Inhalt

LG München I, Endurteil v. 19.11.2020 – 5 HK O 14532/19 20
Titel:

Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses über Sonderprüfungsaufhebung

Normenkette:
AktG § 122 Abs. 1, § 124 Abs. 3, § 131, § 243, § 246
Leitsätze:
1. Der Aufsichtsrat ist nicht befugt, bei einem Ergänzungsantrag nach § 122 Abs. 2 AktG auf Aufhebung eines Sonderprüfungsantrages, der Hauptversammlung einen Beschlussvorschlag zu unterbreiten.  (Rn. 21 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es kann die Erforderlichkeit einer Auskunft nach § 131 Abs. 1 AktG nicht bereits mit dem Argument verneint werden, die Mehrzahl der gestellten Fragen betreffe die Sonderprüfung und müsse deshalb quasi wegen Vorgreiflichkeit nicht beantwortet werden.  (Rn. 28 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Auskunftspflicht des Vorstandes umfasst auch solche Fragen, zu deren Beantwortung er sich die notwendigen Unterlagen und Informationen unschwer und ohne wesentliche Verzögerung der Hauptversammlung beschaffen kann. Zu diesem Zweck muss der Vorstand während der Hauptversammlung das notwendige Personal zur Verfügung halten, um solche Informationen entsprechend erhalten zu können.  (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
4. Da es zur Erhebung einer Anfechtungsklage eines berechtigten Eigeninteresses grundsätzlich nicht bedarf und ihr gerade die Aufgabe der Rechtmäßigkeitskontrolle in Bezug auf Beschlüsse der Hauptversammlung zukommt, kann eine Klageerhebung nur in Ausnahmefällen, für die die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast trägt, als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Der Aktionär muss sachfremde, eigene Interessen verfolgen und somit das Klagerecht in zweckentfremdender Weise zum eigenen Vorteil nutzen.  (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Hauptversmmlungsbeschluss, Ergänzungsantrag, Minderheitsverlagen, Sonderprüfung, Aufhebung, Aufsichtsrat, Beschlussvorschlag, Auskunftsrecht, Rechtsmissbrauch, Anfechtungsklage
Fundstellen:
AG 2021, 165
EWiR 2021, 491
NJW-RR 2021, 348
NZG 2021, 557
BeckRS 2020, 40926
LSK 2020, 40926

Tenor

I. Der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 18.9.2019 gefasste Beschluss zu Tagesordnungspunkt 1, der in der Einladung zur Hauptversammlung angekündigt war wie folgt:
TOP 1:
Der Beschluss der Hauptversammlung der P… AG vom 7. Juni 2019 betreffend die Bestellung eines Sonderprüfers wird vollständig aufgehoben. Der aufzuhebende Beschluss betrifft die Bestellung eines Sonderprüfers zur Untersuchung von Vorgängen ab August 2018 und im Zusammenhang mit der Wandlung von 916.590 Optionsrechten in 916.590 Namensaktien der P… AG einschließlich der Gewährung einer sog. Kompensation von EUR 760.000 an A… Ltd. und sieht die Bestellung von Herrn Dr. … H…als Sonderprüfer und Herrn
Dr. … L… als Ersatzsonderprüfer vor.
und der vom Versammlungsleiter mit diesem Inhalt festgestellt und verkündet wurde, wird für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf € 150.000,-- festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten mittels Beschlussmängelklage um die Wirksamkeit eines Beschlusses einer Hauptversammlung der Beklagten.
I.
2
1. Am 7.6.2019 hatte eine außerordentliche Hauptversammlung der Beklagten - einer im Freiverkehr notierten Aktiengesellschaft, bei der auch sogenannte Chess Depository Interests (CDI) bestehen, für die es eine Notiz an der Börse in Sidney gibt - einen Beschluss gefasst, wonach bei der Beklagten eine Sonderprüfung zur Untersuchung der Vorgänge ab August 2018 und im Zusammenhang mit der Wandlung von 916.590 Optionsrechten („Warrants“) in 916.560 Namensakten der Beklagten einschließlich der Gewährung einer sogenannten Kompensation von € 760.000,- an A… („Kompensationen“) (Ad hoc-Mitteilung vom 22.3.2019) durchgeführt werden sollte. Zum Sonderprüfer wurde Herr Rechtsanwalt Dr. … H… aus Bonn, ersatzweise Herr Rechtsanwalt Dr. … L… bestellt. Den entsprechenden Beschlussvorschlag hatte der Aktionär … R… gestellt und begründet. Dabei sollte die Sonderprüfung folgende Gegenstände untersuchen:
„- Welche Vorbereitungshandlungen haben Vorstand und Aufsichtsrat ab August 2018 über die Stellungnahme von Baker McKenzie zum 20. August 2018 in Bezug auf die Kapitalerhöhung unternommen, aus der vor allem A… begünstigt wurde?
- Auf welcher Grundlage sind die für die Kapitalerhöhung verantwortlichen Organe der P… AG zu der Auffassung gelangt, dass die der Wandlung zugrunde liegenden Verträge wirksam sind? War das eine angemessene Informationsgrundlage? Entsprach die Beurteilung der Organe vernünftiger kaufmännischer Beurteilung bzw. dem Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters?
- Wie lautet die Berechnungsformel, aus der sich die Anzahl der höchstens zu gewährenden Optionen ermittelt hat? Ist das ein rechtlich und wirtschaftlich angemessener Maßstab? Entsprach dies vernünftiger kaufmännischer Beurteilung bzw. dem Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters?
- Wie wurde die Höhe der Zahlungsansprüche ermittelt? Entsprach dies vernünftiger kaufmännischer Beurteilung bzw. dem Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters?
- Wie wurde die Anzahl der tatsächlich ausgegebenen Aktien ermittelt? War das angemessen?
- Aus welchem Grund sind im Mai 2018 die Verhandlungen der P… AG mit der A…, vertreten durch … T…, gescheitert?
- Wie sind Vorstand und Aufsichtsrat insbesondere im Zusammenhang mit der ab August 2018 vorbereiteten Wandlung der 916.590 Optionsrechte in ebenso viele Aktien mit den Interessenskonflikten in den Personen von … T… und …
M… umgegangen? Gab es tatsächlich Interessenskonflikte? Falls Vorstand und Aufsichtsrat solche nicht erkannt haben sollten, hätten sie diese erkennen müssen?
- War die vorzeitige Bestellung von Herrn … T… im Dezember 2018 zum Vorstand der Gesellschaft davon geleitet, dass dieser die angeblichen Ansprüche vor allem der ihm nahestehenden A… aus der potenziell nichtigen Nachtragsvereinbarungen vom 06.12.2016 und etwaigen späteren Vereinbarungen durchsetzen wollte?
- Auf welcher Grundlage sind die für die Gewährung der sogenannten Kompensation verantwortlichen Organe der P… AG zu der Auffassung gelangt, dass der A… diese Kompensation gewährt werden musste? Entsprach die Annahme vernünftiger kaufmännischer Beurteilung bzw. dem Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters?
- Steht die Vergütung in Höhe von 110.000 €, die Herrn … M… im Dezember 2018 vom Aufsichtsrat in „Anerkennung seiner Tätigkeit als Vorstand und der vorzeitigen Beendigung seines Vorstandsmandats“ zugesagt wurde, in einem Zusammenhang mit der Ausgabe der 16.933 Aktien an M-I… GmbH oder die fehlenden Zahlungen einer sogenannten Kompensation?
- Welche Vorbereitungshandlungen haben Vorstand und Aufsichtsrat ab August 2018 in Bezug auf die Gewährung der sogenannten Kompensation von
760.000 € an A… vorgenommen? Entsprachen diese Maßnahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung bzw. dem Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters?
