Titel:
Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsums (Amphetamin)
Normenketten:
VwGO § 108 Abs. 1
StVG § 3 Abs. 1
BtMG § 31
FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1
FeV Anl. 4 Nr. 9.1
Leitsätze:
1. Beim Konsum von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) entfällt die Fahreignung, unabhängig von der Höhe der nachgewiesenen Betäubungsmittelkonzentration, unabhängig von einer Straßenverkehrsteilnahme im berauschten Zustand und unabhängig davon, ob konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne von Fahruntüchtigkeit beim Betroffenen zu verzeichnen waren. Dementsprechend ist die Fahrerlaubnisentziehung nach der Regelvermutung von Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig die Einnahme eines Betäubungsmittels nachgewiesen oder der Konsum einer solchen Substanz eingeräumt wurde (vgl. VGH München BeckRS 2019, 6040 Rn. 11 mwN). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im präventiven Bereich der Fahrerlaubnisentziehung gibt es zwar kein den strafprozessualen Regelungen entsprechendes Beweisverwertungsverbot, allerdings dürfen auch in diesem Verfahren solche Erkenntnisse nicht berücksichtigt werden, die unter Missachtung fundamentaler Rechtsgrundsätze gewonnen wurden. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs anerkannte sog. „verfahrensrechtliche Einjahresfrist“, nach deren Ablauf der zwingende Rückschluss auf die Fahrungeeignetheit nicht mehr ohne Überprüfung zulässig ist (vgl. VGH München BeckRS 2010, 31454 Rn. 21; abweichend: VG München BeckRS 2016, 51664), beginnt mit dem Tag, den der Betroffene als den Beginn der Betäubungsmittelabstinenz angegeben hat, oder von dem an Anhaltspunkte für eine derartige Entwicklung vorliegen. Allerdings genügt die bloße Behauptung der Drogenabstinenz regelmäßig nicht. Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen lassen (stRspr, vgl. nur VGH München BeckRS 2015, 48548 Rn. 19 und BeckRS 2018, 30648 Rn. 15 jeweils mwN). (Rn. 35 und 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Konsum von harten Drogen, Einlassung, Späterer Widerruf der Einlassung, Verfahrensrechtliche Einjahresfrist, Widerruf einer Einlassung, gerichtliche Überzeugungsbildung, Beweisverwertungsverbot, Missachtung fundamentaler Rechtsgrundsätze, Betäubungsmittelabstinenz, glaubhafte und nachvollziehbare Behauptung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 20.01.2021 – 11 ZB 20.2407
Fundstelle:
BeckRS 2020, 41305
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Entscheidung ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis.
2
Die am 25. Oktober 2 ... geborene Klägerin war zuletzt Inhaberin einer Fahrerlaubnis der Klassen A1 und AM.
3
Der ehemalige Freund der Klägerin erschien am 22. August 2017 bei der Polizeiinspektion R ... und sagte bei seiner polizeilichen Vernehmung aus, dass die Klägerin während der bis zu diesem Tag dauernden Beziehung (ein Jahr und zwei Monate) fast täglich Marihuana konsumiert habe und laufend unter der Einwirkung der Droge mit ihrem Krad gefahren sei. Bei der polizeilichen Vernehmung am 28. Dezember 2017 gab die Klägerin die folgenden Antworten auf die gestellten Fragen: „Frage: hast du die die Belehrung und den Tatvorwurf verstanden? Antwort. Ja. Frage: Möchtest du Angaben machen? Antwort: Ja. Frage: Was kannst du zu den Vorwürfen sagen? Antwort: Im Jahr 2016 habe ich regelmäßig zweimal wöchentlich, überwiegend am Wochenende Marihuana konsumiert. Das Marihuana habe ich immer vom G ... gekauft. Ich bezahlte einen 10er Kurs, das heißt 10 Euro für 1 g Marihuana. Ich bezahlte immer bar. Die Joints baute ich selbst. Frage: Wie oft und wann hast du „Pep“ konsumiert bzw. damit Kontakt gehabt? Antwort: Ich habe es einmal konsumiert und einmal wollte ich es an den G ... abgeben, ging aber dann nicht, weil mein Vater den Rest des „Pep“ entsorgt hatte. Mein Vater hatte es in meinem Zimmer gefunden, als er dieses „durchstöberte“. Anmerkung: Der anwesende Vater bestätigte die Aussage. Frage: Wann war das? Das war bei dem Chat, den Sie mir gezeigt haben. Frage: Woher hast du das „Pep“ bezogen? Antwort: Das war von E ... H ... aus S ... Ich kaufte von ihm 2 g zum Preis von insgesamt 30,- Euro in P ... am Bahnhof. Frage: Was verstehst du unter „Pep“? Antwort: Billige Variante von Koks. Frage: Wie wirkt das „Pep“ bei dir? Antwort: Ich habe nicht wirklich was gemerkt. Meine Nase hat gebrannt. Frage: Wie hast du „Pep“ konsumiert? Antwort: Eine „Linie“ mit der Nase gezogen. (…) Frage: Was und wieviel konsumierst du im Moment regelmäßig? Antwort: Seit der Durchsuchung beim J ... (G ...) konsumiere ich keinerlei Drogen mehr.