Titel:
Anspruch auf Ausbildungsförderung bei Aufnahme eines Lehramtsstudiums nach vorheriger Ausbildung zur Erzieherin und Sozialassistentin
Normenkette:
BAföG § 7 Abs. 1 S. 1, § 7 Abs. 2 S. 1, § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Nr. 5, § 7 Abs. 2 S. 2 Nr. 2
Leitsätze:
1. Ausbildungsförderung gem. § 7 Abs. 1 S. 1 BAföG wird mindestens für drei Schul- oder Studienjahre gewährt, die zu einem berufsqualifizierten Abschluss führen. Dabei ist unerheblich, ob der Abschluss erreicht wird oder die Ausbildung bereits mit öffentlichen Mitteln gefördert wurde (BVerwG BeckRS 1983, 31245303). (Rn. 20 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ausbildungsförderung wird darüber hinaus gem. § 7 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BAföG gewährt, wenn ein Studiengang aufgenommen wird, für den der berufsqualifizierende Abschluss die einzig erforderliche und unabdingbare Zugangsbedingung darstellt, so wie dies regelmäßig bei Aufbau- oder Ergänzungsstudiengängen der Fall ist. Bei selbstständigen Studiengängen wie dem Studium des Lehramts an Mittelschulen ist das nicht der Fall. (Rn. 22 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Mit einer dreijährigen Ausbildung als Erzieherin an einer staatlich anerkannten Berufsfachschule und einer anschließenden weiteren Ausbildung als staatlich geprüfte Sozialassistentin sind die maximal zwei förderfähigen berufsqualifizierenden Ausbildungen gem. § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 BAföG ausgeschöpft (BVerwG BeckRS 2018, 9807), und es liegt zwischen den beiden Abschlüssen keine Identität der Wissenssachgebiete gem. § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BAföG vor. Beide Ausbildungen können nicht als eine in sich zusammenhängende Ausbildung angesehen werden, da die erste Ausbildung nicht zwingende Voraussetzung für die zweite Ausbildung ist, auch wenn mit der ersten Ausbildung der zweite Berufsabschluss in kürzerer Zeit erlangt werden kann (aA VGH Kassel BeckRS 2007, 143155). (Rn. 24 – 25) (Rn. 32 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
4. Besondere Umstände des Einzelfalls gem. § 7 Abs. 2 S. 2 BAföG, die auch die Förderung einer gegebenenfalls dritten Ausbildung rechtfertigen würden, liegen nur dann vor, wenn die bisherigen Berufe zB wegen einer Behinderung oder Allergie nicht mehr ausgeübt werden können. (Rn. 38 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Studium Lehramt an Mittelschulen, zwei vorangegangene berufsqualifizierende Ausbildungen, staatlich geprüfte Sozialassistentin, staatlich anerkannte Erzieherin, keine unabdingbare Voraussetzung, keine besonderen Umstände des Einzelfalles, Ausbildungsförderung, Berufsabschluss, Erzieherin, Sozialassistentin, Lehramt
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 03.02.2021 – 12 ZB 20.2912
Fundstelle:
BeckRS 2020, 41308
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
1
Die Klägerin studiert an der Universität W. die Fachrichtung Lehramt an Mittelschulen. Die Parteien streiten um die Bewilligung einer diesbezüglichen Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz.
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Nach dem Abschluss der Realschule im Juni 2010 absolvierte die Klägerin an der M.schule F., Höhere Berufsfachschule für Sozialassistenz, von Juli 2010 bis Juni 2012 erfolgreich die Ausbildung zur staatlich geprüften Sozialassistentin. Von Juli 2012 bis September 2015 durchlief die Klägerin an der M.schule F., staatlich anerkannte Fachschule für Sozialpädagogik, einschließlich des Anerkennungsjahrs an einer Kindertagesstätte erfolgreich die Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin. Weiterhin gibt die Klägerin an, zusätzlich die Fachhochschulreife erreicht zu haben.
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Von August 2015 bis zum 15. Oktober 2019 arbeitete die Klägerin als Erzieherin in einer Kindertagesstätte.
