Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 11.03.2020 – W 4 S 20.50079
Titel:

Keine systematischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in Rumänien

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 34a
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsätze:
1. Die Überstellung eines Asylsuchenden an einen anderen Mitgliedstaat ist erst zu unterlassen, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden dieses Mitgliedstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihrer persönlichen Entscheidung in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische und psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einem Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (Anschluss an EuGH BeckRS 2019, 3600 Rn. 92). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach den vorliegenden, aktuellen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass in Rumänien keine generellen systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen herrschen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abschiebungsanordnung nach Rumänien, keine systemischen Mängel des Asylverfahrens in Rumänien bei Folgeantragstellung, Abschiebungsverbot, Asylantrag, systematische Mängel, Rumänien, extreme materielle Not, Verelendung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 4066

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird für dieses Verfahren und das Hauptsacheverfahren (W 4 K 20.50078) abgelehnt.

Gründe

I.
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1. Der Antragsteller, ein somalischer Staatsangehöriger, reiste am 11. Dezember 2019 ins Bundesgebiet ein und stellte am 27. Dezember 2019 einen förmlichen Asylantrag. Die Anhörung des Antragstellers durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) fand am 14. Januar 2020 statt. Auf die dabei gemachten Angaben des Antragstellers wird Bezug genommen.
2
Ausweislich der Eurodac-Treffer-Abfrage durch das Bundesamt am 18. Dezember 2019 hatte der Antragsteller bereits im August 2019 in Rumänien und im Oktober 2019 in Österreich einen Asylantrag gestellt. Das Bundesamt richtete daraufhin am 16. Januar 2020 ein Übernahmeersuchen an die rumänischen Behörden. Diese haben mit Schreiben vom 29. Januar 2020 der Übernahme des Antragstellers unter Bezugnahme auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO zugestimmt.
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Mit Bescheid vom 10. Februar 2020 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 2) und ordnete die Abschiebung des Antragstellers nach Rumänien an (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wurde auf 9 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Hinsichtlich der Begründung wird auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
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2. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 19. Februar 2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ der Antragsteller Klage (W 4 K 20.50078) gegen den Bescheid des Bundesamts erheben und ließ im vorliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamts vom 10. Februar 2020 anzuordnen.
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Begründet wurde der Antrag im Wesentlichen damit, dass der Asylantrag des Klägers in Rumänien abgelehnt worden sei, so dass er dort nur noch einen Folgeantrag stellen könne. Folgeantragsteller erhielten in Rumänien jedoch keinerlei Unterstützung, so dass mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden müsse, dass dem Antragsteller, der der rumänischen Spräche nicht mächtig sei und an arterieller Hypertonie leide und somit als vulnerable Person anzusehen sei, dort Obdachlosigkeit und existenzielle Not drohten. Insoweit sei für den Antragsteller jedenfalls ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG auszusprechen.
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3. Das Bundesamt hat mit Schriftsatz vom 20. Februar 2020 für die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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Wegen der Begründung bezog sich das Bundesamt auf den angefochtenen Bescheid. Ergänzend führte es aus, dass keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass im Falle einer Rücküberstellung abgelehnter Asylantragsteller nach Rumänien dort keine adäquate Versorgung gewährleistet sei. Auch der UNHCR habe keine genreelle Empfehlung ausgesprochen, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Rumänien zurück zu überstellen.
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4. Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt, die Akten im Verfahren W 4 K 20.50078, die beigezogenen Behördenakten sowie auf die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
II.
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Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
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Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise anordnen, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse überwiegt. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 - 1 BvR 165/09 - NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 - 26 CS 87.01144 - BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 68 und 73 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
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Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 10. Februar 2020 ist bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, so dass das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse des Antragstellers, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, überwiegt.
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1. Rumänien ist gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig (vgl. § 34a, § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG). Die rumänischen Behörden haben ausdrücklich ihre dahingehende Zuständigkeit bejaht.
