Inhalt

VG München, Urteil v. 12.02.2020 – M 9 K 19.2393
Titel:

Abgrenzung einer Wohnnutzung von einem Boardinghaus als gewerblichen Fremdenverkehrsbetrieb

Normenkette:
BayZwEWG Art. 1 S. 2 Nr. 3, Art. 4
Leitsätze:
1. Ausschlaggebend für die Abgrenzung einer Wohnnutzung von einem Boardinghouse als gewerblichen Fremdenverkehrsbetrieb ist nicht die Möglichkeit einer uneingeschränkten eigenen Haushaltsführung in Abgrenzung zu einer Unterkunft mit fremdenverkehrstypischen Dienstleistungen, wie sie in Hotels oder Pensionen angeboten werden. Die dazu vorliegende baurechtliche Rechtsprechung zur Einstufung eines Boardinghouse je nach Schwerpunkt der Nutzung und Einrichtung als Wohnen oder als Beherbergungsbetrieb bzw. Ferienhaus kann für das Zweckentfremdungsrecht nicht übernommen werden.   (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn eine Wohneinheit nach ihrer Ausstattung mit Möbeln, Kochecke etc. dafür geeignet ist, dass die Benutzer in den jeweiligen Räumen ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können, kommt es deshalb maßgeblich auf das zugrundeliegende Nutzungskonzept des Vermieters und sein konkretes Geschäftsmodell im Einzelfall dafür an, ob eine Fremdenverkehrsnutzung vorliegt. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zweckentfremdung, Untersagung der Nutzung als Boardinghouse, Fremdenbeherbergung, unbefristete Mietverträge und Mietaufhebungsverträge nach mehr als drei Monaten, Maßgeblichkeit der tatsächlichen Nutzung und des Nutzungskonzepts, Nutzungsuntersagung, Boardinghouse, Mietvertrag, Zwangsgeld
Fundstelle:
BeckRS 2020, 4054

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Anfechtungsklage vom 5. November 2018 gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2018, mit dem sie als Mieterin unter Androhung eines Zwangsgelds von 10.000 Euro zur Beendigung der Nutzung der Wohnung Nr. 3 zur Fremdenbeherbergung aufgefordert wurde.
2
In einem früheren Verfahren M 9 K 13.3185 wurde in einem Erörterungstermin am 12. November 2014 eine Einigung erzielt. Die damalige und heutige Beklagte erklärte zu Protokoll zur Vermeidung künftiger Streitigkeiten über die Zulässigkeit der Nutzung der Einheiten 1, 2, 3, 9, 10 und 11 des Anwesens Hellipstraße 16:
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„Die Nutzung der vorgenannten Einheiten in Gestalt eines Boardinghouses im Rahmen der Einzelvermietung oder der Globalvermietung und / oder der Vermietung durch einen Dritten verstößt dann nicht gegen die Zweckentfremdungssatzung der Beklagten, wenn die Wohnräume so ausgestattet sind, dass dem Mieter ein selbständiges Wohnen möglich ist. D.h. sie müssen auch ohne sonstige Serviceleistungen, insbesondere ohne für bei Beherbergungsbetrieben übliche Serviceleistungen wie Rezeption, Lobby, täglichen Zimmerservice, Speisen-, Getränke- und sonstigen Raum- und Hotelservice überlassen werden. Dies gilt nur, wenn der ununterbrochene Zeitraum der Einzelvermietung drei Monate nicht unterschreitet. Eine Unterschreitung des Dreimonatszeitraums ist dann hinnehmbar, wenn dies durch Ausübung eines Sonderkündigungsrechts bei medizinisch begründeten Fällen erfolgt und die Ausübung des Sonderkündigungsrechts nicht mehr als 10 Prozent der Vermietungen, gemittelt auf einen Zeitraum von 36 Monaten, betrifft.“
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Kläger war damals Herr Belhassen R., später Geschäftsführer der Klägerin, die seit Dezember 2017 Mieterin dieser und der anderen Wohnungen ist. Bereits während des Rechtsstreits schloss als neue Eigentümerin die SSK Deutschland GmbH mit der AL M… for consulting and management UG (im Folgenden Al M…) als neuen Nutzer/Mieter am 23. April 2014 einen Gewerbemietvertrag über 6 Wohn- und 11 Gewerbeeinheiten, unter anderem die verfahrensgegenständlichen Wohnungen 1, 3, 9, 10 und 11, alle möbliert, Geltungsdauer 10 Jahre, Überlassung mit dem Zweck zur Nutzung als Objekt zur gewerblichen Weitervermietung als möblierter Wohnraum mit der Verpflichtung, nur kurzfristige Vermietungen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes vorzunehmen und diese weiter auszuweisen und zu berechnen, damit der Vermieter zum Vorsteuerabzug berechtigt bleibt. Geschäftsführerin der SSK ist Frau Ute Sch., ebenfalls beteiligt an der späteren Mieterin A… GmbH.
