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VG Ansbach, Urteil v. 01.12.2020 – AN 10 K 18.31513
Titel:

zu Rechtsschutzinteresse für eine Klage gegen die Einstellungsentscheidung des Bundesamtes

Normenkette:
AsylG § 33 Abs. 5
Leitsatz:
Führt das Bundesamt nach einem Fortführungsantrag nach § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG das Asylverfahren weiter, fehlt es dem Kläger am Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen die Einstellungsentscheidung nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsschutzbedürfnis der Anfechtungsklage gegen die Einstellungsentscheidung bei gleichzeitigen Antrag auf Fortführung des Verfahrens (verneint), Einstellungsbescheid, Bundesamt, Fortführungsantrag, Rechtschutzinteresse
Fundstelle:
BeckRS 2020, 41150

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1
Der Kläger reiste seinen eigenen Angaben zufolge am 10. Februar 2017 ins Bundesgebiet ein und beantragte am 6. März 2017 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) seine Asylanerkennung. Ausweislich der elektronischen Behördenakte wurde der Kläger am 6. März 2017 unter anderem nach § 33 Abs. 4 AsylG belehrt. Sowohl der Kläger als auch der Dolmetscher haben dies per Unterschrift bestätigt.
2
Im Rahmen von ersten Anhörungen gab der Kläger an, er habe Algerien schon 2013 verlassen, sei über die Türkei und die Balkanroute über Ungarn, wo er einen Asylantrag habe stellen müssen und über Deutschland in die Niederlande gereist. Er habe in den Niederlanden einen Asylantrag gestellt, der aber nicht erfolgreich gewesen sei.
3
Am 20. März 2017 erließ das Bundesamt einen Bescheid nach der Dublin-III-Verordnung. Das Bundesamt stellte dann fest, dass die Überstellungsfrist des Klägers in die Niederlande am 15. September 2018 abgelaufen war. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wies mit Schriftsatz vom 17. September 2018 darauf hin und regte an, dass Asylverfahren fortzuführen. Er legte diesbezüglich eine am 20. Juni 2018 vom Kläger unterschriebene Vollmacht vor.
4
Mit Schreiben des Bundesamtes vom 21. September 2018 wurde der Kläger zur Fortführung seines Asylverfahrens, insbesondere zur erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung für den 4. Oktober 2018 geladen. Der Kläger ließ diesbezüglich mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 25. September 2018 mitteilen, dass er diesem Termin nicht Folge leisten werde, zumindest solange der Bescheid vom 20. März 2017 noch nicht zurückgenommen worden sei.
5
Aus der elektronischen Behördenakte ergibt sich, dass der Kläger am 4. Oktober 2018 möglicherweise zum Termin erschienen ist. Es sei aber festgestellt worden, dass der Kläger seit dem 20. Juni 2017 als unbekannt verzogen gemeldet sei. Er habe allerdings laut eines EURODAC-Treffers am 21. Februar 2017 einen weiteren Asylantrag in Dänemark gestellt.
6
Mit Bescheid vom 5. Oktober 2018 stellte das Bundesamt das Asylverfahren des Klägers ein, weil der Asylantrag als zurückgenommen gelte. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag einer Abschiebung befristet. Dem Kläger wurde unter Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise die Abschiebung nach Algerien angedroht.
7
Dagegen erhob der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 18. Oktober 2018 Klage zum Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder, die mit Beschluss vom 10. Dezember 2018 zum Verwaltungsgericht Ansbach verwiesen wurde.
8
Mit Beschluss vom 25. Februar 2019 wurde sowohl der Antrag des Klägers nach § 80 Abs. 5 VwGO als auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Hierauf wird im Einzelnen Bezug genommen.
9
Mit Schreiben der Beklagten vom 10. April 2019 wurde mitgeteilt, dass der Kläger mittlerweile einen Fortführungsantrag gestellt hatte, weswegen das Verfahren nunmehr fortgeführt werde.
10
Eine Reaktion des Klägers hierauf erfolgte nicht.
11
Zum Termin der mündlichen Verhandlung ist der Kläger nicht erschienen. Er ließ sich dort auch nicht vertreten.
12
Schriftsätzlich hatte der Kläger beantragen lassen:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2018 wird aufgehoben.
2. Hilfsweise wird die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungshindernisse vorliegen.
13
Die Beklagte hatte schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
14
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, auf die elektronischen Behördenakten sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15
