Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 04.09.2020 – AN 6 K 18.02390
Titel:

Zulassung einer Logopädin als Lehrkraft in Intergrationskursen

Normenkette:
IntV § 15
Leitsätze:
1. Die durch die Matrix des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu § 15 Abs. 2 IntV festgelegten Zulassungskriterien sind sachlich gerechtfertigt, weil sie das Vorliegen pädagogischer Kompetenz und sprachfachlicher Qualifikation gewährleisten. (Rn. 18 – 21)
2. Im Rahmen der Logopädenausbildung werden theoretische Kenntnisse über den Spracherwerb und damit über das Erlernen von Fremdsprachen in einer Weise vermittelt, die den vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bislang bereits als sprachliche Berufsabschlüsse anerkannten Ausbildungen jedenfalls gleichwertig ist. Die Sprache und der Spracherwerb sind dabei auch als zentrale, wesentlich prägende Inhalte der Ausbildung und nicht als bloße Randaspekte anzusehen. Dass im Rahmen der Ausbildung keine zwei modernen Fremdsprachen vermittelt werden, führt weder dazu, dass sich die Logopädenausbildung hinreichend von den vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bislang anerkannten, sprachlichen Berufsabschlüssen unterscheidet, noch ist dies als hinreichender sachlicher Grund für eine Differenzierung anzusehen. (Rn. 28 – 29)
Schlagworte:
Die Ausbildung zur staatlich anerkannten Logopädin steht einem sprachlichen Berufsabschluss im Sinne der Matrix des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu § 15 Abs. 2 Integrationskursverordnung (IntV) gleich., Integrationskurs, Logopäde, Matrix, Hochschulabschluss
Fundstelle:
BeckRS 2020, 41167

Tenor

1.    Unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. Juli 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2018 wird die Beklagte verpflichtet, die Klägerin als Lehrkraft in Integrationskursen nach § 15 IntV zuzulassen. 
2.    Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin ist staatlich anerkannte Logopädin. Sie begehrt mit ihrer Klage die Zulassung als Lehrkraft in Integrationskursen.
2
Bereits zuvor, in den Jahren 2016 und 2017, hatte sie zweimal die Zulassung als Lehrkraft beantragt, die ihr jeweils mit Verweis auf die Voraussetzungen des § 15 IntV versagt worden war. Mit Schreiben vom 18. April 2018 beantragte sie gemeinsam mit der …, …, ein drittes Mal die Zulassung als Lehrkraft. Mit Schreiben vom 8. Juni 2018 wurde sie darauf hingewiesen, dass ihr Antrag nicht weiterbearbeitet werde, da sie keine Unterlagen vorgelegt habe, die einen positiven Bescheid ermöglichten. Mit Bescheid vom 3. Juli 2018, für den kein Zugangsnachweis in der Akte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vorliegt, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Mit Schreiben vom 13. September 2018 erhob die Klägerin Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2018 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Widerspruchsbescheid wurde am 10. November 2018 zugestellt.
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Hiergegen ließ die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, mit Schreiben vom 7. Dezember 2018, das am selben Tag per Telefax bei Gericht einging, Klage erheben und beantragen,
Unter Abänderung des Widerspruchsbescheids vom 7. November 2018 wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin als Lehrkraft in Integrationskursen nach § 15 IntV zuzulassen.