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Am 30. August 2019 erwarb die Klägerin an der Julius-Maximilians-Universität W. in einem Beratungsgespräch den allgemeinen Hochschulzugang für Absolventinnen und Absolventen einer beruflichen Fach- oder Weiterbildung gemäß Art. 45 Abs. 1 BayHSchG.
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Zum Wintersemester 2019/2020 immatrikulierte sie sich an der Universität W. im Studienfach Lehramt an Mittelschulen.
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Mit Formblattantrag vom 14. Oktober 2019, beim Beklagten eingegangen am 21. Oktober 2019, beantragte die Klägerin Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und legte die erforderlichen Unterlagen vor.
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Mit Bescheid vom 20. Januar 2020 lehnte der Beklagte den Antrag auf Ausbildungsförderung für das Studium an der Universität W. in der Fachrichtung Lehramt an Mittelschulen ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe ihren Grundanspruch auf Ausbildungsförderung nach § 7 Abs. 1 BAföG ausgeschöpft. Nach dieser Vorschrift bestehe ein Anspruch auf Ausbildungsförderung für zumindest drei Jahre berufsbildender Ausbildung bis zum Erreichen eines berufsqualifizierenden Abschlusses. Zwar habe die Klägerin diesen Grundanspruch mit ihrer ersten zweijährigen Ausbildung zur staatlich geprüften Sozialassistentin noch nicht ausgeschöpft, jedoch sei dies mit der zweiten dreijährigen Ausbildung zur staatlich geprüften Erzieherin geschehen.
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Nach Ausschöpfung des Grundanspruchs auf Ausbildungsförderung könne für eine nachfolgende Ausbildung nur noch dann Ausbildungsförderung bewilligt werden, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BAföG gegeben seien. Diese lägen jedoch nicht vor. Insbesondere finde § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG keine Anwendung; nach dieser Vorschrift werde für eine einzige weitere Ausbildung Ausbildungsförderung geleistet, wenn der Auszubildende als erste Berufsausbildung eine zumindest dreijährige Ausbildung an einer Berufsfachschule oder in einer Fachschulklasse, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, abgeschlossen habe. Allerdings könne eine weitere Ausbildung nach dieser Vorschrift nicht gefördert werden, wenn der Auszubildende an einer Berufsfachschule oder in einer Fachschulklasse bereits mehr als einen berufsqualifizierenden Abschluss erworben habe. Dies sei vorliegend der Fall. Eine Ausnahme könne nur dann gelten, wenn die erste Ausbildung unabdingbare Voraussetzung für den zweiten berufsqualifizierenden Abschluss sei. Zwar habe die Klägerin durch die Ausbildung zur Sozialassistentin eine der Aufnahmevoraussetzungen für die Ausbildung zur Erzieherin erfüllt, dies hätte jedoch auch auf anderen Wegen geschehen können.
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Auch lägen keine besonderen Umstände des Einzelfalles im Sinn von § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG vor, die die Förderung einer weiteren Ausbildung rechtfertigen könnten. Dies wäre nur dann gegeben, wenn der Auszubildende entweder aus Gründen, auf deren Eintreten er keinen Einfluss habe, die mit der ersten Ausbildung erworbene Qualifikation objektiv nicht mehr verwerten könne (z.B. wegen einer Erkrankung oder Allergie), oder wenn das angestrebte Ausbildungsziel die weitere Ausbildung erfordere. Allerdings sei für die Absolvierung der Ausbildung im Fach Lehramt an Mittelschulen nicht zwingend die Absolvierung der Ausbildung zur Erzieherin oder zur staatlich geprüften Sozialassistentin vorgeschrieben.
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Ein Nachweis über die Zustellung des Bescheides ist in den Behördenakten nicht vorhanden.