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Nachdem keine Regelung über die vorzulegenden Nachweise im Protokoll vom 12. November 2014 (M 9 K 13.3185) getroffen worden war, forderte die Beklagte mit Schreiben vom 9. Mai 2016 den Mieter Al M… und am 21. Juli 2016 die Eigentümerin zur Vorlage entsprechender Mietverträge ab dem 1. Januar 2015 zur Prüfung der Einhaltung der im Verfahren M 9 K 13.3185 getroffenen Regelung auf.
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Al M… übersandte der Beklagten am 23. Januar 2017 für die verfahrensgegenständlichen Wohnungen eine Aufstellung der Nutzer im Jahr 2016 samt Mietverträgen (Bl.22a BA zu Whg.3). Danach nutzte die Wohnung 3 vom 1.12.2015 - 31.1.2016 Herr Saed Al.S und vom 25.9.2016 - 30.11.2016 Herr Rabia Al O., jeweils mit Kurzzeitvisa zur medizinischen Behandlung. Die Eigentümerin teilte mit Schreiben vom 26. Juli 2016 mit, dass sie einen Rechtsstreit wegen Räumung der Wohnungen mit dem Mieter Al M… führe; eine Liste der Mieter und deren Aufenthaltszeiten müsse von diesem erstellt und vorgelegt werden (statt aller: Bl. 21 BA zu Whg. 1). Nach einem Gesprächsvermerk vom 12. Oktober 2016 lag ein Räumungsurteil vor (Bl. 36 f. BA zu Whg 1). Die Zwangsräumung fand ausweislich eines Vollstreckungsprotokolls in der Behördenakte vom 21. Dezember 2017 (Bl. 59 f. BA zu Whg 1) nach einem früheren vergeblichen Vollstreckungsversuch erst im Dezember 2017 statt.
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Unterlagen über die Nutzer der Wohnungen im Jahre 2017 liegen keine vor.
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Vorgelegt wurde mit Schreiben des Bevollmächtigten vom 15. Juli 2018 (Bl. 73 ff BA zu Whg 1) ein Gewerbemietvertrag mit der Klägerin vom 21. Dezember 2017. Danach hat die Klägerin mit Wirkung ab 21. Dezember 2017 die Wohnungen 1, 3, 9, 10 und 11 des Anwesens von der SSK (Eigentümerin) gemietet. Nutzungszweck war ausweislich des Mietvertrags die Nutzung der Einheiten als möblierter Wohnraum zur kurzzeitigen Vermietung. Ausdrücklich ist im Mietvertrag geregelt, dass die gerichtliche Vereinbarung vom 12. November 2014 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München im Verfahren M 9 K 13.3185 zu beachten und unbedingt einzuhalten ist. Ferner ist im Mietvertrag geregelt, dass die in der gerichtlichen Vereinbarung vorgeschlagene Auflistung über die Vermietung jährlich bis spätestens 15. Januar des Jahres der Vermieterin unaufgefordert zuzustellen sei, um die Einhaltung der Vereinbarung prüfen zu können, Ziffer 1 und 2 des Mietvertrags (Bl. 73c ff. BA zu Whg.1). Die Klägerin sicherte außerdem zu, dass 95% des Mietgegenstands zur Verwendung umsatzsteuerpflichtiger Umsätze verwendet wird.
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Die Klägerin wurde mit Schreiben vom Februar 2018 und 27. Juni 2018 von der Beklagten aufgefordert, Auskunft über die Mietverträge und die Nutzungen der Wohnungen zu erteilen und eine Auflistung für 2017 vorzulegen; eine Reaktion erfolgte nicht. Vorgelegt wurden lediglich 16 Wohnungsgeberbestätigungen für 2018, erteilt durch die Klägerin (A… GmbH).
