Titel:
Erfolgreiche Klage von Grundstückseigentümern auf Feststellung der Berechtigung, einen Weg zu sperren
Normenketten:
GG Art. 14 Abs. 1
BGB § 242, § 903
BayStrWG Art. 6, Art. 14, Art. 67 Abs. 4
Leitsätze:
1. Eine faktische oder konkludente Widmung gibt es nach bayerischem Straßen- und Wegerecht nicht (Fortführung von BeckRS 2016, 47049). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist ein Weg nicht in das Bestandsverzeichnis eingetragen, gilt er nicht als öffentlicher Weg; die "unvordenkliche Verjährung" ist damit nicht geeignet, einem Weg diese Eigenschaft zu verschaffen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Einem Verfügungsberechtigten bleibt es unbenommen, eine zur Nutzung eines Weges durch die Allgemeinheit erteilte Zustimmung grundsätzlich bis zur Grenze der Verwirkung jederzeit zu widerrufen. (Rn. 29 und 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Sperrung eines nicht gewidmeten Weges durch den Grundstückseigentümer, Keine Berechtigung aus sog. Unvordenklicher, Verjährung, Verwirkung, Weg, Gemeingebrauch, tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche, Widmungsfiktion, unvordenkliche Verjährung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 40868
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Kläger berechtigt sind, den über das Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung … führenden Schotterweg zu sperren.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Kläger sind seit 2009 Eigentümer des unbebauten Grundstücks … der Gemarkung … Dieses liegt südöstlich des Bebauungszusammenhangs des Stadtteils … der Stadt … in einem Steilhangbereich und grenzt unmittelbar an das rechtsseitige Ufer des Mains an. Entlang des Mainufers befinden sich sowohl in nordöstlicher Richtung als auch in südwestlicher Richtung eine Reihe von Wochenendhäusern, deren baurechtlicher Status wohl z.T. ungeklärt ist, die teilweise auch im Landschaftsschutzgebiet … liegen und deren Errichtung bis in die 1940er-Jahre zurückreicht. Die im Jahr 2009 von der Beklagten begonnenen Schritte zur Überplanung des Wochenendhausgebietes und zur Schaffung von Baurechten für noch unbebaute Flächen scheiterten bis zuletzt an den Einwänden von Fachbehörden. Der Weg entlang des Mains wird u.a. zum Erreichen der südwestlich gelegenen Wochenendhäuser genutzt.
2
Mit einem beim Landgericht … eingereichten Schriftsatz vom 19. August 2015 stellten die Kläger die folgenden, das vorliegende Verfahren berührenden Anträge,
1. Die Beklagte wird verurteilt, auf dem Grundstück der Klagepartei (Fl.-Nr. … der Gemarkung …*) die von der Beklagten angelegte Straße und die darin befindlichen Rohrleitungen für Wasser und Abwasser zu entfernen und den ursprünglichen Zustand (* …*) wiederherzustellen.
3
Die Beklagte habe ohne vertragliche Regelung und ohne Berechtigung, die sich aus einer Grundbucheintragung ergeben könnte, hinsichtlich des Grundstücks Fl.-Nrn. … eine breite Zufahrt zu weiteren, südlich gelegenen Grundstücken angelegt und befestigt und in diese Straße Versorgungsleitungen für Wasser und Abwasser eingebracht. Dadurch seien die nördlich und südlich gelegenen Wochenendhäuser nun erschlossen worden, während der Klagepartei durch das Landratsamt … verboten werde, das Grundstück in irgendeiner Form zu verändern, die den etwa 50 Gebäuden im Umkreis entspreche. Beide Behörden übersähen großzügig, dass über Jahre hinweg bis heute in den umliegenden Häusern rege Baumaßnahmen durchgeführt und insbesondere an den Wochenenden eine Vielzahl von Autos abgestellt würden (wird weiter ausgeführt). Beim Kauf des Grundstücks sei den Klägern erklärt worden, dass sie, wenn sie den Ausbau des Weges entlang des Mains mit Versorgungsleitungen zuließen, ebenso wie ihre Nachbarn das Grundstück als Wochenendgrundstück nutzen und bebauen könnten. Es seien auch für das Grundstück der Kläger Anschlussleitungen verlegt worden. Die Beklagte und das Landratsamt … hätten sich jedoch nicht an die Zusagen gehalten. Die übrigen Wochenendhausbesitzer könnten ihre Grundstücke über den …weg erreichen, ohne über das Grundstück der Kläger fahren zu müssen. Den Klägern sei zwar bekannt, dass die Beklagte in Übereinstimmung mit dem Landratsamt … geplant habe, die rechtswidrige Situation bauplanungsrechtlich in den Griff zu bekommen, indem das Gebiet als Wochenendhausgebiet ausgewiesen werden sollte. Ein entsprechender Beschluss des Stadtrates sei aber nicht umgesetzt worden. Das Landratsamt … habe erklärt, es bestehe aus Naturschutzgründen keine Möglichkeit für das geplante Wochenendhaus. Es handele sich hier um ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen, man messe mit zweierlei Maß.