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Am 24. Februar 2020 ließ die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben und zuletzt beantragen,
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Januar 2020 verpflichtet, der Klägerin Ausbildungsförderung für das Studium Lehramt an Mittelschulen in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
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Zur Begründung wurde vorgetragen, die Klägerin habe einen Anspruch auf Ausbildungsförderung auf der Grundlage von § 7 Abs. 2 BAföG. Die Ausbildung als staatlich geprüfte Sozialassistentin sei der zeitlich kürzeste Weg, um die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Fachschule für Sozialwesen zu erreichen. Auf der Grundlage des Beschlusses des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Dezember 2007 müssten die beiden vorausgegangenen Ausbildungen zusammengenommen als eine erste Ausbildung verstanden werden, da für die Aufnahme in die Fachschule für Sozialpädagogik zusätzlich ein Berufsabschluss oder eine Berufstätigkeit mit Feststellungsprüfung erforderlich sei.
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Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin in der Vergangenheit keine Ausbildungsförderung erhalten habe, weshalb ein Anspruch auf Ausbildungsförderung insoweit auch noch nicht verbraucht sein könne. Die berufliche Qualifizierung als staatlich anerkannte Erzieherin sei vorliegend Voraussetzung für die Eröffnung zum allgemeinen Hochschulzugang. Demgegenüber werde dies bei der Gewährung von Ausbildungsförderung nicht berücksichtigt, was nicht nachvollziehbar sei.
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Der Beklagte beantragte,
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Zur Begründung wurde ausgeführt, zwar noch nicht mit der zweijährigen Ausbildung als Sozialassistentin, jedoch mit der dreijährigen Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin habe die Klägerin im Anschluss an mindestens drei Jahre berufsbildender Ausbildung einen berufsqualifizierenden Abschluss erworben. Dies lasse den Grundanspruch der Klägerin auf Ausbildungsförderung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG entfallen. In diesem Fall könne Ausbildungsförderung nur noch dann bewilligt werden, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BAföG vorlägen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Insbesondere könne sie sich nicht auf § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG stützen. Nach dieser Vorschrift dürfe der Auszubildende neben anderen Voraussetzungen nicht mehr als einen berufsqualifizierenden Abschluss erworben haben. Seien bis zum Ausschöpfen des Grundanspruchs bereits mehrere berufsqualifizierende Abschlüsse erworben worden, so scheide eine Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG aus. Etwas Anderes könne nur dann gelten, wenn der erste der erworbenen Abschlüsse zwingend notwendige Voraussetzung sei, um den zweiten Abschluss zu erwerben. Gebe es auch nur eine theoretisch mögliche Alternative, den zweiten Abschluss ohne den ersten Abschluss zu erwerben, so scheide eine Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG aus. Die Klägerin habe mit ihrem Abschluss als Sozialassistentin und mit ihrem Abschluss als Erzieherin zwei berufsqualifizierende Abschlüsse erworben. Der erste Abschluss sei nicht der einzig mögliche Zugang zur zweiten Ausbildung als Erzieherin, sondern nur eine von mehreren möglichen Zugängen.
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Die Klägerin könne sich auch nicht auf § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG stützen. Die hier genannten besonderen Umstände des Einzelfalles lägen nicht vor. Es seien keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Klägerin die mit ihrer vorangegangenen Ausbildung erworbenen beruflichen Qualifikationen nicht mehr verwerten könne. Auch ein möglicherweise angestrebtes Ausbildungsziel erfordere die weitere Ausbildung nicht. Dies sei nur dann der Fall, wenn für ein bestimmtes angestrebtes Berufsziel gesetzlich zwingend die Absolvierung zweier Ausbildungen vorgeschrieben sei.
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Im Übrigen wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 23. Juli 2020, auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Beklagten, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Begehren der Klägerin, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Januar 2020 zu verpflichten, der Klägerin Ausbildungsförderung für das Studium Lehramt an Mittelschulen in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Dies hat der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt.
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung für ihr Studium Lehramt an Mittelschulen an der Universität Würzburg. Der Bescheid des Beklagten vom 20. Januar 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Nach § 7 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BaföG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Dezember 2010 (BGBl I S. 1952, BGBl I 2012, 197), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juli 2019 (BGBl I S. 1048) wird Ausbildungsförderung zumindest für drei Schul- oder Studienjahre berufsbildender Ausbildung im Sinne der § 2 und § 3 BAföG bis zu einem daran anschließenden berufsqualifizierenden Abschluss geleistet. Auf die Mindestförderungszeit im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG werden alle Zeiten einer förderungsfähigen berufsbildenden Ausbildung angerechnet, unabhängig davon, ob sie zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geführt haben, oder ob die Ausbildung mit öffentlichen Mitteln gefördert worden ist (BVerwG, U.v. 17.3.1983 - 5 C 27/81 - juris Rn. 7).
