Titel:
Kein Anspruch auf beamtenrechtlichen Schadensersatz mangels Kausalität einer Rechtsverletzung für die unterbliebene Beförderung
Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
BeamtStG § 5 Abs. 3 S. 1
Leitsätze:
1. Im Hinblick auf begehrte höhere Ruhegehaltsbezüge fehlt es an einem ersatzfähigen Schaden, wenn der Beamte selbst vor Ablauf des ruhegehaltswirkensamen Zweijahreszeitraums auf eigenen Antrag in den Ruhestand versetzt wurde. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für einen beamtenrechtichen Schadensersatz fehlt es an der Kausalität der Rechtsverletzung für die unterbliebene Beförderung, wenn für die begehrte Beförderung eine Gesamtbewertung von mindestens „Sehr gut +“ erforderlich war, die der Beamte mit „Sehr gut Basis“ nicht erhalten hatte. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch, Ruhestandsbeamter, fehlende Kausalität, beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch, Beurteilung, Zweijahreszeitraum, Beförderung, Ernennung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 40892
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger ist Beamter im Ruhestand und begehrt Schadensersatz wegen seiner Nichtberücksichtigung im Rahmen der Beförderungsrunde 2015.
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1. Der Kläger ist Beamter in Diensten der Beklagten und war ursprünglich bei der …im statusrechtlichen Amt eines … (Besoldungsgruppe A 12) beschäftigt. Seit 1993 war er für eine Tätigkeit bei der … beurlaubt. Seine dienstliche Beurteilung vom 16.03.2015 für den Zeitraum 01.06.2011 bis 31.10.2015 wies das Gesamtergebnis „Gut ++“ auf. Gegen die Beurteilung legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 26.06.2015 teilte die … dem Kläger mit, dass er im Rahmen der Beförderungsrunde 2015 zum Beförderungsstichtag 01.05.2015 nicht nach A 13_vz befördert werden könne. Weil auf 344 Beförderungsplanstellen 1311 Beförderungsbewerberinnen und -bewerber kämen, sei eine Beförderung nur mit einer Gesamtbewertung von mindestens „Sehr gut +“ möglich. Hiergegen legte der Kläger am 10.07.2015 Widerspruch und Eilantrag ein, jeweils mit Beurteilungsmängeln begründet. Unter dem 31.08.2015 gab die Beklagte dem Widerspruch des Klägers gegen die dienstliche Beurteilung vom 16.03.2015 statt und erstellte am 03.11.2015 eine neue Beurteilung, die wieder das Gesamtergebnis „Gut ++“ auswies. Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.11.2015, Az.: B 5 E 15.477, gab das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung auf, zumindest eine der Beförderungsplanstellen solange freizuhalten, bis über den Widerspruch des Antragstellers vom 10.07.2015 bestandskräftig entschieden sei. Es begründete den Beschluss im Wesentlichen damit, dass die der Auswahlentscheidung zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung nach summarischer Prüfung fehlerhaft sei, weil der Beurteilungszeitraum von 01.10.2011 bis 11.07.2012 nicht vollständig durch Stellungnahmen der unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers abgedeckt gewesen sei und es damit an einer hinreichenden Tatsachengrundlage gefehlt habe.
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2. Am 18.12.2015 schlossen die Beteiligten einen außergerichtlichen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, unter Aufhebung der Beurteilung vom 03.11.2015 den Kläger neu zu beurteilen, sodann eine neue Beförderungsentscheidung zu fingieren und den Kläger rückwirkend in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13_vz einzuweisen, sollte er nach dem Ergebnis der neuen Beurteilung für die Beförderung in Betracht kommen. Am 01.03.2016 erhielt der Kläger eine neue dienstliche Beurteilung, die nunmehr das Gesamtergebnis „Sehr gut Basis“ enthielt.
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3. Bereits am 01.02.2016 hatte der Kläger einen Antrag auf vorzeitige Ruhestandsversetzung bei der Beklagten gestellt, auf den hin er durch Bescheid vom 30.05.2016 mit Ablauf des 31.07.2016 in den Ruhestand versetzt wurde.
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Mit Bescheid vom 11.08.2016 wurde das Widerspruchsverfahren des Klägers gegen die Beförderungsentscheidung vom 26.06.2015 unter Verweis auf die zwischenzeitliche Ruhestandsversetzung eingestellt. Die hiergegen und auf die Vornahme einer fingierten Beförderungsentscheidung gerichtete Klage (Az. B 5 K 16.644; B 5 K 18.1171) nahm der Kläger am 02.06.2020 zurück. Das Verfahren wurde mit Beschluss vom selben Tage eingestellt.
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4. Mit Antrag vom 01.06.2017 machte der Kläger gegenüber der Beklagten schriftlich Schadensersatzansprüche wegen der unterlassenen Beförderung in der Beförderungsrunde 2015 geltend. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 07.11.2017 abgelehnt. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25.09.2018).