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Mit Schriftsatz vom 24. November 2015 beantragte die Beklagte
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Die Kläger hätten im Jahre 2009 das Grundstück in Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten (Außenbereich, Wanderweg entlang des Mains, Nutzung desselben durch die mainabwärts gelegenen Grundstückseigentümer) erworben. Der M. bestehe seit mehr als 100 Jahren und werde von der Öffentlichkeit, auch mit Fahrzeugen, genutzt. Mit dem am 14. Juni 2010 zwischen den Klägern und der Beklagten geschlossenen Vertrag über die Gestattung von Abwasser- und Wasserleitungen auf dem streitgegenständlichen Grundstück habe auf eine spätere Bebauung hingewirkt und die Erschließung der Hinterliegergrundstücke sichergestellt werden sollen, den Klägern sei aber nie versprochen worden, dass sie das Grundstück auch tatsächlich würden bebauen können. Für die Erteilung der Baugenehmigung sei, wie die Kläger auch gewusst hätten, das Landratsamt zuständig. Die Kläger hätten auch gewusst, dass sie aus dem Vertrag keine weitergehenden Rechte gegen die Beklagte herleiten könnten. Die Beklagte habe sich mit dem Vertrag für den Fall absichern wollen, dass die Kläger keine Baugenehmigung erhalten sollten und die Beklagte dann die Leitungen nicht wieder entfernen müsste. Die Bemühungen, einen Bebauungsplan auszuweisen, seien an den Fachbehörden gescheitert. Der Weg sei zwar nicht ausdrücklich nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz gewidmet, jedoch werde er von der Öffentlichkeit schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt und sei daher kraft Widmung aus unvordenklicher Verjährung eine öffentliche Straße.
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Mit Beschluss vom 12. Januar 2016 verwies das Landgericht … den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Bayreuth, der unter dem Az. … angelegt wurde.
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Mit Schriftsatz vom 30. Mai 2016 ergänzte die Klägerseite die gestellten Anträge und beantragte außerdem:
Es wird festgestellt, dass die Kläger berechtigt sind, den über ihr Grundstück Fl.-Nr. … führenden, von der Stadt … angelegten Schotterweg zu sperren.
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Bei dem Weg entlang des Mains handele es sich nicht um einen beschränkt-öffentlichen Weg. Eine Widmung sei nicht erfolgt. Auch ein tatsächlich öffentlicher Weg liege nicht vor. Die Beklagte beanspruche die geschotterte Wegfläche als nicht gewidmete öffentliche Verkehrsfläche zur Erschließung eines rechtlich nicht existenten Wochenendhausgebiets. Es könne dahingestellt bleiben, ob über das Grundstück des Klägers vor oder seit der Errichtung der Wochenendhäuser ein öffentlicher Weg eröffnet und ob diesbezüglich eine Duldung der (vormaligen) Grundstückseigentümer erteilt worden sei. Die Kläger hätten inzwischen eine etwaige Verkehrsöffnung im Rahmen einer Vielzahl von juristischen Auseinandersetzungen und gegenüber den Nachbarn durch ausdrückliche Verbote und zwischenzeitlich auch durch Unterlassungsklagen vor dem Amtsgericht … widerrufen. Die Kläger hätten versucht, die tatsächliche Nutzung des Weges insbesondere für Pkw zu verhindern, einmal durch den Anbau einer Schranke, was verboten worden sei, durch Ausheben einer Grube, was durch das Verwaltungsgericht Bayreuth abgelehnt worden sei (Verfahren …*) und durch Querstellen eines Pkws, was von der Polizei verboten und als Nötigung angezeigt worden sei.
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Inwieweit die Nachbarn berechtigt wären, das Grundstück der Kläger zur Durchfahrt zu benutzen, sei ausschließlich über das Privatrecht, hier das Notwegerecht, zu klären. Ein solches bestehe aber nicht, weil ein einfacher und sehr lange bestehender Zugang über einen öffentlichen Weg gegeben sei. Ein Anspruch aus unvordenklicher Verjährung liege nicht vor. Der Weg werde erst seit ca. 1953 durch Pkw genutzt, vorher sei er von Landwirten zur Bewirtschaftung der Wiesen stillschweigend benutzt worden.
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Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 19. Juli 2016, auch
die erweiterte Klage abzuweisen.
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Das Feststellungsbegehren sei unzulässig. Es sei nicht klar, was mit einem Sperren des Weges gemeint sei. Darüber hinaus bedürften die Kläger einer baurechtlichen Genehmigung zum Anbringen einer Schranke. Einer Sperrung stehe entgegen, dass es sich nicht nur um einen tatsächlich-öffentlichen Weg handele, sondern einen kraft unvordenklicher Verjährung der Öffentlichkeit gewidmeten Weg.
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Der frühere Klägerbevollmächtigte erklärte daraufhin, dass Ziel der Klage sei, die Durchfahrt über das Grundstück der Kläger zu untersagen. Ein Zugang zu den südlich der Klagepartei gelegenen Grundstücken sei jederzeit über den sog. …weg (Fl.-Nr. …) und die … möglich. Die Klagepartei habe sich gegenüber der Beklagten bereit erklärt, eine Sperrung in der Weise vorzunehmen, dass Rettungskräfte notfalls auch die illegal errichteten Wochenendhäuser erreichen könnten.
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Am 13. März 2018 wurde durch die Kammer ein Augenschein durchgeführt. Im Hinblick auf weitere Verhandlungen wurde das Verfahren zunächst ruhend gestellt und dann unter dem Az. … wieder aufgenommen. Nach mündlicher Verhandlung wurde der Antrag der Kläger auf Beseitigung der Straße sowie der Rohrleitungen durch Urteil vom 14. Mai 2019 abgewiesen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen diese Entscheidung wurde von den Klägern zurückgenommen. Der hier streitgegenständliche Anspruch der Kläger auf Feststellung der Berechtigung zur Sperrung des Weges wurde vom Verfahren … abgetrennt und unter dem vorliegenden Az. B 1 K 19.445 fortgeführt.