- Waren die der Wandlung zugrunde liegenden Verträge im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung vom 22. Mai 2018 wirksam?“
3
Die Aktionärin C… AG erhob gegen diesen Beschluss Anfechtungsklage zum Landgericht München I, Az. 5HK O 9064/19.
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2. Mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger vom 9.8.2019 lud die Beklagte zu einer Hauptversammlung auf den 18.9.2019. Als Tagesordnungspunkt 1 war der streitgegenständliche Beschluss wie folgt angekündigt:
„TOP 1 Aufhebung des Beschlusses der Hauptversammlung der P… AG vom 7. Juni 2019 betreffend die Bestellung eines Sonderprüfers Beschlussvorschlag:
Die Antragsteller haben folgende Beschlussfassung vorgeschlagen:
Der Beschluss der Hauptversammlung der P… AG vom 7. Juni 2019 betreffend die Bestellung eines Sonderprüfers wird vollständig aufgehoben. Der aufzuhebende Beschluss betrifft die Bestellung eines Sonderprüfers zur Untersuchung von Vorgängen ab August 2018 und im Zusammenhang mit der Wandlung von 916.590 Optionsrechten in 916.590 Namensaktien der P… AG einschließlich der Gewährung einer sog. Kompensation von EUR 760.000 an A… Ltd. und sieht die Bestellung von Herrn Dr. … H.. .als Sonderprüfer und Herrn Dr. … L… als Ersatzsonderprüfer vor.
Begründung:
Die Antragsteller erläutern ihren Beschlussvorschlag mit der folgenden Begründung:
‚Eine erneute Beschlussfassung über die Sonderprüfung ist angezeigt, da der Beschluss nur mit einem äußerst geringen Bruchteil der Hauptversammlungspräsenz gefasst wurde und anzunehmen ist, dass er nicht von der Mehrheit der bei der Hauptversammlung anwesenden und stimmberechtigten Aktionäre getragen wird. Während die Hauptversammlungspräsenz bei ca. 64% des Grundkapitals lag und an allen sonstigen Beschlüssen über 50% des Grundkapitals teilnahmen, nahmen an dem Beschluss über die Bestellung des Sonderprüfers nur 8,96% des Grundkapitals teil. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers überraschend in der Hauptversammlung gestellt wurde. Ein wesentlicher Teil der Aktionäre wurde von einem Treuhänder vertreten, der nur auf Weisung das Stimmrecht ausübt. Da insbesondere die Aktionäre mit Wohnsitz in Australien zum Zeitpunkt der Versammlung aufgrund der Zeitverschiebung nicht erreichbar waren, konnten sie das ihnen zustehende Stimmrecht bei der Abstimmung nicht ausüben. Unserer Ansicht nach darf die Bestellung eines Sonderprüfers als eine weitreichende Maßnahme nicht von einer Splitterfraktion der Aktionäre entschieden werden.
Die Sonderprüfung lehnen wir ab, da die genannten Prüfungsgegenstände bereits umfassend untersucht wurden und eine weitere Untersuchung durch einen Sonderprüfer nur unnötige weitere Kosten für die Gesellschaft verursachen würde.‘“
5
Dieser Ergänzungsantrag zur Hauptversammlung vom 18.9.2020 stammte von den Aktionären C… AG, L… Pty/Ltd The L… Trust, D… Ltd., S… Pty Ltd, Su… Ltd sowie M-I… GmbH. Der dem Aufsichtsrat der Beklagten angehörenden Herr … M… war damals Mitglied des Aufsichtsrats der C… AG und Geschäftsführer sowie mit einem Anteil von über 85% Gesellschafter der M-I… GmbH. Die weiteren im Zeitpunkt der Hauptversammlung amtierenden Aufsichtsratsmitglieder … R… und … Ro… gehörten dem Aufsichtsrat der Beklagten seit Januar 2019 und Herr St… seit August 2018 an. Am Ende des Beschlussvorschlags zu diesem Tagesordnungspunkt 1 fand sich folgender Hinweis:
„Der Aufsichtsrat empfiehlt den Aktionären bei Stimmenthaltung von Herrn … M… einstimmig, für Punkt 1 zu stimmen. Der Vorstand enthält sich einer Empfehlung, da er selbst betroffen ist.“
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3. Die Klägerin zu 1) stellte im Verlauf der Hauptversammlung eine Reihe von Fragen unter anderem wie folgt:
„Frage 28: „Welche Vorbereitungshandlungen haben Vorstand und Aufsichtsrat ab August 2018 in Bezug auf die Kapitalerhöhung unternommen, aus der vor allem die A… begünstigt wurde?“
Frage 30: „Steht die Vergütung in Höhe von 110.000 Euro, die Herrn … M… im Dezember 2018 vom Aufsichtsrat in Anerkennung seiner Tätigkeit als Vorstand und der vorzeitigen Beendigung seines Vorstandsmandats zugesagt wurde, in einem Zusammenhang mit der Ausgabe der 16 933 Aktien an M-I… GmbH oder die fehlende Zahlung einer sogenannten Kompensation?“
Frage 31: „Welche Vorbereitungshandlungen haben Vorstand und Aufsichtsrat ab August 2018 in Bezug auf die Gewährung der sogenannten Kompensation in Höhe von 760.000 Euro an A… vorgenommen? Entsprachen diese Maßnahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung bzw. dem Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters? Und wie sind Sie zu dieser Auffassung gelangt?“
Frage 33: „Wer hat diese Prüfungsgegenstände bereits umfassend untersucht? Waren die jeweiligen Prüfer hinreichend unabhängig? Waren darunter Prüfer, seien es natürliche oder juristische Personen, die jeweils zuvor selbst oder durch andere Mitarbeiter ein und derselben juristischen Person für Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat, die von dieser Sonderprüfung betroffen sind, tätig geworden? Und wenn ja, um welchen Prüfer handelt es sich dabei und in welchem Umfang war dieser Prüfer anderweitig tätig? Wann wurden diese Prüfungsgegenstände umfassend untersucht?“
Frage 37: „Auf welcher Grundlage sind für die für die Kapitalerhöhung verantwortlichen Organe der P… AG zu der Auffassung gelangt, dass die der Wandlung zugrunde liegenden Verträge wirksam sind? Handelte es sich dabei um eine angemessene Informationsgrundlage und entsprach die Beurteilung der Organe vernünftiger kaufmännischer Beurteilung bzw. dem Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters? Und wie haben Sie das dann genau geprüft?“
Frage 38: „Wie lautet die Berechnungsformel, aus der sich die Anzahl der höchstens zu gewährenden Optionen ermittelt hat? Handelt es sich dabei um einen rechtlich und wirtschaftlich angemessenen Maßstab? Entsprach dies vernünftiger kaufmännischer Beurteilung bzw. dem Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters? Wie sind Sie zu dieser Auffassung gelangt?“
Frage 39: „Wie wurde die Höhe der Zahlungsansprüche ermittelt? Geben Sie mir bitte insbesondere neben der Berechnungsmethode auch die Parameter an, die in die Berechnung eingeflossen sind. Haben Sie sich bei der Ermittlung des Barausgleichs externe Berater hinzugezogen? Wenn ja, wen? Entsprach dieses Vorgehen der vernünftigen kaufmännischen Beurteilung bzw. dem Maßstab des Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters? Und wie sind Sie zu dieser Auffassung gelangt?“
Frage 40: „Wie wurde die Anzahl der tatsächlich ausgegebenen Aktien ermittelt? War das angemessen? Und wie sind Sie zu dieser Auffassung gelangt?“
