Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 07.12.2020 – AN 14 K 18.02503
Titel:

Anspruch auf Einschreiten der Datenschutzbehörde bei Videoüberwachung eines Grundstücks

Normenketten:
DSGVO Art. 57, Art. 58, Art. 77 Abs. 2, Art. 78 Abs. 1,
GrCh Art. 47
BDSG § 20 Abs. 3, Abs. 5
VwVfG § 35
VwGO § 45, § 65
Leitsätze:
1. Informiert eine Datenschutzbehörde auf ein Verlangen nach aufsichtlichem Einschreiten gegen die Videoüberwachung eines Grundstück einen Antragsteller lediglich über die Rechtslage, so handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus den Überwachungs- und Prüfungspflichten der Datenschutzgrundverordnung ergeben sich nicht ohne Weiteres subjektiv-öffentliche Rechte Betroffener auf weiteres Einschreiten. (Rn. 35 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Drängt sich ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht durch eine Videoüberwachung eines Grundstücks nicht auf, ist die Ablehnung eines aufsichtsbehördlichen Einschreitens nicht rechtswidrig. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsnatur der Abschlussmitteilung des Landesamts für Datenschutzaufsicht, Leistungsklage, Recht auf datenschutzrechtliches Einschreiten des LDA, Videoüberwachung, Kamera, Grundstück, Datenschutz, Rechtsauskunft, Einschreiten der Datenschutzbehörde, Verwaltungsakt, Abschlussmitteilung
Fundstellen:
ZD 2021, 452
LSK 2020, 41160
BeckRS 2020, 41160

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden,
wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt ein aufsichtliches Tätigwerden des Bayerischen Landesamts für die Datenschutzaufsicht (LDA) gegen seinen Nachbarn wegen einer von diesem im Eingangsbereich seines Hauses angebrachten Kamera. Nach Angaben des Klägers brachte der Nachbar 2016 eine Kamera an seinem Eingangsbereich an. Diese Kamera sei auf das Grundstück der verantwortlichen Stelle selbst, auf den öffentlichen Weg und auf den Eingang zum Haus des Klägers ausgerichtet. Der Kläger habe dies hingenommen, da lange nicht klar war, was die Kamera tatsächlich aufzeichne. Am 22. September 2018 habe er Besuch von Bekannten gehabt. Diese hätten gegen 19.40 Uhr auf der Straße vor dem Haus des Klägers gewartet. Am Haus des Nachbarn seien zu diesem Zeitpunkt alle Rollläden heruntergelassen gewesen. Dennoch sei plötzlich die Eigentümerin des Nachbarhauses in der Tür des Nachbarhauses gestanden und habe deutlich gemacht, dass sie genau beobachtet hätte, was die Zeugen vor dem Haus gemacht hätten. Die Zeugen sollten sich entfernen. Die Zeugen seien so gestanden, dass sie, wenn die Kamera nur das Grundstück der Nachbarn abgedeckt hätte, nicht von der Kamera hätten erfasst werden können.
2
Der Kläger ließ am 19. November 2018 durch seinen Bevollmächtigten hiergegen Beschwerde beim Landesamt für Datenschutzaufsicht (LDA) einreichen. Auf die Begründung wird Bezug genommen.
3
Das LDA teilte dem Kläger mit Schreiben vom 26. November 2018, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung:(Klage innerhalb eines Monats zum VG Ansbach) beigefügt war, mit, dass es nicht tätig werden könne. Es bleibe dem Kläger unbenommen, gegen die Videoüberwachung auf zivilrechtlichen Weg vorzugehen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine Videoüberwachung durch nichtöffentliche Stellen, somit auch durch Privatpersonen, nach Art. 6 Abs. 1 f DS-GVO nur zulässig sei, soweit sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Kamerabetreibers erforderlich sei und nur, sofern nicht die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen überwögen.
4
Dies bedeute in aller Regel, dass die Überwachung eines eigenen Grundstücks (mit einem angrenzenden Streifen von etwa einem Meter hinter der Grundstücksgrenze) datenschutzrechtlich zulässig sei, während eine Videoüberwachung angrenzender Grundstücke, Straßen, Plätze oder Gehwege datenschutzrechtlich nicht zulässig sei. Anders als bei Unternehmen bestünden bei Videoüberwachung durch Privatpersonen wie im vorliegenden Fall nur beschränkte gesetzliche Möglichkeiten, eine unzulässige Videoüberwachung effektiv durch die Aufsichtsbehörde zu unterbinden. Die Datenschutzaufsichtsbehörde habe in aller Regel nicht das Recht, private Häuser zu betreten und eine dort installierte Videoüberwachung gegen den Willen der Hauseigentümer bzw. Bewohner zu kontrollieren. Das LDA habe die Beschwerde aber zum Anlass genommen, den Betreiber der Videoüberwachung auf die rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Videoüberwachung hinzuweisen und zum Ausdruck gebracht, dass eine unzulässige Videoüberwachung eine Ordnungswidrigkeit nach Art. 83 Abs. 5 a DS-GVO darstelle und als solche mit einem Bußgeld geahndet werden könne. Es werde um Verständnis gebeten, dass ein weiteres Tätigwerden aus den oben genannten Gründen nicht möglich sei, sofern nicht weitergehende konkrete Anhaltspunkte für eine unzulässige Videoüberwachung, die dem LDA ein Tätigwerden auch ohne Betreten des Privatgrundstücks und Sichtung der Videoüberwachungsanlage ermögliche, geliefert würden.
5
Mit Telefax seines Bevollmächtigten vom 21. Dezember 2018 ließ der Kläger die vorliegende Klage erheben.
6
Er beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 26. November 2018 zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom 09. November 2018 zu prüfen und erneut zu bescheiden.