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Unter dem 5. August 2019 stellten die jetzigen Bevollmächtigten der Kläger folgenden Klageantrag:
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Es wird festgestellt, dass die Kläger berechtigt sind, den über ihr Grundstück Fl.-Nr. … führenden von der Beklagten angelegten Schotterweg für den öffentlichen Verkehr zu sperren.
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Bei der Wegfläche handele es sich um eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche auf einer nicht gewidmeten Grundstücksfläche. Die Kläger stellten nicht in Abrede, dass die Errichtung von Metallpfosten und einer Kette zur Unterbindung des öffentlichen Verkehrs im Jahr 2012 nicht zulässig gewesen sei wegen § 32 Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO. Zur Wahrung seiner Rechte sei ein Grundstückseigentümer jedoch in der Form befugt, dass er eine Feststellungsklage erheben könne mit dem Rechtsschutzziel, dass er zur Sperrung berechtigt sei. Die Kläger seien im Rahmen ihrer aus dem Eigentumsrecht folgenden Rechtsmacht berechtigt, die Allgemeinheit von der Nutzung der auf ihrem Grundstück befindlichen Wegefläche auszuschließen. Dieses Recht sei nicht durch die Eröffnung des Gemeingebrauchs (Art. 14 BayStrWG) infolge einer öffentlich-rechtlichen Widmung oder Widmungsfiktion eingeschränkt. Durch den Ausbau des Weges und die Nutzung als tatsächlich-öffentlicher Weg sei für die Kläger als Eigentümer ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden, der bis in die Gegenwart fortdauere. Die Beklagte sei nach Art. 54 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG Trägerin der Straßenbaulast und damit richtige Adressatin des Anspruchs. Es könne dahinstehen, ob die Kläger ursprünglich mit dem Ausbau des Weges einverstanden gewesen seien, in Ausübung ihres Eigentumsrechts könnten sie grundsätzlich jederzeit die Zustimmung zur Nutzung ihrer Fläche durch die Allgemeinheit widerrufen oder einschränken. Dieser Widerruf sei in mannigfacher Weise zeitnah nach dem Ausbau des Weges erfolgt (wird näher ausgeführt). Das Recht zum Widerruf sei auch nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB entsprechend) verwirkt. Es mangle sowohl am Zeit- als auch am Umstandsmoment. In Bezug auf den Weg gebe es keine dinglichen Rechte, die die Beklagte zur Nutzung des Weges berechtigen könnten. Etwaige schuldrechtliche Abreden der Rechtsvorgänger der Kläger würden die Kläger nicht binden. Diese hätten zeitnah nach der von der Beklagten für das Jahr 2010 oder 2011 behaupteten Beendigung des Ausbaus des Weges dem öffentlichen Verkehr widersprochen. Zudem sei der Beklagten bei Ausbau des Weges und der Eröffnung des öffentlichen Verkehrs positiv bekannt gewesen, dass es hierzu keine dinglichen Rechte gebe. Die Beklagte habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass eine dauerhafte Nutzung fremden Eigentums ohne entsprechende dingliche oder zumindest unwiderrufliche schuldrechtliche Gestattung möglich sei. Dies sei der Beklagten offensichtlich auch bewusst gewesen, weil sie in Bezug auf die Kanalleitung einen Gestattungsvertrag mit den Klägern abgeschlossen habe. Auch in Bezug auf die vorgenommenen Ausbaumaßnahmen und die von ihr beabsichtigte Eröffnung des öffentlichen Verkehrs hätte sie auf eine solche Absicherung Wert legen müssen, um ein Vertrauen in eine dauerhafte zulässige Nutzung durch den öffentlichen Verkehr begründen zu können. Der klägerische Anspruch sei nicht wegen Unzumutbarkeit ausgeschlossen, da die Beklagte für den Ausbau des nur geschotterten Weges offensichtlich keine größeren finanziellen Aufwendungen habe tätigen müssen. Die Sperrung sei für die Beklagte mit keinem Aufwand verbunden. Die Beklagte habe kein rechtlich zulässiges nachvollziehbares Interesse an der Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs auf dem Weg. Die Kläger hätten immer erklärt und wiederholten nochmals explizit, dass sie bereit seien, Rettungsfahrzeugen und öffentlichen Versorgungsträgern die Nutzung der bestehenden Zuwegung zu gestatten. Die Beklagte könne nicht auf Belange der Nutzer und Eigentümer der bebauten Wochenendgrundstücke verweisen. Etwaige zivilrechtliche Ansprüche aus dem Notwegerecht seien zwischen den Klägern und den das Grundstück der Kläger nutzenden Eigentümern und Nutzern der Wochenendgrundstücke zu klären. Die Beklagte könne sich auch nicht aus bau- oder naturschutzrechtlichen Gründen (§ 35 BauGB bzw. Art. 33 BayNatSchG) gegen die Sperrung des Weges stellen. Auf welche Weise die Kläger den Weg für die Allgemeinheit sperrten, sei nicht im Rahmen der Feststellungsklage zu entscheiden. Die Beklagte könne sich nicht auf eine Unverhältnismäßigkeit berufen. Der Ausbau und die weitere Nutzung des Weges ohne hinreichende schuldrechtliche oder dingliche Absicherung sei grob fahrlässig. Hieraus folge eine Relativierung des Vertrauensschutzes an der Wahrung des Bestandes. Die Beklagte sei ohnedies gehalten, nach rechtlich zulässigen Alternativen zu suchen, sofern sie die Erschließung der Wochenendhaussiedlung aus öffentlich-rechtlicher Sicht weiterhin für erforderlich ansehen sollte.