Die Klage ist bereits unzulässig.
16
Dem Kläger fehlt insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis an der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides, da er mittlerweile beim Bundesamt einen Fortführungsantrag nach § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG gestellt hatte und das Bundesamt mitgeteilt hatte, dass das Asylverfahren weitergeführt wird.
17
Zwar ist mittlerweile unstrittig, dass dann, wenn ein Asylverfahren nach § 33 AsylG wegen Nichtbetreibens eingestellt worden war, weil ein Asylantrag als zurückgenommen gilt, das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen die Einstellungsentscheidung nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG auch dann besteht, wenn der Betroffene die Möglichkeit hat, Fortführung bzw. Wiederaufnahme im Sinne von § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG zu beantragen, doch ist die Sachlage hier eine andere. Vorliegend wurde der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss des Gerichts vom 25. Februar 2019 abgelehnt, was zur Folge hatte, dass der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes vom 5. Oktober 2018 und die darin enthaltene Abschiebungsandrohung vollziehbar wurde, so dass der Kläger vorliegend - nach unwidersprochener Mitteilung des Bundesamtes - einen Fortführungsantrag gestellt hatte, der zur Fortführung des Verfahrens geführt hatte.
18
Damit besteht dann allerdings kein Rechtsschutzinteresse mehr daran, den Einstellungsbescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2018 aufzuheben. Unabhängig von der Frage, in welchem Stadium das Asylverfahren des Klägers beim Bundesamt mittlerweile ist, ob es bereits abgeschlossen ist, ob der Asylantrag des Klägers erfolgreich war oder nicht, würde eine Aufhebung des streitgegenständlichen Einstellungsbeschlusses letztlich nur bedeuten, dass das Asylverfahren des Klägers im Stadium, in dem es eingestellt wurde, weiterzuführen ist. Das Asylverfahren des Klägers wird bzw. wurde allerdings bereits weitergeführt. Ein möglicher Anspruch des Klägers, das Verfahren nunmehr erneut weiterzuführen, ist nicht erkennbar und wäre auch systemfremd. Dies hätte nämlich zur Folge, dass entweder zwei Asylverfahren des Klägers durch das Bundesamt zu prüfen wären oder dass möglicherweise ein bereits abgeschlossenes Asylverfahren dennoch weiterzuführen wäre.
19
Auch im Hinblick darauf, dass dem Kläger durch eine solche Vorgehensweise gemäß § 33 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 AsylG für den Fall einer weiteren Einstellung des Verfahrens wegen fingierter Rücknahme im Sinne von § 33 Abs. 1 AsylG sozusagen eine Verfahrensinstanz verloren gehen könnte, rechtfertigt sich keine andere Entscheidung. Immerhin kann der Kläger eine etwaige weitere Einstellung nach § 33 AsylG wiederum anfechten. Im Übrigen ist vorliegend weder etwas dafür vorgetragen noch überhaupt erkennbar, dass eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass jeder Asylbewerber grundsätzlich nur ein einziges Asylerstverfahren durchzuführen hat, getroffen werden müsste. Eine solche Ausnahme wäre zwar für den Fall denkbar, dass eine Entscheidung nach § 33 AsylG zunächst unberechtigt gewesen wäre, dann auf Antrag des Klägers das Asylverfahren fortgesetzt wird und danach eine weitere Einstellung nach § 33 AsylG erfolgen würde, die dann allerdings seine Berechtigung hätte. Nur in einem solchen Fall wäre eine Ausnahme denkbar, um einem Antragsteller auch dann ein faires Verfahren zu garantieren. Diese Ausnahme ist vorliegend allerdings nicht gegeben. Das Stadium des Asylverfahrens des Klägers ist dem Gericht nicht bekannt, der Kläger sowie sein vormaliger Prozessvertreter haben keinerlei Angaben mehr gemacht. Der Kläger ist darüber hinaus auch zum Termin der mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
20
Im Übrigen hat das Bundesamt das Asylverfahren des Klägers auch zu Recht eingestellt. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird diesbezüglich sowohl auf den Beschluss des Gerichts vom 25. Februar 2019 sowie auf den streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes vom 5. Oktober 2018 nach § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen. Der Kläger hat auch nichts mehr vorgetragen.
21
Die Klage ist daher vollumfänglich abzuweisen.
22
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.