Frage 42: „Wie sind Vorstand und Aufsichtsrat insbesondere im Zusammenhang mit der ab August 2018 vorbereiteten Wandlung der 916 590 Optionsrechte in ebenso viele Aktien mit den Interessenkonflikten in den Personen von … T… und … M… umgegangen? Gab es tatsächlich Interessenkonflikte? Falls Vorstand und Aufsichtsrat solche nicht erkannt haben sollten, hätte sie diese nicht erkennen müssen?“
Frage 44: „Auf welcher Grundlage sind die für die Gewährung der sogenannten Kompensation verantwortliche Organe der P… AG zu der Auffassung gelangt, dass der A… diese Kompensation gewährt werden musste? Entsprach dies der Annahme vernünftiger kaufmännischer Beurteilung bzw. dem Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters?“
Frage 46: „Welche Konditionen jenseits der zu gewährenden Optionen hatten die Darlehen, die mit den Optionen verknüpft waren, die letztlich im Juni dieses Jahres zur Sachkapitalerhöhung von rund 32 Millionen Euro führten? Welche Laufzeiten hatten diese? Wie hoch war der Zins und welche Sicherheiten wurden gestellt?“
Frage 47: „Wie hoch waren die Darlehen insgesamt? Handelt es sich dabei um revolvierende Darlehen oder wurde von jedem Optionsinhaber ein einmaliges Darlehen gewährt, das mit der Optionsgewährung gekoppelt war?“
Frage 50: „Wie hoch war der höchste optionsgekoppelte Darlehensstand je Darlehensgeber seit 2015 bis heute?“
Frage 57: „Wie hoch wäre die Barauszahlungsverpflichtung aus diesen Optionen, wenn die Nachtragsvereinbarung vom 06.12.2016 tatsächlich nichtig wäre, und zwar die Höhe der Barauszahlungsverpflichtung zum Zeitpunkt der Gewährung der ursprünglichen Optionen und zum Zeitpunkt der Umwandlung in einen Aktienlieferanspruch?“
Frage 60: „Wie hoch ist der Anteil solcher Optionen, die nicht als Gegenleistung für selbst gewährte Darlehen, sondern als Gegenleistung für vermittelte Finanzierung gewährt wurden?“
Frage 61: „Wie hoch ist das Gesamtvolumen dieser optionsverknüpften Finanzierungsvermittlungen? Wer waren die jeweiligen Darlehensgeber? Welche Konditionen wiesen diese vermittelten Darlehen auf?“
Frage 62: „Wie setzt sich die Kompensationszahlung von 760.000 Euro zugunsten der AVIV im Einzelnen zusammen?“
Frage 63: „Haben sich Vorstand und Aufsichtsrat die angeblichen Kosten und Schäden jeweils nachweisen lassen? Welche Unterlagen und Informationen standen Vorstand und Aufsichtsrat in diesem Zusammenhang zur Verfügung?“
Frage 64: „Welche Verfehlungen des früheren Managements sollen damit abgegolten sein? Haben Sie prüfen lassen, ob diese Zahlung eine verbotene Einlagenrückgewähr darstellt? Wenn nein, warum nicht?“
Frage 66: „Gibt es eine schriftliche Stellungnahme zum Thema Einlagenrückgewähr? Wenn ja, von wem und mit welchem Inhalt?“
Der Vorstand wies zu diesen Fragen jeweils - zumindest sinngemäß - darauf hin, die Frage zur Zeit aufgrund der damit verbundenen Vorwegnahme der Sonderprüfung nicht beantworten zu können.“
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Zudem hatte die Klägerin zu 1) danach gefragt, wer die Anträge auf Einberufung dieser Hauptversammlung mit der Aufhebung der Sonderprüfung gestellt habe, woraufhin der Vorstand die entsprechenden Aktionäre auch unter Angabe des Umfangs ihres Aktienbesitzes benannte. Außerdem hatte die Klägerin zu 1) folgende weitere Fragen 23 und 32 gestellt:
Frage 23: „Sind in dieser Gruppe von Aktionären [Anmerkung: die den Antrag auf Einberufung der Hauptversammlung gestellt haben] auch Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat bzw. diesen zuzurechnende Unternehmen vorhanden? Wenn ja, um wen handelt es sich dabei, und wie hoch ist der Anteil der übrigen Antragsteller, also die, bei denen es keinerlei Zurechnungen zu Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern gibt?“
Frage 32: „Waren die der Wandlung zugrunde liegenden Verträge im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ad hoc-Mitteilung vom 22. Mai 2018 wirksam?“
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Die Frage Nr. 23 beantwortete der Vorstand nicht. Auf der Homepage der Beklagten fand sich ab dem 1.2.2019 der Hinweis auf die Zurechnung der M-I… GmbH an Herrn M Auf die Frage Nr. 32 gab der Vorstand folgende Auskunft:
„Vorstand und Aufsichtsrat haben Rechtsberatung in Anspruch genommen, dass dies der Fall sei. Das Novation-Abkommen wurde von SGB aufgesetzt, unterzeichnet von Herrn R… und Herrn Ho und genehmigt von SGB bei der Due Diligence vor dem Börsengang. Herr R… und Herr Ho haben die Validierung des Novation-Abkommens dem Due-Diligence-Ausschuss und dem Aufsichtsrat gegenüber vor dem Börsengang bestätigt. - Eine detaillierte Beantwortung der Frage würde eine Vorwegnahme der Sonderprüfung darstellen.“
9
Die Hauptversammlung der Beklagten fasste mit einer Mehrheit von 87,82% den zur Abstimmung gestellten Beschluss über die Aufhebung des Beschlusses zur Durchführung einer Sonderprüfung. Die Kläger, die ihre jeweils fünf Aktien bereits vor der Einberufung der Hauptversammlung erworben hatten, erklärten persönlich bzw. vertreten durch die Klägerin zu 1) Widerspruch zur Niederschrift gegen den gefassten Beschluss.
II.
10
Zur Begründung ihre Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend, der Beschluss verstoße gegen das Gesetz und müsse deshalb aufgrund ihrer Anfechtungsbefugnis für nichtig erklärt werden. Dies ergebe sich bereits aus der fehlenden Namensnennung der antragstellenden Aktionäre in der Mitteilung nach § 125 Abs. 2 AktG, weil diese Regelung für einen Antrag auf eine Wahl maßgebliche Informationsbedürfnis hier in gleicher Weise gelten müsse. Die Antragstellung durch die C… AG sei durch die Angabe als C… AG [scil. Abkürung der Gesellschaft] in der Hauptversammlung nicht hinreichend offengelegt worden, weil es in Deutschland kein Unternehmen mit dieser Firma gebe und zumindest ein Teil der Aktionäre nicht gewusst habe, dass damit nur die C… AG gemeint sein könne. Der Vorstand der Beklagten habe die Abstimmung bereits durch die in der Einberufung der Hauptversammlung unterlassene namentliche Nennung der Antragstellerinnen beeinflusst. Mit der Abgabe einer Beschlussempfehlung habe der Aufsichtsrat Sinn und Zweck von § 124 Abs. 3 AktG verletzt, wonach bei der Wahl von Prüfern die Auswahl nicht durch eine Empfehlung des zu Prüfenden beeinflusst werden dürfe. Weiterhin resultiere die Anfechtbarkeit aus der Verletzung des Auskunftsrechts. Der Hinweis auf die Vorwegnahme der Sonderprüfung könne nicht ausreichen, um den Aktionären eine Grundlage bei der Entscheidung hinsichtlich der Aufhebung eines Sonderprüfungsbeschlusses zu liefern. Von einer Rechtsmissbräuchlichkeit der Klageerhebung könne nicht ausgegangen werden; aus einem geringen Aktienbesitz könne darauf jedenfalls nicht geschlossen werden.