“ Die Durchsuchung fand am 5. Oktober 2017 statt. Ein Drogenscreening erfolgte nie.
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Mit Schreiben vom 4. Juni 2018 erfolgte eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft R ... an das Landratsamt C ... (LRA) wegen eines Vergehens der Klägerin nach § 29 BtMG. Am 22. Juni 2018 übersandte die Kriminalpolizeiinspektion R ...-K10 den Vorgang zu Ermittlungen gegen die Klägerin wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) an das LRA.
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Mit Schreiben vom 25. Juni 2018 wurde im strafrechtlichen Verfahren von dem Bevollmächtigten der Klägerin erklärt, dass die Klägerin im Verfahren die bereits bei der Polizei gemachten Aussagen und Zusagen bestätigten werde.
6
Mit Schreiben des LRA vom 26. Juni 2018 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass ihr Gelegenheit zur Äußerung bis zum 6. Juli 2018 gegeben werde, da die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klägerin wegen der Anschuldigung im Strafverfahren beabsichtigt werde. In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft R ... vom 7. Mai 2018, auf welche in dem Schreiben vom 26. Juni 2018 verwiesen wurde, wurde der Klägerin zur Last gelegt, zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im September 2016 von dem gesondert Verfolgten J ... G ... in der Nähe des alten Bahnhofsgebäudes in 93 ... R ... 10 g Marihuana zum Preis von 100,- Euro gekauft zu haben. Außerdem wurde ihr zur Last gelegt, zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen dem 27. September und dem 4. Oktober 2017 vom gesondert verfolgten E ... H ... am Bahnhof in 93 ... P ... 2 g Amphetamin zum Preis von 30,- Euro erworben zu haben.
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Am 29. Juni 2018 wurde die anwaltliche Vertretung der Klägerin dem LRA angezeigt und eine Stellungnahme für die Klägerin abgegeben. Ein Widerruf der Einlassung der Klägerin vom 28. Dezember 2017 erfolgte dort nicht.
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Mit Bescheid vom 6. Juli 2018, zugestellt gegen Empfangsbekenntnis am 11. Juli 2018, entzog das Landratsamt C ... der Klägerin die Fahrerlaubnis aller Klassen (Ziffer 1). Die Klägerin wurde aufgefordert, den Führerschein der Klasse A1 und AM, ausgestellt vom Landratsamt C ..., Dienststelle R ..., am 23. März 2017, Führerschein Nr. B4...71, innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheides beim Landratsamt C ... abzuliefern (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 wurde angeordnet (Ziffer 3). Für den Fall, dass die unter Nummer 2 ausgesprochene Verpflichtung nicht fristgerecht erfüllt wird, wurde angeordnet, dass ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 500,- zur Zahlung fällig wird (Ziffer 4). In der Begründung des Bescheides wurde auf den Konsum von Betäubungsmitteln wie Amphetaminen (Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung - FeV) als auch auf den gelegentlichen Konsum von Cannabis (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV) Bezug genommen. Für den Nachweis des Cannabiskonsums wurde vor allem auf die Einlassung der Klägerin vom 28. Dezember 2017 abgestellt. Das Landratsamt führte ebenfalls aus, dass es sich auch dann um eine harte Droge (Amphetamin) handeln könne, wenn die Klägerin nicht wirklich etwas gemerkt habe. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheides Bezug genommen.