7
Zur Begründung führt er aus, dass der Bescheid vom 26. November 2018 rechtsfehlerhaft ergangen sei, da keinerlei Ermittlungen durchgeführt worden seien. Die Datenschutzgrundverordnung sei auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden, da nach Art. 2 Abs. 1 DS-GVO jede automatisierte Datenverarbeitung erfasst sei. Bei der Aufstellung von Kameras handele es sich um eine solche. Eine Ausnahme von der Anwendung ergebe sich nicht aus Art. 2 Abs. 2 DS-GVO. Die Kamera sei, wie auf den Bildern gut zu erkennen sei, offensichtlich auf die öffentliche Straße ausgerichtet. Es könne durchaus sein, dass die verantwortliche Stelle trotzdem nur das eigene Grundstück filme. Hierfür müsste sie aber weitergehende technische Maßnahmen ergriffen haben. Eine Vermutung dafür, dass sie solche Maßnahmen ergriffen habe, gebe es nicht. Wie die Beklagte auf die Idee komme, dass die DS-GVO eine Unterscheidung zwischen einem Vorgehen gegenüber Privatpersonen und gegenüber Gewerbetreiben den mache, sei unklar. Eine solche sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der Beklagte hätte auf die Beschwerde hin ermitteln müssen, ob eine Überwachung stattfinde und ob diese rechtmäßig sei. Nur nach Durchführung einer solchen Ermittlung hätte der Beklagte eine Entscheidung treffen dürfen bzw. sein dahingehendes Ermessen richtig ausüben können. Der Beklagte begründe die Ablehnung der Beschwerde damit, dass er keine Handhabe gegen Privatpersonen habe, weil er deren Grundstück nicht einfach betreten dürfe. Es sei aber nicht ersichtlich, dass eine Hausdurchsuchung sofort notwendig sei. Der Beklagte habe auch die Möglichkeit, die verantwortliche Stelle auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 2 DS-GVO zu befragen. Auch dies sei hier offenbar nicht erfolgt. Es stellten sich verschiedene Fragen, die von dem Beklagten offenbar nicht gestellt wurden (wird im Einzelnen ausgeführt). Der Beklagte habe mehr als genug Möglichkeiten, um gegen die verantwortliche Stelle vorzugehen. Einfach gar nichts zu machen werde den Vorgaben der Verordnung nicht gerecht. Zudem sei auf Grund der Regelung der DS-GVO als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt so lange davon auszugehen, dass es sich um eine verbotene Tätigkeit handele, bis die verantwortliche Stelle ihre Rechtfertigung ausreichend dargelegt habe. Die DS-GVO kenne keine Unschuldsvermutung, sondern sehe vor, dass die verantwortliche Stelle die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Datenverarbeitung nachweise.
8
Falls der Beklagte auf Grund des übersandten Bildes nicht ausreichend davon überzeugt gewesen sei, dass eine Überwachung stattfinde, hätte er beim Kläger nachfragen müssen. Zeugen seien bereits benannt gewesen. Auch bei diesen hätte also nachgefragt werden können. Der Kläger sei von der Ablehnung in seinen Rechten verletzt. Jedes Mal, wenn er sein Haus betrete, müsse er davon ausgehen, gefilmt zu werden. Er sei so einem permanenten Überwachungsdruck ausgesetzt. Dies greife massiv in sein Recht zur informationellen Selbstbestimmung ein. Auf die Entscheidung des AG Detmold vom 1. März 2018 (Az. 7C 429/17) werde hingewiesen.
9
Der Beklagte nahm hierzu mit Schriftsatz vom 22. Januar 2019 Stellung und beantragt
Klageabweisung.
10
Dass die Datenschutzgrundverordnung auf den vorliegenden Sachverhalt Anwendung finde, werde nicht bestritten. Dies gelte auch für den Fall, dass keine Bildaufzeichnung, sondern lediglich eine Beobachtung (verlängertes Auge) stattfinde. Die Klage sei jedoch unbegründet. Der Kläger moniere insbesondere, dass das LDA weitergehende Ermittlungsmöglichkeiten gehabt hätte. Tatsächlich liege aber kein Unterlassen gebotener aufsichtlicher Maßnahmen durch das LDA vor. Es habe sich mit Schreiben vom 26. November 2018 an die Kamerabetreiber gewandt und diese auf die datenschutzrechtlichen Anforderungen an das Betreiben von Videoüberwachung hingewiesen. Es habe diese insbesondere darauf hingewiesen, dass die Videokamera in aller Regel lediglich das eigene Grundstück (einschließlich eines Toleranzstreifens von maximal einem Meter jenseits der Grundstücksgrenze) erfassen dürfe, so dass eine darüberhinausgehende Überwachung öffentlich zugänglicher Fläche jedenfalls in aller Regel datenschutzrechtlich nicht zulässig sei und gegebenenfalls eine Ordnungswidrigkeit nach Art. 83 Abs. 5 a DS-GVO darstellen könne. Die Kamerabetreiber seien darauf hingewiesen worden, dass sie ihre Kamera daher so einstellen müssten, dass diese nur das eigene Grundstück erfasse. Das LDA habe sich in dem genannten Schreiben ausdrücklich weitergehende Maßnahmen einschließlich einer Anordnung vorbehalten. Damit sei es seinen gesetzlichen Aufgaben gemäß Art. 57 DS-GVO in ausreichendem Maße nachgekommen. Weitergehende Maßnahmen seien vorliegend nicht geboten gewesen.