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Die Kläger beantragen daher:
12
Der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 18. September 2019 gefasste Beschluss zu Punkt 1 der Tagesordnung (Beschlussfassung über die Aufhebung des Beschlusses der P… AG vom 7. Juni 2019 betreffend die Bestellung eines Sonderprüfers), in der Einladung zur Hauptversammlung im Bundesanzeiger vom 9. August 2019 wie folgt angekündigt:
„‘Der Beschluss der Hauptversammlung der P… AG vom 7. Juni 2019 betreffend die Bestellung eines Sonderprüfers wird vollständig aufgehoben. Der aufzuhebende Beschluss betrifft die Bestellung eines Sonderprüfers zur Untersuchung von Vorgängen ab August 2018 und im Zusammenhang mit der Wandlung von 916.590 Optionsrechten in 916.590 Namensaktien der P… AG einschließlich der Gewährung einer sog. Kompensation von EUR 760.000 an A… Ltd. und sieht die Bestellung von Herrn Dr. … H… als Sonderprüfer und Herrn
Dr. … L… als Ersatzsonderprüfer vor.‘“
und vom Versammlungsleiter wie folgt festgestellt und verkündet:
„Ich stelle fest und verkünde, dass der am 9. August 2019 im Bundesanzeiger veröffentlichte Beschlussvorschlag der Antragsteller zu Tagesordnungspunkt 1 - Aufhebung des Beschlusses der Hauptversammlung der P… AG vom 7. Juni 2019 betreffend die Bestellung eines Sonderprüfers - mit der erforderlichen Mehrheit der Stimmen angenommen wurde.“
wird für nichtig erklärt.
Hilfsweise beantragen die Kläger:
Es wird festgestellt, dass der im Hauptantrag bezeichnete Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten nichtig ist.
Äußerst hilfsweise beantragen die Kläger:
Es wird festgestellt, dass der im Hauptantrag bezeichnete Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten unwirksam ist.
III.
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Die Beklagte beantragt demgegenüber:
Klageabweisung.
14
Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, der gefasste Beschluss der Hauptversammlung verstoße nicht gegen das Gesetz. Eine Verletzung von § 127 AktG liege nicht vor, weil diese Vorschrift auf die Aufhebung eines (angeblichen) Beschlusses zur Durchführung einer Sonderprüfung nicht anwendbar sei, wie vor allem auch § 127 Satz 3 AktG zeige. Das Quorum des § 122 Abs. 1 AktG sei angesichts eines Anteils der antragstellenden Aktionäre von 5,8% am Grundkapital der Beklagten erreicht. Dies gelte selbst bei Abzug der lediglich 18.739 durch CDI‘s gespiegelten Aktien, also eines Anteils von lediglich 0,26% am Grundkapital der Beklagten. Daher habe die Verpflichtung des Vorstandes bestanden, eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen. Als Aufsichtsratsmitglied der C… AG könne Herr … M… ebenso wenig wie als Aktionär Einfluss auf das Einberufungsverlange dieser Aktionärin nehmen. Bei ihrer Bezeichnung als „CCT AG“ handele es sich um die allgemein bekannte und übliche Abkürzung für die C… AG. Das Beschlussvorschlagsrecht des Aufsichtsrats entfalle nicht deshalb, weil er unter Umständen selbst von der Sonderprüfung betroffen sei. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 124 Abs. 3 AktG mit der dort geregelten Pflicht zur Unterbreitung eines Beschlussvorschlages; anderenfalls begründe der Aufsichtsrat wiederum die Gefahr eines Anfechtungsgrundes. Auch habe die Beklagte nicht das Auskunftsrecht der Aktionäre verletzt. Die Frage der Klägerin sowie der Herren R… und Y… hätten einen Detaillierungsgrad aufgewiesen, der durch die Verwaltung nicht zu beantworten gewesen sei. Zudem ziele der Inhalt der Frage auf diejenigen Antworten ab, die die streitgegenständliche Splittergruppe von Aktionären an den Sonderprüfer gestellt habe. Vor allem betreffe eine Vielzahl von Fragen exakt den Gegenstand der Sonderprüfung. Aus der Nichtbeantwortung könne man daher keine Rechte ableiten, weil zunächst die Rechtmäßigkeit des Beschlusses der Hauptversammlung vom 7.6.2019 über die Bestellung des Sonderprüfers geklärt werden müsse. Frage 23 sei hinreichend beantwortet worden; die Zurechnung der M-I… GmbH an Herrn M… sei allen Aktionären aufgrund der entsprechenden Publikation auf der Homepage bekannt gewesen. In Bezug auf Frage 34 habe die Verwaltung der Beklagten keine Kenntnis über die Kenntniserlangung von Sonderwissen seitens der C… AG. Frage 36 nach einem Näheverhältnis lasse sich nicht beantworten, weil dies zu unspezifisch sei. Abgesehen davon sei die Person der Kläger des ursprünglichen Anfechtungsverfahren für den Aufhebungsbeschluss irrelevant. Frage Nr. 45 nach unternehmensbezogenen Informationen in der Anfechtungsklage sei gleichfalls so weit gefasst, dass eine Antwortpflicht entfalle. Aus § 131 Abs. 4 AktG lasse sich angesichts der Unterzeichnung der Verträge auch durch weitere Vertragspartner ein Auskunftsanspruch nicht begründen. Frage Nr. 51 sei schon dem Grunde nach verfehlt, weil sie angesichts der Notwendigkeit umfassender Berechnungen von Zahlungs- und Rückflüssen ad hoc nicht zu beantworten sei. Auch seien die an Investoren gewährten Optionsrechte keine Gegenleistung für deren Darlehen, sondern ein Anreiz und eine finanzielle Entschädigung für umfangreiche vergangene und künftig Finanzierungsleistungen während der Hochrisikophase der Beklagten als Start up. Der Zinssatz sei mit der Angabe von 10% zutreffend beantwortet. Die Vielzahl der Fragen im Einzelnen zeige vielmehr, dass es den fragenden Aktionären um die Störung des ordnungsgemäßen Verlaufs der Hauptversammlung und nicht um die Befriedigung ihres Informationsbedürfnisses gehe.
15
Angesichts des geringen Aktienbesitzes der Kläger stelle sich die Klage als rechtsmissbräuchlich dar.
IV.
16
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.8.2020 (Bl. 158/160 d. A.).

Entscheidungsgründe

I.
17
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet, weil der Beschluss der Hauptversammlung gegen das Gesetz im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG verstößt und folglich für nichtig zu erklären ist.
18
1. Die Kläger sind anfechtungsbefugt im Sinne des § 245 Nr. 1 AktG. Nach dieser Vorschrift ist zur Anfechtung befugt jeder in der Hauptversammlung erschienene Aktionär, wenn er die Aktien schon vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben hatte und gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat. Da die Kläger ihre Aktien unstreitig bereits vor der am 9.8.2019 erfolgten Einberufung zu der außerordentlichen Hauptversammlung vom 18.9.2019 erworben hatte und während der Hauptversammlung persönlich oder vertreten durch die Klägerin zu 1) Widerspruch zur Niederschrift erklärten, sind sie anfechtungsbefugt.
19
2. Es greift nämlich auch im Anwendungsbereich von § 246 Abs. 1 AktG die Vorschrift des § 167 ZPO ein, wonach in den Fällen, in denen durch die Erhebung der Klage eine Frist gewahrt werden soll, die Wirkung bereits mit Eingang des Antrags bei Gericht eintritt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift müssen bejaht werden, weshalb auf den am 18.10.2019 erfolgten Eingang der Klage per Telefax bei Gericht abgestellt werden muss. Die Verzögerung der Zustellung ist zu einem erheblichen Teil der Organisationssphäre des Gerichts zuzuordnen und steht folglich einer demnächst erfolgten Zustellung nicht entgegen. Mit Beschluss vom 22.10.2019 (Bl. 34 d. A.) hat das Gericht den Streitwert vorläufig festgesetzt. Die Einzahlung des darauf beruhenden Kostenvorschusses erfolgte am 30.10.2020, mithin genau eine Woche nach der am 23.10.2019 erfolgten Anforderung des Kostenvorschusses. Wenn die Zustellung der Klageschrift danach aber erst am 11.11.2019 veranlasst wurde, so beruht dies auf der Zeitdauer zwischen der Einzahlung und dem Eingang des Zahlungsnachweises beim Landgericht München I. Dann aber ist die weitere Verzögerung der Zustellung ausschließlich der Organisationssphäre des Gerichts zuzuordnen. Die Kläger selbst hatten alles Erforderliche veranlasst, um eine zeitnahe Zustellung der Klageschrift durch das Gericht zu begründen. Gerade bei einem nicht bezifferten Klageantrag sind sie auch berechtigt, die Aufforderung zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses abzuwarten.