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Die Beklagte ließ unter dem 16. Oktober 2019 vortragen, dass im weiteren Verlauf des Weges unstreitig Häuser belegen seien, die über bestandskräftige Baugenehmigungen aus früheren Zeiten verfügten. Auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BayBO werde hingewiesen. Der Weg sei als Rettungsweg dringend erforderlich. Das Versperren hätte zur Folge, dass Rettungskräfte nicht mehr oder nicht rechtzeitig die dahinter liegenden Grundstücke erreichen könnten. Mit einer Sperre oder Schranke gingen im Rettungsfall akute Gefahren für Leben und Gesundheit einher. Es gebe keine Möglichkeit, die Häuser mit Rettungsfahrzeugen von oberhalb zu erreichen. Es könne nicht ins Ermessen der Kläger gestellt werden, ob und wie schnell sie den Weg für die Feuerwehr oder andere Rettungsfahrzeuge öffnen würden, zumal die Kläger in … lebten und nicht abzusehen sei, ob sie sich zu dem maßgeblichen Zeitpunkt auf dem Grundstück aufhalten würden. Der Weg diene außerdem zur Versorgung einer 110-KVBahnstromleitung. Die Befahrbarkeit entlang der Leitungsachse sei zur Gewährleistung eines sicheren Betriebs der Anlage sicherzustellen. Mit bestandskräftiger Verfügung an die Kläger vom 22. November 2012 habe das Landratsamt … die Errichtung von drei Metallpfosten unter Berufung auf Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 BayBO untersagt, weshalb die Beklagte nicht zur Duldung einer Sperrung verurteilt werden könne, da dies bestandskräftig verboten sei. Die Beklagte berufe sich auf Verwirkung des Anspruchs. Die Nutzung des Uferweges durch Pkw finde unstreitig seit mindestens 50 Jahren statt. Der Weg sei ein über 100-jähriger T.weg, der auch in der historischen Karte des Vermessungsamtes … aus dem Jahr 1851 eingezeichnet sei. Gemäß Art. 184 Satz 1 EGBGB blieben solche Rechte, mit denen eine Sache am 1. Januar 1900 belastet gewesen sei, mit dem sich aus den bisherigen Gesetzen ergebenden Rang und Inhalt bestehen. Dies gelte auch für die nicht im Grundbuch eingetragenen Rechte. Für die Verwirkung sei nicht ausschlaggebend, wann die Kläger das Grundstück erworben hätten. § 226 BGB, der auch im öffentlichen Recht gelte, verbietet die Ausübung eines Rechts mit dem Ziel, anderen Schaden zuzufügen. Die Kläger hätten das Grundstück beim Erwerb kraft eigener Anschauung gekannt und gewusst, dass es sich um ein Grundstück im Außenbereich mit einem seit vielen Jahrzehnten bestehenden Wanderweg handele, der die flussabwärts gelegenen Grundstücke einer Ferienhaussiedlung erschließe und der touristisch relativ stark frequentiert sei. Den Klägern gehe es darum, den dahinter gelegenen Hauseigentümern und Besitzern den Zugang zu ihren Häusern massiv zu erschweren und zu vereiteln, weil sie selbst keine Baugenehmigung erlangen könnten. Das sei unzulässige Schikane.
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Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12. Mai 2020 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die Kläger haben einen Anspruch auf gerichtliche Feststellung, wonach sie berechtigt sind, den über ihr Grundstück verlaufenden Weg zu sperren.
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1. Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob und mit welchem Inhalt eine auf dem streitigen Grundstück lastende öffentlich-rechtliche Verpflichtung besteht, im Rahmen derer die Beklagte von den Klägern eine Duldung des öffentlichen Verkehrs verlangen und dementsprechende Anordnungen treffen kann, während die Kläger der Auffassung sind, dass sie aus ihrem Eigentumsrecht eine Sperrung beanspruchen können. Dies begründet für die Kläger ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung in Bezug auf einen konkreten straßenrechtlichen Sachverhalt (vgl. VG München, U.v. 17.01.2018 - M 2 K 17.624 - juris Rn. 16 ff. m.w.N.).
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Den Klägern fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis wegen des von der Beklagten mit Schriftsatz vom 11. Mai 2020 vorgelegten Vergleichsangebots auf Vornahme einer zufahrtsbeschränkenden Beschilderung. Mit der Klage wollen die Kläger festgestellt wissen, dass sie die Benutzung der streitbefangenen Fläche weder im Rahmen des Gemeingebrauchs (Art. 14 BayStrWG) noch als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche zu dulden haben, während die Beklagte durch ihr Vergleichsangebot gerade daran festhalten will.
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2. Die Feststellungsklage ist begründet. Die Kläger sind im Rahmen ihrer aus dem Eigentumsrecht folgenden Rechtsmacht (Art. 14 GG, § 903 BGB) berechtigt, die Allgemeinheit von der Benutzung der auf ihrem Grundstück verlaufenden Wegefläche auszuschließen und diese zu sperren. Der Anspruch auf Sperrung des Wegs wird auch gegen die Stadt … als richtiger Beklagter geltend gemacht mit dem Inhalt, eine Sperrung durch die Kläger zu dulden. Die Beklagte hat in der Vergangenheit durch unterschiedliche Maßnahmen deutlich gemacht, dass sie sich als Sicherheits- und Straßenverkehrsbehörde zuständig für die Regelungen der Benutzung dieser Fläche als Verkehrsfläche sieht und Eingriffe nicht hinnehmen wird. Zudem geht sie nach wie vor davon aus, dass eine Widmung als öffentliche Straße aufgrund altrechtlicher Wegedienstbarkeit vorliegt.
