Titel:
Keine Beihilfeleistungen für Kieferorthopädie im Erwachsenenalter
Normenkette:
BayBhV § 7, § 15
Leitsätze:
1. Die ausnahmsweise Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen im Erwachsenenalter verlangt eine schweren Kieferanomalie, welche durch die vorgesehenen Maßnahmen tatsächlich behandelt werden kann und soll. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Verweis auf andere, dem Stand der Wissenschaft und der ärztlichen Kunst entsprechende sowie beihilfefähige Behandlungsmöglichkeiten belastet Beihilfeberechtigte nicht unzumutbar. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausnahmsweise Beihilfefähigkeit einer kieferorthopädischen Behandlung nach Vollendung des 18. Lebensjahrs (hier verneint), Zu den Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV, Beihilfefähigkeit, kieferorthopädische Behandlung, Erwachsenenalter, skelettale Kieferanomalie, Kieferchirurgie, Kieferorthopädie, Behandlungsfähigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 41163
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Beihilfe für eine kieferorthopädische Behandlung.
2
Die am …1972 geborene Klägerin steht als Beamtin im Dienst des Beklagten und erhält Dienstbezüge. Sie ist mit einem persönlichen Bemessungssatz von 50% beihilfeberechtigt.
3
Ab dem Jahr 2015 unterzog sich die Klägerin einer kieferorthopädischen Behandlung durch die Praxis … Mit Schreiben vom 13. Juli 2015 brachte sie einen hierüber erstellten kieferorthopädischen Behandlungsplan, welcher von voraussichtlichen Gesamtaufwendungen über 9.982,71 EUR ausgeht, mit der Bitte um Überprüfung und Genehmigung bei dem Beklagten in Vorlage.
4
Seitens des Beklagten wurde daraufhin zur Überprüfung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die nach dem Behandlungsplan vorgesehene kieferorthopädische Behandlung der Beratungszahnarzt Dr. … konsultiert. Dieser gelangte in zwei schriftlichen Stellungnahmen vom 18. Dezember 2015 sowie vom 29. Februar 2016 im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin einerseits eine schwere Kieferanomalie im Sinne der Bayerischen Beihilfeverordnung vorliege, andererseits eine kieferorthopädische Behandlung ohne kieferchirurgische Bissumstellung nicht möglich und nicht erfolgversprechend sei. Unter Bezugnahme auf diese gutachterlichen Feststellungen lehnte der Beklagte mit Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 2. März 2016 die beihilferechtliche Anerkennung der Kosten für die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin - mit Ausnahme der Vorarbeiten hierzu - ab.
5
Mit Leistungsantrag vom 14. März 2016 reichte die Klägerin unter anderem zwei Rechnungen für kieferorthopädische Leistungen der Praxis Dr. … vom 2. November 2015 über 367,97 EUR sowie vom 2. Februar 2016 über 653,39 EUR beim Beklagten ein und beantragte die Gewährung einer entsprechenden Beihilfe. Hierfür setzte der Beklagte mit Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 7. April 2016 Beihilfeleistungen über 17,40 EUR bzw. 56,04 EUR fest. Die Kürzung der Beihilfe wurde zunächst damit begründet, dass nach dem vorgelegten Behandlungsplan das Vorliegen schwerer Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern würden, nicht ersichtlich sei. In Bezug auf die Rechnung vom 2. November 2015 wurde außerdem ausgeführt, die dort für das adhäsive Befestigen von Klebebrackets veranschlagte GOZ-Nr. 2197 dürfe nicht gesondert berechnet werden, da das Kleben der Brackets bereits ein Leistungsbestandteil der ebenfalls angesetzten GOZ-Nr. 6100 sei.
6
Gegen die Bescheide vom 2. März 2016 und vom 7. April 2016 legte die Klägerin mit Schreiben vom 4. April 2016 bzw. vom 9. April 2016 jeweils fristgerecht Widerspruch ein, soweit darin die Beihilfefähigkeit der im Behandlungsplan aufgeführten künftigen bzw. mit den Rechnungen vom 2. November 2015 und vom 2. Februar 2016 bereits entstandenen Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung und in letzterem zusätzlich die Beihilfegewährung für die Aufwendungen aus dem Ansatz der GOZ-Nr. 2197 versagt worden waren.
7
Der Beklagte veranlasste daraufhin eine erneute Überprüfung der Beihilfefähigkeit der kieferorthopädischen Behandlung durch den Beratungszahnarzt Dr. … Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 13. Juni 2016 nochmals aus, dass im Fall der Klägerin ausschließlich ein kombiniertes kieferchirurgisches und kieferorthopädisches Vorgehen fachlich vertretbar und erfolgversprechend sei. Es sei auch nicht notwendig, zunächst das kieferorthopädische Behandlungsergebnis abzuwarten, um dann später über die Erforderlichkeit weiterer kieferchirurgischer Maßnahmen entscheiden zu können. Vielmehr könne diese anhand der ihm vorliegenden Unterlagen bereits jetzt eindeutig beurteilt werden.