11
Hierbei sei einerseits zu berücksichtigen, dass nach den praktischen Erfahrungen der Datenschutzaufsicht jedenfalls in der Regel davon ausgegangen werden könne, dass in Fällen von Videoüberwachung die datenschutzrechtlich Verantwortlichen Hinweise der Datenschutzaufsichtsbehörde auf die rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen einer Videoüberwachung befolgten und diese entsprechend gestalteten. In der Praxis komme es nach Erteilung eines Hinweises nur selten zu weiteren Beschwerden beim LDA. Insbesondere vor dem Hintergrund des durch den Geltungsbeginn der DS-GVO zum 25. Mai 2018 und des damit einhergehenden massiven Zuwachses an Aufgaben der Datenschutzaufsichtsbehörden sei das LDA gehalten, unter den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zur Überprüfung der Datenschutzkonformität von Datenverarbeitungen im konkreten Fall diejenigen Mittel auszuwählen, die den verhältnismäßig geringeren Aufwand verursachen, sofern aufgrund der Erfahrungswerte damit gerechnet werden könne, dass auf diese Weise ein datenschutzrechtskonformer Zustand hergestellt werde. Zur Illustration werde darauf hingewiesen, dass es 2018 gegenüber dem Vorjahr bei nur geringfügigen Personalzuwachs in etwa eine Verdreifachung der beim LDA eingegangenen Beratungsersuchen von Unternehmen, Vereinen, Bürgern und anderen Stellen, in etwa eine Verdoppelung der Anzahl der eingegangenen Beschwerden sowie etwa eine Verzehnfachung der angezeigten Meldungen von Datenschutzverletzungen gegeben habe. Gerade Beschwerden von Bürgern wegen Videoüberwachung gingen beim LDA in überaus großer Anzahl ein. Es handele sich hierbei um Massenverfahren: In den Jahren 2015/2016 hätten 16% aller eingegangener Beschwerden Fälle von Videoüberwachung betroffen, für 2017/2018 hätten noch keine Zahlen vorgelegen, der Anteil dürfte aber ähnlich groß sein. Das LDA sei gehalten, seine knappen personellen Ressourcen so einzusetzen, dass es seine Aufgaben gemäß Art. 57 DS-GVO gleichermaßen erfüllen könne. Es entspreche daher gerade im Bereich der von anderen Bürgern betriebenen Videoüberwachung einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung, wenn das LDA wie oben beschrieben vorgehe. In einem etwaigen Wiederholungsfall würden weitergehende Maßnahmen wie eine Stellungnahme des Verantwortlichen und gegebenenfalls eine Anforderung von Bildmaterial ergriffen. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass die betroffenen Personen auch die Möglichkeit hätten, ihre Ansprüche zivilrechtlich durchzusetzen. Sie würden daher durch die geschilderte Vorgehensweise der Aufsichtsbehörde keinesfalls rechtlos gestellt.
12
Hinzu komme, dass den Aufklärungsmöglichkeiten der Datenschutzaufsichtsbehörde deutliche faktische Grenzen gesetzt seien. Die Aufsichtsbehörde habe zwar die Möglichkeit, die Kamerabetreiber aufzufordern zu erklären, wie genau die Kamera ausgerichtet sei und insbesondere ob diese auch öffentlich zugängliche Räume erfasse. Auch habe sie die Möglichkeit, vom Kamerabetreiber „Screenshots“ anzufordern, die die Ausrichtung der Kamera bzw. das Kamerablickfeld wiedergeben. Der Erkenntnisgewinn dieser Anforderungen sei jedoch begrenzt, denn der Kamerabetreiber habe jederzeit die Möglichkeit, den Blickwinkel der Kameraausrichtung nachträglich zu verändern, so dass die tatsächliche Kameraausrichtung von dem an die Aufsichtsbehörde gesandten Material abweichen könne. Auch eine Vorortkontrolle lasse keine verlässlichen weitergehenden Erkenntnisse erwarten. Denn aus der äußerlich erkennbaren Ausrichtung der Kamera könnten nur begrenzt Rückschlüsse auf den von ihr erfassten Bereich gezogen werden (wird ausgeführt). Eine Möglichkeit zur Betretung eines Privatgrundstücks habe die Datenschutzaufsichtsbehörde gemäß Art. 13 Abs. 2 GG nur auf der Grundlage eines gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses. Dies in einem Fall wie dem vorliegenden zu verlangen, stehe in keinem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Angelegenheit. Die Beiladung der Kamerabetreiber zum Rechtsstreit werde angeregt, da davon Aussagen erwartet werden könnten, inwieweit diese die vom LDA aufgezeigten Anforderungen umgesetzt haben.
13
Gegen eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO bestünden keine Einwände.
14
Der Kläger ließ mit Schreiben vom 24. Januar 2019 mitteilen, dass auch er mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden sei. Mit Schriftsätzen vom 8. März 2019 und vom 19. Dezember 2019 vertiefte er seine Rechtsposition dahingehend, dass die Argumentation des LDA letztlich besage, dass es sie nichts angehe, ob der Kläger gefilmt werde und sie keine Zeit dazu habe, sich ernsthaft mit der Sache zu befassen. Dies entspreche keinesfalls einem korrekten Verwaltungsverfahren. Eine Differenzierung zwischen schützenswerten und nichtschützenswerten Rechten der Betroffenen sei nicht möglich. Nicht erkennbar sei, wie die Beklagte zu dem Schluss komme, dass eine Beeinträchtigung beseitigt worden sei, nur weil sich Betroffene nicht ein zweites Mal beschwert hätten. Vielmehr führe das Schreiben des LDA zu einer Entmutigung der Betroffenen und dazu, dass sie sich im weiteren Verlauf nicht erneut beschweren würden. Dass es bei dem Beklagten nicht genug Personal gebe, könne wohl kaum als juristisches Argument angeführt werden. Der Verweis auf den Zivilrechtsweg sei wenig aussichtsreich, da der Kläger im Zivilprozess beweisbelastet sein dürfte. Auch insoweit könne der Nachbar das Filmen einfach leugnen und die Kamera einfach verstellen. Hier wäre es hilfreich, wenn der Beklagte irgendwelche Daten bei der verantwortlichen Stelle erheben würde. Damit würden Beweise erstmal gesichert.