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Nach § 903 BGB kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Recht der Kläger zum Ausschluss der Allgemeinheit von der Nutzung des Wegs durch Sperrung der Flächen ist nicht durch einen Gemeingebrauch (Art. 14 BayStrWG) infolge einer öffentlich-rechtlichen Widmung nach Art. 6 BayStrWG oder Widmungsfiktion nach Art. 67 Abs. 4 BayStrWG eingeschränkt (hierzu a.). Die Nutzung als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche haben die Kläger wirksam widerrufen (hierzu b.). Sonstige Gründe, die einer Sperrung durch die Kläger entgegenstehen, sind nicht gegeben (hierzu c. bis e.).
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a. Die Kläger sind nicht verpflichtet, eine Benutzung der Wegefläche auf ihrem Grundstück aus Art. 14 BayStrWG zu dulden. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist die Benutzung einer Straße im Rahmen ihrer Widmung für den Verkehr jedermann gestattet (Gemeingebrauch). Bei der Fläche handelt es sich nicht um eine nach Art. 1 und Art. 6 BayStrWG dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße.
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Maßgeblich für die Eigenschaft als öffentliche Verkehrsfläche ist die Eintragung im Straßen- und Bestandsverzeichnis für Gemeindestraßen. Wurde eine Straße im Zuge der Erstanlegung des Bestandsverzeichnisses für Gemeindestraßen (vgl. Art. 67 Abs. 3 BayStrWG) im Bestandsverzeichnis unanfechtbar eingetragen, gilt diese nach Art. 67 Abs. 4 BayStrWG als gewidmet und erhält so die Eigenschaft einer öffentlichen Straße. Ist eine Straße demgegenüber nicht in das Bestandsverzeichnis aufgenommen, gilt sie nach Art. 67 Abs. 5 BayStrWG nicht als öffentliche Straße. Eine faktische oder konkludente Widmung gibt es nach bayerischem Straßen- und Wegerecht nicht (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 21.04.2016 - 8 B 15.129 - juris Rn. 21, m.w.N.). Eine ausdrückliche Widmung und Eintragung ins Straßen- und Bestandsverzeichnis liegt unstreitig nicht vor.
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Soweit die Beklagte darauf verweist, dass der Weg entlang des Mains seit alters her genutzt wurde, zunächst als T.weg, später dann mit Fuhrwerken und Pkw, hat dies keine Auswirkungen auf eine mögliche Duldungspflicht der Kläger aus Art. 14 BayStrWG. Selbst wenn Art. 67 Abs. 5 Satz 2 BayStrWG auf dessen Abs. 2 verweist und die Voraussetzungen des Abs. 2 vorgelegen hätten, führt dies nicht dazu, dass nach wie vor von einer öffentlichen gemeindlichen Straße auszugehen wäre. Dem Gesetzgeber ging es bei Inkrafttreten des BayStrWG darum, die öffentlich-rechtliche Widmung einer bestehenden Straße aufgrund alter Rechte zu sichern und sie dem Gemeingebrauch weiter zu erhalten. Jedoch ist eine solche altrechtliche Dienstbarkeit nur geeignet, die privatrechtliche Verfügungsbefugnis der Gemeinde für eine erstmalige Eintragung in das Bestandsverzeichnis zu verschaffen. Ihrer späteren Heranziehung für eine Widmung nach Art. 6 BayStrWG stünde indes die sogenannte Negativfiktion des Art. 67 Abs. 5 BayStrWG entgegen. Denn bei einer Wegefläche, die bei Erstanlegung nicht in das Bestandsverzeichnis aufgenommen wurde und insoweit von Art. 67 Abs. 5 BayStrWG „negativ erfasst“ wird, gelten die Widmung, die Zustimmung zur Widmung sowie die Widmungsbefugnis auf Grund eines nicht in das Grundbuch eingetragenen Altrechts als nicht mehr gegeben. Eine altrechtliche Dienstbarkeit kann daher keine privatrechtliche Verfügungsbefugnis i.S. von Art. 6 Abs. 3, Abs. 1 BayStrWG vermitteln. Ist ein Weg nicht in das Bestandsverzeichnis eingetragen, gilt er sonach nicht als öffentlicher Weg (vgl. BayVGH, U.v. 23.01.1998 - 8 B 93.4007; Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Kommentar, Stand März 2019, Rn. 12 ff. zu Art. 67). Die von der Beklagten ins Feld geführte sog. unvordenkliche Verjährung ist damit nicht geeignet, dem Weg die Eigenschaft als öffentlicher Weg nach dem BayStrWG zu verschaffen mit der Folge, dass die Kläger nicht verpflichtet sind, nach Art. 14 BayStrWG die Benutzung zu dulden und die Beklagte dies auch nicht von ihnen verlangen kann.
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Ob sich, wenn überhaupt, aus unvordenklicher Verjährung ein privatrechtlicher Anspruch Dritter, nämlich der Nutzer der Ferienhaussiedlung ergeben und/oder diesen ein Notwegerecht zustehen könnte, muss hier nicht entschieden werden, sondern ist ggf. durch die Zivilgerichte im Verhältnis der Kläger zu den Hinterliegern zu klären. Gleiches gilt für evtl. Ansprüche der Mitglieder des …vereins, der von der Beklagten ein am Main liegendes Grundstück gepachtet hat.