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Hiervon ausgehend war der Grundanspruch aus § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG nach den Ausbildungen der Klägerin zur staatlich geprüften Sozialassistentin und zur staatlich anerkannten Erzieherin verbraucht. Dieser Verbrauch ist noch nicht allein durch den Abschluss der zweijährigen Ausbildung zur staatlich ausgebildeten Sozialassistentin eingetreten, jedoch durch den Abschluss der dreijährigen Ausbildung zur staatlich geprüften Erzieherin. Unerheblich ist, dass die Klägerin für diese Ausbildungen keine Förderung erhalten hat (BVerwG, U.v. 17.3.1983 - 5 C 27/81 - juris Rn. 7, BVerwG, U.v. 29.3.2018 - 5 C 14/16 - juris Rn. 9 bis 11 m.w.N.).
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Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Förderung ihres Studiums an der Universität W. als weitere Ausbildung gemäß § 7 Abs. 2 BAföG. Die Voraussetzungen für die Förderung einer weiteren Ausbildung nach den hier alleine in Betracht kommenden Nrn. 2, 3, 4 und 5 des § 7 Abs. 2 BAföG sowie nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG liegen nicht vor.
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Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG wird für eine einzige weitere Ausbildung Ausbildungsförderung längstens bis zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geleistet, wenn sie eine Hochschulausbildung oder eine dieser nach Landesrecht gleichgestellte Ausbildung insoweit ergänzt, als dies für die Aufnahme des angestrebten Berufs rechtlich erforderlich ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Klägerin befindet sich nicht - wie es § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG voraussetzt - in einem nichtselbständigen Aufbau- oder Ergänzungsstudiengang (vgl. BAföGVwV Ziffer 7.2.11). Vielmehr handelt es sich beim Studium Lehramt an Mittelschulen um einen selbständigen Studiengang.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG. Nach dieser Vorschrift wird für eine einige weitere Ausbildung Ausbildungsförderung längstens bis zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geleistet, wenn im Zusammenhang mit der vorhergehenden Ausbildung der Zugang zu ihr eröffnet worden ist, sie in sich selbständig ist und in die selbe Richtung fachlich weiterführt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führt eine weitere Ausbildung die erste dann in die selbe Richtung fachlich fort, wenn sie dem Auszubildenden vertiefte und damit zusätzliche Kenntnisse und/oder Fertigkeiten auf dem der ersten Ausbildung zugrundeliegenden Wissenssachgebiet vermittelt. Es reicht nicht aus, dass das materielle Wissenssachgebiet der weiteren Ausbildung mit dem Wissenssachgebiet der ersten Ausbildung lediglich verwandt ist. Erforderlich ist eine Identität der Wissenssachgebiete. Eine derartige Übereinstimmung im materiellen Wissenssachgebiet ist nicht schon dann anzunehmen, wenn die erste und die weitere Ausbildung unter einen sehr weit gefassten Oberbegriff eingeordnet werden können (BVerwG, U.v. 29.3.2018 - 5 C 14/16 juris Rn. 15; U.v. 24.6.1982 - 5 C 23.81 - FamRZ 1983, 100; U.v. 23.1.1992 - 5 C 69.88 - BVerwGE 89, 334, 337f.).
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Vorliegend sind die Wissenssachgebiete der Ausbildung zur Erzieherin und des Studiums Lehramt an Mittelschulen nicht identisch. Die Ausbildung zur Erzieherin befähigt die Klägerin zur Ausübung eines sozialpädagogischen Berufes im Bereich der vorschulischen Erziehung und im Bereich der außerschulischen Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Das Studium Lehramt an Mittelschulen eröffnet der Klägerin den Zugang zu einem pädagogischen Beruf im Bereich der schulischen Ausbildung von Kindern und Jugendlichen (BVerwG, U.v. 29.3.2018 - 5 C 14/16 - juris Rn. 16). Damit kommt eine Förderung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG nicht in Betracht.