15
Zu der vorgeschlagenen Beiladung der Nachbarn wurde ausgeführt, dass diese am Kern des Verfahrens vorbeigehe. Dem Kläger gehe es nur in zweiter Linie um den konkreten Verstoß. Die abschließende Feststellung, ob ein Verstoß vorliege, obliege dem Beklagten und sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Es gehe ihm vielmehr in erster Linie darum, dass erstmal überhaupt ein ordentliches Verwaltungsverfahren durchgeführt werde. Nur dies mache der Kläger mit der Klage geltend. Ob eine Strafe aufzuerlegen sei, werde im Anschluss entschieden. Was den Streitwert angehe, erschienen die festgelegten 5.000,00 EUR etwas zu hoch. Angeregt werde, sich am möglichen zu erwartenden Bußgeld zu orientieren. Dies dürfte realistischer Weise zwischen 1.000,00 und 3.000,00 EUR liegen. Letzterer Betrag sei als Streitwert wohl angemessen.
16
Dass der Beklagte die Möglichkeit zur Durchsuchung der Räume einer Privatperson habe, ergebe sich aus der beigefügten Pressemitteilung des Thüringischen Landesdatenschutzbeauftragten. Dort seien private Räume einer Person durchsucht worden, die Filmaufnahmen mittels einer Drohne hergestellt habe. Auch der Hessische Landesdatenschutzbeauftragte gehe strenger gegen Videoüberwachung vor. Auf das Urteil des VG Mainz vom 9. Mai 2019 (Az. 1 K 760/18.MZ) werde verwiesen.
17
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Akten des Beklagten, die vom Gericht beigezogen wurden, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18
Aufgrund des Verzichts auf mündliche Verhandlung beider Beteiligter gemäß § 101 Abs. 2 VwGO konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Der Kläger hatte zwar zunächst den Freistaat Bayern als Beklagten aufgeführt; allerdings war hier durch Auslegung zu ermitteln, dass der Kläger die Klage gegen das Landesamt für Datenschutzaufsicht (LDA), das die angegriffene Abschlussmitteilung an ihn gesandt hat, richten wollte (vgl. § 20 Abs. 5 Nr. 2 BDSG). Entsprechend § 78 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 VwGO ergibt sich, dass die fehlerhafte Bezeichnung des Beklagten unerheblich ist, wenn erkennbar ist, gegen wen sich die Klage richtigerweise richten sollte. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn - wie hier - die Klage zunächst gegen den Rechtsträger gerichtet ist, auch wenn die Behörde Klagegegnerin ist (Kintz, in: BeckOK VwGO, 54. Ausgabe Juli 2020, § 78 Rn. 43). Die Kammer hat daher das Rubrum dahingehend von Amts wegen geändert, dass Beklagter das LDA ist.
1.
19
Die Klage ist zulässig.
1.1.
20
Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG ist für Rechtsansprüche aus der DS-GVO gemäß Artikel 78 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) 2016/679 (DS-GVO) der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Ansbach ergibt sich sachlich aus § 45 VwGO und örtlich aus § 20 Abs. 3 BDSG als Sondervorschrift zu § 52 VwGO. Gemäß § 20 Abs. 3 BDSG (vgl. auch Art. 78 Abs. 3 DS-GVO) ist für Verfahren nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG - wie hier - das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat, mithin das Verwaltungsgericht Ansbach.
1.2.
21
Gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 BDSG sind die Beteiligten eines Verfahrens nach Absatz 1 Satz 1 die natürliche Person als Kläger sowie die Aufsichtsbehörde selbst als Beklagter. Deren unionsrechtlich beabsichtigte Unabhängigkeit verdeutlicht sich darin, dass gem. § 20 Abs. 6 BDSG kein Vorverfahren stattfände, selbst wenn es sich bei dem Schreiben des Beklagten vom 26. November 2018 - wie nicht - um einen Verwaltungsakt gehandelt hätte
1.3.
22
Die Klage ist nach Auslegung (§ 88 VwGO) als allgemeine Leistungsklage statthaft. Es handelt sich beim Schreiben des Beklagten vom 26. November 2018 um eine vom Verwaltungsgericht gemäß Art. 78 DS-GVO überprüfbare Maßnahme mit Außenwirkung, jedoch nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 BayVwVfG mit Regelungscharakter, so dass nicht die Versagungsgegenklage, sondern die allgemeine Leistungsklage statthaft ist. Das Schreiben des Beklagten vom 26. November 2018 ist auch kein sog. feststellender Verwaltungsakt, also ein Bescheid mit der verbindlichen Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder sich daraus ergebender Rechte und Pflichten, die mit Rechtsbeständigkeit festgestellt werden sollen (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2002 - 24 ZB 01.592 -, juris). Hier sollte dem Kläger eine Rechtsauskunft erteilt werden, es sollten aber nicht mit verbindlicher Feststellung i.S. des Art. 35 BayVwVfG strittige Rechte oder Pflichten geregelt werden (Kläger im Verhältnis zum Grundstücksnachbarn). Zwar kommt es dafür, ob ein behördliches Schreiben eine verbindliche Regelung durch Verwaltungsakt enthält, auf eine Auslegung nach der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Norm des § 133 BGB an. Maßgeblich ist hierbei nicht der innere Wille der Behörde, sondern der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte, wobei Unklarheiten zu Lasten der Verwaltung gehen. Hier hat der Beklagte zu erkennen gegeben, dass er keinen Anlass für ein (weiteres) datenschutzaufsichtliches Einschreiten erkennt, aber nicht, dass in einer rechtlich ungewissen Situation die Sach- und Rechtslage in diesem Einzelfall durch eine verbindliche Feststellung mit Bindungswirkung als bestehend oder nicht bestehend festgestellt, konkretisiert oder individualisiert wird (so OVG NRW, B.v. 29.9.2016 - 14 B 1056/16 -, juris). Eine Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage würde voraussetzen, dass man die Ablehnung der Beschwerde im konkreten Fall als einen Verwaltungsakt qualifiziert (a.A., Verwaltungsakt als Handlungsform für das abschließende Schreiben generell nicht möglich, Engelbrecht ZD 2020, 217, 219).