8
Mit Widerspruchsbescheid des Landesamts für Finanzen vom 22. Juni 2016 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin als unbegründet zurück. Für die adhäsive Befestigung von Klebebrackets, welche bereits von der Leistungsbeschreibung der GOZ-Nr. 6100 erfasst sei, komme ein zusätzlicher Ansatz der GOZ-Nr. 2197 nicht in Betracht. Auch die im Behandlungsplan aufgeführten künftigen bzw. mit den Rechnungen vom 2. November 2015 und vom 2. Februar 2016 bereits entstandenen Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin seien nicht beihilfefähig. Zwar liege bei der Klägerin eine schwere Kieferanomalie im Sinne des § 15 Satz 2 BayBhV vor. Eine Beihilfefähigkeit nach § 15 Satz 2 Nr. 1 BayBhV sei aber nicht gegeben, denn es werde keine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung durchgeführt. Eine Beihilfegewährung nach § 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV müsse ebenfalls ausschieden, weil nach den Ausführungen des Beratungszahnarztes eine alleinige kieferorthopädische Behandlung medizinisch nicht ausreichend sei.
9
Am 27. Juli 2016 hat die Klägerin unter dem Aktenzeichen AN 1 K 16.01419 Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erhoben und ihr Rechtsschutzbegehren sowohl hinsichtlich der Beihilfegewährung für die Aufwendungen aus der GOZ-Nr. 2197 als auch der Anerkennung der Beihilfefähigkeit der künftigen bzw. bereits entstandenen Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung weiterverfolgt. Soweit der Beklagte im Laufe des Verfahrens die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen für die GOZ-Nr. 2197 zugesagt und die Beteiligten in der Folge übereinstimmende Teilerledigungserklärungen abgegeben hatten, ist das Verfahren durch Beschluss eingestellt und im Übrigen - d.h. in Bezug auf die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung - abgetrennt und unter dem neuen Aktenzeichen AN 18 K 17.01310 fortgeführt worden.
10
Zur Klagebegründung wird insoweit ausgeführt, es komme bezüglich der Frage, ob zur Behebung der schweren Kieferanomalie der Klägerin eine alleinige kieferorthopädische Behandlung ausreichend sei, nicht etwa auf die Stellungnahme des Gutachters des Beklagten, sondern vielmehr auf die Bewertung der behandelnden Ärztin an. Diese sei Fachzahnärztin für Kieferorthopädie und habe dies nach eingehender Untersuchung der Klägerin bejaht. Die Voraussetzungen des § 15 BayBhV, wonach eine kieferorthopädische Behandlung beihilfefähig sei, wenn nach einem zahnärztlichen Gutachten (§ 48 Abs. 8 BayBhV) diese allein ausreiche, seien somit erfüllt. Auch handle es sich bei der kieferorthopädischen Behandlung um das mildere Mittel, so dass diese einer kieferchirurgischen Behandlung vorzuziehen sei.
11
Nach schriftlichen Stellungnahmen der behandelnden Kieferorthopädin und des Zahnarztes Dr. … vom 5. Juli 2017 liege bei der Klägerin ein erfreulicher Behandlungsverlauf und damit ein Ausnahmefall vor, in welchem auch ohne die Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen sei. Nach einem weiteren Schreiben der behandelnden Ärztin vom 19. Dezember 2019 habe bei der Klägerin inzwischen ein patientenindividuelles Optimum erreicht werden können; die kieferorthopädische Behandlung neige sich mithin dem Ende entgegen.
12
Die Klägerin beantragt konkretisierend zuletzt:
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 2. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2016 verpflichtet, die Beihilfefähigkeit der nach dem Behandlungsplan vorgesehenen Kosten für die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin als dem Grunde nach beihilfefähig im Sinne des § 15 BayBhV anzuerkennen.
2. Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 7. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2016 verpflichtet, der Klägerin für die Behandlungen am 2. November 2015 und am 2. Februar 2016 weitere Beihilfeleistungen in Höhe von 158,17 EUR und 270,65 EUR zu gewähren.
13
Der Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
14
Zur Begründung verweist er auf den Widerspruchsbescheid.