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3. Der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 1 der Hauptversammlung vom 18.9.2020 verstößt gegen das Gesetz im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG und ist daher für nichtig zu erklären.
21
a. Eine Gesetzesverletzung muss in der Tatsache gesehen werden, dass der Aufsichtsrat einen Beschlussvorschlag zu dem auf § 122 Abs. 2 AktG gestützten Antrag unterbreitete. Darin muss ein Verstoß gegen § 124 Abs. 3 AktG analog gesehen werden.
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(1) In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings umstritten, inwieweit der Aufsichtsrat befugt ist, in der hier gegebenen Situation eines Ergänzungsantrag auf Aufhebung eines Sonderprüfungsantrages berechtigt ist, der Hauptversammlung einen Beschlussvorschlag zu unterbreiten.
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(a) Teilweise wird hierzu die Ansicht vertreten, in einer derartigen Situation könne das Vorschlagsrecht nicht entfallen, wofür ein Vergleich mit der Entlastung spreche, bei der anerkannt ist, dass die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat Zur Unterbreitung von Beschlussvorschlägen auch zur Entlastung ihrer Mitglieder berechtigt seien und nur in der Hauptversammlung einem Stimmrechtsverbot aus § 136 Abs. 1 AktG unterlägen. Einem Interessenkonflikt könne in der hier gegebenen Situation durch die Nichtteilnahme an der Abstimmung begegnet werden (vgl. Butzke in: Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 124 Rdn. 67 und 82; Rieckers in: BeckOGK zum Aktienrecht, Stand 1.7.2018, § 124 AktG Rdn. 59; Rieckers/Vetter in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 142 Rdn. 145; Herrles in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl., § 124 Rdn. 18).
24
(b) Dieser Ansicht vermag die Kammer indes nicht zu folgen. Sie steht im Widerspruch zum Normzweck des § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG. Aufgrund von § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG haben der Vorstand und der Aufsichtsrat zur Wahl von Prüfern nur der Aufsichtsrat, in der Bekanntmachung Vorschläge zur Beschlussfassung zu machen, wobei auch der Sonderprüfer als Prüfer im Sinne des § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG angesehen werden muss (vgl. OLG München AG 2003, 645; Hüffer/Koch, AktG, 14. Aufl., § 124 Rdn. 20; Müller in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 124 AktG Rdn. 15; Ziemons in: Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 124 Rdn. 33; Riekers in: BeckOGK zum Aktienrecht, a.a.O., § 124 Rdn. 39). In der hier gegebenen Konstellation muss § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG analog angewandt werden. Eine Analogie ist zulässig und geboten, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand:vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BGH NJW 2007, 3124, 3125 = WM 2007, 1791 1792; NZM 2016, 890, 891 = WuM 414, 415). Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dass der Vorstand nicht die Entscheidung soll beeinflussen können, soweit es darum geht, durch eine etwaige Prüfung (auch) seine eigene Tätigkeit einer Kontrolle zu unterwerfen. Dieser hinter der Norm stehende Grundgedanke muss aber auch dann gelten, wenn es nicht um die Auswahl und Bestellung des Prüfers geht, sondern um die Aufhebung einer bereits getroffenen Entscheidung über die Durchführung einer Sonderprüfung. Der Normzweck gilt zudem in gleicher Weise, wenn sich wie hier die zur Abstimmung stehende Sonderprüfung auch auf die Tätigkeit von Mitgliedern des Aufsichtsrats bezieht. In dieser Situation greift der Rechtsgedanke des § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG ebenfalls ein - der Aufsichtsrat soll keinen Einfluss auf die Hauptversammlung ausüben, inwieweit sein Handeln im Vorfeld und im Zusammenhang mit der Wandlung von Optionsrechten in Namensaktien einer Untersuchung durch den Sonderprüfer unterzogen wird, wie dies im Beschluss der Hauptversammlung vom 7.6.2016 angelegt war. Folglich erfasst der Normzweck des § 124 Abs. 3 AktG auch diese Konstellation.
25
Schließlich erstreckt sich die Sonderprüfung auch auf Zeiträume, in der auch die Herren R… und Ro… bereits Mitglied des Aufsichtsrats waren. Über das Stimmverbot soll nur das Richten in eigener Sache verhindert werden, während es vorliegend um eine Einflussnahme auf die Person bzw. Tätigkeit des Prüfers durch den zu Prüfenden gilt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.7.2012, Az. I-6 U 69/11; Ziemons in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 124 Rdn. 35). Ebenso wenig überzeugt das von der Beklagten vorgebrachte Gegenargument, der Aufsichtsrat riskiere bei einem unterlassenen Beschlussvorschlag an die Hauptversammlung gleichfalls die Anfechtung des gefassten Beschlusses. Im Falle eines Ergänzungsverlangens nach § 122 AktG entfällt nämlich aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 124 Abs. 3 Satz 3 2. Alt. AktG die Pflicht zur Unterbreitung eines Beschlussvorschlages nach Satz 1, wenn der Gegenstand der Beschlussfassung auf Verlangen einer Minderheit auf die Tagesordnung gesetzt wurde.
26
(2) Der Beschluss beruht auf dem Gesetzesverstoß; die Kausalität zwischen der Gesetzesverletzung und der Beschlussfassung muss bejaht werden. Dabei kann nicht auf eine mathematisch-naturwissenschaftliche Kausalität abgestellt werden. Für die Nichtigerklärung eines Beschlusses ist vielmehr die Relevanz des hier in der Unzulässigkeit eines Beschlussvorschlages liegenden Verfahrensverstoßes für das Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrecht eines objektiv urteilenden Aktionärs maßgebend, insbesondere auch des in der Abstimmung unterlegenen Minderheitsaktionärs, im Sinne eines dem Beschluss anhaftenden Legitimationsdefizits, das bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit gemäß § 243 Abs. 1 AktG rechtfertigt (vgl. BGHZ 160, 385, 391 f. = NJW 2005, 828, 830 = NZG 2005, 77, 79 = AG 2005, 87, 89 = ZIP 2004, 2428, 2430 = WM 2004, 2489, 2491 = DB 2004, 2803, 2805 = BB 2005, 65, 66 f. = DNotZ 2005, 302, 305; NZG 2010, 843, 945 = AG 2010, 632, 634 = ZIP 2010, 1437, 1439 = WM 2010, 1502, 1504 = DB 2010 1697, 1699 = NJW-RR 2010, 1339, 1341 = DNotZ 2011, 138, 140; BGHZ 216, 110, 134 = NJW 2018, 52, 58 = NZG 2017, 1374, 1380 = AG 2018, 28, 35 = ZIP 2017, 2245, 2252 = WM 2007, 2263, 2270 f. = DB 2017, 2794, 2801 = DNotZ 2018, 382, 397; NZG 2020, 1106, 1109 = AG 2020, 789, 793 = ZIP 2020, 1857, 1860 = WM 2020, 1784, 14887 = DB 2020, 2008, 2012; OLG München AG 2019, 266, 268 = ZIP 2018, 2369, 2371 = Der Konzern 2019, 140, 143; Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 243 Rdn. 13; Ehmann in: Grigoleit, AktG, a.a.O., § 243 Rdn. 8).