9
Den Führerschein gab die Mutter der Klägerin am 12. Juli 2018 beim LRA ab.
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Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung im Strafverfahren (Az: 40 Ds 511 Js 9664/18 jug) vom 31. Juli 2018 erklärte die Klägerin dort, dass sie die Aussage, die sie bei der Polizei gemacht habe, zurückziehe. Die Polizistin habe gesagt, dass sie „im Schutze“ sei, sie wolle nur den G ... Die Klägerin erklärte, der G ... habe etwas verkauft, aber nicht an sie. Sie habe es an ihren Ex-Freund weitergegeben. Sie habe es nicht erworben. Sie äußert sich zudem dahingehend, dass sie nie Amphetamin gekauft habe, weil es ihr zu heiß geworden sei. Die Polizistin habe gesagt, ihrem Führerschein fehle nichts, sie sei da außen vor. Sie wolle ihre Aussage zurückziehen. Es habe alles so nicht seine Richtigkeit.
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Die Polizistin L ... wurde mit Schreiben vom 6. August 2018 zur Stellungnahme über die Vernehmung der Klägerin am 28. Dezember 2017 aufgefordert. In der Stellungnahme vom 16. August 2018 führte die Polizistin aus, dass auf Nachfrage hinsichtlich der Fahrerlaubnis der Klägerin mitgeteilt worden sei, dass es zu einer Fahrerlaubnisbeschränkung oder zum Fahrerlaubnisentzug kommen könne, sofern der Fahrerlaubnisbehörde der Drogenkonsum bekannt werde. Diesbezüglich sei der Klägerin das Zugeständnis gegeben worden, dass seitens der Unterzeichnerin auf eine Mitteilung an die Führerscheinstelle verzichtet werde. Zum Zustand der Klägerin wird angeführt, dass sie sich bei der Vernehmung in einer wechselnden Gefühlslage befunden hätte. Ihre Stimmung habe zwischen einer ablehnenden Haltung, Kooperationsbereitschaft, Weinerlichkeit und Reumütigkeit geschwankt. Die Angaben seien stockend erfolgt. An der Glaubwürdigkeit bestünden keine Zweifel. Die Meldung an die Führerscheinstelle sei durch die Staatsanwaltschaft erfolgt.
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Mit Schreiben vom 13. August 2018, eingegangen beim LRA per Fax am selben Tag, ließ die Klägerin durch den Bevollmächtigten Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. Juli 2018 einlegen. Der Widerspruch wurde mit Schreiben vom 28. August 2018 damit begründet, dass die Klägerin von der Polizeibeamtin überredet worden sei, etliches zuzugeben, um ein milderes Urteil zu erhalten. Der Widerspruch wurde zusätzlich damit begründet, dass weder Art, Höhe oder Menge eines Verstoßes gegen das BtMG verifiziert seien.
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Mit Schreiben vom 06. September 2018 legte das Landratsamt C ... den Widerspruch der Regierung der Oberpfalz vor, weil es dem Widerspruch nicht abhalf. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2018 wies die Regierung der Oberpfalz den Widerspruch zurück und begründete dies mit der Aussage der Klägerin während der polizeilichen Vernehmung vom 28. Dezember 2017. Der Widerruf der Einlassung werde als Schutzbehauptung bewertet.