15
Die Kammer hat hinsichtlich der Frage, ob eine alleinige kieferorthopädische Behandlung der Klägerin medizinisch ausreichend im Sinne des § 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV gewesen ist, Beweis erhoben durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von Seiten des Fachzahnarztes für Kieferorthopädie Dr. … Dessen Ausführungen vom 17. Juli 2020 gelangen im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass zwar das konkret vereinbarte Behandlungsziel ausgeformter Zahnbögen mit einer Verbesserung der Frontzahnstufe erreicht worden sei, die bei der Klägerin bestehende skelettal schwere Kieferanomalie aber nur mit einer orthodontisch-chirurgischen Kombinationsbehandlung hätte behoben werden können und - der Intention der Behandlung entsprechend - nicht therapiert worden sei. Im Übrigen bestünden keinerlei Hinweise auf das Bestehen einer - alleine mit kieferorthopädischen bzw. orthodontischen Mitteln behandelbaren - funktionell schweren Kieferanomalie.
16
Die Klägerin hat hierzu ausführen lassen, der Sachverständige habe die maßgebliche Frage, nämlich ob die alleinige kieferorthopädische Behandlung der Klägerin medizinisch ausreichend gewesen sei, positiv beantwortet. Soweit der Gutachter daneben eine Einteilung der schweren Kieferanomalie in eine skelettale und eine funktionelle vornehme, sei dies nicht seine Aufgabe gewesen. Vielmehr sei das Vorliegen einer schweren Kieferanomalie im Sinne der Bayerischen Beihilfeverordnung bereits in dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren geklärt worden und daher als festgestellte Tatsache zugrunde zu legen. Entscheidend sei, dass die gesetzten Behandlungsziele erreicht, nämlich die Zahnbögen ausgeformt und der Tiefbiss behoben worden seien; dies habe auch der Sachverständige abschließend bestätigt.
17
Die Kammer hat am 24. November 2020 mündlich verhandelt und auch den Sachverständigen zur mündlichen Erörterung seines Gutachtens geladen. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
18
Ergänzend wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die Gerichtsakte sowie die Behördenakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
19
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
20
Die Klage ist zulässig. Die im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 44 VwGO) verbundenen Klageanträge sind jeweils mit der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zu verfolgen.
21
Insbesondere verfügt die Klägerin über ein rechtliches Interesse, den Beklagten - wie in Ziffer 1 ihres zuletzt gestellten Klageantrags geltend gemacht - zu verpflichten, die Beihilfefähigkeit der nach dem Behandlungsplan vorgesehenen voraussichtlichen Aufwendungen für ihre kieferorthopädische Behandlung als dem Grunde nach beihilfefähig im Sinne des § 15 BayBhV anzuerkennen. Dem steht nicht entgegen, dass § 15 Satz 1 Nr. 1 BayBhV vor Beginn der kieferorthopädischen Behandlung lediglich die Vorlage eines Heil- und Kostenplans und gerade nicht dessen Voranerkennung bzw. Genehmigung verlangt. Denn die mit Bescheid vom 2. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2016 erfolgte Entscheidung des Beklagten, die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin nach § 15 BayBhV - mit Ausnahme der Vorarbeiten hierzu - dem Grunde nach nicht anzuerkennen, hat die Funktion, die bestehenden Unklarheiten bei der Anwendung der inmitten stehenden Beihilfevorschrift auszuräumen, indem der Beklagte seine diesbezügliche Rechtsauffassung vor Entstehung der Aufwendungen deutlich klargestellt hat. Die Klägerin kann daher auch dann, wenn - wie hier - eine Voranerkennung nach den einschlägigen beihilferechtlichen Vorschriften nicht erforderlich ist, nicht darauf verwiesen werden, die streitige Gebührenfrage bei der Abrechnung der Behandlungskosten klären zu lassen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 6.6.2016 - 14 BV 15.527 - juris Rn. 14).
22
Soweit daneben mit Bescheid vom 7. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2016 unter anderem die Gewährung von Beihilfeleistungen für die mit den Rechnungen vom 2. November 2015 und vom 2. Februar 2016 konkret entstandenen Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung versagt wurde, kann mit der Klage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO - wie in Ziffer 2 des zuletzt gestellten Antrags geschehen - zudem die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung entsprechender Beihilfeleistungen geltend gemacht werden.
23
In der Sache jedoch erweist sich die Klage als unbegründet. Die beihilferechtliche Nichtanerkennung der nach dem Behandlungsplan vorgesehenen bzw. mit den Rechnungen vom 2. November 2015 und vom 2. Februar 2016 konkret entstandenen Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin mit Bescheid vom 2. März 2016 bzw. vom 7. April 2016, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2016, erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Nach der insoweit maßgeblichen Bestimmung des § 15 Satz 2 BayBhV steht der Klägerin bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf eine Anerkennung der Beihilfefähigkeit der nach dem Behandlungsplan vorgesehenen kieferorthopädischen Leistungen zu. In der Folge muss auch ein Anspruch auf die Gewährung konkreter Beihilfeleistungen in Höhe von (weiteren) 482,82 EUR anlässlich der hierfür entstandenen Aufwendungen ausscheiden.