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Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, sie erfülle zumindest die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 IntV. Sie habe an einer von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgesehenen Zusatzqualifizierung teilgenommen. Hierzu hatte sie bereits im Verwaltungsverfahren das Zeugnis des … vom … 2017 über den erfolgreichen Abschluss des Fernstudienkurses „DaF Methodik und Didaktik“ vorgelegt. Die Klägerin ist der Auffassung, sie verfüge über einen einem Hochschulabschluss äquivalenten Berufsabschluss (Stufe 6 DQR), jedenfalls aber über einen sprachlichen Berufsabschluss. Der Lehrplan zur staatlich anerkannten Logopädin klinge medizinisch-klinisch, das Berufsbild sehe aber anders aus. Gegenstände der Ausbildung seien auch Pädagogik, Linguistik, Phonetik, Psychologie, insbesondere Lernpsychologie und das Phänomen des Spracherwerbs und die Sprachphysiologie. Man beschäftige sich mit der Didaktik der Wortschatzpräsentation und der Frage, wie Wortschatz planmäßig aufgebaut wird. Ausspracheprobleme wirkten sich auch auf die Wortabspeicherung aus. Insgesamt sei der Beruf stark geprägt von dem Erstellen und Umsetzen langfristiger Therapiepläne; Didaktik gehöre unverzichtbar zur Praxis. Logopäden seien als Deutschlehrer für Ausländer daher besonders geeignet. Zudem trage § 15 IntV die Forderung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach einem sprachlichen Berufsabschluss nicht. Es sei auch nicht ersichtlich, dass Hochschulabsolventen mit völlig anderer fachlicher Ausrichtung gegenüber einer Logopädin, die über fachliche Vorbildung verfüge, bevorzugt würden. Darüber hinaus trägt die Klägerin vor, über Berufserfahrung als Sprachlehrerin in der Erwachsenenbildung im Umfang von mehr als 500 Stunden, annähernd sogar fast 1.000 Stunden, zu verfügen. Hierzu hatte sie bereits im Verwaltungsverfahren mehrere Bescheinigungen der … (320 Unterrichtseinheiten), der Volkshochschule … (64 Unterrichtseinheiten in zwei Kursen) sowie der … (300 Unterrichtseinheiten) vorgelegt, hinsichtlich deren Inhalt im Einzelnen auf die beigezogene Akte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge verwiesen wird.
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Die Beklagte, vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, beantragt
Klageabweisung.
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Sie steht auf dem Standpunkt, die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 IntV seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe nicht an einer von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgegebenen Zusatzqualifizierung teilgenommen. Davon könne nur ausgegangen werden, wenn das Bundesamt durch Bescheid eine Qualifizierungsmaßnahme konkret vorgebe. Die Klägerin verfüge nicht über ein Äquivalent zu einem Hochschulstudium; die Ausbildung zum staatlich anerkannten Logopäden entspreche der DQR-Stufe 4. Bei dieser Ausbildung handle es sich auch nicht um einen sprachlichen Berufsabschluss. Ein solcher liege vor, wenn sich die Ausbildung mit mindestens zwei Fremdsprachen als Kommunikationsmittel beschäftige und die Fremdspracheninhalte mindestens 50 v. H. des Ausbildungsinhalts ausmachten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe sich bereits im September 2015 mit den Inhalten der Ausbildung zum staatlich anerkannten Logopäden beschäftigt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich nicht um einen sprachlichen Berufsabschluss handle. In dem Schreiben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. September 2015 an den Deutschen Bundesverband für Logopädie e. V. war ausgeführt worden, dass sich die Ausbildung für Logopäden laut Prüfungsordnung in einen theoretischen Teil mit 1740 Unterrichtseinheiten und in einen praktischen Teil mit 2100 Unterrichtseinheiten gliedere. Linguistische und pädagogische Module seien Bestandteil des theoretischen Teils. Der Gesamtumfang der Module betrage 210 Unterrichtseinheiten, wobei aber 80 Unterrichtseinheiten auf den Bereich der Sonderpädagogik entfielen, der für eine Tätigkeit als Integrationslehrkraft irrelevant sei. Der Anteil der sprachpädagogischen Module an dem theoretischen Teil der Ausbildung betrage damit maximal 12 v. H., der Anteil an der praktischen Ausbildung lediglich noch 5,5 v. H. Zusammenfassend trägt die Beklagte vor, gehe es im Rahmen der Logopädenausbildung um das Sprechen, nicht um die Sprache.