23
Lehnt man einen Verwaltungsakt - wie hier - ab, tritt anstelle der Verpflichtungsklage die allgemeine Leistungsklage. Insofern, als sie die 1-Monats-Frist setzt, ist die Rechtsbehelfsbelehrung:des Beklagten unrichtig. Es ist zwar korrekt und durch Art. 77 Abs. 2 DS-GVO geboten, den Kläger auf seine Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels hinzuweisen, aber die in der Rechtsbehelfsbelehrung:enthaltene Monatsfrist würde einen Verwaltungsakt voraussetzen, der nicht vorliegt. Der Antrag des Klägers ist nicht auf einen bestimmten Verwaltungsakt des Beklagten, sondern auf ein allgemein aufsichtliches Einschreiten gerichtet. Die Leistungsklage ist also deshalb die statthafte Klage, weil die Abschlussmitteilung des Beklagten vom 26. November 2018 nicht als Verwaltungsakt einzuordnen ist. Hätte der Kläger eine ganz konkrete Maßnahme im Sinne eines Verwaltungsaktes vom Beklagten verlangt, hätte er also seine Beschwerde gemäß Art. 77 DS-GVO in diesem Sinne an die Aufsichtsbehörde gerichtet, und hätte der Beklagte diese so gestaltete Beschwerde abgelehnt, wäre die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage statthaft gewesen. Dann wäre die Ablehnung der Beschwerde als ein Verwaltungsakt anzusehen, der den Erlass eines Verwaltungsaktes ablehnen würde.
24
Die Leistungsklage ist nach Art. 78 DS-GVO statthaft. Das Klagerecht aus Art. 78 Abs. 1 DS-GVO erfasst damit umfassend auch die Ablehnung oder Zurückweisung einer Beschwerde nach Art. 77 DS-GVO (vgl. 143. Erwägungsgrund zur DS-GVO zur Ablehnung oder Abweisung von Beschwerden). Wird eine Maßnahme von der Aufsichtsbehörde erbeten, die ein sonstiges Verwaltungshandeln zum Gegenstand hat, ist die allgemeine Leistungsklage die statthafte Klageart, so dass umfassender Rechtsschutz besteht. Zulässige Streitgegenstände können nach Art. 78 Abs. 1 DS-GVO sämtliche Maßnahmen einer Aufsichtsbehörde sein, also nicht nur Verwaltungsakte, sondern sämtliche Handlungen, die Außenwirkung besitzen, also Auswirkungen auf die Rechte ihres Adressaten haben können. Solche Auswirkungen sind auf allen Ebenen eines Verwaltungsverfahrens denkbar. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Januar 2019 (AZ. VG 1 L 1.19), der bei Beschwerden nach der DS-GVO von Petitionen ausgeht, geht dabei zu weit, da der Bürger nach der DS-GVO nicht nur einen Anspruch auf Verbescheidung - und sonst nichts weiter - hat, sondern ggf. einen Anspruch auf Einschreiten des Landesamtes, das aufgrund Art. 57 und 58 DS-GVO umfassende Eingriffskompetenzen hat (i.d.R. im Gegensatz zum Petitionsadressaten). Das Schreiben des Beklagten vom 26. November 2018 ist aber nicht lediglich die Beantwortung einer Petition. Die Frage, ob ein eine Petition beantwortender Bescheid ein Verwaltungsakt im Sinne von § 42 VwGO ist, ist entschieden (BVerwG, B.v. 1.9.1976 - VII B 101.75 -, juris): es liegen keine Verwaltungsakte vor (unstreitig, keine unmittelbare rechtliche Außenwirkung, sondern nur die tatsächliche Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 17 GG; kein Gebot der Möglichkeit Anfechtungsklage aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) (wie hier i. E. bereits VG AN, K.v. 8.8.2019 - AN 14 K 19.00272 - juris).
1.4.
25
Es besteht für den Kläger eine Klagebefugnis aus Art. 78 Abs. 1 DS-GVO gegen die Zurückweisung der Beschwerde des Klägers nach Art. 77 DS-GVO. Der Kläger ist zwar auch klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO, denn § 42 Abs. 2 VwGO ist für die Klagebefugnis nach herrschender Ansicht analog auf die Leistungsklage deshalb anzuwenden, da die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG dann greift, wenn ein Bürger durch die öffentliche Gewalt in seinen subjektiven Rechten verletzt ist. Es ist aber fragwürdig, ob neben Art. 78 DS-GVO (Unionsrecht mit Anwendungsvorrang) § 42 VwGO insoweit überhaupt noch anwendbar ist, da die Betroffenheit in subjektiv-öffentlichen Rechtspositionen eine namentlich deutsche Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage darstellt. So geringe Hürden europarechtlich für die Klageberechtigung bestehen, so weit ist - europarechtlich - der Ermessensspielraum zu interpretieren (vgl. unter zu 2.).
26
Da betreffend Maßnahmen nach Art. 58 DS-GVO der Kläger aber auch im Hinblick auf § 42 VwGO möglicherweise in seinen Rechten tangiert sein könnte, wären auch die Voraussetzungen des § 42 VwGO erfüllt, so dass der Kläger jedenfalls klagebefugt ist.
1.5.
27
Aufgrund des Vorliegens einer Leistungsklage war im gegebenen Verfahren keine Klagefrist zu wahren. Die auf eine Monatsfrist hinweisende Rechtsbehelfsbelehrung:in der Abschlussmitteilung des Beklagten vom 26. November 2018 ist insofern unrichtig.
1.6.