24
1. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Beihilfe ist Art. 96 BayBG in Verbindung mit den Vorschriften der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV). Grundsätzlich ist für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (BVerwG, U.v. 2.4.2014 - 5 C 40.12 - juris Rn. 9; U.v. 8.11.2012 - 5 C 4.12 - juris Rn. 12). Aufwendungen gelten nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BayBhV in dem Zeitpunkt als entstanden, in dem die sie begründende Leistung erbracht wird.
25
Dies gilt jedenfalls insoweit, als mit Ziffer 2 des Klageantrags die Verpflichtung des Beklagten zu konkreten Beihilfeleistungen für die Aufwendungen aus den Rechnungen vom 2. November 2015 und vom 2. Februar 2016 begehrt wird. Die darin aufgeführten zahnärztlichen Leistungen wurden allesamt zwischen dem 5. Oktober 2015 und dem 13. Januar 2016 erbracht. Maßgeblich ist damit insbesondere § 15 BayBhV in der vom 1. April 2011 bis zum 31. Dezember 2018 gültigen Fassung.
26
Im Gegensatz dazu zielt Ziffer 1 des Klageantrags in der Sache darauf ab, die grundsätzliche Beihilfefähigkeit der weiteren nach dem Behandlungsplan vorgesehenen Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen auch schon vor deren tatsächlicher Entstehung gerichtlich klären zu lassen. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 6.6.2016 - 14 BV 15.527 - juris Rn. 16) soll in derartigen Fällen nicht auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der jeweiligen Aufwendungen, sondern vielmehr auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen sein. Hier besteht indessen die Besonderheit, dass die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin noch während des gerichtlichen Verfahrens begonnen wurde und damit die nach dem Behandlungsplan vorgesehenen zahnärztlichen Leistungen mitunter schon erbracht und der Klägerin in Rechnung gestellt wurden. Im Ergebnis kann die Frage nach der einschlägigen Fassung des § 15 BayBhV aber dahinstehen, denn die Vorschrift hat zwischen der Vorlage des Behandlungsplans bei dem Beklagten am 13. Juli 2015 und der gerichtlichen Entscheidung am 24. November 2020 keine inhaltlichen Änderungen erfahren. So wurde die Vorschrift durch § 1 Nr. 9 der Verordnung zur Änderung der BayBhV vom 12. Oktober 2018 (GVBl. S. 794) lediglich in redaktioneller Hinsicht angepasst.
27
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Anerkennung der grundsätzlichen Beihilfefähigkeit der Aufwendungen aus dem beim Beklagten am 13. Juli 2015 in Vorlage gebrachten kieferorthopädischen Behandlungsplan, weil es diesbezüglich an den Voraussetzungen des § 15 Satz 2 BayBhV mangelt und - jedenfalls in der hier zu entscheidenden Fallkonstellation - auch eine erweiternde Auslegung dieser Bestimmung nicht in Betracht kommt.
28
a) Die Voraussetzungen des § 15 Satz 2 BayBhV für eine grundsätzliche Beihilfefähigkeit der Aufwendungen aus dem kieferorthopädischen Behandlungsplan liegen nicht vor; die danach vorgesehene alleinige kieferorthopädische Behandlung ist nach der gerichtlichen Überzeugungsbildung zur Beseitigung der skelettal schweren Kieferanomalie der Klägerin nicht geeignet.
29
Gemäß § 15 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen nur beihilfefähig, wenn vor Behandlungsbeginn (1.) ein Heil- und Kostenplan vorgelegt wird und (2.) die behandelte Person das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Diese Altersbegrenzung gilt nach § 15 Satz 2 BayBhV nicht bei schweren Kieferanomalien, (1.) die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern, sowie (2.) in besonderen Ausnahmefällen, wenn nach einem zahnärztlichen Gutachten eine alleinige kieferorthopädische Behandlung medizinisch ausreichend ist.