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Am 18. Dezember 2018 hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage beim Verwaltungsgericht R ... per Fax eingereicht. Der Klageschrift lässt sich entnehmen, dass die Klägerin am 4. Oktober 2016 auf die Frage eines Bekannten in einem Chat „Hast den peppen no oder scho selber gschnufft“ antwortete „is scho weg“. Zur Begründung der am 18. Dezember 2018 eingereichten Klage wird im Wesentlichen vorgetragen, dass der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt nicht nachgewiesen sei. Seitens der Behörde werde lediglich auf die Einlassung der Klägerin verwiesen. Aus dem Chatverlauf vom 4. Oktober 2016 und aus der Antwort „is scho weg“ auf die die Frage, ob sie den „Pep“ noch habe, könne nicht geschlossen werden, dass sie auch „Pep“ konsumiert habe. Dass ein Konsum von Marihuana nicht nachweisbar sei, ergebe sich auch aus der Akte der Staatsanwaltschaft. Dort sei angegeben, dass sich in Bezug auf den Konsum von Marihuana im Jahr 2016 keine nach Tatort, Tatzeit und Menge konkretisierbaren Taten ermitteln lassen würden. Die widerrufene Aussage des polizeilichen Geständnisses vom 28. Dezember 2017 könne nicht verwertet werden und mangels Nachweises des Marihuana- oder Amphetaminkonsums sei die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtswidrig gewesen.
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Die Klägerin behauptet in der mündlichen Verhandlung vom 03. August 2020, dass sie nie Drogen erworben, nie Drogen verkauft und auch nicht konsumiert habe. Sie sei zwar nicht von der Polizistin bei der Vernehmung unter Druck gesetzt worden, aber es sei ihr gegenüber signalisiert worden, dass es um die „großen Fische“ gehe. Es sei ein Hinweis gem. § 31 BtMG erfolgt. Auch die Polizistin habe sich später dahingehend geäußert, dass sie nicht damit gerechnet habe, dass die Sache ein solches Ausmaß annehmen würde. Die Polizistin habe ihr aber nicht versichert, dass es zu keinen Konsequenzen in Bezug auf die Fahrerlaubnis kommen werde. Die Klägerin gab zudem an, dass sie die Aussage getroffen habe, um zur Clique zu gehören und um den Chatverlauf glaubwürdiger zu machen. Auf die Frage, ob die Klägerin jemals mit dem Vater darüber gesprochen habe, dass sie dann eine falsche Aussage vor der Polizei gemacht habe, gab der Vater der Klägerin an, dass eine Woche nach der polizeilichen Vernehmung die Klägerin auf die Frage, woher sie wisse, wie man Drogen konsumiere, sie sich ihm gegenüber dahingehend geäußert habe, dass sie dies im Fernsehen gesehen und dies bei der polizeilichen Vernehmung einfach so geschildert habe. Auch gab der Vater in der mündlichen Verhandlung an, dass er keine Drogen im Zimmer der Klägerin gefunden habe, als er dieses durchsucht habe. Der damalige Freund der Tochter habe ihm einen Beutel bzw. eine Tüte mit der Bemerkung gegeben: „Schau, das nimmt deine Tochter“. Er habe den Beutel eingeschürt, der Inhalt habe ausgeschaut wie eine Kräutermischung oder eine Früchteteemischung.