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Die Voraussetzungen der vorgenannten Vorschriften über die Aufnahmepflicht Rumäniens sind ebenfalls erfüllt. Insbesondere wurde das Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO rechtzeitig nach Kenntnis von der Eurodac-Treffermeldung an die rumänischen Behörden gerichtet. Diese haben dem Wiederaufnahmegesuch zugestimmt. Damit ist Rumänien verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs wieder aufzunehmen (Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO).
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2. Die Überstellung an Rumänien ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO.
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2.1. Diese Vorschrift entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (z.B. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417). Danach ist eine Überstellung eines Asylsuchenden an einen anderen Mitgliedstaat nur dann zu unterlassen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der (rück-)überstellten Asylsuchenden im Sinne von Art. 4 Grundrechte-Charta (GRC) zur Folge hätte.
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Nach der insoweit sehr restriktiven Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 19.3.2019 - C 297/17 u.a. - juris) können Schwachstellen des Asylsystems nur dann gegen das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verstoßen, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen. Diese Schwelle ist nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK (vgl. Art. 6 Abs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 3 GRC) erst erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 - C 297/17 u.a. - juris Rn.89 ff.; aus der Rechtsprechung des EGMR siehe etwa EGMR, U.v. 4.11.2014 - 29217/12 - NVwZ 2015, 127 ff.). Selbst große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse erreichen diese Schwelle nicht, wenn sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren diese Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 - C 297/17 u.a. - juris Rn. 89 ff.).
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2.2 Das Gericht geht nach den vorliegenden, aktuellen Erkenntnissen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Rumänien, Gesamtaktualisierung vom 14.6.2019; U.S. Departement of State, Human Rights Report Romania vom 13.3.2019; AIDA, Country Report: Romania, Stand: 31.12.2018) davon aus, dass in Rumänien keine generellen systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen mit der Folge gegeben sind, dass Asylbewerber mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen, die sich das Gericht zu eigen macht (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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Ergänzend ist hierzu noch Folgendes auszuführen: In Rumänien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit. Dublin-Rückkehrer haben Zugang zum Asylverfahren. Das rumänische Asylverfahren, auch bei im Dublin-Verfahren rücküberstellten Personen, basiert auf den einschlägigen Richtlinien der EU und orientiert sich rechtlich und tatsächlich an den damit verbundenen europäischen Standards. Erkenntnisse über Abweichungen von rechtsstaatlichen Grundsätzen und europäischen Richtlinien im rumänischen Asylsystem sowie in der rumänischen Praxis liegen dem Gericht nicht vor. Ein Asylsuchender wird in Rumänien angehört und hat bei der negativen Entscheidung einen Anspruch auf mindestens einen Rechtsbehelf. Nach Rumänien rücküberstellte Asylbewerber genießen gesetzlich festgelegte Rechte. Die Asylbewerber erhalten finanzielle Leistungen sowie Unterbringung in einer offenen Aufnahmeeinrichtung der Ausländerbehörde und Versorgung. Die Unterbringung in geschlossenen Räumlichkeiten erfolgt nur in bestimmten gesetzlich festgelegten Situationen, wenn z.B. das Risiko besteht, dass sich der Schutzsuchende dem Verfahren entzieht, oder wenn dieser die nationale Sicherheit gefährdet. Fälle unfreiwilliger Obdachlosigkeit sind nicht bekannt. Wenn das Asylverfahren noch anhängig ist, besteht die Möglichkeit nach drei Monaten auf Zugang zum rumänischen Arbeitsmarkt. Die Asylsuchenden erhalten in Rumänien auch rechtliche Beratung. Der Zugang zum Gesundheitssystem steht allen Asylsuchenden und auch den Rücküberstellten kostenlos zur Verfügung. Die Stellung von Folgeanträgen ist möglich, wenn wichtige neue Elemente vorgebracht werden. Wird der Folgeantrag zugelassen, hat der Antragsteller dieselben Rechte wie beim Erstantrag BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Rumänien, 14.8.2015. (siehe zum Vorstehenden BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Rumänien, Gesamtaktualisierung vom 14.6.2019; U.S. Departement of State, Human Rights Report Romania vom 13.3.2019; AIDA, Country Report: Romania, vom 31.12.2018; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Rumänien, 14.8.2015). Im Ergebnis bestehen daher keine rechtlichen Bedenken gegen eine Überstellung nach Rumänien (ebenso zuletzt etwa VG Ansbach, B.v. 28.11.19 - AN 17 S 19.51025 - juris; VG Würzburg, B.v. 7.10.2019 - W 8 S 19.50715 - juris; VG Regensburg, U.v. 17.4.2019 - RO 6 K 17.52358 - juris; VG Ansbach, U.v. 17.4.2019 - AN 17 K 18.50614 - juris; VG Lüneburg, U.v. 13.3.2019 - 8 B 51/19 - juris jeweils m.w.N. zur Rechtsprechung sowie zu Erkenntnissen; ferner BayVGH, B.v. 25.6.2018 - 20 ZB 18.50032 - juris).