28
Gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 BDSG sind die Beteiligten eines Verfahrens nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG der Kläger sowie die Aufsichtsbehörde als Beklagter. Der Kläger ist Beteiligter gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BDSG. Beklagter sowie passivlegitimiert ist das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht selbst. Zwar wäre gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die Klage gegen den Rechtsträger des Landesamtes zu richten, hier also gegen den Freistaat Bayern. Vorrangig vor § 78 VwGO ist aber § 20 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BDSG als lex specialis, wonach die Aufsichtsbehörde direkt als Beklagte beteiligt ist. Mithin liegt eine durch die Selbstständigkeit der Aufsichtsbehörde unionsrechtlich bedingte abweichende bundesrechtliche Spezialregelung vor (so auch Mundil, in BeckOK, Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 28. Edition, 1.5.2018, Rn. 5 zu § 20 BDSG; Lapp, in Gola/Heckmann, BDSG, Kommentar, 13. Auflage 2019, Rn. 12 zu § 20 BDSG; Bergt in Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 2. Auflage 2018, Rn. 10 zu § 20 BDSG; a. A. wohl nur Frenzel in Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 2. Auflage 2018, Rn. 10 zu § 20 BDSG, ohne Begründung hierfür).
1.7.
29
Im vorliegenden Fall hat das Gericht von einer einfachen Beiladung des Grundstücksnachbarn abgesehen. In § 20 Abs. 5 Satz 2 BDSG ist festgelegt, dass § 63 Nr. 3 und 4 VwGO unberührt bleibt, was zur Folge hat, dass Beiladungen möglich sind. Der Zweck einer Beiladung besteht in der Prozessökonomie und Sicherung der Rechtseinheitlichkeit, wobei hier aber durch die Schaffung verwaltungsrechtlicher Rechtsbehelfe in Art. 78 DS-GVO und gleichzeitig der Möglichkeit, gegen den Verantwortlichen selbst gerichtlich vorzugehen, die Existenz sich widersprechender gerichtlicher Entscheidungen für denselben Sachverhalt vom Normgeber in Kauf genommen wird. Der Prozess des Betroffenen gegen die Aufsichtsbehörde, der Prozess (ggf.) des Verantwortlichen (hier wäre das der Grundstücksnachbar) gegen die Aufsichtsbehörde sowie der Prozess des Betroffenen (hier des Klägers) gegen den Verantwortlichen (hier den Grundstücksnachbarn) haben unterschiedliche Streitgegenstände, da zum Beispiel der Klageantrag gegen die Aufsichtsbehörde aufgrund des (unionsrechtlich bedingten) weiten Entschließungs- und Auswahlermessens der Aufsichtsbehörde normalerweise nur auf ein aufsichtliches Einschreiten - wie hier - gerichtet ist, wohingegen z.B. ein Anfechtungsantrag im Prozess des Verantwortlichen gegen eine Anordnung der Aufsichtsbehörde regelmäßig eine ganz konkrete Maßnahme betrifft.
1.7.1.
30
Es liegt hier mithin kein Fall der notwendigen Beiladung im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO vor, da der für eine notwendige Beiladung erforderliche unmittelbare Eingriff in die Rechtsposition des Grundstücksnachbarn (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 65 Rn. 14) nicht schon durch eine gerichtliche Verpflichtung des Beklagten zum aufsichtlichen Einschreiten gegeben wäre, sondern erst durch dieses Einschreiten selbst, also die Umsetzung durch die Aufsichtsbehörde, der Grundstücksnachbar unmittelbar betroffen wäre. Der Grundstücksnachbar ist deshalb an dem streitigen Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung darüber auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann, wie § 65 Abs. 2 VwGO es fordert. Vergleichbar ist dies etwa mit der Verpflichtungsklage eines Bauherrn gegen die Bauaufsichtsbehörde, wo gefestigter Rechtsprechung zufolge der Nachbar nicht notwendig beizuladen ist, auch falls er bereits gegen das Bauvorhaben im Verwaltungsverfahren Einwendungen erhoben haben sollte (vgl. statt vieler BVerwG, B.v. 20.5.1992 - 1 B 22.92 -, NVwZ-RR 1993, 18).
1.7.2.
31
Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer einfachen Beiladung im Sinne des § 65 Abs. 1 VwGO sind allerdings gegeben, insofern als hier rechtliche Interessen des Grundstücksnachbarn tangiert werden können, und sich die Entscheidung in dieser Verwaltungsstreitsache auf die rechtlichen Interessen des Grundstücksnachbarn auswirken kann. Das Gericht sah von einer Beiladung, die im Ermessen des Gerichts steht, ab, da das Gericht die mögliche Verletzung von Rechten des Grundstücksnachbarn ohnehin von Amts wegen zu prüfen hatte und prüfte, und vor allen Dingen, weil das Gericht in keinem Stadium des Verfahrens nach Aktenlage davon auszugehen hatte, dass der Beklagte zu einer konkreten Maßnahme i.S.d. Art. 58 DS-GVO gegen den Grundstücksnachbarn zu verurteilen ist.
2.
32
Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Kläger weder einen Anspruch gegen den Beklagten auf weitere Befassung und Überprüfung seiner Beschwerde nach Art. 78 Abs. 2 DS-GVO i.V.m. Art. 57 DS-GVO hat (hierzu 2.1.) noch einen Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegenüber dem Grundstücksnachbarn gemäß Art. 58 DS-GVO (hierzu 2.2).
2.1.
33
Der Beklagte hat gemäß Art. 78 Abs. 2 DS-GVO in Verbindung mit Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO die Beschwerde des Klägers in angemessenem Umfang geprüft und dem Kläger rechtzeitig Bescheid gegeben. Ein darüber hinausgehender Anspruch des Klägers ist nicht ersichtlich.
34
Mit dem Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht hat die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde gehandelt. Der Anwendungsbereich der DS-GVO war eröffnet. Art. 57 Absatz 1 Buchst. a und f DS-GVO, wonach der Beklagte die Anwendung dieser Verordnung überwachen und durchsetzen muss sowie sich mit Beschwerden einer betroffenen Person befassen muss, den Gegenstand der Beschwerde in angemessenem Umfang untersuchen und den Beschwerdeführer innerhalb einer angemessenen Frist über den Fortgang und das Ergebnis der Untersuchung unterrichten muss, wurde vom Beklagten beachtet.