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In der mündlichen Verhandlung am 4. September 2020 erklärte die Klägerin im Wesentlichen, ihr Tätigkeitsbereich als Logopädin sei die Sprache. In ihrer Ausbildung gehe es um Spracherwerb, Pädagogik, Lernpsychologie, Diagnostik und Didaktik. Sie beschäftige sich keineswegs nur mit der Aussprache; dies sei nur ein kleiner Teil, der zudem Bezüge zum Spracherwerb aufweise. Sie moderiere Spracherwerb. In ihrer Berufspraxis spiele der Mensch als Lernender eine große Rolle. Als Logopädin sei sie geschult, für die Bewältigung störender Situationen beim Einzelnen hinzuschauen. Zu dem Ausbildungsplan erklärte die Klägerin, im Modul „Logopädie“ sei die Ausbildung derart konzipiert, dass die Auszubildenden für Patienten, die sich hierzu bereit erklärt hätten, Therapiepläne erstellten, Fernziele und Zwischenschritte und benötigtes Material festlegten. Was die theoretischen Grundlagen für diese Elemente anbelange, so lerne man im ersten Lehrjahr insbesondere den normalen und gesunden Spracherwerb und die Wortfeldorganisation. Dies werde im Ausbildungscurriculum nicht verbalisiert.
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Der Beklagtenvertrete führte in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen aus: Das Ausbildungscurriculum der Logopäden enthalte nur eine sehr begrenzte Anzahl von Unterrichtsinhalten, die einer Ausbildung zu einem sprachlichen Beruf entsprächen. Es gehe dabei um theoretisches Wissen, wie man von fremden Sprachen zum Deutschen gelange. Als sprachliche Elemente der Logopädenausbildung seien im Rahmen der Einschätzung aus dem Jahr 2015 berücksichtigt worden: Phonetik und Linguistik (80 Unterrichtseinheiten), Lernpsychologie (13 bis 20 Unterrichtseinheiten), Pädagogik (60 Unterrichtseinheiten) und Sonderpädagogik (80 Unterrichtseinheiten). Entscheidend für die Einstufung als sprachlicher Berufsabschluss sei mehr die Ausbildung als die Berufspraxis. Soweit mit der Matrix in der Regel ein Hochschulabschluss als Zulassungsvoraussetzung verlangt werde, so solle damit das Vorhandensein der Fähigkeit zur Lösung schwieriger Probleme implementiert werden. Der Beklagtenvertreter bestätigte, dass im vorliegenden Fall aus Sicht der Beklagten der Abschluss der ungekürzten Zusatzqualifizierung als gegeben angesehen werde.
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Abschließend präzisierte der Klägerbevollmächtigte, dass der Klageantrag mit der Maßgabe gestellt werde, dass auch der Ausgangsbescheid aufgehoben werden solle.
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Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung im Übrigen wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Behördenakte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
12
Die Klageantragstellung der Klägerin ist sachgerecht dahingehend auszulegen, dass die Verpflichtung zur Zulassung unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 3. Juli 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2018 begehrt wird.
II.
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Die derart zu verstehende, zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zulassung als Lehrkraft in Integrationskursen zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
14
1. Gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist eine Verpflichtungsklage begründet, wenn die Ablehnung des begehrten Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Voraussetzung dafür ist, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf den Erlass des abgelehnten Verwaltungsaktes zusteht. Dabei kann die Verpflichtung zum Erlass des begehrten Verwaltungsaktes nur ausgesprochen werden, wenn die Sache spruchreif ist, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
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2. Der Anspruch der Klägerin auf Zulassung als Lehrkraft in Integrationskursen stützt sich auf § 15 IntV.
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a) Gemäß § 15 Abs. 1 IntV müssen Lehrkräfte, um im Integrationskurs Deutsch als Zweitsprache zu unterrichten, ein Studium des Faches „Deutsch als Fremdsprache“ oder des Faches „Deutsch als Zweitsprache“ erfolgreich abgeschlossen haben. Wird diese Qualifikation nicht nachgewiesen, so ist eine Zulassung nach § 15 Abs. 2 IntV möglich, wenn eine Zusatzqualifizierung absolviert wird.