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b. Die Kläger haben die Nutzung des Weges als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche wirksam widerrufen.
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aa. Der Grundstücksstreifen entlang des Mains wird unstreitig seit längerem zum Erreichen der südlich gelegenen Grundstücke von den dortigen Nutzern mit zumindest stillschweigender Duldung der früheren Grundstückseigentümer befahren. Wenn eine ausdrückliche oder stillschweigende Freigabe durch den Berechtigten zur allgemeinen Verkehrsnutzung gegeben ist (insbesondere durch erkennbare äußere Umstände, lange Zeit), wobei überwiegender Anliegerverkehr ausreichend ist, liegt eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche nach § 1 StVG vor, die den Regeln der StVO unterworfen ist mit der Folge, dass der Berechtigte keine Verkehrshindernisse errichten darf (vgl. Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl., 2010, Rn. 577 ff.; BayVGH, U.v. 26.02.2013 - 8 B 11.1708). Die Zustimmung zur Benutzung kann widerrufen werden, der Grundstückseigentümer ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht ohne Weiteres berechtigt, den Weg selbst zu sperren, da dies eine unzulässige Selbsthilfe (§ 229 BGB) und verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2005 - 8 CS 04.3275). Er kann zur Wahrnehmung seiner Rechte aber die von der Rechtsordnung vorgesehenen behördlichen und gerichtlichen Mittel ergreifen und einen Folgenbeseitigungsanspruch gegen den Straßenbaulastträger oder seine Befugnis zur Ausübung seiner Eigentümerrechte durch Sperrung der Wegeflächen auf eigene Kosten durchsetzen. Letztere Möglichkeit besteht für ihn selbst dann noch, wenn ein Folgenbeseitigungsanspruch gegen den Straßenbaulastträger infolge Verjährung erloschen ist. Denn die Ausübung des Eigentumsrechts ist nach § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB unverjährbar. Einem Verfügungsberechtigten bleibt es unbenommen, eine zur Nutzung durch die Allgemeinheit erteilte Zustimmung grundsätzlich jederzeit zu widerrufen (vgl. BayVGH, U.v. 26.02.2013, a.a.O., m.w.N. und U.v. 21.04.2016 - 8 B 15.129).
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Einem Widerruf durch die Kläger steht damit eine Verjährung eines möglichen Folgenbeseitigungsanspruchs (wie im Verfahren … im Hinblick auf die Beseitigung der Wegefläche festgestellt wurde) nicht entgegen, da die aus dem Eigentumsrecht hergeleiteten Ansprüche aus § 902 BGB nicht der Verjährung unterliegen. Ob sich die Kläger explizit mit einem Antrag an die Beklagte gewandt und mitgeteilt haben, dass sie eine Nutzung als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche fortan nicht mehr dulden wollen und von der Beklagten eine Sperrung verlangen, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Jedenfalls haben sie (und die Kläger im Verfahren … bei gleichgelagertem Sachverhalt) im Rahmen der jahrelangen Auseinandersetzungen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Nutzung des Weges durch die Hinterleger nicht mehr zulassen wollen. Hierfür spricht u.a. die Errichtung von Metallpfosten durch die Kläger im Jahre 2012, was vom Landratsamt mit Bescheid vom 22. November 2012 aus baurechtlichen Gründen untersagt wurde.
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bb. Dem Widerruf steht auch nicht die Verwirkung des Rechts entgegen.
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Nach dem auch im Verwaltungsrecht geltenden, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ableitbaren Rechtsgedanken der Verwirkung kann ein Recht dann nicht mehr ausgeübt werden, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Inhaltlich stellt sie den Hauptanwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) dar. Die Verwirkung eines Rechts setzt außer der Untätigkeit des Berechtigten während eines längeren Zeitraums voraus, dass besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Zeitmoment), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Umstandsmoment) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen entsprechend eingerichtet hat. Das Zeit- und das Umstandsmoment müssen kumulativ vorliegen, damit von einer Verwirkung ausgegangen werden kann, wobei oftmals beide Elemente nicht isoliert voneinander betrachtet werden können, sondern ineinander übergehen können. Ein Rechtsverlust durch Verwirkung kann ferner nur eintreten, wenn die verzögerte Geltendmachung des Rechts ursächlich für bestimmte Dispositionen des Verpflichteten ist und gerade im Hinblick auf das durch Untätigkeit des Berechtigten geschaffene und betätigte Vertrauen des Verpflichteten die verspätete Geltendmachung des Rechts als treuwidrig erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 9.05.2006 - 8 ZB 05.1473, m.w.N.).
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Diese Voraussetzungen einer Verwirkung sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die tatsächlichen Gegebenheiten stellen sich so dar, dass der über das klägerische Grundstück führende Weg (bis 2011 ein Wander- und W.weg) entlang des Mains zumindest seit den 1950er Jahren mit motorisierten Fahrzeugen befahren wird, da seit jener Zeit sukzessive die Wochenendhäuser errichtet wurden. Auch dürfte zutreffend sein, dass in der Vergangenheit die früheren Eigentümer des Grundstücks keine Einwände gegen die (sich wohl im Umfang stetig steigernde) Benutzung hatten bzw. dies nie zum Ausdruck gebracht haben. Andererseits hat aber auch die Beklagte in der Zeit vor Ertüchtigung des Wegs keine Maßnahmen ergriffen, straßenrechtlich rechtmäßige Zustände herzustellen.