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Der Klägervertreter beantragt,
den Bescheid des Landratsamtes vom 06.07.2018, Az. Verkehr 143/0, über den Entzug der Fahrerlaubnis der Führerscheinklassen A1 und AM, ausgestellt vom Landratsamt C ..., Dienststelle R ... am 23.03.2017, Führerschein-Nr. B4...71 in der Form des Widerspruchsbescheides der Regierung der Oberpfalz, 93039 R ... vom 21.11.2018, Az. 23.1-3615.2-1-359 mit Ausnahme der Ziffer 4 des Bescheides kostenpflichtig aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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Der Beklagte meint, ein etwaiger Widerruf der Einlassung der Klägerin im Strafverfahren sei vor dem Hintergrund der ergangenen Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu beurteilen. Der Widerruf der Aussage sei erst ein halbes Jahr später erfolgt, als sich die Klägerin der verwaltungsrechtlichen Auswirkungen im Hinblick auf ihre Fahrerlaubnis bewusst geworden sei. Im Unterschied zum Strafprozess seien im Verwaltungsverfahren maßgeblich weitere Interessen zu schützen. Dies seien insbesondere Interessen Drittbetroffener sowie das öffentliche Interesse am Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabern. Mit dem Recht der Allgemeinheit auf vorbeugende Maßnahmen sei es daher unvereinbar, wenn die Fahrerlaubnisbehörde in jedem Fall an der Berücksichtigung (vermeintlich) im Strafprozess fehlerhaft gewonnener Erkenntnisse gehindert wäre.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und beigezogenen Behördenakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
21
Der Bescheid des Beklagten vom 6. Juli 2018 über den Entzug der Fahrerlaubnis in der Form des Widerspruchsbescheides der Regierung der Oberpfalz ist hinsichtlich der angegriffenen Ziffern 1, 2, 5 und 6 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Entziehung der Fahrerlaubnis in Ziffer 1 des Bescheides vom 6. Juli 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig.
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Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis in Ziffer 1 des Bescheids ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde jemandem, der sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Ein Ermessen steht der Behörde dabei nicht zu. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entfällt beim Konsum von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung, unabhängig von der Höhe der nachgewiesenen Betäubungsmittelkonzentration, unabhängig von einer Straßenverkehrsteilnahme im berauschten Zustand und unabhängig davon, ob konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne von Fahruntüchtigkeit beim Betroffenen zu verzeichnen waren. Dementsprechend ist die Fahrerlaubnisentziehung nach der Regelvermutung von Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig die Einnahme eines Betäubungsmittels nachgewiesen wurde oder der Konsum einer solchen Substanz eingeräumt wurde (vgl. BayVGH, B. v. 26.3.2019 - 11 CS 18.2333, BeckRS 2019, 6040 Rn. 11 m. w. N.).
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1. Die Klägerin hat einen solchen Konsum eingeräumt. Der Widerruf ist nach Überzeugung des Gerichts nicht glaubwürdig. Die Klägerin hat sich somit nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, da sie im Rahmen der polizeilichen Vernehmung vom 28. Dezember 2017 ein Geständnis abgelegt und ausgesagt hat, dass sie einmal harte Drogen konsumiert hat. Sowohl das Geständnis vom 28. Dezember als auch der Widerruf vom 31. Juli 2018 sind Bestandteil des Prozessstoffes zur Überzeugungsbildung des Gerichts (BVerwG, U. v. 03.05.2007 - 2 C 30/05 - juris Rn. 15; OVG Bremen, B. v. 16.10.2019 - 2 B 195/19, BeckRS 2019, 25687). Das Gericht ist dabei in seiner Beweiswürdigung grundsätzlich frei und nicht an bestimmte Beweismittel gebunden (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO).
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Das Gericht ist von der Richtigkeit des von der Klägerin im Rahmen der polizeilichen Vernehmung Zugestandenen überzeugt. Die Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie habe den tatsächlich nicht erfolgten Konsum von Amphetamin nur deshalb angegeben, weil sie zur Gruppe gehören wollte und die Polizistin sie auf § 31 BtMG (Strafmilderung oder Absehen von Strafe) hingewiesen habe, wird als nicht glaubwürdige Schutzbehauptung gewertet.
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a. Gegen die Richtigkeit dieser Äußerung spricht, dass die Klägerin bei der Beschuldigtenvernehmung am 27. Dezember 2018 detailliert und in sich schlüssig geschildert hat, von wem und wo sie das Amphetamin bezogen, wie sie es konsumiert hat und wie viel sie hierfür bezahlt hat. Insbesondere durch die Differenzierung, dass sie die Droge einmal konsumiert habe und den Rest abgeben wollte, wird die Aussage durch die genauen, detailreichen Angaben auch in sich schlüssig. Die Formulierungen der Klägerin im Rahmen der polizeilichen Vernehmung und auch in den Chatverläufen „hast den peppen no“ weisen darauf hin, dass sie mit der Sprache im Dorgenmilieu vertraut ist (vgl. BayVGH, B. v. 26. März 2019 - 11 CS 18.2333, BeckkRS 2019, 6040 Rn. 12).