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b) Diese Regelungen der IntV werden durch Bestimmungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge konkretisiert. Maßgeblich ist hierbei die Matrix „Zulassungskriterien für Lehrkräfte in Integrationskursen (§ 15 Abs. 1 und 2 IntV)“ (im Folgenden: „Matrix“). Diese wird ergänzt durch die „Liste der einschlägig anerkannten DaF/DaZ-Zertifikate“ und durch die Liste „Andere DaF/DaZ-Zertifikate“. Alle genannten Regelungen sind öffentlich auf der Internetseite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge einsehbar. Die Matrix sieht verschiedene Qualifikationen und Kombinationen von Qualifikation und Sprachlehrerfahrung (500 oder 1000 Unterrichtseinheiten) vor. In Spalte A werden die in § 15 Abs. 1 IntV genannten Qualifikationen sowie diesen gleichgestellte Qualifikationen genannt, die eine Zulassung ohne weitere Zusatzqualifizierung ermöglichen. In Spalte B und C werden Voraussetzungen für die Zulassung nach verkürzter und unverkürzter Zusatzqualifizierung genannt.
18
c) Gegen die Rechtmäßigkeit der in der Matrix festgesetzten Regelungen zur Qualifizierung der Lehrkräfte bestehen auch weiterhin keine durchgreifenden Bedenken. Die Matrix des Bundesamtes begründet als allgemeine Regelung eine ständige Verwaltungspraxis. Hatte die Kammer in ihrem Urteil vom 9. November 2017 noch Zweifel an der Vereinbarkeit der Matrix mit der verfassungsrechtlichen Wesentlichkeitslehre geäußert (vgl. VG Ansbach, U. v. 9.11.17 - AN 6 K 16.1464 - Beck RS 2017, 134195), so sind diese mittlerweile ausgeräumt. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes sind sowohl die Bestimmungen des § 15 Abs. 1 und 2 IntV als auch deren Ausgestaltung durch die Matrix des Bundesamtes als verfassungsgemäß im Hinblick auf Wesentlichkeitslehre, Bestimmtheitsgrundsatz, Art. 12 Abs. 1 GG und grundsätzlich auch Art. 3 Abs. 1 GG anzusehen (vgl. BayVGH, B. v. 9.10.18 - 19 ZB 18.356 - BeckRS 2018, 26776). Dass die Bestimmungen der Matrix des Bundesamtes grundsätzlich sachgerecht sind, ist in der Rechtsprechung der Kammer bereits ausdrücklich anerkannt worden. Sie sind geeignet und erforderlich, um den Erfolg von Integrationskursen, ein Ziel von überragender Bedeutung für das Gemeinwohl, zu gewährleisten (vgl. VG Ansbach, U. v. 9.11.17 - AN 6 K 16.2472 - BeckRS 2017, 152512; vgl. VG Ansbach, U. v. 9.11.17, AN 6 K 16.1464 - BeckRS 2017, 134195).
19
3. Die Voraussetzungen der Zulassung als Lehrkraft in Integrationskursen liegen bei der Klägerin vor.
20
a) Maßgeblich ist Spalte C, Zeile 3 der Matrix, nach der kein formaler Hochschulabschluss, aber ein sprachlicher Berufsabschluss sowie der Nachweis von mindestens 500 Unterrichtseinheiten Sprachlehrerfahrung in der Erwachsenenbildung außerhalb von Ehrenamt und Hospitation und der Abschluss der unverkürzten Zusatzqualifizierung erforderlich sind. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
21
b) Der von der Klägerin nachgewiesene Abschluss als Logopädin ist wegen Art. 3 Abs. 1 GG einem sprachlichen Berufsabschluss im Sinne der Spalte C der Matrix zumindest gleichzustellen, da er mit den von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bislang anerkannten, sprachlichen Berufsabschlüssen hinreichend vergleichbar ist, wobei eine Ungleichbehandlung aufgrund der in der Logopädenausbildung erworbenen, für die Sprachlehrertätigkeit bedeutsamen Kenntnisse sachlich nicht gerechtfertigt ist.