27
Der Verstoß gegen § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG analog berührt das Mitwirkungs- und Teilnahmerecht des Aktionärs, weil es dann an einer sachgemäßen Information der Aktionäre fehlt. Vorliegend wurde über einen Tagesordnungspunkt abgestimmt, der nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht wurde. Damit aber gab es keine sachgemäße Information der Aktionäre, aufgrund derer sie sich mit dem Gegenstand der Tagesordnung befassen und entscheiden sollen, ob und gegebenenfalls unter Wahrnehmung welcher Rechte sie an der Hauptversammlung teilnehmen wollen. Gerade die Entscheidung über die Teilnahme kann durch die Fehlerhaftigkeit der Bekanntmachung mit Blick auf das in § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG statuierte gesetzliche Verbot, über fehlerhaft bekannt gemachte Gegenstände der Tagesordnung Beschluss zu fassen, im negativen Sinn beeinflusst werden. Es besteht sehr wohl die Gefahr, dass Aktionäre von der Teilnahme an der Hauptversammlung abgehalten werden, weil sie davon ausgehen, die Mehrheit würde dem Beschlussvorschlag des unmittelbar betroffenen Aufsichtsrats folgen und daher von einer Teilnahme aufgrund der Einschätzung der fehlenden Bedeutung der eigenen Stimmen für die Mehrheit von einer Teilnahme absehen. Folglich kann auch von einem lediglich marginalen Verstoß nicht gesprochen werden (vgl. BGHZ 153, 32, 36 f. = NJW 2003, 970, 971 f. = NZG 2003, 216, 217 = AG 2003, 319 f. = ZIP 2003, 290, 292 = WM 2003, 437, 438 = DB 2003, 383, 384 = BB 2003, 462, 463 = GmbHR 2003, 408, 409 f. = DNotZ 2003, 358, 360 f.).
28
b. Die Anfechtbarkeit des zu Tagesordnungspunkt 1 gefassten Beschlusses resultiert auch aus einer Verletzung des Fragerechts der Aktionäre aus § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG. Nach dieser Vorschrift ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Hiergegen wurde verstoßen.
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(1) Das europarechtskonform einschränkende Merkmal der Erforderlichkeit der Auskunft in § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG zielt nach der Rechtsprechung insbesondere des BGH darauf ab, missbräuchlich ausufernde Auskunftsbegehren zu verhindern, um die Hauptversammlung nicht mit überflüssigen, für eine sachgemäße Beurteilung des Beschluss- oder sonstigen Gegenstands der Tagesordnung unerheblichen Fragen zu belasten. Entsprechend der Funktion des Auskunftsrechts, das auch zur Meinungs- und Urteilsbildung anderer Aktionäre, insbesondere der Minderheitsaktionäre, in der Hauptversammlung beitragen soll, ist Maßstab für die „Erforderlichkeit“ eines Auskunftsverlangens der Standpunkt eines objektiv urteilenden Aktionärs, der die Gesellschaftsverhältnisse nur auf Grund allgemein bekannter Tatsachen kennt und daher die begehrte Auskunft als nicht nur unwesentliches Beurteilungselement benötigt. Sie muss daher bejaht werden, wenn die Auskunft aus Sicht eines vernünftigen Durchschnittsaktionärs ein nicht nur unwesentliches Element für die Beurteilung des Tagesordnungspunktes und gegebenenfalls für sein Abstimmungsverhalten darstellt. Dieses Kriterium begrenzt das Informationsrecht aus § 131 Abs. 1 AktG in qualitativer und quantitativer Hinsicht sowie hinsichtlich seines Detaillierungsgrades. Es muss eine gewisse Maßgeblichkeitsschwelle überschritten sein (vgl. BGHZ 160, 385, 389 = NZG 2005, 77, 78 = AG 2005, 87, 88 = ZIP 2004, 2428, 2429 = WM 2004, 2489, 2490 - ThyssenKrupp; BGHZ 180, 9, 29 = NJW 2009, 2207, 2212 = NZG 2009, 342, 348 = AG 2009, 285, 291 = ZIP 2009, 460, 467 = WM 2009, 459, 465 = DB 2009, 500, 506 - Kirch/Deutsche Bank; BGHZ 198, 354, 357 f. = NJW 2014, 541, 542 = NZG 2014, 27, 28 = AG 2014, 87 = ZIP 2013, 2454 f. = DB 2013, 2917, 2918 = WM 2013, 2361, 2362 = BB 2014, 331 f. - Kirch/Deutsche Bank; BGH NZG 2014, 423, 424 Tz. 26 = AG 2014, 402, 403 = ZIP 2014, 671, 672 = BB 2014, 1163 f. = DB 2014, 704, 705 = MittBayNot 2014, 357, 358 - Porsche SE; OLG Stuttgart AG 2015, 163, 169 Siems in: Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 131 Rdn. 28; OLG Düsseldorf NZG 2020, 1061, 1062; Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 131 Rdn. 38).
30
Dabei kann die Erforderlichkeit nicht bereits mit dem Argument verneint werden, die Mehrzahl der gestellten Fragen betreffe die Sonderprüfung und müsse deshalb quasi wegen Vorgreiflichkeit nicht beantwortet werden.
31
Dieses Argument ist mit dem Normzweck von § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht zu vereinbaren. Der Auskunftsanspruch des Aktionärs als eigenständiges mitgliedschaftliches Individualrecht des Aktionärs soll es ermöglichen, ihn in die Lage zu versetzen, die Gegenstände der Tagesordnung zu beurteilen, ihm also diejenigen konkreten Informationen zu verschaffen, die er zur sachgerechten Ausübung seines Rechts auf Teilnahme aus § 118 Abs. 1 AktG an der Hauptversammlung benötigt. Der Aktionär kann nur dann von seinem Mitgliedschaftsrecht Gebrauch machen, wenn er die Umstände kennt, die für die Ausübung der Rechte wesentlich sind. Angesichts dessen kann ihm ein Recht auf Auskunft nicht schon deshalb abgesprochen werden, weil es um Fragen geht, die Gegenstand der angeordneten Sonderprüfung sind. Das Ergebnis der Sonderprüfung liegt naturgemäß erst später vor und kann dem fragenden Aktionär nicht die Information verschaffen, die er zur sachgerechten Ausübung seines Rechts auf Teilnahme in der aktuellen Hauptversammlung benötigt (vgl. OLG Düsseldorf NZG 2020, 1061, 1065) für einen Entlastungsbeschluss. Diese Überlegungen müssen aber erst Recht gelten, wenn es um die Problematik geht, ob ein von der Hauptversammlung gefasster Beschluss über die Durchführung einer Sonderprüfung wieder aufgehoben werden soll oder nicht. Abgesehen davon würde in den Antworten auch deshalb keine Vorwegnahme des Sonderprüfungsverfahrens liegen, weil die Antwort im Rahmen einer Hauptversammlung nicht dieselbe Detailtiefe haben kann und muss wie die Sonderprüfung selbst, deren Ergebnis gemäß § 145 Abs. 6 AktG in einem schriftlichen Bericht niederzulegen ist und der demgemäß eine deutlich größere Detailtiefe haben wird.
32
(2) Unter Zugrundelegung dieses allgemeinen Prüfungsmaßstabes muss die Erforderlichkeit des Auskunftsbegehrens bejaht werden.
33
(a) Dies gilt namentlich in Bezug auf die Fragen 28, 30, 31, 33, 42 bis 44, 46 und 47 sowie zumindest in Teilen von Frage 37. Diese Fragen betreffen Grundstrukturen der Problematik, die der Sonderprüfung zugrunde liegt, bei der es um die Prüfung von Maßnahmen der Geschäftsführung bezüglich der Wandlung von 916.560 Optionsrechten in ebenso viele Namensaktien der Beklagten geht. Dabei sind die Fragen 28, 30, 31, 37 bis 40, 42 und 44 identisch mit dem Gegenstand der Sonderprüfung, was bereits die Erforderlichkeit im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG impliziert. Bei einer entsprechenden Antwort könnte ein Aktionär sich ein Bild darüber machen, ob er die Aufhebung des Beschlusses tatsächlich für gerechtfertigt hält oder die Durchführung der Sonderprüfung nach wie vor aus seiner Sicht notwendig erscheint. Mit einer entsprechenden Antwort hätte er auch eine entsprechende Grundlage für seine Entscheidung.