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Zudem fand die bei der polizeilichen Vernehmung angegebene Durchsuchung des Zimmers der Klägerin durch den Vater auch tatsächlich statt. Damit steht fest, dass es sich bei den Ausführungen bei der polizeilichen Vernehmung nicht um eine gänzlich frei erfundene Geschichte der Klägerin gehandelt haben kann. Es kommt im Rahmen der Fahrerlaubnisentziehung auch nicht entscheidend darauf an, ob Drogen aufgefunden wurden, sondern darauf, ob zur Überzeugung des Gerichts ein einmaliger Konsum stattgefunden hat. Das Auffinden von Drogen würde die Überzeugung des Gerichts zwar untermauern; werden solche aber nicht aufgefunden, kommt es letztlich auf die Glaubhaftigkeit der Aussage an (vgl. BayVGH, B. v. 26.3.2019 - 11 CS 18.2333, BeckRS 2019, 6040 Rn. 11 m. w. N.).
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b. Für die Richtigkeit der Einlassung bei der polizeilichen Vernehmung am 28. Dezember 2017 sprechen auch die zeitlichen Abläufe und sonstigen Umstände, insbesondere, dass der Widerruf erst am 31. Juli 2018 im Strafverfahren erfolgte. Wenn die Klägerin bereits eine Woche nach der polizeilichen Vernehmung ihrem Vater auf die Nachfrage, woher sie wisse, wie man Drogen konsumiere, gegenüber erklärt hat, dass sie das nicht getan habe, die Aussage falsch gewesen sei und sie dies im Fernsehen gesehen habe, ist es nicht nachvollziehbar, warum der Widerruf der Einlassung dann erst nach einem halben Jahr erfolgt ist. Vielmehr erfolgte sogar im Strafverfahren vom Anwalt der Bevollmächtigten am 25. Juni 2018 die Erklärung, dass die Klägerin im Verfahren ihre Aussagen und Zusagen bestätigen werde. Am 26. Juni 2018 erließ die Behörde das Anhörungsschreiben zur Entziehung der Fahrerlaubnis. Auch in der Stellungnahme vom 29. Juni 2018 durch den Bevollmächtigten war noch nicht von einem Widerruf oder einer Drucksituation bei der polizeilichen Vernehmung die Rede. Dieser Verfahrensablauf spricht dafür, dass der Widerruf der Einlassung aufgrund der Anhörung zur Entziehung der Fahrerlaubnis und wegen der verwaltungsrechtlichen Konsequenzen erfolgt ist. Auch wird in dem protokollierten Widerruf der Einlassung im Strafverfahren vor allem auf die Fahrerlaubnis der Klägerin abgestellt und auf die Äußerung der Polizistin in Bezug auf die Fahrerlaubnis eingegangen. Dass die Klägerin, wenn sie selbst nie Drogen erworben, weiterverkauft oder konsumiert hat, eine falsche Aussage bei der polizeilichen Vernehmung macht, obwohl sie sonst straffrei hätte bleiben können, und die falsche Aussage dann auch noch über einen langen Zeitraum aufrecht erhält, ist nicht überzeugend.
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c. Letztlich führt auch das Geschehen im Zusammenhang mit der Aussage bei der Polizistin dazu, dass die Aussage der Klägerin als zutreffend zu beurteilen ist. Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe die Aussage wegen der Vorschrift des § 31 BtMG vorgenommen, spricht dies nicht dafür, dass die Klägerin nun die Wahrheit in Bezug auf den Drogenkonsum sagt (vgl. BayVGH, B. 26.3.2019 - 11 CS 18.2333, BeckRS 2019, 6040 Rn. 12).
