2017 bis 7/2018 war der Klageantrag nach dem klägerischen Begehren als Versagungsgegenklage unter Abänderung des Bescheids vom 25. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2018 gerichtet auf eine Erhöhung des dem Kläger zu gewährenden monatlichen Förderbetrags um … Euro auf insgesamt … Euro auszulegen (§ 86 Abs. 3, § 88 VwGO). Insoweit ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 25. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen Anspruch auf die Erhöhung des Förderungsbetrags (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend wird ausgeführt:
22
1. Eine Erhöhung des Bedarfssatzes (§ 11 Abs. 1, § 12 Abs. 1 Nr. 1, § 13a BAföG) - die auch von Klägerseite ausweislich der begehrten Förderhöhe im Klageverfahren nicht mehr geltend gemacht wurde - kommt aufgrund der klaren Gesetzessystematik nicht in Betracht. Danach wird der Bedarf pauschal danach bemessen, ob der Auszubildende in häuslicher Gemeinschaft mit Eltern bzw. in im Eigentum der Eltern stehenden Räumen wohnt, unabhängig davon, ob der Kläger seinen Eltern Miete zahlt oder sogar Mitmieter der Wohnung ist (vgl. Schaller in Ramsauer/Stallbaum, 7. Aufl. 2020, § 12 Rn. 13, § 13 Rn. 6 m.w.N.)
23
2. Das Einkommen der Mutter des Klägers wurde im vorliegenden Fall in korrekter Weise angerechnet.
24
2.1 Insbesondere ist kein Fall einer elternunabhängigen Förderung nach § 11 Abs. 3 BAföG ersichtlich, unabhängig davon, ob der Kläger im Bewilligungszeitraum einen bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch gegen seine Mutter hatte. Insoweit besteht kein Gleichlauf mit den BAföG-Regelungen zur Förderung ohne Anrechnung von elterlichem Einkommen (vgl. a. BVerwG, B.v. 5.7.1994 - 11 B 63/94 - juris Rn. 4). Eine Schließung eventueller Lücken kann ggf. über einen Vorausleistungsantrag (s.u. 3.) erfolgen.
25
2.2 Die Beklagte hat ihrer Berechnung richtigerweise die sich aus dem Einkommensteuerbescheid vom 22. Dezember 2016 für das Jahr 2015 ergebenden positiven Einkünfte der Mutter des Klägers zugrunde gelegt (§ 11 Abs. 2, §§ 21 ff. BAföG). Berechnungsfehler sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Zu Recht ist die Beklagte nicht von einem wirksamen Aktualisierungsantrag nach § 24 Abs. 3 BAföG ausgegangen. Zum einen wurde das nach § 46 Abs. 3 BAföG zu verwendende Formblatt 7 nicht von der Mutter als Einkommensbezieherin (bzw. einem Bevollmächtigten derselben) unterschrieben. Zum anderen wurde nicht glaubhaft gemacht (§ 24 Abs. 3 Satz 2 BAföG), dass das Einkommen im Bewilligungszeitraum voraussichtlich wesentlich niedriger sein werde als im nach § 24 Abs. 1 BAföG grundsätzlich maßgeblichen vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums. Vorliegend wären nach § 24 Abs. 4 Satz 2 BAföG bei Einkommensaktualisierung die Kalenderjahreseinkommen von 2017 und 2018 maßgeblich gewesen. Zum Einkommen in den Monaten 1/2017 bis 3/2018 wurden jedoch keinerlei Angaben gemacht.
26
3. Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Ausbildungsförderung in Form einer Vorausleistung nach § 36 Abs. 1 BAföG bestand nicht.
27
Es gelang dem Kläger aufgrund widersprüchlicher Angaben nicht, glaubhaft zu machen, dass seine Mutter den angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leistet. Einerseits gab er im Antrag vom 11. Mai 2017 an, … Euro Wohngeld abgeben zu müssen. Andererseits erklärte sein Bevollmächtigter auf dem Vorausleistungsantrag vom 16. Mai 2018, dass der Kläger von seiner Mutter Unterhalt in Form von Unterkunft erhalte. Auch wurden beim Aktualisierungsantrag vom selben Tage keine Einkünfte der Mutter des Klägers aus Vermietung aufgeführt. Des Weiteren lässt das Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 25. September 2019 („sie [die Mutter] muss uns beide Kinder, obwohl wir schon erwachsen sind, noch versorgen. Wir wohnen noch zuhause, da das Leben in … sehr schwer finanzierbar ist“, vgl. Bl. 359 BA) Zweifel daran aufkommen, dass die Mutter keinerlei Unterhalt für den Kläger leistet. Jedenfalls hat der Kläger keine Gefährdung der Ausbildung dargelegt (zur Beweislast des Auszubildenden für die abstrakte Gefährdung der Ausbildung vgl. Humborg in Rothe/Blanke, BAföG, Stand Juli 2019, § 36 Tz. 10). Insbesondere wurde der Vorausleistungsantrag trotz Übersendung des entsprechenden Formblatts durch die Beklagte an den Kläger am 6. September 2017 erst - über acht Monate später - am 17. Mai 2018 eingereicht. Im Falle einer für die Fortführung der Ausbildung dringend benötigten Förderung wäre eine umgehende Rücksendung des ausgefüllten Formblatts an die Beklagte, spätestens jedoch unmittelbar nach Kenntnis der Arbeitslosigkeit der Mutter des Klägers, zu erwarten gewesen. Auch bezog der Kläger seit 1. Mai 2018 Leistungen (unklarer Höhe) nach dem SGB II (vgl. Bl. 194 BA), sodass es Ausführungen des Klägers zu einer dennoch bestehenden Gefährdung der Ausbildung bedurft hätte.
28
4. Ein Anspruch auf Erstattung der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts nach § 63 Abs. 1, 2 SGB X besteht nicht.
29
Es fehlt insoweit bereits an einem erfolgreichen Widerspruch im Sinne der Vorschrift, da ein solcher nur gegeben ist, wenn der Ausgangsbescheid aus widerspruchsbezogenen Gründen aufgehoben wird. Sofern die Aufhebung darauf beruht, dass der Widerspruchsführer erst nachträglich seine Mitwirkungspflicht erfüllt, ist der Widerspruch nicht kausal für den Erfolg (Mutschler in Kasseler Kommentar, SGB X, Stand Juli 2020, § 63 Rn. 6). Vorliegend wurde dem Kläger im Widerspruchsverfahren eine höhere Förderung gewährt, nachdem er in Erfüllung seiner Obliegenheit zur Mitteilung von Änderungen (§ 60 Abs. 1 Nr. 2, 3 SGB I) im Widerspruchsverfahren erstmals eine weiterhin bestehende Immatrikulation seiner Schwester vortrug und belegte. Jedenfalls war die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren in Hinblick auf die hier zur Abänderung führende bloße Vorlage einer Immatrikulationsbescheinigung nicht notwendig i.S.v. § 63 Abs. 2 SGB X, sodass auch aus diesem Grund eine Erstattung ausscheidet.
30
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
31
Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.