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Auch ein Anspruch auf Förderung der Ausbildung der Klägerin nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BAföG besteht nicht. Nach dieser Vorschrift wird für eine einzige weitere Ausbildung Ausbildungsförderung längstens bis zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geleistet, wenn der Auszubildende a) eine Fachoberschulklasse, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, eine Abendhauptschule, eine Berufsaufbauschule, eine Abendrealschule, ein Abendgymnasium oder ein Kolleg besucht oder b) die Zugangsvoraussetzungen für die zu fördernde weitere Ausbildung an einer der in Buchstabe a) genannten Ausbildungsstätten durch eine Nichtschülerprüfung oder durch eine Zugangsprüfung zu einer Hochschule oder zu einer Akademie im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG erworben hat.
27
Diese Förderungstatbestände betreffen die klassische Form des zweiten Bildungsweges (Steinweg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 7 Rn. 81).
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Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a BAföG liegen ersichtlich nicht vor. Die Klägerin besucht keine Fachoberschulklasse im Sinne der Vorschrift.
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Auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b BAföG sind nicht gegeben. Die Klägerin hat die Zugangsvoraussetzungen für ihr Studium Lehramt an Mittelschulen an der Universität W. nicht an einer Fachoberschule, deren Besuch eine Berufsausbildung voraussetzt oder an einer anderen in der Vorschrift genannten Ausbildungsstätte erworben. Vielmehr hat die Klägerin die Berechtigung zum Hochschulstudium mit dem Abschluss als staatlich anerkannte Erzieherin an der M.schule F., einer staatlich anerkannten Fachschule für Sozialpädagogik, erworben. Hierbei handelt es sich nicht um eine Ausbildungsstätte des zweiten Bildungsweges. Auch eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b BAföG kommt nicht in Betracht (zur Frage, ob eine diesbezügliche planwidrige Regelungslücke vorliegt: verneinend BVerwG, U.v. 29.3.2018 - 5 C 14/16 - juris Rn. 23 bis 37 m.w.N.).
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Auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift wird für eine einzige weitere Ausbildung Ausbildungsförderung längstens bis zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geleistet, wenn der Auszubildende als erste berufsbildende, zumindest dreijährige Ausbildung an einer Berufsfachschule oder in einer Fachschulklasse, deren Besuch eine abgeschlossenen Berufsausbildung nicht voraussetzt, abgeschlossen hat.
31
Zielrichtung dieser Vorschrift ist eine Gleichbehandlung der Absolventen von Berufsfachschulen und Berufsfachschulklassen, deren Besuch einen berufsqualifizierenden Abschluss nicht voraussetzt, mit den Absolventen einer Ausbildung in Betrieben und überbetrieblichen Einrichtungen. Dies resultiert daraus, dass eine im sogenannten dualen System durchgeführte betriebliche Ausbildung dem abstrakten Förderungsbereich des Bundesausbildungsförderungsgesetzes nicht unterfällt und deshalb den Anspruch auf Förderung späterer Ausbildungen in keiner Weise berührt, während ein berufsqualifizierender Abschluss nach zumindest drei Schul- oder Studienjahren berufsqualifizierender Ausbildung an einer Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder § 3 BAföG den Grundanspruch auf Förderung einer Erstausbildung nach Abs. 1 erschöpft, so dass die Förderung einer weiteren Ausbildung nur unter den Ausnahmevoraussetzungen des Abs. 2 möglich ist. Diese gesetzliche Konzeption benachteiligt solche Auszubildende, deren erste Ausbildung unter § 2 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder § 3 BAföG fällt, aber nach Inhalt und vermittelter Qualifikation weitgehend einer im dualen System durchgeführten Berufsausbildung ähnlich ist. Hiervon sind konkret die Auszubildenden betroffen, die als erste berufsbildende Ausbildung eine Ausbildung an einer Berufsfachschule oder in einer Fachschulklasse, die keine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, durchgeführt haben. Indem § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG für diese beiden Gruppen die Förderung einer weiteren Ausbildung ohne sonstige einschränkende Voraussetzungen eröffnet, wird die diesbezügliche Benachteiligung weitgehend ausgeglichen (Steinweg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 7 Rn. 90 bis 91).
