Titel:
Keine höhere Witwenrente bei Klage gegen eine Rentenanpassungsmitteilung
Normenkette:
SGB X § 31
Leitsätze:
1. Rentenanpassungsmitteilungen enthalten selbständig anfechtbare Verwaltungsakte, nämlich die wertmäßigen Fortschreibungen eines bereits zuerkannten Werts des Rechts auf Rente durch Feststellung des Veränderungsfaktors. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Diese Feststellungen stehen rechtlich und faktisch neben den Feststellungen des jeweiligen Geldwerts eines Rechts oder Anspruchs, denn insoweit wird nicht über den Geldwert des Rechts auf Rente, sondern ausschließlich über den Grad der Anpassung entschieden. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Enthält eine Rentenanpassungsmitteilung keinen weitergehenden Regelungsgehalt als den geänderten Rentenwert, kann allein deshalb schon nicht die Nichtanrechnung einer bezogenen Erwerbsminderungsrente auf eine zu gewährende große Witwenrente verlangt werden. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rentenanpassung, Witwenrente, Erwerbsminderungsrente, Veränderungsfaktor, Regelungsgehalt, Rentenwert
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 26.08.2020 – L 19 R 272/20
BSG Kassel, Beschluss vom 19.10.2020 – B 13 R 230/20 B
Fundstelle:
BeckRS 2020, 40576
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob der 1956 geborenen Klägerin ab 01.07.2019 eine höhere Witwenrente aus der Versicherung ihres Ehemann, geb. 1954, verst. 2017, zu gewähren ist.
2
Mit Bescheid vom 19.10.2017 gewährte die Beklagte der Klägerin auf deren Antrag vom 04.10.2017 hin ab 01.10.2017 große Witwenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes, geb. 1954, verst. 2017. Dieser Bescheid enthielt unter dem Punkt „Berechnung der Rente“ den Hinweis, dass die Rente ab 01.01.2018 (= Ablauf des Sterbevierteljahres) um das anzurechnende Einkommen in Höhe von 73,85 Euro zu mindern sei. Unter dem Punkt „Zusammentreffen von Rente und Einkommen“ teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Erwerbseinkommen die Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sei, dass diese 1153,80 Euro betrage, dass davon 13% abzuziehen seien und dass sich damit eine zu berücksichtigende Rente von 1.003,81 Euro ergebe. Auf die Witwenrente sei das Einkommen anzurechnen, dass das 26,4-fache des aktuellen Rentenwertes von 31,03 Euro (Freibetrag) übersteige, d. h. 819,19 Euro (= 31,03 Euro x 26,4). Da das Einkommen den Freibetrag um 184,62 Euro übersteige und davon 40% anzurechnen sei, ergäbe sich am 01.10.2017 ein anzurechnendes Einkommen von 73,85 Euro.
3
Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.
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Mit Rentenanpassungsmitteilung 2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Rentenbetrag der Witwenrente ab 01.07.2019 844,00 Euro betrage, dass davon der Beitragsanteil zur Krankenversicherung in Höhe 61,61 Euro, der Zusatzbeitrag des Rentners zur Krankenversicherung in Höhe von 5,91 Euro und der Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von 25,74 Euro abzuziehen seien und dass sich ein auszuzahlen Betrag in Höhe von 750,14 Euro ergäbe. Auch wies die Beklagte in dieser Rentenanpassungsmitteilung darauf hin, dass auf die Witwenrente Einkommen anzurechnen sei, dass das zu berücksichtigende Einkommen wegen der Rentenanpassung zum 01.07.2019 neu festzustellen sei, dass das monatliche Einkommen aus den Erwerbsersatzeinkommen für Juli 2019 zu ermitteln sei, dass das Erwerbsersatzeinkommen die Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sei und dass der monatliche Zahlbetrag ab 01.07.2019 1.130,72 Euro betrage, wobei die Rente bereits um den Beitragsanteil und um den zusätzlichen Beitrag zur Krankenversicherung sowie um den Beitrag zur Pflegeversicherung vermindert sei. Für die Einkommensanrechnung sei eine Rente in Höhe von 1.105,92 Euro zu berücksichtigen. Auf die Witwenrente sei das Einkommen anzurechnen, dass das 26,4-fache des aktuellen Rentenwertes von 33,05 Euro (Freibetrag) übersteige und somit 872,52 Euro (= 33,05 Euro x 26,4). Von diesem den Freibetrag übersteigenden Einkommen in Höhe von 233,40 Euro seien 40% anzurechnen, sodass das anzurechnende Einkommen ab 01.07.2019 93,36 Euro betrage. Die monatliche Rente vor der Einkommensanrechnung betrage 937,36 Euro, sodass sich abzüglich des anzurechnenden Einkommens in Höhe von 93,36 Euro ein monatlicher Rentenbetrag nach Einkommensanrechnung von 844,00 Euro ergebe.