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aa) Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge versteht unter dem Begriff des „sprachlichen Berufsabschlusses“ den Abschluss einer Ausbildung, die sich mit mindestens zwei modernen Fremdsprachen beschäftigt, wobei der sprachliche Anteil mindestens 50 v. H. beträgt, und erkennt die Berufsabschlüsse des staatlich anerkannten Dolmetschers, des staatlich anerkannten Übersetzers, des Fremdsprachensekretärs und des Fremdsprachenkorrespondenten als solche Abschlüsse an.
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Tragender Grund für diese Einschätzung ist nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, dass im Rahmen dieser Ausbildungen theoretische Kenntnisse darüber erworben werden, wie Fremdsprachen gelernt werden; diese betrachtet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aus gutem Grund als Kenntnisse, die für die Sprachlehrertätigkeit jedenfalls von großem Nutzen sind, weil sie das theoretische Wissen vermitteln, das für die Vermittlung einer Fremdsprache und die Lösung dabei auftretender Probleme bedeutsam ist. Dies stellt sicher, dass der zentrale Zweck der Matrix, die hohe pädagogische und interkulturelle Kompetenz der Lehrkräfte durch hohe sprachfachliche Qualifikation zu gewährleisten (vgl. zu dem Zweck der Matrix VG Ansbach, U. v. 9.11.17 - AN 6 K 16.2472 - BeckRS 2017, 152512), erreicht wird.
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bb) Liegt aber der maßgebliche Grund der Anerkennung sprachlicher Berufsabschlüsse in theoretischen Kenntnissen des Erlernens von Fremdsprachen und darin, wie man von fremden Sprachen zur deutschen Sprache kommt (so das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der mündlichen Verhandlung) und sind die durch die Matrix festgelegten Zulassungskriterien sachlich gerechtfertigt, weil sie das Vorliegen pädagogischer Kompetenz und sprachfachlicher Qualifikation gewährleisten, so kann die Zulassung einer Logopädin als Lehrkraft in Integrationskursen nicht abgelehnt werden, ohne gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu verstoßen. Im Rahmen der Logopädenausbildung werden die genannten theoretischen Kenntnisse in jedenfalls gleichwertiger Weise vermittelt. Die Sprache und der Spracherwerb bilden einen in so hohem Maße prägenden Bestandteil der Ausbildung, dass von einem hinreichenden sprachfachlichen Anteil ausgegangen werden kann, wobei auch in erheblichem Umfang didaktische und pädagogische Fähigkeiten vermittelt werden. Dass sich die Logopädenausbildung nicht mit zwei konkreten Fremdsprachen beschäftigt, stellt dabei keinen ausreichenden sachlichen Grund für eine Differenzierung dar.
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cc) Im Rahmen der Logopädenausbildung werden theoretische Kenntnisse über den Spracherwerb und damit auch über das Erlernen von Fremdsprachen in einer Weise vermittelt, die den von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bislang bereits als sprachliche Berufsabschlüsse anerkannten Ausbildungen jedenfalls gleichwertig ist.
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Die Inhalte der Ausbildung werden in § 1 Abs. 1 und den beiden Anlagen zu der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Logopäden vom 1. Oktober 1980 (BGBl. I S. 1892), die zuletzt durch Art. 29 des Gesetzes vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1307) geändert worden ist, festgelegt. Neben eher medizinischen Ausbildungsinhalten (u. a. Anatomie, Physiologie, Pathologie, Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde) und den verschiedenen Formen von Sprechstörungen sind auch die Sprachentwicklung sowie Sprachentwicklungsstörungen (Ziffer 9.3 der Anlage 1) und der Sprachverlust und seine Behandlung (beispielsweise Ziffern 10 und 13.2.4 und 13.2.6 der Anlage 1) Gegenstand der Ausbildung. Im Falle von Sprachentwicklungsstörungen und dem Sprachverlust muss im Rahmen der Behandlung Sprache erstmals oder erneut vermittelt werden. Auch Linguistik ist Teil des Ausbildungsplans (Ziffer 14 der Anlage 1, „Phonetik und Linguistik“). Didaktische und pädagogische Ausbildungsinhalte sind ebenfalls vorgesehen: Lernpsychologie (Ziffer 15.3 der Anlage 1) und Pädagogik (Ziffer 17 der Anlage 1) und Sonderpädagogik (Ziffer 18) werden gelehrt.