32
Demgegenüber scheidet § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG als Anspruchsgrundlage für die Förderung einer weiteren Berufsausbildung aus, wenn der Auszubildende seinen Grundanspruch auf Förderung einer berufsbildenden Erstausbildung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG durch den berufsqualifizierenden Abschluss zweier Ausbildungen ausgeschöpft hat. Denn aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG („eine einzige weitere Ausbildung“) und dem systematischen Zusammenhang mit § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG folgt, dass insgesamt nicht mehr als zwei berufsqualifizierende Ausbildungen als förderfähig angesehen werden können (BVerwG, U.v. 29.3.2018 - 5 C 14/16 - juris Rn. 39 m.w.N.; BayVGH, B.v. 4.6.2018 - 12 ZB 18.1081 - a.U. Rn. 5 - n.v.).
33
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zwar eine dreijährige Ausbildung als Erzieherin an einer staatlich anerkannten Berufsfachschule abgeschlossen; allerdings hat sie zuvor eine weitere Ausbildung als staatlich geprüfte Sozialassistentin absolviert, so dass sie insgesamt bereits zwei berufsbildende Ausbildungen abgeschlossen hat und sich damit nicht mehr auf die Anspruchsgrundlage des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG stützen kann.
34
Diese beiden Ausbildungen können auch nicht als eine einzige Ausbildung im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 BAföG angesehen werden. Dies wäre nur dann möglich, wenn der Abschluss als staatlich geprüfte Sozialassistentin die einzige Möglichkeit gewesen wäre, um die Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung als Erzieherin zu erhalten (vgl. BAföGVwV Nr. 7.2.18 Abs. 2: Die erste berufsqualifizierende Ausbildung müsste unabdingbare Voraussetzung für den zweiten berufsqualifizierenden Abschluss sein). Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Der Zugang zur Ausbildung als staatlich anerkannte Erzieherin ist nicht ausschließlich und unabdingbar mit dem Abschluss als staatlich geprüfte Sozialassistentin möglich, sondern auch auf anderen Wegen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die M.schule F. als berufliche Voraussetzung für die Aufnahme an der Fachschule für Sozialwesen zur Ausbildung als Erzieherin den Abschluss als staatlich geprüfte Sozialassistentin oder den Abschluss einer anerkannten Berufsausbildung von mindestens zweijähriger Dauer und sozialpädagogische Erfahrungen fordert (vgl. auch BayVGH, B.v. 4.6.2018 - 12 ZB 18.1081 a.U. Rn. 7 n.v. unter Bezugnahme auf VG Würzburg, U.v. 11.4.2018 - W 3 K 17.533 - juris Rn. 21).
35
Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht auf die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 2007 (10 TG 2266/07 - juris) berufen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof stützt seine abweichende Ansicht auf die Argumentation, dass die Ausbildung als staatlich geprüfte Sozialassistentin neben dem Abschluss einer anderen einschlägig anerkannten Berufsausbildung von mindestens zweijähriger Dauer der zeitlich kürzeste Weg sei, um die Voraussetzung für die Aufnahme in die Fachschule für Erzieherinnen zu erfüllen. Damit stuft er den Abschluss als staatlich geprüfte Sozialassistentin als unabdingbare Voraussetzung für die Aufnahme der Ausbildung als staatlich anerkannte Erzieherin ein (HessVGH, B.v. 19.12.2007 - 10 TG 2266/07 - juris Rn. 12 bis 16). Diesbezüglich stützt sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof auf BAföGVwV Nr. 7.2.18, wonach eine weitere Ausbildung nach Nr. 5 auch dann gefördert werden kann, wenn die auszubildende Person zwar bereits mehr als einen berufsqualifizierenden Abschluss erworben hat, der erste dieser berufsqualifizierenden Abschlüsse jedoch unabdingbare Voraussetzung für den zweiten berufsqualifizierenden Abschluss ist.