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5. Mit am 02.11.2018 am Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 07.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2018 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verpflichten, den Kläger im Wege des Schadensersatzes dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als ob er zum 01.05.2015 in die Besoldungsgruppe A 13 befördert worden wäre.
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Sollte eine Beförderung des Klägers wegen des Ruhestands tatsächlich nicht möglich sein, habe der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der unterbliebenen Beförderung. Da der Kläger sich im Vorruhestand befinde, sei zu prüfen, ob er hätte befördert werden können, wenn er rechtsfehlerfrei beurteilt worden wäre. Eine Beförderung des Klägers bereits früher als 2015 sei wahrscheinlich gewesen und nur deshalb nicht erfolgt, weil die Beklagte schuldhaft seit 2006 den Kläger nicht mehr dienstlich beurteilt hätte. Bis heute litte auch das Auswahlverfahren für die Beförderungsrunde 2015 an zahlreichen Fehlern, weil unter anderem auch die neuen Beurteilungen fehlerhaft seien. Bestünden noch Zweifel, so gingen diese zu Lasten der Beklagten, weil diese es allein in der Hand gehabt hätte, den Kläger ordnungsgemäß zu beurteilen. Der Kläger habe sowohl Widerspruch gegen die Auswahlentscheidung 2015 eingelegt, als auch erfolgreich gerichtlichen Eilrechtsschutz ersucht. Hätte der Kläger eine ordnungsgemäße Beurteilung von der Beklagten erhalten, so hätte er sich nicht in den Ruhestand versetzen lassen, sondern so lange zugewartet, bis die nach einer dann erfolgten Beförderung erhöhten Dienstbezüge versorgungswirksam geworden wären.
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Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 20.03.2019 sinngemäß,
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Für einen Schadensersatzanspruch wegen Nichtbeförderung fehle es an der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Für die Beförderung sei mindestens die Note „Sehr gut +“ erforderlich gewesen, der Kläger sei aber nur mit der Note „Sehr gut Basis“ beurteilt worden. Jedenfalls liege aber kein Schaden vor. Versorgungsrechtlich habe der Kläger keine Nachteile erlitten, weil der geplante Beförderungszeitpunkt weniger als zwei Jahre vor der Ruhestandsversetzung gelegen hätte, sodass die höheren Bezüge jedenfalls nicht ruhegehaltsfähig gewesen wären.
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6. Zum Verlauf der mündlichen Verhandlung, in der der Kläger auf den schriftsätzlich gestellten Klageantrag Bezug genommen hat, wird auf die Sitzungsniederschrift und zu den weiteren Einzelheiten auf die Gerichtsakten (auch der Verfahren B 5 K 16.644 und B 5 K 18.1171) und die Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
Entscheidungsgründe
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1. Über das Verfahren konnte entschieden werden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 02.06.2020 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten in der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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2. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen der unterbliebenen Beförderung im Rahmen der Beförderungsrunde 2015. Der Anspruch besteht schon dem Grunde nach nicht.
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Rechtsgrundlage für das vom Kläger geltend gemachte Begehren ist der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch. Dieser findet seine Rechtsgrundlage im Beamtenverhältnis selbst und begründet einen unmittelbar gegen den Dienstherrn gerichteten Ersatzanspruch für Schäden, die aus einer Verletzung der aus dem Beamtenverhältnis folgenden Pflichten entstehen (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 - 2 C 12.14 - juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 7.6.2019 - 6 ZB 18.2341 - juris Rn. 8).
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Der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass der Dienstherr bei der Vergabe eines Beförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch des Beamten auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat, dem Beamten das Amt ohne diesen Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden wäre und dieser es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2019 - 2 C 1.18 - juris Rn. 18; U.v. 15.6.2018 - 2 C 19.17 - juris Rn. 11 und U.v. 19.5.2015 - 2 C 12.14 - juris Rn. 12 m.w.N.).
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Weil die Beklagte der Beförderungsentscheidung vom 22.06.2015 die rechtsfehlerhafte dienstliche Beurteilung vom 16.03.2015 zugrunde gelegt hat, hat sie den Bewerberverfahrensanspruch des Klägers verletzt. Jedoch fehlt es zum Teil bereits an einem ersatzfähigen Schaden (dazu unter a), darüber hinaus aber jedenfalls an der Kausalität der Rechtsverletzung für die unterbliebene Beförderung (dazu unter b).
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a) Es fehlt insoweit bereits an einem ersatzfähigen Schaden, als der Kläger höhere Ruhegehaltsbezüge begehrt. Denn der Kläger trat auf eigenen Antrag hin bereits mit Ablauf des 31.07.201 in den Ruhestand ein; mithin vor Ablauf des Zweijahreszeitraums nach § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtStG ausgehend vom Beförderungsstichtag 01.05.2015. Hypothetisch seit diesem Tag erhaltene Bezüge wären damit nicht ruhegehaltsfähig geworden. Das Vorbringen des Klägers, er hätte bei erfolgter Beförderung mit dem Antrag auf Ruhestandsversetzung bis zur Ruhegehaltsfähigkeit der Bezüge zugewartet, ändert hieran nichts. Denn die hypothetische Betrachtung im Rahmen des Schadensersatzanspruchs bezieht sich allein auf den Ausgang der Beförderungsentscheidung und deren unmittelbare besoldungs- und versorgungsrechtliche Konsequenzen, nicht aber auf die sonstigen zwischenzeitlichen Ereignisse und Verhaltensweisen der Beteiligten bis zur Entscheidung des Gerichts.