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Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks durch die Kläger im Jahr 2009 trat die Beklagte bezüglich des Wochenendhausgebiets in Planungen ein. Sie ließ im Jahr 2014 einen Vorentwurf eines Bebauungs- und Grünordnungsplans „Sondergebiet Wochenendhausgebiet …“ anfertigen (Bl. 98 ff. der Gerichtsakte), der zum Ziel hatte, planungsrechtliche Vorgaben zum Schutz des bestehenden Zustands sowie den Rahmen für eine Nachverdichtung zu schaffen. Zur innergebietlichen Erschließung wird darin ausgeführt, dass der bestehende, bisher nicht öffentlich ausgewiesene Wirtschaftsweg als öffentliche Verkehrsfläche ausgewiesen und von der Stadt unterhalten werden solle. Das Grundstück der Kläger ist von diesem Entwurf erfasst und für eine Bebauung mit einem Wochenendhaus vorgesehen. Im Rahmen des Bauvorbescheidsantrags der Kläger auf Errichtung eines Wochenendferienhauses hat die Beklagte ihr Einvernehmen erteilt und angeführt, dass die Erschließung über den Privatweg am Main erfolgen solle (vgl. Bl. 125 der Gerichtsakte). Die Kläger haben, als sich die beabsichtigte baurechtliche Neuordnung nicht realisieren ließ, auf eine Sperrung des Weges gedrungen. Zwar ist den Klägern entgegenzuhalten, dass ihnen wohl bewusst war bzw. bewusst hätte sein müssen, dass für ein baurechtliches Verfahren nicht die Beklagte zuständig ist, jedoch war andererseits auch der Beklagten bekannt, dass das weitere Zurverfügungstellen der Fläche für die Kläger eng zusammenhing mit der Realisierung der klägerischen Pläne. Anders sind die Stellungnahmen der Beklagten und ihr Handeln in diesem Zeitraum nicht zu verstehen. Die Beklagte konnte daher aus dem Verhalten der Kläger keinesfalls schließen, dass diese ihren aus dem Eigentumsrecht resultierenden Anspruch auf Widerruf nicht mehr geltend machen würden.
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Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die Rechtsvorgänger der Kläger die Benutzung des Weges widerspruchslos geduldet hätten und die Kläger sich dies zurechnen lassen müssten, verfängt dieses Argument nicht. Abgesehen davon, dass für eine Verwirkung sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment kumulativ vorliegen müssen, ist dem entgegenzuhalten, dass bloßes Schweigen oder Nichtstun allein in der Regel nicht ausreichend ist. Die Kläger machen Ansprüche aus ihrem Eigentumsrecht geltend, die Grundsätze über die Verwirkung z.B. nachbarrechtlicher Abwehransprüche, bei denen eine Zurechnung der Kenntnis des Rechtsvorgängers angenommen wird, greifen insoweit nicht. Der Sachverhalt ist auch nicht vergleichbar mit der Entscheidung des BayVGH vom 9. Mai 2006 (Az. 8 ZB 05.1473), denn die Beklagte hat in der Vergangenheit gerade nichts unternommen, um straßenrechtlich rechtmäßige Zustände herzustellen, sondern sich darauf verlassen, dass die stillschweigende Duldung weiterbestehen werde. Darüber hinaus hat sich gerade durch die beabsichtigte Beplanung des Gebiets, die in diesem Zusammenhang errichteten Erschließungsanlagen (Wasser, Abwasser) und die Anlage eines Schotterwegs (statt den bisher bestehenden Fahrspuren) ein veränderter Sachverhalt ergeben, wogegen sich die Kläger in angemessener Zeit gewendet haben. Schließlich entstehen der Beklagten selbst durch die geforderte Sperrung des Wegs keine unzumutbaren Nachteile. Ob den Nutzern der Wochenendhaussiedlung ein Notwegerecht zusteht und in welchem Umfang ein solches Recht (ggf. gegen Vergütung) zu gewähren ist, ist zwischen diesen und den Klägern auf dem Zivilrechtsweg zu klären.
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c. Die Kläger hätten dann keinen Anspruch auf Feststellung, dass sie berechtigt sind den Weg zu sperren, wenn ihnen diese Sperrung aus Rechtsgründen wieder untersagt werden könnte, d.h. wenn die Beklagte befugt wäre, eine entsprechende Anordnung zu erlassen.
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Vorab ist auszuführen, dass im vorliegenden Verfahren nicht zu klären ist, auf welche konkrete Art und Weise eine Sperrung durchgeführt werden kann und ob diese ggf. im jeweiligen Fall gegen Gesetze verstoßen würde. Die Kläger haben erklärt, für die Rettungsdienste und sonstige Personen, die ein berechtigtes Interesse haben (z.B. Wartungsdienst für die S.strasse) einen ungehinderten Zugang zu gewährleisten. Auch für Fußgänger soll das Grundstück nach wie vor passierbar sein (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2019). Es obliegt den Klägern sicherzustellen, mit welchen Mitteln unter Wahrung der einschlägigen gesetzlichen Normen dies gewährleistet werden kann.
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aa. Die Rechtsgrundsätze, die im Verfahren …betreffend die Kläger des Parallelverfahrens …(Beseitigung der Baugrube und Freihaltung des Weges für Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge; Bescheid der Beklagten vom 3. September 2015) zum Tragen kamen, sind vorliegend nicht mehr anwendbar. Die Kläger haben ihre Einwilligung zur Nutzung als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche widerrufen, so dass die Vorschriften der StVO nicht mehr zur Anwendung kommen. Im Übrigen haben die Kläger mehrfach erklärt, dass sie durch geeignete Maßnahmen ggf. in Absprache mit den jeweiligen Stellen ein Befahren bei einem Notfall (Feuerwehr, Krankenwagen etc.) ermöglichen werden.