36
Dieser Auslegung kann das Gericht nicht folgen. Eine Voraussetzung ist dann nicht unabdingbar, wenn sie sich lediglich dadurch auszeichnet, in kürzerer Zeit erworben werden zu können als eine vom Ergebnis her gleichwertige andere Voraussetzung. Die Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes steht mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 16.2.2017 - 5 B 57/16 - juris Rn. 7) in diametralem Gegensatz.
37
Aus diesen Gründen kann das erkennende Gericht der Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes nicht folgen.
38
Schließlich ist auch die Verneinung eines Fördertatbestandes aus § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG durch den Beklagten nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift wird im Übrigen Ausbildungsförderung für eine einzige weitere Ausbildung nur geleistet, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere das angestrebte Ausbildungsziel, dies erfordern. Da diese Bestimmung auf die besonderen Umstände des Einzelfalls abstellt, darf es nicht um eine Situation gehen, die eine Vielzahl von Auszubildenden in gleicher Weise betrifft. Insbesondere hat die Vorschrift nicht die Funktion eines Auffangtatbestandes, der die in § 7 Abs. 2 Satz 1 BAföG aufgeführten Sachverhalte aus Gründen der Billigkeit ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, U.v. 15.8.2008 - 5 C 18/07 - juris Rn. 22). Diese Regelung kommt vielmehr nur in besonderen Ausnahmefällen zum Tragen, etwa wenn der Auszubildende sich eine bereits abgeschlossene Berufsausbildung nicht mehr zunutze machen kann oder wenn er die Qualifikation für einen Beruf erwerben will, die durch den erfolgreichen Abschluss einer förderfähigen Ausbildung allein nicht erreicht werden kann. Maßgeblich sind insoweit nicht die subjektiven Vorstellungen desjenigen, der die Ausbildung absolviert, sondern das objektive Erfordernis mehrerer Ausbildungen. Dass ein Mehr an Ausbildungen nützlich, sinnvoll und geeignet ist, um die Ausübung des Berufes zu erleichtern, reicht hingegen nicht aus (vgl. OVG Bremen, B.v 23.6.2010 - 2 B 144/10 - juris Rn. 6).
39
Nach dieser Vorschrift kann - anders als im Falle des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BAföG - auch eine „dritte Ausbildung“ förderfähig sein, wenn der Auszubildende innerhalb des Grundanspruchs zwei Ausbildungen berufsqualifizierend abgeschlossen hat (Steinweg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 7 Rn. 62 m.w.N.).
40
Nach BAföGVwV Nr. 7.2.22 liegen derartige besondere Umstände des Einzelfalles dann vor, wenn die weitere Ausbildung zusammen mit der vorhergehenden Ausbildung die Ausübung eines Berufs erst ermöglicht (z.B. Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurg, Schulpsychologe). Derartige besondere Umstände des Einzelfalles sind auch dann gegeben, wenn ein unabweisbarer Grund der Ausübung des Berufes entgegensteht, zu dem die frühere Ausbildung qualifiziert hat. Unabweisbar ist ein Grund gemäß BAföGVwV Nr. 7.3.16a, der eine Wahl zwischen der Ausübung des bisherigen Berufs und dem Wechsel in einen anderen Beruf nicht zulässt, z.B. bei unerwartet eingetretener Behinderung oder Allergie, die die Ausübung des bisherigen Berufs unmöglich machen.
41
Derartige besondere Umstände des Einzelfalls sind im vorliegenden Fall seitens der Klägerin weder vorgetragen worden noch sind sie für das Gericht anderweitig erkennbar.
42
Aus alledem ergibt sich, dass der Klägerin der begehrte Anspruch auf Ausbildungsförderung für das Studium Lehramt an Mittelschulen dem Grunde nach nicht zusteht. Der angegriffene Bescheid vom 20. Januar 2020 erweist sich deshalb als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO abzuweisen.