30
Ausgehend von diesen Maßstäben erweist sich die im Fall der hiesigen Klägerin vorgesehene und inzwischen weitgehend durchgeführte alleinige kieferorthopädische Behandlung als nicht beihilfefähig. Es wurde vor Behandlungsbeginn - am 13. Juli 2015 - zwar ein Heil- und Kostenplan bei dem Beklagten vorgelegt, § 15 Satz 1 Nr. 1 BayBhV. Da die 1972 geborene Klägerin zu diesem Zeitpunkt aber das 18. Lebensjahr bereits vollendet hatte, bedurfte es für eine Beihilfefähigkeit zusätzlich der weitergehenden Voraussetzungen des § 15 Satz 2 BayBhV. Diese sind hier nicht erfüllt. Zwar leidet die Klägerin an einer skelettal schweren Kieferanomalie im Sinne des § 15 Satz 2 BayBhV. Anders als von § 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV vorausgesetzt, waren die nach dem Behandlungsplan vorgesehenen alleinigen kieferorthopädischen Maßnahmen jedoch weder dazu geeignet, die skelettal schwere Kieferanomalie der Klägerin zu beheben, noch war dies überhaupt beabsichtigt worden. Vielmehr wäre solches nur durch ein kombiniertes kieferchirurgisches und orthodontisches (kieferorthopädisches) Vorgehen zu erreichen gewesen.
31
aa) Die Klägerin leidet an einer (ausschließlich) skelettal schweren Kieferanomalie im Sinne des § 15 Satz 2 BayBhV.
32
Das Vorhandensein eines derartigen Krankheitsbildes steht mit Blick auf die übereinstimmenden gutachterlichen Ausführungen des Beratungszahnarztes Dr. … sowie des gerichtlichen Sachverständigen Dr. … zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) fest. So hat ersterer bereits in seiner Stellungnahme vom 29. Februar 2016 anhand eines vor Behandlungsbeginn am 1. Juli 2015 gefertigten Fernröntgenseitbilds (FRS-Aufnahme) das Vorliegen einer schweren Kieferanomalie im Sinne der Bayerischen Beihilfeverordnung mit skelettaler Unterkieferrücklage und skelettalem Tiefbiss festgestellt. Diese Angaben decken sich mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. … Dessen zahnärztliches Gutachten vom 17. Juli 2020 hat anhand einer zeichnerischen Auswertung des Fernröntgenseitbilds vom 1. Juli 2015 bei der Klägerin verschiedene Abweichungen der skelettalen Parameter von der entsprechenden Norm ermittelt und ist anhand dieser Daten zu dem Befund einer skelettalen Dysgnathie im Sinne einer Rücklage des Unterkiefers und eines horizontalen Schädelaufbaus gelangt (S. 19 ff.).
33
An dieser Stelle kann die Klägerin auch mit ihrem Hinweis nicht durchdringen, die Aufgabe des Sachverständigen Dr. … habe nicht darin bestanden, in seinem Gutachten (S. 18) zwischen einer skelettal und einer funktionell schweren Kieferanomalie zu differenzieren. Anders als die Klägerseite meint, stellt insbesondere die daran anknüpfende Feststellung des Sachverständigen, wonach bei der Klägerin alleine eine - mit rein orthodontischen Mitteln nicht zu behebende - skelettal schwere Kieferanomalie (S. 19 ff.) und nicht auch eine - ggf. allein orthodontisch zu behandelnde - funktionell schwere Kieferanomalie (S. 23 f.) vorliege, keinen Widerspruch zu den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens gewonnenen Erkenntnissen dar. Auch der Beratungszahnarzt Dr. … hat in seiner Stellungnahme vom 29. Februar 2016 herausgestellt, dass bei der Klägerin eine Dysgnathie (skelettale Unterkieferrücklage, skelettaler Tiefbiss, Laterognathie) gegeben sei, nach dem klinischen Funktionsstatus vom 1. Juli 2015 eine dysfunktionelle Symptomatik jedoch nicht vorliege. Sollte der Einwand der Klägerin dahingehend verstanden werden, dass die bei ihr festgestellte schwere Kieferanomalie - entgegen der Ansicht des Beratungszahnarztes und des gerichtlichen Sachverständigen - zusätzlich mit funktionell schwerwiegenden Folgen einherginge, mangelt es bereits an einer hinreichend substantiierten Darlegung, worin letztere bestehen könnten. Insbesondere hat die Klägerin keine der Indikationen - wie etwa Arthritis (Gelenkschmerzen), Knacken (Diskusverlagerung), verstärkte Abrasion der Zähne oder parodontale Schäden durch Bruxismus - geltend gemacht, die in dem Sachverständigengutachten (S. 24) als mögliche funktionelle Probleme aufgeführt werden.