34
(b) Aber auch Frage 33 nach einer bereits erfolgten unabhängigen Untersuchung hätte der Vorstand beantworten müssen. Wenn ein Aktionär nämlich erfährt, ob sich ein anderer unabhängiger Prüfer bereits ein Bild von den zu untersuchenden Geschäftsvorfällen gemacht hat, kann der Aktionär auf informierter Basis darüber entscheiden, inwieweit der Beschluss über die Durchführung der Sonderprüfung entbehrlich ist und somit tatsächlich aufgehoben werden könnte.
35
(3) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, die Erteilung der Auskunft sei ihr während der Hauptversammlung unmöglich gewesen. Zwar muss im Grundsatz davon ausgegangen werden, dass dem Auskunftsrecht naturgemäß rechtliche Grenzen durch die Vorschrift des § 275 Abs. 1 BGB gesetzt sind (vgl. LG München I ZIP 2008, 555, 558; Spindler in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 131 Rdn. 64; Kubis in: Münchner Kommentar zum AktG, 4. Aufl., a.a.O., § 131 Rdn. 92; Decher in:
36
Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 131 Rdn. 282). Von einem solchen Fall der Unmöglichkeit kann hier indes nicht ausgegangen werden. Die Auskunftspflicht des Vorstandes umfasst nämlich auch solche Fragen, zu deren Beantwortung er sich die notwendigen Unterlagen und Informationen unschwer und ohne wesentliche Verzögerung der Hauptversammlung beschaffen kann. Zu diesem Zweck muss der Vorstand während der Hauptversammlung das notwendige Personal zur Verfügung halten, um solche Informationen entsprechend erhalten zu können. Dabei orientiert sich der Umfang der Vorbereitungspflicht an der konkreten Tagesordnung der bevorstehenden Hauptversammlung unter Berücksichtigung von Erfahrungen aus dem Verlauf früherer Hauptversammlungen. Muss der Vorstand mit kritischen Fragen rechnen, intensiviert sich seine Vorleistungspflicht (vgl. BGHZ 32, 159, 165; KG NJW-RR 1995, 98, 101; ZIP 1995, 1585, 1589; LG München I ZIP 2008, 555, 558; Decher in:
37
Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 131 Rdn. 282; Spindler in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 131 Rdn. 64). Von einer solchen Intensivierung der Vorbereitungspflicht muss hier ausgegangen werden. Angesichts der vorangegangenen Hauptversammlung konnte und musste der Vorstand mit derartigen kritischen Fragen rechnen.
38
(4) Der Beschluss der Hauptversammlung beruht auf dem Verstoß. Im Sinne des § 243 Abs. 4 Satz 1 AktG. Werden einem Aktionär Auskünfte vorenthalten, die aus der Sicht eines objektiv wertenden Aktionärs in der Fragesituation zur sachgerechten Beurteilung des Beschlussgegenstandes „erforderlich“ sind, so liegt darin zugleich ein relevanter Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht des Aktionärs, ohne dass es darauf ankommt, ob der tatsächliche Inhalt der in der Hauptversammlung verweigerten oder nicht hinreichend gegebenen Auskunft einen objektiv wertenden Aktionär von der Zustimmung zur Beschlussvorlage abgehalten hätte. Wenn die vorenthaltene Auskunft zur sachgerechten Beurteilung erforderlich ist, so muss darin eine wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung der Aktionärsrechte gesehen werden. Aus dem Erfordernis der Wesentlichkeit in § 243 Abs. 4 Satz 1 AktG resultiert keine Einschränkung der Anfechtbarkeit im Falle der Verletzung von Auskunftspflichten (vgl. Drescher in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 243 Rdn. 121; Ehmann in: Grigoleit, AktG, a.a.O., § 243 Rdn. 28; Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 243 Rdn. 46b; H…in: Heidel. Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 243 AktG, Rdn. 60; Veil AG 2005, 567, 569) Da das Auskunftsrecht die Partizipation der Aktionäre am Willensbildungsprozess der Hauptversammlung gewährleistet und eine wirksame Sanktion in Gestalt der Anfechtungsklage unverzichtbar ist und der Gesetzgeber die Rechtsprechung des II. Zivilsenats aufgreifen und kodifizieren wollte (vgl. BT-Drucks. 15/5092 S. 26), kann der Gegenauffassung, die in dem Merkmal der Wesentlichkeit ein zusätzliches, im Vergleich zu § 131 Abs. 1 AktG einschränkendes Tatbestandsmerkmal sieht (vgl. Noack/Zetzsche in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., Marsch-Barner in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1109, 1116), nicht gefolgt werden.
39
(5) Ein Verweigerungsrecht des Vorstands lässt sich nicht aus einem Rechtsmissbrauch des Fragerechts ableiten. Ein solcher liegt auch nicht unter dem Aspekt einer übermäßigen Rechtsausübung vor. Dabei ist im Ausgangspunkt davon auszugehen, dass jeden Aktionär die Treuepflicht trifft, den zügigen Fortgang der Hauptversammlung nicht zu stören und insbesondere eine zeitgerechte Beendigung der Hauptversammlung nicht zu verhindern (vgl. BGHZ 32, 159, 166). Der ordnungsgemäße Ablauf darf nicht dadurch vereitelt werden, dass ein Aktionär die Redezeit für individuelle Informationsbedürfnisse monopolisiert.
40
(a) Wann von einem derartigen Rechtsmissbrauch ausgegangen werden muss, wird nicht völlig einheitlich beantwortet. Die Literatur zieht dabei teilweise strenge Grenzen. So wird vertreten, dass jedenfalls ein mehrere DIN A4-Seiten umfassender Fragenkatalog (vgl. Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 131 Rdn. 68) oder sogar schon regelmäßig das Stellen von über 50 Fragen (vgl. Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 131 Rdn. 59) unzulässig sein soll. Dem kann angesichts der Tatsache, dass gerade die Frage des Rechtsmissbrauchs stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist, nicht gefolgt werden, weshalb mit der Rechtsprechung keine derart starren und engen Grenzen gezogen werden können, sondern vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt werden muss. So wurde ein Missbrauch des Fragerechts beispielsweise bei Umfassen von 3.000 Einzelvorgängen oder 25.000 Einzelangaben bejaht (vgl. OLG Frankfurt WM 1983, 1071 f.). Jedenfalls ist die Beantwortung sofort mit der entsprechenden Begründung abzulehnen, um dem Aktionär Gelegenheit zur Beschränkung zu geben (vgl. LG München I AG 1987, 185, 189; AG 2010, 919, 921 = ZIP 2010, 2148, 2151 = WM 2010, 1699, 1702 = Der Konzern 2010, 379, 385).