30
Im präventiven Bereich der Fahrerlaubnisentziehung gibt es auch kein den strafprozessualen Regelungen entsprechendes Beweisverwertungsverbot. Allerdings dürfen auch im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren solche Erkenntnisse nicht berücksichtigt werden, die unter Missachtung fundamentaler Rechtsgrundsätze gewonnen wurden. Eine solche fundamentale Rechtsverletzung liegt hier allerdings nicht vor (vgl. VG Regensburg, B. v. 21.9.2018 - Az. RN 8 S 18.962). Von einer Täuschung durch die Polizeibeamtin ist nicht auszugehen. Täuschung ist dem Grundsatz nach die bewusste Einwirkung auf die Vorstellungswelt des Beschuldigten, die einen Irrtum über erhebliche Tatsachen oder Rechtsfragen herbeiführen soll, um diesen Irrtum für Vernehmungszwecke auszunützen (BeckOK StPO/Monka, 37. Ed. 1.7.2020, StPO § 136a Rn. 15). Sollte die Polizistin im Rahmen der Vernehmung auf § 31 BtMG hingewiesen haben, ist dies keine falsche Darstellung einer Rechtsfrage, sondern ein Hinweis auf die Rechtslage. Auch ist der Hinweis, wenn es vor allem um die Verfolgung anderer Angeschuldigter ging, nicht unzutreffend. Wenn die Polizistin angegeben haben sollte, dass sie nicht davon ausgegangen sei, dass es eine „so große Sache“ werde, so zeigt auch dies, dass die vernehmende Polizistin einen Irrtum der Klägerin nicht ausnutzen wollte (vgl. BeckOK StPO/Monka, 37. Ed. 1.7.2020, StPO § 136a Rn. 15). Eine Drucksituation während der Vernehmung hat die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung verneint. Soweit die Klägerin hingegen bei der Vernehmung davon ausgegangen sein sollte, dass es nicht zur Entziehung der Fahrerlaubnis kommen würde, wusste sie - wie sie auch in der mündlichen Verhandlung bestätigte - doch, dass diese nicht vollkommen ausgeschlossen ist.
31
Es ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin die Aussage wahrheitsgemäß abgegeben hat, um im Strafverfahren eine mildere Bestrafung zu bekommen. Dabei ging sie davon aus, dass es voraussichtlich zu keinen Auswirkungen auf ihre Fahrerlaubnis kommen würde. Ihre Vorstellung hat sich letztlich als unrichtig erwiesen, dies führt aber nicht dazu, dass deshalb die Aussage in Bezug auf den Drogenkonsum der Klägerin inhaltlich nicht glaubhaft ist.
32
d. Auch die Einwendungen des Bevollmächtigten der Klägerin, es seien keinerlei Feststellungen getroffen worden hinsichtlich Qualität und Menge des Betäubungsmittels und der konkreten Zeitpunkte des Konsums, sind unbehelflich. Denn nach den gesetzlichen Regelungen rechtfertigt bereits die einmalige Einnahme von Betäubungsmitteln mit Ausnahme von Cannabis unabhängig von Menge bzw. Konzentration oder der Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogeneinfluss den Entzug der Fahrerlaubnis (VG Regensburg, B. v. 28.05.2019 - RN 8 S 19.509).
33
Da das Gericht von dem einmaligen Konsum von Amphetamin nach dem zur Verfügung stehen dem Prozessstoff überzeugt ist, ist der Entzug der Fahrerlaubnis § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Nr. 9.1. der Anlage 4 zur FeV rechtmäßig. Gemäß § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt bei feststehender Nichteignung die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens.
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2. Ob ein zweimal wöchentlicher Konsum von Cannabis, auf welchen der Bescheid vom 6. Juli 2018 und der Widerspruchsbescheid vom 21. November 2018 ebenfalls gestützt wurden, dabei als gewohnheitsmäßiger Konsum anzusehen ist, kann im Ergebnis offen bleiben, da der Konsum von harten Drogen bereits zur Fahrungeeignetheit der Klägerin führt (vgl. zum umstrittenen Meinungsstand: MüKoStVR/Hahn/Kalus, 1. Aufl. 2016, FeV § 14 Rn. 26).