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Der Bevollmächtigte der Klägerin übersandte der Beklagten auf Veranlassung der Eigentümerin mit Schriftsatz vom 13. August 2018 (Bl. 81 f. BA zu Whg. 1) die Untermietverträge und Mietaufhebungsverträge der Untermieter der Einheiten 1, 3, 9, 10 und 11; die ursprünglich verfahrensgegenständliche Wohnung Nr. 2 war bereits seit den 80er Jahren langfristig vermietet. Ausweislich dieser Aufstellung waren alle Wohnungen ab Januar 2018 für Zeiträume unter einem halben Jahr vermietet, nachdem zuvor kleinere Reparaturarbeiten durchgeführt worden waren. Aufenthaltsrechtlich hatten die Untermieter befristete Aufenthaltstitel, u.a. zur medizinischen Behandlung. In Wohnung 3 hielt sich vom 18.1.2018 - 18.5.2018 Herr Mahmoud A. auf und ab dem 18.5.2018 Herr Ali. A. und Herr Mubarak A, alle mit Visa zum vorübergehenden Aufenthalt.
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Die Klägerin kündigte zwar am 14. September 2018 den Mietvertrag mit der Eigentümerin und gab als Grund an, dies erfolge wegen der zweckentfremdungsrechtlichen Maßnahmen der Beklagten trotz Einhaltung des gerichtlichen Vergleichs durch die Klägerin (Bl. 95 BA zu Whg.1). Die Kündigung wurde allerdings nie umgesetzt, sondern mit Datum vom 18./19. Oktober 2018 vereinbart, dass bis zur Klärung der Rechtstreitigkeit keine Vermietung an Personen erfolgt, die sich zur medizinischen Behandlung in München aufhalten; die Beklagte erhielt davon erst mit Schreiben vom 8. April 2019 Kenntnis (Bl.172 ff BA zu Whg.1).
12
Die Beklagte führte am 28. Juli 2016, 14. Mai 2018, 22. Juni 2018, 13. September 2018 und 20. September 2018 Ortseinsichten in dem Anwesen durch.
13
In der Wohnung 3 wurde am 13. September 2018 Herr Mubarak A., Staatsangehöriger aus Kuweit angetroffen, der am 18. Februar 2018 mit einem bis 10. Oktober 2018 gültigen Visum zur medizinischen Behandlung eingereist war und täglich 140 Euro bezahlte. Bei der Ortsermittlung am 20. September 2018 hielt sich der Betreffende ebenfalls in der Wohnung auf.
14
Mit Bescheid vom 2. Oktober 2018 verpflichtete die Beklagte die Klägerin, die Nutzung der Wohnung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung unverzüglich zu beenden (Ziff. 1). Für den Fall, dass der Anordnung in Ziffer 1 des Bescheids nicht binnen vier Wochen ab Zustellung Folge geleistet werde, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro angedroht (Ziff. 2). Der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit sei erfüllt, Art. 4 Zweckentfremdungsgesetz (ZwEWG) i.V.m. § 14 Zweckentfremdungssatzung (ZeS), da die Wohnung seit Beginn des Mietverhältnisses im Dezember 2018 zu keiner Zeit dauerhaft bewohnt worden sei. Seit Dezember 2017/Januar 2018 habe die Klägerin 16 Wohnungsgeberbestätigungen für Personen aus dem arabischen Raum ausgestellt. Die Wohnung sei wiederholt und regelmäßig Personen überlassen worden, die sich lediglich vorübergehend in München aufhielten; dies sei eine Zweckentfremdung im Sinne von Art. 1 Satz 1 Nr. 3 ZwEWG iVm. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS. Ausweislich der Ortsermittlungen vom 13. September 2018 und vom 20. September 2018 habe es sich um Medizintouristen gehandelt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
15
Der Bevollmächtigte der Klägerin erhob mit am 5. November 2018 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz Klage und beantragte,
Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 2. Oktober 2018.