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Gegen diese Rentenanpassungsmitteilung erhob die Klägerin mit Schreiben vom 04.08.2019 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass die Anrechnung von 93,36 Euro auf ihre Witwenrente sittenwidrig und unmenschlich sei, da ihr verstorbener Ehemann 48 Jahre lang hart gearbeitet habe, damit sie eine sichere soziale finanzielle Zukunft habe.
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Den Rechtsbehelf wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2019 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass auf Hinterbliebenenrenten gemäß den §§ 97 SGB VI i.V. m. 18a bis 18e SGB IV Einkommen von Berechtigten, das mit einer Rente zusammentreffe, angerechnet werde, dass zum Einkommen auch die Rente der gesetzlichen Rentenversicherung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gehöre, dass anrechenbar sei das Einkommen, dass monatlich das 26,4-fache des aktuellen Rentenwertes übersteige (§ 97 Abs. 2 Satz 1 SGB VI), dass die pauschalisierte Nettorente zum 01.07.2019 1.105,92 Euro betrage, dass sich der Freibetrag zum 01.07.2019 auf 872,52 Euro (aktueller Rentenwert 33,05 Euro x 26,4) belaufe, dass das Einkommen der Klägerin den Freibetrag um 233, 40 Euro übersteige und dass hiervon 40%, also 93,36 Euro anzurechnen sei. Da die jeweiligen Rentenberechnungsvorschriften zwingender Natur seien, sei der Beklagten ein Abweichen davon nicht möglich.
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Mit ihrer am 10.10.2019 beim Sozialgericht Bayreuth eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehr weiter. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre bereits im Widerspruchsverfahren gemachten Ausführungen.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Abänderung der Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2019 zu verurteilen, der Klägerin ab 01.07.2019 große Witwerente aus der Versicherung ihres Ehemannes, geb. 1954, verst. 2017, ohne Anrechnung ihrer Erwerbsminderungsrente zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend auf den Inhalt der beigezogenen Beklagtenakte und der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Die Beteiligten wurden mit gerichtlichen Schreiben vom 18.03.2020 mit einer Äußerungsfrist bis 14.04.2020 zu einer Entscheidung gemäß § 105 SGG mittels Gerichtsbescheid durch den Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung gehört.
Entscheidungsgründe
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Die gemäß §§ 51, 78, 90, 92 SGG form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig.
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In der Sache ist sie aber unbegründet, da die Klägerin unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten einen Anspruch darauf hat, dass ab 01.07.2019 die von ihr bezogene Erwerbsminderungsrente nicht auf die ihr zu gewährende große Witwenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes, geb. 1954, verst. 2017, angerechnet wird.
14
Rentenanpassungsmitteilungen enthalten selbstständig anfechtbare Verwaltungsakte, nämlich die wertmäßigen Fortschreibungen eines bereits zuerkannten Werts des Rechts auf Rente durch Feststellung des Veränderungsfaktors (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, vgl. z. B. Urteil vom 23.03.1999 - B 4 RA 41/98 R = juris). Diese Feststellungen stehen rechtlich und faktisch neben den Feststellungen des jeweiligen Geldwertes eines Rechts oder Anspruchs, denn insoweit wird nicht über den Geldwert des Rechts auf Rente, sondern ausschließlich über den Grad der Anpassung entschieden (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24.07.2003 - B 4 RA 62/02 R = juris). Demgemäß enthält die vorliegend gegenüber der Klägerin ergangene und von ihr angefochtene Rentenanpassungsmitteilung nach ihren Verfügungssatz lediglich eine Regelung hinsichtlich der Rentenanpassung, die aufgrund des § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Bestimmung der Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Alterssicherung der Landwirte und zur Bestimmung weiterer Werte zum 01.07.2019 (Rentenwertbestimmungsverordnung 2019 - RWBestV2019) vom 13.06.2019 geänderten aktuellen Rentenwerts vorzunehmen war.
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Anhaltspunkte dafür, dass das Rechenwerk der Beklagten insoweit unzutreffend sein könnte bzw. dass die Beklagte von falschen Rechenwerten ausgegangen ist, sind weder von der Klägerin dargetan worden noch sonst erkennbar.
16
Da der Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2019 kein weitergehender Regelungsgehalt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X zukommt und sie über ihren eigentlichen Regelungsgehalt hinaus nicht anfechtbar ist, kann die Klägerin schon allein aus diesem Grund im vorliegenden Verfahren nicht mit ihrem Begehren auf Nichtanrechnung der von ihr bezogenen Erwerbsminderungsrente auf die ihr aus der Versicherung ihres Ehemannes, geb. 1954, verst. 2017, zu gewährende große Witwenrente durchdringen.
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Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Das Gericht konnte durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vorher gehört wurden.