34
bb) Jedoch fehlt es an den weiteren Voraussetzungen des § 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV, denn die nach dem Behandlungsplan allein vorgesehenen kieferorthopädischen Maßnahmen sind zur Behebung der skelettal schweren Kieferanomalie der Klägerin medizinisch nicht ausreichend. Stattdessen hätte es hierfür - wie von § 15 Satz 2 Nr. 1 BayBhV als Regelfall vorgesehen - eines kombinierten kieferchirurgischen und orthodontischen (kieferorthopädischen) Vorgehens bedurft.
35
(1) Die Beihilfefähigkeit einer alleinigen kieferorthopädischen Behandlung nach § 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV erfordert, dass diese sich gerade zur Behebung der nach dem ersten Satzteil der Vorschrift vorausgesetzten schweren Kieferanomalie als medizinisch ausreichend erweist. Demgegenüber genügt es - anders als die Klägerin meint - für eine Beihilfefähigkeit noch nicht, wenn eine solche kieferorthopädische Behandlung anderweitige Behandlungsziele verfolgt und ggf. auch erreicht, ohne dabei auf die schwere Kieferanomalie einzuwirken und diese zu beseitigen.
36
Ein derartiges Normverständnis folgt zunächst aus dem Wortlaut sowie der Struktur des § 15 Satz 2 BayBhV. Danach setzt eine Ausnahme von der Altersbeschränkung des § 15 Satz 1 Nr. 2 BayBhV - und damit die Beihilfefähigkeit einer nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs begonnenen kieferorthopädischen Behandlung - in tatbestandlicher Hinsicht regelmäßig zweierlei voraus: Der betreffende Beamte muss zum einen an einer schweren Kieferanomalie leiden (§ 15 Satz 2 BayBhV am Anfang), die zum anderen entweder eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert (§ 15 Satz 2 Nr. 1 BayBhV) oder aber einen besonderen Ausnahmefall darstellt, in dem nach einem zahnärztlichen Gutachten eine alleinige kieferorthopädische Behandlung medizinisch ausreichend ist (§ 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV). Indem der Verordnungsgeber damit die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für eine im Erwachsenenalter durchgeführte kieferorthopädische Behandlung an das Vorliegen einer schweren Kieferanomalie geknüpft hat, setzt er gleichsam voraus, dass diese durch die vorgesehenen Maßnahmen tatsächlich behandelt werden kann und soll. Besonders deutlich wird dies am Wortlaut des § 15 Satz 2 Nr. 1 BayBhV, der darauf abstellt, ob die schwere Kieferanomalie eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert. Nichts anderes gilt auch für die hier relevante Ausnahmeregelung des § 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV. Diese knüpft ebenfalls an das Krankheitsbild der schweren Kieferanomalie an und sieht - in Ausnahme von § 15 Satz 2 Nr. 1 BayBhV - die Beihilfefähigkeit einer nach Vollendung des 18. Lebensjahrs begonnenen alleinigen kieferorthopädischen Behandlung vor, wenn diese nach einem zahnärztlichen Gutachten medizinisch ausreichend ist. Das Tatbestandsmerkmal „medizinisch ausreichend“ ist dabei wiederum auf die schwere Kieferanomalie bezogen und setzt mithin voraus, dass die alleinige kieferorthopädische Behandlung gerade deren Behebung dient.
37
(2) Ausgehend von dem vorstehend aufgezeigten Normverständnis sind mit Blick auf die zahnärztlichen Leistungen nach dem kieferorthopädischen Behandlungsplan die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV für eine Beihilfefähigkeit nicht erfüllt. Die danach vorgesehene (und inzwischen auch durchgeführte) alleinige kieferorthopädische Behandlung war zur Behebung der skelettal schweren Kieferanomalie der Klägerin nicht geeignet.
38
Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) aus den schriftlichen Stellungnahmen des Beratungszahnarztes Dr. … vom 29. Februar 2016 und vom 13. Juni 2016 sowie insbesondere aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. … vom 17. Juli 2020.
39
So ist bereits der im Verwaltungsverfahren konsultierte Beratungszahnarzt Dr. … in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 29. Februar 2016 anhand der ihm vorliegenden Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass im Fall der Klägerin eine alleinige kieferorthopädische Korrektur der festgestellten Dysgnathie (skelettale Unterkieferlage, skelettaler Tiefbiss, Laterognathie) nicht möglich und namentlich ein Ausgleich der skelettalen Diskrepanz ohne kieferchirurgische Maßnahmen nicht umsetzbar sei. In einer weiteren Stellungnahme vom 13. Juni 2016 hat der Beratungszahnarzt nochmals bekräftigt, dass ausschließlich ein kombiniertes Vorgehen fachlich vertretbar und erfolgversprechend sei. Dies könne bereits anhand der ihm vorliegenden Unterlagen eindeutig beurteilt werden, ohne zunächst das kieferorthopädische Behandlungsergebnis abzuwarten, um dann zu entscheiden, ob noch kieferorthopädische Maßnahmen notwendig seien.