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2.3. Eine andere Bewertung rechtfertigt auch der Vortrag des Antragstellers nicht. Denn auch wenn vorliegend bei realistischer Betrachtungsweise davon auszugehen ist, dass der Antragsteller in Rumänien nur noch einen Folgeantrag wird stellen können, da die Ablehnung seines Asylantrags auch gerichtlich bestätigt wurde (vgl. hierzu Blatt 104), so ist nach Auffassung des Gerichts unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnismittel nicht davon auszugehen, dass dem Antragsteller aufgrund dieser Tatsache dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts selbst dann, wenn man unterstellt, dass Folgeantragsteller in Rumänien bis zur Entscheidung über die Zulassung ihres Folgeantrags von materiellen Leistungen ausgeschlossen sind (so AIDA, Country Report: Romania, Stand: 31.12.2018, S. 75 unter Bezug auf Art. 88 des rumänischen Asylgesetzes; vgl. hierzu auch VG Düsseldorf, B.v. 8.3.2018 - 22 L 4112/17.A - juris; VG Darmstadt, B.v. 26.11.2018 - 1 L 635/18.DA.A; VG Lüneburg, U.v. 13.3.2019 - 8 B 51/19 - juris Rn. 22) und frühestens nach Ablauf von drei Monaten nach Zulassung ihres Folgeantrags (wieder) arbeiten können (in diesem Sinne Departement of State, Human Rights Report Romania vom 13.3.2019, S. 18).
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Denn nach der vorliegenden Erkenntnismitteln ist davon auszugehen, dass der Antragsteller bei seiner Rücküberstellung nach Rumänien zunächst ohnehin in Gewahrsam genommen wird (vgl. hierzu BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Rumänien, Gesamtaktualisierung vom 14.6.2019, S. 6), da er Rumänien vor Abschluss seines Asylverfahrens verlassen hat (die Ablehnung des Asylantrags wurde am 19.11.19 in Rumänien gerichtlich bestätigt, bereits am 16.10.19 hatte der Antragsteller einen weiteren Asylantrag in Österreich gestellt, vgl. Blatt 2 und 104 BA). Ob diese (wohl allgemeine) Praxis der Ingewahrsamnahme in derartigen Fällen in Rumänien mit dem Unionsrecht vereinbar ist, kann vorliegend dahinstehen. Denn jedenfalls im Fall des Antragstellers, der nicht nur in Rumänien vor Abschluss seines Asylverfahrens untergetaucht ist, sondern auch in Österreich, wäre eine Ingewahrsamnahme bzw. Inhaftierung unter Berücksichtigung des Art. 8 Abs. 3 Buchst. b) RL 2013/33/EU zweifelsfrei unionrechtskonform. Dass die Haftbedingungen von Asylbewerbern in Rumänien nicht den Vorgaben des Unionsrechts entsprechen würden bzw. gegen Art. 4 GRC i.V.m. Art. 3 EMRK verstießen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. hierzu AIDA, Country Report: Romania, Stand: 31.12.2018, S. 104 ff.). Insbesondere haben Inhaftierte dort auch Zugang zu medizinischer Versorgung (AIDA, Country Report: Romania, Stand: 31.12.2018, S. 104). Eine Obdachlosigkeit oder existenzielle Notlage droht dem Antragsteller in diesem Fall also nicht.
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Aber selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass der Antragsteller nach seiner Rücküberstellung nach Rumänien nicht in Gewahrsam genommen wird, so droht dort jedenfalls dem Antragsteller als Mann mittleren Alters ohne nennenswerte Vorerkrankung unter Zugrundelegung der insoweit sehr strengen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine gegen Art. 4 GRC i.V.m. Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung. Denn die Schwelle hierfür wäre erst erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der rumänischen Behörden zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände.
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In Rumänien gibt es jedoch eine ganze Reihe von NGOs, die Asylbewerber mit Nahrung und Unterkunft versorgen und auch sonstige Notfalldienste zur Verfügung stellen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Rumänien, Gesamtaktualisierung vom 14.6.2019, S. 11). Dem Antragsteller wäre es daher auch in dieser Situation, also wenn er bei seiner Rückkehr nach Rumänien nicht in Gewahrsam genommen wird, zumutbar, sich an eine NGO vor Ort zu wenden, um ggf. den zeitlich allenfalls wenige Wochen umfassenden Zeitraum von seiner Folgeantragstellung - sofern der Antragsteller einen solchen überhaupt stellt - bis zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Folgeantrags zu überbrücken. Da alle Dublin-Rückkehrer am Flughaften empfangen werden (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Rumänien, Gesamtaktualisierung vom 14.6.2019, S. 6), wird es dem Antragsteller auch möglich sein, ggf. entsprechende Informationen über eine solche NGO direkt bei seiner Ankunft in Rumänien einzuholen. Sollte ein etwaiger Folgeantrag in der Folge zugelassen werden, hat der Antragsteller dann dieselben Rechte wie beim Erstantrag (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Rumänien, 14.8.2015, S. 6). Auch in diesem Fall droht dem Antragsteller daher keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.
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3. Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin ermessensfehlerhaft keinen Gebrauch von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO gemacht hat. Insbesondere ist eine besondere Vulnerabilität des Antragstellers, der lediglich an einer arteriellen Hypertonie leidet, nicht erkennbar. Etwas anderes ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem vorgelegten Arztbrief des KH Leopoldina Schweinfurt vom 20.1.2020.
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4. Auch Abschiebungsverbote liegen unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen unter II. 2. und 3. nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht vor.
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5. Schließlich sind auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die die Antragsgegnerin vorliegend selbst zu berücksichtigen hätte, nicht ersichtlich.
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Somit ist die Abschiebung des Antragstellers nach Rumänien rechtlich zulässig und möglich.
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6. Nachdem die Klage in der Hauptsache voraussichtlich erfolglos bleiben wird, überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung des Bescheides, so dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen war.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
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7. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten im Sinne von § 114 Abs. 1 ZPO waren die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in diesem Verfahren sowie im Hauptsacheverfahren W 4 K 20.50078 abzulehnen.