16
Die Beklagte ignoriere den vor dem Verwaltungsgericht München am 12. November 2014 geschlossenen Vergleich. Die Klägerin habe ihr Nutzungskonzept seit Mietbeginn im Dezember 2017 an den Vorgaben der Vereinbarung ausgerichtet, die wesentlicher Vertragsgegenstand des Gewerbemietvertrags sei. Die Wohnung 3 sei mit Mietvertrag vom 18. Januar 2018 an Herrn Mahmoud A. vermietet und das Mietverhältnis durch Aufhebungsvereinbarung vom 6. Mai 2018 nach 3 Monaten und 16 Tagen beendet worden. Im Anschluss sei die Wohnung ab dem 18. Mai 2018 an die Mieter Ali A. und Mubarak A. unbefristet vermietet worden; diese hätten wegen der ständigen Hausbesuche der Beklagten am 24. September 2018 die Wohnung ohne Kündigung wütend nach mehr als 4 Monaten verlassen. Die entsprechenden Mietverträge seien beigefügt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Klageschriftsatz Bezug genommen.
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Einen am 15. April 2019 gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (M 9 S.19.2403) hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss von heute abgelehnt.
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Die Beklagte beantragte,
Klageabweisung.
19
Die Klägerin betreibe als Mieterin im Zusammenspiel mit der Eigentümerin die Zweckentfremdung professionell als Geschäftsmodell. Alle Wohnungen seien nur kurzzeitig vermietet worden. Der unbefristete Abschluss von Mietverträgen erfolge offensichtlich nur zum Schein, wie die Aussagen der angetroffenen Personen, die regelmäßig nur ein Visum für einen kurzfristigen Aufenthalt hatten, bestätigten. Die Unterschriften auf den Mietverträgen und auf den Mietaufhebungsverträgen hätten nie übereingestimmt. Die gerichtliche Vereinbarung vom 12. November 2014 zwischen dem damaligen Eigentümer der Wohneinheiten und der Beklagten sei zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht wirksam geworden, weil sich die Eigentümerin seit dem Abschluss der gerichtlichen Vereinbarung bis zum Abschluss des Mietvertrags mit der Klägerin zum 21. Dezember 2017 nachweislich nicht an die Vereinbarung gehalten habe. Die Vormieterin Al M… habe ausweislich der Akten die Wohnungen 1, 3, 9, 10 und 11 unter 3 Monaten vermietet. Im Übrigen sei mittlerweile die Geschäftsgrundlage der gerichtlichen Vereinbarung aufgrund der aktuellen Rechtsprechung entfallen, da die damals bestehende Rechtsunsicherheit nicht mehr vorliege.
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Ausweislich der Behördenakten in nachfolgenden Gerichtsverfahren gegen die Fälligstellung sowie die Androhung eines weiteren Zwangsgelds haben weitere angemeldete Ortseinsichten in Anwesenheit von Vertretern der Klägerin am 26. November 2018 und 8. März 2019 stattgefunden.
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Die zunächst leerstehende Wohnung 3 (Orteinsicht am 26. November 2018) war nach Renovierung an drei tunesische Staatsangehörige vermietet worden, die bei der Orteinsicht nach eigenen Angaben (Ortseinsicht am 8. März 2019) erst seit kurzem dort wohnten, jeweils 500 Euro für das einzeln vermietete Zimmer zahlten und Aufenthaltstitel für studienvorbereitende Deutschkurse hatten. Nur einer der Mieter legte einen Mietvertrag vor, datiert vom 1. Januar 2019. Ein Zimmer war frei.
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Ausweislich der Pässe und Meldeunterlagen war Louay H. am 24. November 2018 eingereist und seit 15. Februar 2019 in der Wohnung gemeldet, Mohamed E. war am 28. Dezember 2018 eingereist und seit 28. Dezember 2018 gemeldet, Karam E. war am 23. November 2018 erstmals eingereist.
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Mit Bescheid/Schreiben vom 18. März 2019 erklärte die Beklagte das mit Bescheid vom 2. Oktober 2018 angedrohte Zwangsgeld von 10.000 Euro für fällig (Ziff. I) und drohte ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 20.000 Euro unter Fristsetzung von drei Wochen an. Die Ortseinsicht am 8. März 2019 habe ergeben, dass die Klägerin dem Bescheid vom 9. Oktober 2018 nicht Folge geleistet habe. Die Klägerin hat dagegen Klage erhoben und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und § 123 VwGO gestellt (M 9 K 19.1799, M 9 S 19.1769, M 9 E 19.1770). Auf die Entscheidungen darüber vom heutigen Tag wird verwiesen.