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Damit werden die für die Vermittlung von Fremdsprachen und die für die Lösung dabei auftretender Probleme erforderlichen theoretischen, sprachfachlichen und didaktischen Kenntnisse im Rahmen der Logopädenausbildung vermittelt. Gerade dies ist aber, wie auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, der Grund, der die Regelungen der Matrix zu der erforderlichen theoretischen Vorbildung trägt. Nach der Rechtsprechung des Gerichts ist dies auch der tragende Grund, weshalb die Regelungen der Matrix als grundsätzlich sachgerecht anzusehen sind (vgl. hierzu auch VG Ansbach, U. v. 9.11.17 - AN 6 K 16.2472 - BeckRS 2017, 152512).
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dd) Die Sprache und der Spracherwerb sind dabei auch als zentrale, wesentlich prägende Inhalte der Logopädenausbildung und nicht als bloße Randaspekte anzusehen. Als sprachliche Ausbildungsgegenstände sind dabei nicht nur die von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anerkannten Module „Phonetik und Linguistik“ (80 Unterrichtseinheiten), „Lernpsychologie“ (13 bis 20 Unterrichtseinheiten), „Pädagogik“ (60 Unterrichtseinheiten) und „Sonderpädagogik“ (80 Unterrichtseinheiten) anzusehen. Auch die Aphasiologie (40 Unterrichtseinheiten) weist einen hohen sprachlichen Bezug auf. Berücksichtigung finden muss zudem der Bereich der Phoniatrie, da in diesem Modul die Sprachentwicklung und ihre Störungen sowie andere Formen der Sprachstörungen behandelt werden. Nicht außer Acht zu lassen sind zudem die Bereiche der „Psychologie der Sprache“, die „Psychodiagnostik“ und die „spezielle Psychometrie bei Sprachstörungen“ (sodass im Ergebnis weite Teile des Moduls „Psychologie“ und nicht nur ein kleiner Teil davon einen starken sprachlichen - im Übrigen wohl auch einen pädagogisch nutzbaren - Bezug aufweist). Zuletzt muss auch Beachtung finden, dass im Rahmen des Moduls „Logopädie“ (480 Stunden) ein prägender sprachlicher Bezug besteht. Die Klägerin hat nachvollziehbar dargestellt, dass im Rahmen dieses Moduls eine stark praxisbezogene Ausbildung durchgeführt wird, in der auch und zu einem erheblichen Teil die Behandlung von Sprachstörungen unterrichtet wird, was im Ergebnis bedeutet, dass die Auszubildenden lernen, wie Sprache (wenn auch innerhalb eines therapeutischen Rahmens) vermittelt wird. Aufgrund der nur groben Gliederung des Ausbildungsplanes kann deshalb eine klare Abgrenzung der verschiedenen Bereiche der Sprache und des Sprechens, wie sie von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in seiner kurzen Einschätzung gegenüber dem Deutschen Bundesverband für Logopädie versucht wurde, im Ergebnis nicht zu einer überzeugenden Einordnung der Logopädenausbildung gelangen. Die Rede ist in dem Ausbildungsplan verschiedentlich von „Sprach- und Sprechstörungen“, deren Behandlung (im Falle von Sprachstörungen wesentlich durch Vermittlung der deutschen Sprache) Gegenstand der Ausbildung ist. Allein dies zeigt, dass „Sprache“ und „Sprechen“ gleichwertig nebeneinanderstehen. Die Gesamtkonzeption der Ausbildung bestätigt dies; der Vermittlung anatomischer und medizinischer Kenntnisse sowie der Behandlung von Sprechstörungen auf der einen Seite stehen die Vermittlung didaktischer, pädagogischer, psychologischer Kenntnisse und die Behandlung von Spracherwerbsproblemen gegenüber. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Funktionsweise des „normalen“ Spracherwerbs gelehrt wird, da anderenfalls weder eine Diagnose noch eine Behandlung von Störungen in diesem Bereich möglich erscheint - auch dies stellt eine für die Sprachlehrertätigkeit bedeutsame, sprachfachliche Qualifikation dar. Auch im Bereich der praktischen Ausbildung kann eine klare, quantitative Trennung beider Bereiche nicht vorgenommen werden. Allein der Bereich „Praxis der Logopädie“ (Ziffer 2 der Anlage 2) weist für sich genommen vor dem Hintergrund vorstehender Ausführungen einen hinreichenden Bezug zur Sprache auf. Zusammenfassend geht es im Rahmen der Logopädie nicht allein um das „Sprechen“, sondern gleichermaßen um die Sprache und das Sprechen, wobei auch nicht übersehen werden darf, dass beides in vielfältiger Weise zusammenhängt, beispielsweise, wenn Ausspracheprobleme Auswirkungen auf die Fähigkeit, Wortschatz zu memorieren, haben.
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ee) Dass im Rahmen der Ausbildung keine zwei modernen Fremdsprachen vermittelt werden, führt weder dazu, dass sich die Logopädenausbildung hinreichend von den von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bislang anerkannten, sprachlichen Berufsabschlüssen unterscheidet, noch ist dies als hinreichender sachlicher Grund für eine Differenzierung anzusehen. Sowohl die bislang anerkannten, sprachlichen Berufsabschlüsse als auch die Logopädenausbildung beschäftigen sich nach oben Dargestelltem mit Sprache und Spracherwerb, wobei dies im Falle der bislang anerkannten Abschlüsse am Gegenstand zweier moderner Fremdsprachen, im Falle der Logopädenausbildung am Gegenstand der deutschen Sprache und der einschlägigen Sprachstörungsbilder geschieht. Dabei ist im Ergebnis und in Zusammenfassung der obigen Ausführungen festzuhalten, dass die Ausbildung zum staatlich anerkannten Logopäden umfassende und zielgenau einsetzbare theoretische Kenntnisse und Problemlösungsstrategien vermittelt. Gegenstand sind in einem die Ausbildung maßgeblich prägenden Umfang gerade auch die pädagogischen und sprachfachlichen Kenntnisse, deren Vorhandensein bei Lehrkräften in Integrationskursen die Matrix sicherzustellen sucht. Damit erscheint die Logopädenausbildung insgesamt als ebenso gut geeignet, die erforderliche theoretische Vorbildung und Problemlösungskompetenz zu vermitteln, weshalb eine Ungleichbehandlung gegenüber den bislang bereits anerkannten, sprachlichen Berufsabschlüssen des staatlich anerkannten Dolmetschers, des staatlich anerkannten Übersetzers, des Fremdsprachensekretärs und des Fremdsprachenkorrespondenten sachlich nicht angezeigt und auch nicht gerechtfertigt ist.
30
c) Auch die übrigen Voraussetzungen der Matrix liegen bei der Klägerin vor. Die Klägerin hat die erforderlichen 500 Unterrichtseinheiten Sprachlehrerfahrung außerhalb von Ehrenamt und Hospitation nachgewiesen und die nach der Matrix erforderliche Zusatzqualifizierung durchgeführt. Letzteres hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich anerkannt.
III.
31
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708, 711 ZPO.
IV.
32
Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat aufgrund der seit über zehn Jahren durchgeführten Akademisierung der Logopädenausbildung und der damit verbundenen Möglichkeit, in diesem Fachbereich einen Hochschulabschluss zu erwerben, und der in der mündlichen Verhandlung von Seiten der Beklagten geschilderten, äußerst geringen Bewerberzahl keine über den vorliegenden Fall hinausreichende, grundsätzliche Bedeutung.