41
(b) Daran gemessen liegt im vorliegenden Fall kein Rechtsmissbrauch vor. Die Sonderprüfung betrifft wesentliche Elemente der Geschäftsführung durch den Vorstand und die Überwachung durch den Aufsichtsrat, weil durch diese Maßnahmen Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionariats genommen wird, wenn Optionsrechte in Aktien umgewandelt werden. Ausweislich des als Anlage K 5 vorgelegten Protokolls wurden im Verlaufe der Hauptversammlung von allen Aktionären rund 75 Fragen gestellt, von denen ein nicht unerheblicher Teil mit der Benennung einer Zahl oder einem Satz hätte beantwortet werden können, womit kein wesentlicher Zeitaufwand verbunden ist. Zu nennen sind hier beispielsweise die Fragen Nr. 47, 50, 60 sowie Teile der Frage 46 nach Laufzeit, Zins und Sicherheiten für ein gewährtes Darlehen. Auch kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich Fragen der Aktionäre Y… und R… mit denen der Klägerin zu 1) inhaltlich weitgehend deckten, weshalb hier keine doppelte Beantwortung erforderlich war. Diese weitgehende Identität von Fragen ergibt sich aus dem als Anlage K 5 vorgelegten stenografischen Protokoll der Hauptversammlung, an dessen inhaltlicher Richtigkeit keine begründeten Zweifel bestehen. Im Zusammenhang mit der Problematik des Rechtsmissbrauchs des Fragerechts muss insbesondere auch gesehen werden, dass die Klägerin zu 1) wie auch andere Aktionäre zu keinem Zeitpunkt von der Beklagten aufgefordert wurden, ihre Fragen auf das angemessene Maß zu reduzieren - ohne eine derartige Aufforderung kann einer Anfechtungsklage der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs des Fragerechts nicht entgegen gehalten werden (OLG Frankfurt AG 2007, 672, 675 = ZIP 2007, 1463, 1467 = WM 2007, 1704, 1708; Beschluss vom 23.7.2010, Az. 5 W 91/09 - zitiert nach Juris; LG München I AG 2010, 919, 921 = ZIP 2010, 2148, 2151 = WM 2010, 1699, 1702 = Der Konzern 2010, 379, 385; Decher in: Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 131 Rdn. 448 m.w.N.). Von der Möglichkeit der Beschränkung des Frage- und Rederechts aufgrund von § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG machte der Versammlungsleiter ebenfalls keinen Gebrauch, so dass nicht von einer uferlosen Ausdehnung der Hauptversammlung gesprochen werden kann. Nicht berücksichtigt bleiben kann auch der Umstand, dass der zur Beantwortung verpflichtete Vorstand der deutschen Sprache nicht mächtig ist, weshalb ein gewisser Zeitverlust auch durch das Erfordernis der Übersetzung von Fragen und Antworten in Anspruch genommen wurde. Dieser aus der Sphäre der Beklagten stammende Umstand kann nicht zu Lasten der Minderheitsaktionäre und insbesondere auch nicht der Kläger gewertet werden.
42
Inwieweit einige weitere Fragen einen zu starken Detaillierungsgrad aufwiesen, so dass sie vom Vorstand selbst bei angemessener Vorbereitung auf die Hauptversammlung nicht zu beantworten gewesen wären, muss daher mangels Entscheidungserheblichkeit von der Kammer nicht mehr entschieden werden.
43
3. Die Klage selbst wurde gleichfalls nicht rechtsmissbräuchlich erhoben. Zwar ist weithin anerkannt, dass die Ausübung der Anfechtungsbefugnis ungeachtet ihrer Kontrollfunktion den für die private Rechtsausübung auch sonst geltenden Schranken - hier dem aus § 242 BGB folgenden Verbot des individuellen Rechtsmissbrauchs - unterliegt und dass eine rechtsmissbräuchlich erhobene Anfechtungsklage unbegründet ist (vgl. BGHZ 107, 296, 310 f. = NJW 1989, 2689, 2692 = ZIP 1989, 980, 983 = DB 1989, 1664, 1666 = BB 1989, 1782, 1784; OLG Stuttgart, Beschluss vom 22.3.2002, Az. 20 W 32/2001; LG München I Der Konzern 2006, 700, 703; Urteil vom 14.9.2017, 5HK O 14604/16). Da es zur Erhebung einer Anfechtungsklage eines berechtigten Eigeninteresses grundsätzlich nicht bedarf und ihr gerade die Aufgabe der Rechtmäßigkeitskontrolle in Bezug auf Beschlüsse der Hauptversammlung zukommt, kann eine Klageerhebung nur in Ausnahmefällen, für die die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast trägt, als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Der Aktionär muss sachfremde, eigene Interessen verfolgen und somit das Klagerecht in zweckentfremdender Weise zum eigenen Vorteil nutzen.
44
b. Die Beklagte hat nichts dazu vorgetragen, es sei den Klägern darum gegangen, die Gesellschaft zu Zahlungen oder sonstigen Vorteilsgewährungen zu veranlassen, auf die ein Anspruch nicht besteht oder auch nicht billigerweise erhoben werden kann (vgl. BGHZ 107, 296, 311 = NJW 1989, 2689, 2692 = ZIP 1989, 980, 983 = DB 1989, 1664, 1666 = BB 1989, 1782, 1784; OLG Frankfurt NZG 2009, 222, 223 = AG 2009, 200, 202 = ZIP 2009, 271, 273 = WM 2009, 309, 311 = DB 2009, 224, 225; AG 2011, 303, 304; Hüffer/Schäfer in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 245 Rdn. 59; Göz in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl., § 245 Rdn. 19; Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 245 Rdn. 24; Mehrbrey in: Mehrbrey, Handbuch gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, Corporate Litigation, 2. Aufl., § 6 Rdn. 412).
45
b. Soweit die Beklagte geltend macht, die Klage stelle sich als weiterer Baustein in dem perfiden Plan des Aktionärs … R… dar, die ordentliche Geschäftsführung der Beklagten massiv zu beeinträchtigen, weil die Kläger von Herrn R… und Herrn Y… engagiert worden seien, um den Ablauf der Hauptversammlung zu sabotieren und Anfechtungsgründe zu konstruieren, weil sich anders das Engagement zweier „Kleinstaktionäre“ nicht erklären lasse, begründet dies nicht die Rechtsmissbräuchlichkeit. Der Anfechtungsgrund bezüglich des Fehlers bei der Einberufung konnte schon von den Klägern nicht konstruiert werden, weil dieser vor Beginn der Hauptversammlung hervorgerufen wurde und ausschließlich der Sphäre der Beklagten entstammt. Das Fragerecht wurde aus den oben genannten Gründen nicht missbräuchlich ausgeübt. Abgesehen davon hat die Beklagte außer einer Vermutung, die im Widerspruch zur Funktion der Beschlussmängelklage als Instrument der Rechtmäßigkeitskontrolle gerade durch die Minderheit (vgl. BGHZ 153, 32, 45 = NJW 2003, 970, 973 = NZG 2003, 216, 220 = AG 2003, 319, 322 = ZIP 2003, 290, 295 = WM 2003, 437, 441 = DB 2003, 383, 386 = BB 2003, 462, 466 = GmbHR 2003, 408, 412 - HypoVereinsbank; Hüffer/Schäfer in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 243 Rdn. 6; Göz in: Bürgers/Körber, AktG, a.a.O., § 243 Rdn. 1; H…in: Heidel, Aktienrecht- und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 243 Rdn. 1; Noack/Zetzsche in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 243 Rdn. 5; Hüffer/Schäfer in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 243 Rdn. 8; H…in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 243 Rdn. 1; Drescher in: Beck OGK zum Aktienrecht, a.a.O., § 243 Rdn. 4) keinen Sachvortrag dazu geleistet, wie die Zusammenarbeit zwischen den Klägern und den Aktionären R… und Y… abgelaufen sein soll.
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Angesichts dessen war der Beschluss für nichtig zu erklären, ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankäme, inwieweit auch ein Verstoß gegen §§ 127, 126 AktG vorliegt, auch wenn durchaus beachtliche Gründe für die Auffassung sprechen, es hätte eine Nennung der Antragstellerin in der Einberufung erfolgen müssen. Über die Hilfsanträge musste somit ebenfalls nicht mehr entschieden werden.
47
Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 Abs. 1 ZPO aufgrund des intendierten Bestätigungsbeschlusses in einer auf den 18.11.2019 einberufenen Hauptversammlung ist schon deshalb nicht veranlasst, weil die Hauptversammlung wieder aufgehoben wurde.
II.
48
1. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
49
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
50
3. Der Streitwert ergibt sich aus § 247 Abs. 1 AktG; er entspricht der vorläufigen Festsetzung im Beschluss vom 22.10.2019.