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Zwar können sich aus Art. 57 DS-GVO allein, einer reinen Aufgabennorm, grundsätzlich keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Betroffenen ergeben. Art. 57 Abs. 1 Buchst f DS-GVO ist ausschließlich an die Aufsichtsbehörde gerichtet und schafft per se keine subjektiv-öffentlichen Rechte der Betroffenen. Die Untersuchungspflicht des Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO ist aber im Gesamtzusammenhang der DS-GVO von hohem Gewicht. Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO enthält dezidierte Vorgaben zum Verfahren und dessen Umfang, die über Art. 78 Abs. 2 DS-GVO zu einem Rechtsanspruch des Betroffenen führen können (so wohl auch Kühling/Buchner/Boehm, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 57 Rn. 12: „dem Bestehen eines Rechtsanspruchs ähnlich“, „weil die Vorschrift im Zusammenhang mit Art. 78 Abs. 2“ zu sehen ist), demzufolge jede betroffene Person unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtbehelfs das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf hat, wenn die nach den Art. 55 f. DS-GVO zuständige Aufsichtsbehörde sich nicht mit einer Beschwerde befasst oder die betroffene Person nicht innerhalb von drei Monaten über den Stand oder das Ergebnis der gemäß Art. 77 DS-GVO erhobenen Beschwerde in Kenntnis gesetzt hat.
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Gemäß Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO hat der Beklagte den Kläger innerhalb einer angemessenen Frist über den Fortgang und das Ergebnis der Untersuchung mit Schreiben vom 26. November 2018 unterrichtet, und zwar unter Beachtung von Art. 78 Abs. 2 DS-GVO, wonach der Beschwerdeführer spätestens innerhalb von drei Monaten über den Sachstand informiert werden muss.
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Die Unterscheidung der DS-GVO von Aufgabennorm, Art. 57 DS-GVO, und Befugnisnorm, Art. 58 DS-GVO, ähnelt dogmatisch der Aufteilung im (nationalen) Sicherheits- und Polizeirecht. Im Bereich der DS-GVO besteht aber eine Besonderheit: Art. 57 DS-GVO, der ohnehin Aufgaben nicht abschließend normiert (vgl. Art. 57 Abs. 1 Buchst. v), ist in seiner Umfassendheit zum Beispiel nicht vergleichbar mit Art. 2 BayPAG (Bayerisches Polizeiaufgabengesetz), weil er bei der Aufgabenzuweisung dezidiert auf eine „Angemessenheit“ abstellt. Die Behandlung von individuellen Beschwerden wie hier ist unionsrechtlich restriktiv geregelt (vgl. auch Erwägungsgrund 141 Satz 2 zur DS-GVO). Zwar ist es eine der vorrangigsten Aufgaben des Beklagten, Beschwerden von Betroffenen nach Art. 77 DS-GVO zu bearbeiten, zumal für die Aufsichtsbehörden (ähnlich wie für die Sicherheitsbehörden) Hinweise und Beschwerden von Bürgern zur Erfüllung ihrer Aufgaben unverzichtbar sind. Allerdings nimmt Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO unzweifelhaft mit der Formulierung „in angemessenem Umfang“ auf die Ressourcen und Möglichkeiten der Aufsichtsbehörden Rücksicht. Die Angemessenheit der Untersuchung richtet sich nach der individuellen Bedeutung der Sache und nach der Schwere des Eingriffs in Rechte des Betroffenen (OVG Koblenz, U.v. 26.10.2020 - 10 A 10613/20OVG, BeckRS 2020, 32257; VG Ansbach, U.v. 8.8.2019 - AN 14 K 19.00272 - juris Rn. 41). Angesichts dessen hat der Beklagte hier mit der Einholung der Stellungnahme beim Datenverantwortlichen, die ausführlich erfolgte und keinen Datenschutzverstoß erkennen ließ, ermessengerecht reagiert.
2.2.
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Der Kläger hat keinen Anspruch (wie beantragt) auf Aufhebung der Mitteilung des Beklagten vom 26. November 2018 sowie auf aufsichtliches Einschreiten des Beklagten nach Art. 58 DS-GVO. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier der der gerichtlichen Entscheidung, da der Kläger im Rahmen seiner allgemeinen Leistungsklage eine in die Zukunft gerichtete Handlung begehrt.
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Umstritten ist, bereits wegen des Wortlauts von Art. 78 Abs. 2 DS-GVO, ob es überhaupt einen „Anspruch auf datenschutzaufsichtliches Einschreiten“ nach der DS-GVO gibt (vgl. hierzu OVG Koblenz, U.v. 26.10.2020 - 10 A 10613/20OVG - BeckRS 2020, 32257 Rn. 28 ff., „petitionsähnliches Recht“, Engelbrecht ZD 2020, 217ff.; Will ZD 2020, 97ff.; SG Frankfurt/Oder, GB v. 8.5.2019, SF 8//19 - juris). Dann würde die DS-GVO aber bei einem „ein wenig Mehr als eine Petition“ enden, und diese Auslegung würde Art. 47 GRCh angesichts des Stellenwerts des Datenschutzes widersprechen. Die weitgehenden und breitgefächerten Maßnahmemöglichkeiten des Art. 58 DS-GVO für die Aufsichtsbehörde, die unionsrechtlich bedingt selbstständig handelt, wären für den Betroffenen nutzlos, die Abschlussmitteilungen der Aufsichtsbehörden wären nurmehr, auch im Falle massiven Verstoßes gegen die DS-GVO, stets nur Rechtsauskünfte. Dies wäre ein Wertungswiderspruch, der im Rechtsvergleich mit dem Sicherheits- und Polizeirecht schwer nachvollziehbar wäre. Es darf durchaus berücksichtigt werden, dass das Beschwerderecht (Art. 77 Abs. 1 DS-GVO) und das Klagerecht gegenüber dem Datenverantwortlichen (Art. 79 Abs. 1 DS-GVO) bewusst nebeneinander existieren und nicht im Verhältnis etwa einer Subsidiarität. Das Verfahren nach der DS-GVO ist dabei zum einen nicht kontradiktorisch (so zurecht Engelbrecht ZD 2020, 217ff.), zum anderen setzt eine Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde nicht einmal eine Rechtsverletzung voraus. Um jedoch Ansprüche, gleich welcher Art, aus der DS-GVO herzuleiten, benötigt ein Kläger in jedem Fall, wie hier auch geltend gemacht, möglicherweise verletzte subjektive Rechte (analog zum Sicherheits- und Polizeirecht). Solche Ansprüche des Betroffenen generell zu verneinen, würde aber dem Grundsatz des effet utile widersprechen, demzufolge die europarechtlichen Regelungen möglichst Effizienz erlangen sollen. Wenn das nationale Recht unterschiedlich ausgelegt werden kann, ist grundsätzlich die Auslegung maßgeblich, bei der das Unionsrecht am wirkungsvollsten zur Geltung kommt (vgl. Nguyen in: Gola, DS-GVO, 2. Auflage 2018, Art. 58 Rn. 4).