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b) Zudem fehlt es in zweifacher Hinsicht an dem Erfordernis der Kausalität der Rechtsverletzung für die unterlassene Beförderung.
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Zum einen wäre der Kläger (soweit ersichtlich) auch ohne den Rechtsverstoß im Rahmen der Beförderungsrunde 2015 nicht zum Zug gekommen. Denn hierfür war ein Beurteilungsgesamtergebnis von mindestens „Sehr gut +“ erforderlich. Auch in der Beurteilung vom 01.03.2016, gegen die der Kläger nicht vorgegangen ist, hat er aber nur ein Gesamturteil von „Sehr gut Basis“ erhalten. Ausweislich der Ausführungen auf Seite 6 der Beurteilung ist darin der noch im Verfahren B 5 E 15.477 gerügte Fehler, nämlich ein Zeitraum von über sechs Monaten ohne hinreichende Erkenntnisgrundlage, insoweit behoben worden, als dass in der Beurteilung vom 01.03.2016 lediglich für zehn Tage kein Beurteilungsbeitrag vorliegt. Dezidierte Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Beurteilung sind weder geltend gemacht - insbesondere nicht durch ein gerichtliches Vorgehen gegen die Beurteilung - noch ersichtlich. Daher ist davon auszugehen, dass sich dem Kläger selbst dann keine Beförderungschance eröffnet hätte, wenn er bereits im Jahr 2015 rechtsfehlerfrei beurteilt worden wäre.
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Zum anderen hat der Kläger selbst durch seinen Antrag auf Ruhestandsversetzung vom 01.02.2016 dafür gesorgt, dass eine Beförderung mit Ruhestandsversetzung zum 31.07.2016 für die Zukunft (§ 21 Nr. 4 BeamtStG) und für die Vergangenheit (§ 8 Abs. 4 BeamtStG) rechtlich unmöglich wurde. Mit dem Antrag auf Ruhestandsversetzung hat der Kläger durch eigene Initiative dem kurz zuvor mit Vergleich vom 18.12.2015 neu vorgezeichneten weiteren Verfahren hin zu einer erneuten Beförderungsentscheidung den Boden entzogen. Die grundsätzlichen rechtlichen Folgen der Ruhestandsversetzung für sein Beförderungsbegehren mussten dem - anwaltlich vertretenen - Kläger als Beamtem jedoch bekannt sein (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 11.2.1977 - VI C 105.74 - juris Rn. 30; U.v. 30.1.1997 - 2 C 10/96 - juris Rn. 16). Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihm ein Abwarten bis zur Neubeurteilung durch die Beklagte infolge deren vorangegangenen Verhaltens unzumutbar gewesen wäre. Denn erstens hätte im Rahmen des außergerichtlichen Vergleichsschlusses ohne weiteres die Möglichkeit bestanden, für die Neuerstellung der dienstlichen Beurteilung einen konkreten Zeitrahmen zu vereinbaren. Zweitens erfolgte die Erstellung der neuen dienstlichen Beurteilung in Umsetzung des Vergleichs vom 18.12.2015 vergleichsweise zeitnah am 01.03.2016. Drittens hätte es dem Kläger auch freigestanden, nach Erhalt der neuen dienstlichen Beurteilung vom 01.03.2016 seinen Antrag auf Ruhestandsversetzung noch zurückzuziehen, wenn ihm weiter an einer Beförderung oder dem Abwarten bis zur Ruhegehaltsfähigkeit der erhöhten Bezüge gelegen hätte. Zwischen der erneuten dienstlichen Beurteilung und der Verbescheidung des Antrags auf Ruhestandsversetzung durch Bescheid vom 30.05.2016 lagen drei Monate, in denen sich der anwaltlich vertretene Kläger hätte entscheiden können, anstelle des früheren Ruhestands das Beförderungsbegehren weiter zu verfolgen oder gegen die erneute dienstliche Beurteilung vorzugehen. Auch die rechtliche Prüfung der dienstlichen Beurteilung vom 01.03.2016 und dahingehende Beratung des Klägers durch seinen Rechtsbeistand wäre in diesem Zeitraum unproblematisch möglich gewesen. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Kläger bewusst gegen die Weiterverfolgung seines Beförderungsbegehrens und für einen früheren Ruhestandseintritt entschieden hat. An dieser Entscheidung muss er sich festhalten lassen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch die Beklagte vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.