40
Zu derselben fachlichen Einschätzung gelangt der gerichtliche Sachverständige Dr. … Nach dessen gutachterlicher Stellungnahme vom 17. Juli 2020 sei durch die - inzwischen weitgehend abgeschlossenen - Therapiemaßnahmen eine Behandlung der skelettalen Struktur der Kiefer und ihrer sagittalen Relation nicht erfolgt, so dass die schwere Kieferanomalie der Klägerin weiterhin fortbestehe (S. 23). Das Gutachten stützt sich neben den bereits dem Beratungszahnarzt Dr. … vorgelegten Planungsunterlagen vor Behandlungsbeginn (Stand: 1.7.2015; S. 3 ff.) auch auf die Befunde während des Laufs (Stand: 5.7.2016; S. 7 ff.) und nach dem Abschluss der Behandlung (Stand: 23.9.2019; S. 11 ff.). Dabei gelangt der Sachverständige anhand eines Vergleichs der skelettalen Parameter vom 1. Juli 2015 und vom 23. September 2019 zu dem Ergebnis, dass die sagittalen Werte der Fernröntgenseitbilder vor und nach der Behandlung keine signifikante, die zeichnerische Ungenauigkeit übertreffende Veränderung aufweisen würden (siehe im Einzelnen S. 22). Die alleine in Bezug auf die horizontalen Winkel ML/NSL und ML/NL (siehe hierzu S. 21) festgestellte Annäherung an die Norm im Sinne einer Bissöffnung führt das Gutachten auf eine therapeutische Intrusion (Hineinschieben in den Kieferknochen) der Frontzähne und die dabei erfolgte Extrusion (Herausziehen aus dem Kieferknochen) der Seitenzähne zurück. Da die hinteren Zähne nun früher zusammenbeißen würden, könne der Unterkiefer nicht mehr soweit schließen wie zuvor. Eine über diesen Effekt hinausgehende skelettale Änderung vermochte der Sachverständige indessen nicht festzustellen.
41
Ergänzend ist anzumerken, dass - wie auch der Sachverständige Dr. … in seinen Ausführungen (S. 22) herausgestellt hat - bereits die behandelnde Kieferorthopädin Dr. … auf die mangelnde Korrekturmöglichkeit der skelettalen Kieferfehlstellung der Klägerin ohne eine entsprechende operative Gebisseinstellung hingewiesen hat. So ist in der Patientenakte der Klägerin unter dem 15. Juli 2015 zu lesen, es könnten Zahnfehlstellungen, jedoch keine Kieferfehlstellungen behandelt werden; ein zurückbleibender Überbiss sei nur operativ einstellbar. Des Weiteren wurde am 26. September 2016 vermerkt, dass die Kieferkomponente (skelettal) - mit der vorgesehenen kieferorthopädischen Behandlung - nicht mehr korrigiert werden könne.
42
cc) Nicht in Betracht kommt schließlich eine erweiternde Auslegung des § 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV mit der Folge, dass die nach dem Behandlungsplan vorgesehenen Aufwendungen ungeachtet des Fehlens der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung gleichwohl als beihilfefähig anzuerkennen wären.
43
Es handelt sich bei der Bestimmung des § 15 Satz 2 BayBhV um eine eng zu handhabende Ausnahmevorschrift. Für eine gegen den Wortlaut der Norm sprechende Auslegung besteht grundsätzlich kein Raum. Die Verwaltungsgerichte dürfen sich nicht an die Stelle des Normgebers setzen und sich über die eindeutige Beschränkung - hier die Altersbegrenzung und die diesbezüglich geregelten Ausnahmefälle - hinwegsetzen, um den Beihilfevorschriften gleichwohl Leistungsansprüche des Beihilfeberechtigten entnehmen zu können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn andere beihilfefähige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Nur dann, wenn keine Behandlungsalternative vorhanden ist, wäre es nicht mehr hinzunehmen, dass Leistungen für eine kieferorthopädische Behandlung verweigert werden (so die Fallgestaltung bei VGH BW, U.v. 2.5.2012 - 2 S 2904/10 - juris Rn. 33 ff.). In derartigen Fällen müsste Beihilfe - etwa nach § 49 Abs. 2 BayBhV - auch für andere als die in § 15 Satz 2 BayBhV genannten kieferorthopädischen Behandlungen gewährt werden (zum Ganzen: BayVGH, B.v. 24.6.2015 - 14 ZB 15.568 - juris Rn. 8).