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bb. Soweit die Beklagte auf baurechtliche Vorschriften abhebt, die der Sperrung entgegenstehen sollen, fällt dies nicht in ihren Zuständigkeitsbereich, sondern ist vom Landratsamt im konkreten Einzelfall zu prüfen. Insbesondere steht der gegenüber den Klägern ergangene bestandskräftige Bescheid des Landratsamts … vom 22. November 2012 nicht entgegen. Dabei handelt es sich um eine Baueinstellung aus formellen Gründen nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 BayBO. Die Kläger werden bei evtl. Sperrmaßnahmen abzuklären haben, ob diese baurechtlich genehmigungspflichtig und -fähig sind.
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Mit dem Hinweis, dass bei einer Sperrung des Weges ein Verstoß gegen Art. 5 BayBO gegeben sei, weil die Wochenendhäuser nicht mehr hinreichend erschlossen seien, verhält es sich genauso. Gerade dieses Argument zeigt vielmehr, dass in der Vergangenheit der Frage der hinreichenden Erschließung der Wochenendhäuser wohl nicht ausreichend nachgegangen wurde. Im Übrigen lassen die Kläger - wie bereits ausgeführt - Rettungsdienste passieren um im Notfall zu den Wochenendhäusern zu gelangen.
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cc. Die gleichen Grundsätze gelten für die von der Beklagten ins Feld geführten naturschutzrechtlichen Belange, insbesondere aus Art. 141 BV und Art. 33 BayNatSchG. Zunächst ist festzuhalten, dass vom Schutzbereich auf freien Zugang zur Natur nicht das Befahren mit Pkw umfasst ist. Die Kläger haben erklärt, dass Fußgänger ungehindert passieren können. Im Übrigen bleibt es dem Landratsamt als unterer Naturschutzbehörde nach Art. 43 Abs. 3 BayNatSchG vorbehalten zu überprüfen, ob und welche Maßnahmen gegen naturschutzrechtliche Vorschriften verstoßen bzw. genehmigungspflichtig und -fähig sind.
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d. Das aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entwickelte und von der Beklagten ins Feld geführte Schikaneverbot (§ 226 BGB) greift nicht. Dies wäre nur dann gegeben, wenn das Verhalten der Kläger diesen außer dem Zweck der Schadenszufügung keinen anderen objektiven Vorteil bringen würde. Wenn ein berechtigtes Interesse auch nur mitbestimmend ist, scheidet Schikane aus (vgl. BeckOK BGB/Dennhardt, 53. Ed. 1.2.2020, BGB § 226 Rn. 5).
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Es mag durchaus zutreffen, dass die Kläger den Weg aus Verärgerung darüber sperren, dass sie kein Baurecht für ein Wochenendhaus auf ihrem Grundstück erreichen können, während in unmittelbarer Nähe seit langem eine Wochenendhaussiedlung steht und diese Häuser nur deshalb so genutzt werden können, weil das Grundstück der Kläger als Zufahrt dient. Die Kläger haben jedoch ein aus dem Eigentumsrecht resultierendes Recht, über ihr Eigentum in der Weise zu verfügen, wie es ihnen beliebt, da Rechte Dritter nicht entgegenstehen (siehe die vorgehenden Ausführungen). Wenn die Kläger weiterhin die streitige Fläche als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche den Anliegern zur Nutzung zur Verfügung stellten, wären sie verkehrssicherungspflichtig, d.h. sie hätten die notwendigen Maßnahmen und Vorkehrungen zur Verkehrssicherung zu treffen. Dies gilt umso mehr, als der einstmals als einfacher W.weg bestehende Fahrweg auf dem Wiesengrundstück nach den Baumaßnahmen der Beklagten in den Jahren 2010 bis 2011 (Schotterweg mit zwei Fahrspuren) nunmehr einen besseren Ausbauzustand erreicht hat, auf den sich die Nutzer eingestellt haben. Im Falle der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hätten die Kläger mit Schadensersatzansprüchen zu rechnen. Zumindest eine Eingrenzung der Nutzung, wie sie die Kläger beabsichtigen, und ggf. die Möglichkeit, eine Nutzungsentschädigung zu verlangen, stellt ein legitimes Interesse der Kläger dar.
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e. Ob und in welchem Umfang die Nutzer der Wochenendhaussiedlung und der Pächter des städtischen Grundstücks (* …verein) einen Anspruch auf Benutzung des Weges haben, ist eine Frage des privatrechtlichen Notwegerechts nach § 917 BGB und von diesem Personenkreis vor den Zivilgerichten einzuklagen. Hierbei wird es im jeweiligen Einzelfall wohl auch darauf ankommen, ob die Grundstücke anderweitig angemessen erreichbar sind bzw. wie sich die baurechtliche Situation der einzelnen Anwesen darstellt (vgl. BGH, U.v. 24.01.2020 - V ZR 155/18). Dies ist aber im vorliegenden Verfahren, in dem es um das Rechtsverhältnis der Kläger zur Beklagten geht, nicht zu prüfen. Sonstige Gesichtspunkte dafür, dass die Interessen der Beklagten gerade unter dem Gesichtspunkt der Befahrbarkeit des Weges durch die Nutzer der Wochenendhäuser betroffen sein könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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2. Der Klage ist daher stattzugeben. Die Beklagte trägt als unterliegende Partei nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
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3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.