35
3. Zuletzt führt auch der Umstand, dass eine Drogenfreiheit seit einem Jahr vor der letzten Behördenentscheidung vorgetragen wird, nicht zur Rechtswidrigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis. In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist eine sog. „verfahrensrechtliche Einjahresfrist“ anerkannt. Nach Ablauf dieser Frist ist der zwingende Rückschluss auf die Fahrungeeignetheit gem. § 11 Abs. 7 FeV nicht mehr ohne Überprüfung zulässig (vgl. BayVGH, B. v. 17. 06.2010 - 11 CS 10.991, BeckRS 2010, 31454 Rn. 21). Das Verwaltungsgericht München ist von der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abgewichen und begründet dies vor allem mit dem Gedanken der Verkehrssicherheit und auch der Zufälligkeit des Zeitpunktes der Entscheidung (vgl. VG München, Urt. v. 20.7.2016 - M 6 K 16.1742, BeckRS 2016, 51664). Letztlich kommt es hier nicht entscheidend darauf an, ob mit dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eine solche „verfahrensrechtliche Einjahresfrist“ anerkannt wird oder entsprechend der Argumentation des Verwaltungsgerichts München (VG München, Urt. v. 20.7.2016 - M 6 K 16.1742, BeckRS 2016, 51664) eine solche abgelehnt wird. Auch bei Anerkennung dieser Frist wäre von der Fahrungeeignetheit der Klägerin auszugehen. Diese Frist beginnt mit dem Tag, den der Betroffene als den Beginn der Betäubungsmittelabstinenz angegeben hat, oder von dem an, unabhängig von einem solchen Vorbringen, Anhaltspunkte für eine derartige Entwicklung vorliegen (BayVGH, B.v. 24.6.2015 - 11 CS 15.802, BeckRS 2015, 48548). Als Tag der Abstinenz wurde der 5. Oktober 2017 genannt. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides des LRA am 6. Juli 2018 war diese Frist noch nicht abgelaufen. Der Widerspruchsbescheid als letzte Behördenentscheidung hingegen wurde erst am 21. November 2018 und somit nach Ablauf eines Jahres erlassen.
36
Allerdings genügt die bloße Behauptung der Drogenabstinenz regelmäßig nicht. Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen lassen (stRspr, vgl. nur BayVGH, B.v. 29.11.2018 - 11 CS 18.2228, BeckRS 2018, 30648 Rn. 15; BayVGH, B.v. 3.4.2018 - 11 CS 18.460, BeckRS 2018, 6904 Rn. 15). Liegen solche Umstände nicht vor, ist die Widerspruchsbehörde nicht gehalten, der Frage nachzugehen, ob die Klägerin die Fahreignung wiedererlangt hat (vgl. BayVGH, B. v. 5.12.2018 - 11 CS 18.2351, BeckRS 2018, 32450 Rn. 12). Im konkreten Fall wurden keine besonderen Umstände, welche für die Drogenabstinenz sprechen, vorgebracht, sodass sich die Widerspruchsbehörde mit der verfahrensrechtlichen Einjahresfrist überhaupt nicht befassen hätte müssen (vgl. BayVGH, B. v. 5.12.2018 - 11 CS 18.2351, BeckRS 2018, 32450 Rn. 12). Hinweise darauf, dass die Klägerin angeboten habe, dass Drogentests durchgeführt werden könnten und dies vom LRA als nicht notwendig erachtet worden sei, finden sich in den Akten nicht. Der Drogenkonsum wird auch in den Schriftsätzen lediglich bestritten.
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Da der Bescheid in Ziffer 1 rechtmäßig ist, ist auch die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins in Ziffer 2 sowie die Verpflichtung der Klägerin zur Kostentragung in den Ziffern 5 und 6 des Bescheides rechtmäßig.
38
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
39
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens gem. § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.
40
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.
41
Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht i.S.d. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.