44
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Zur Behebung der festgestellten Kieferproblematik und der damit einhergehenden Zahnfehlstellungen war die Klägerin keinesfalls alternativlos auf das nach dem Behandlungsplan vereinbarte alleinige kieferorthopädische Vorgehen angewiesen, welches (nur) auf eine Ausformung der Zahnbögen mit einer Verbesserung der Frontzahnstufe abzielte (vgl. Gutachten v. 17.7.2020, S. 7). Zur Therapie der schweren skelettalen Kieferanomalie der Klägerin wäre vielmehr eine - nach § 15 Satz 2 Nr. 1 BayBhV dem Grunde nach beihilfefähige - Neuplanung im Sinne einer orthodontisch-chirurgischen Kombinationsbehandlung notwendig gewesen (vgl. Gutachten v. 17.7.2020, S. 22). Die bewusste Entscheidung der Klägerin gegen eine dem Grunde nach beihilfefähige Kombinationsbehandlung aus Kieferorthopädie und Kieferchirurgie zugunsten eines rein kieferorthopädischen Behandlungsansatzes, welcher sich noch dazu im Wesentlichen auf die Behebung bestehender Zahnfehlstellungen beschränkt, die zugrundeliegende skelettale Problematik aber unberührt lässt, vermag einen besonderen Ausnahmefall im Sinne der obengenannten Rechtsprechung jedenfalls nicht zu begründen.
45
An dieser Stelle kann auch die Argumentation der Klagebegründung, die kieferorthopädische Behandlung sei als das mildere Mittel einem kieferchirurgischen Vorgehen vorzuziehen, nicht durchgreifen. Dem ist entgegenzuhalten, dass es sich vorliegend nicht um den Eingriff eines Hoheitsträgers, sondern um Leistungen des Dienstherrn handelt und im Hinblick auf den pauschalierenden und typisierenden Ansatz der Beihilfe nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Einzelfall gewisse Härten entstehen; diese sind vom Betroffenen hinzunehmen, soweit sie keine unzumutbaren Belastungen darstellen (BayVGH, B.v. 24.6.2015 - 14 ZB 15.568 - juris Rn. 9). Durch den Verweis auf andere, dem Stand der Wissenschaft entsprechende, nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführende und darüber hinaus auch beihilfefähige Behandlungsmöglichkeiten wird der Beihilfeberechtigte nicht unzumutbar belastet (BayVGH, B.v. 5.10.2006 - 14 B 04.2997 - juris Rn. 20; B.v. 24.6.2015 - 14 ZB 15.568 - juris Rn. 9).
46
Erfolglos bleibt in diesem Zusammenhang auch der in der mündlichen Verhandlung erhobene Einwand, es wären für eine kieferchirurgische Operation weitaus höhere Kosten angefallen als für die von der Klägerin gewählte kieferorthopädische Behandlung, was für den Beklagten wiederum eine Kostenersparnis zur Folge gehabt habe. Für die Frage der Beihilfefähigkeit ist nämlich unerheblich, ob die alternative Behandlungsmöglichkeit im Einzelfall teurer ist als ein vom Beihilfeberechtigten favorisiertes, aber nicht beihilfefähiges Heilverfahren; andernfalls würden über diesen Umweg im Einzelfall nicht beihilfefähige Leistungen zu beihilfefähigen Leistungen (BayVGH, B.v. 24.6.2015 - 14 ZB 15.568 - juris Rn. 9; OVG Berlin-Bbg, U.v. 11.11.2010 - OVG 4 B 22.10 - juris Rn. 22). Nichts anderes gilt für den Hinweis, dem Beklagten seien etwaige Folgekosten aus einem operationsbedingten Ausfall der Arbeitskraft der Klägerin erspart geblieben. Auch dieser Umstand darf nicht dazu führen, den nach § 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV bestehenden Ausschluss der Beihilfefähigkeit für die von der Klägerin favorisierte kieferorthopädische Behandlung zu umgehen.
47
3. Da es nach alledem an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Satz 2 BayBhV und mithin an einer Beihilfefähigkeit der alleinigen kieferorthopädischen Behandlung bereits dem Grunde nach mangelt, steht der Klägerin auch ein Anspruch auf eine weitere Beihilfegewährung für die in diesem Zusammenhang aus den Rechnungen vom 2. November 2015 und vom 2. Februar 2016 entstandenen Aufwendungen nicht zu. Wie § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV herausstellt, sind selbst dem Grunde nach medizinisch notwendige und der Höhe nach angemessene Aufwendungen nur „nach den folgenden Vorschriften“ - von diesen ist vorliegend § 15 Satz 2 BayBhV einschlägig - beihilfefähig.
48
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
49
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.