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Der effet-utile-Grundsatz als Grundsatz der praktischen Wirksamkeit ist in Art. 4 Abs. 3 EUV enthalten. Damit erfährt das Institut der teleologischen Interpretation - auch durch die Rechtsprechung des EuGH - in Gestalt des Grundsatzes der größtmöglichen praktischen Wirksamkeit, zurecht eine europarechtliche Komponente, zumal die DS-GVO unmittelbar geltendes Europarecht darstellt.
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Ein aufsichtliches Einschreiten als solches scheidet in diesem Fall aber bereits deshalb aus, weil sich nach Befassung und Prüfung im Rahmen des Art. 57 DS-GVO keine Anhaltspunkte ergeben haben, die ein Einschreiten nach Art. 58 DS-GVO nahelegten. Ein Datenschutzrechtsverstoß des Verantwortlichen hat sich nicht aufgedrängt. Die Abschlussmitteilung des Beklagten vom 26. November 2018 ist damit inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Einwände des Klägers greifen in der Sache nicht durch. Der Grundstücksnachbar hat gegenüber dem Kläger und gegenüber dem Beklagten ausführlich auf die Anfragen des Klägers reagiert und alle Auskünfte erteilt. Daher war es insofern auch nicht erforderlich, dass der Beklagte per Verwaltungsakt einen öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO erhob und durchsetzte, dem der datenschutzrechtlich Verantwortliche grundsätzlich nachkommen müsste (vgl.VG Mainz, U.v. 9.5.2019 - 1 K 760/18.MZ -, juris), zumal der Grundstücksnachbar eine Bescheinigung der die beanstandete Kamera einbauenden Firma vorgelegt hat (s. Behördenakte), aus der sich ergibt, dass die streitbefangene Kamera so seitens dieser Firma installiert worden ist, dass eben keineswegs das Nachbargrundstück erfasst wird. Der Beklagte hat sich mit den Antworten des Nachbarn in angemessenem Umfang auseinandergesetzt, ihm wurde laut Behördenakten eine Erklärung über die Einbauvorgehensweise der betreffenden Firma vorgelegt. Zwar ergeben sich aus Art. 58 Abs. 2 DS-GVO Ansprüche des Betroffenen auf fehlerfreie Ermessensausübung der Aufsichtsbehörde: diese hat aber ein weites Entschließungs- und Auswahlermessen. Hinsichtlich des Entschließungsermessens wäre sogar ein intendiertes Ermessen anzunehmen, wenn die Aufsichtsbehörde - wie hier nicht - einen Rechtsverstoß festgestellt hat (vgl. Mundil, in: BeckOK, Datenschutzrecht, 33. Ausgabe, Februar 2020, DS-GVO, Art. 77 Rn. 15; bis hin zu einer auch europarechtlich - effet-utile-Grundsatz - denkbaren Ermessensreduzierung auf Null, vgl. VG Ansbach, U.v. 8.8.2019 - AN 14 K 19.00272 -, juris, Rn. 46). Es ist im vorliegenden Fall aber kein Fehler bei der Ausübung des Ermessens zu erkennen. Der Beklagte hat insbesondere auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet und insofern auch die Problematik der Eingriffsintensität berücksichtigt. Der Beklagte hat ermessensfehlerfrei vom Ergreifen von Maßnahmen abgesehen, da seitens des Nachbarn keine erkennbaren Verstöße vorlagen. Bei Vorliegen von Verstößen wäre der Beklagte zur ordnungsgemäßen Ermessensausübung verpflichtet gewesen, ob und wie er einschreitet. Wenn nur Verdachtsmomenten vorliegen wie hier, besteht im Übrigen bereits ein Ermessen bezüglich der Art und Weise des Vorgehens bei den Ermittlungen der Aufsichtsbehörde. Hinsichtlich des Entschlusses zum Tätigwerden besteht ebenso Ermessen (vgl. das Wort „gestattet“ in Art. 58 Abs. 1 und 2 DS-GVO). Angesichts der Behauptung des Beklagten, dass eine Wohnungsdurchsuchung eines Amtsgerichtsbeschlusses infolge von Art. 13 Abs. 2 GG bedarf, ist allerdings die Annahme falsch, dass zwischen Bürogebäuden und Privatwohnungen bei der Ermittlungstiefe ein Unterschied zu machen sei, was der Prozessvertreter des Klägers zurecht gerügt hat. Dennoch tragen die übrigen Ermessenserwägungen die Abschlussmitteilung des Beklagten. Auch die Verhältnismäßigkeitserwägungen sind zutreffend ausgeführt, ebenso wie die Darstellung des generellen Vorgehens angesichts der Massenbeschwerden bei Videokameras.
3.
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Die Klage war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.