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Ergänzend zum Gewerbemietvertrag vom 21. Dezember 2017 zwischen der Eigentümerin und der Klägerin als Mieterin wurden zwei Änderungsvereinbarungen geschlossen. Mit Vereinbarung vom 18. August 2018 (Vereinbarung 1) wurde vorübergehend als Abänderung bis zur rechtskräftigen Klärung der Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 2. Oktober 2018 und 9. Oktober 2018 (Nutzungsuntersagung) vereinbart, dass keine Vermietung an Medizintouristen aus dem arabischen Raum erfolge (Ziff. 2.b); die Abänderung erfolge lediglich vorübergehend zur Meidung der sofort vollziehbaren Zwangsgelder aus den Bescheiden bis zu deren rechtskräftigen Klärung (Ziff. 2.c). Mit Vereinbarung vom 19. April 2019 wurden die verfahrensgegen-ständlichen Wohnungen aus dem Gewerbemietvertrag herausgenommen; in der mündlichen Verhandlung stellten die Bevollmächtigten klar, dass dies vorübergehend bis zum Abschluss der Gerichtsverfahren gelte und bis dahin die Eigentümerin die Wohnungen vermiete.
25
Die Beklagte hat am 24. Juli 2019 und 17. Januar 2020 weitere Ortseinsichten durchgeführt. Ausweislich der Namen am Briefkasten und an der Wohnungstür wird die Wohnung weiterhin an Einzelne vermietet, nach Angaben der Klägerseite im Schriftsatz vom 2. Februar 2020 an drei Studenten (seit 1. April 2019, seit 15. Februar 2019, seit 18. September 2019).
26
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 2. Oktober 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die hier angefochtene Nutzungsuntersagung vom 2. Oktober 2018 ist die Behördenentscheidung. Die im Protokoll des Erörterungstermins vom 12. November 2014 getroffene Regelung hat keine Bindungswirkung mehr (1.). Die Nutzung als Boardinghouse verstößt gegen Zweckentfremdungsrecht (2.). Eine dauerhafte Änderung der Nutzung ist nicht erfolgt (3.). Die Klägerin ist richtiger Adressat der Maßnahme (4.). Erledigung ist nicht eingetreten (5.).
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Rechtsgrundlage der für die Wohnung 3 angeordneten Untersagung der Nutzung zur Fremdenbeherbergung ist Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz - ZwEWG) in Verbindung mit § 13 der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) vom 11. Dezember 2017. Der zweckentfremdungsrechtliche Tatbestand der Fremdenbeherbergung ist erfüllt, Art. 1 S.7 Nr.3 ZwEWG i.V.m. § 4 Abs. 1 S.2 Nr.3 ZeS.
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Wohnraum im Sinne des § 3 ZeS liegt vor. Die Wohnung 3 ist ebenso wie die übrigen Wohnungen ausweislich der bei den Behördenakten befindlichen genehmigten Bauvorlagen als Wohnraum genehmigt und bis zur Nutzungsänderung als Boardinghouse auch so genutzt worden.
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1. Eine Nutzung der Wohnungen als Boardinghouse ist nicht nach der im Verfahren M 9 K 13.3185 im Protokoll der Niederschrift vom 12. November 2014 enthaltenen Regelung zulässig. Die Zusage in der Niederschrift bindet die Beklagte nicht mehr, da die tatsächliche Nutzung der Wohnung über Jahre hinweg nachprüfbar nicht der vereinbarten Nutzungsweise entsprach.
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Grundlegend für die damalige Regelung war, dass die Nutzung als Boardinghouse durch Vermietung ohne Serviceleistungen dann nicht gegen die Zweckentfremdungssatzung der Beklagten (damals Stand 2009) verstößt, wenn regelmäßig der ununterbrochene Zeitraum der Einzelvermietung drei Monate nicht unterschreitet und dieser nur in 10% der Vermietungen, gemittelt auf einen Zeitraum von 36 Monaten, in medizinisch begründeten Fällen durch Ausübung eines Sonderkündigungsrechts unterschritten wird.
32
a) Die entsprechende Erklärung der Beklagten im damaligen Verfahren zu Protokoll des Gerichts ist eine schriftliche Zusage, mit der sich die zuständige Behörde einseitig zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen selbst verpflichtet (mit weiteren Nachweisen: Sachs in Stelkens/Bonk, Kommentar, § 38 VwVfG, Rn.2, 9. Aufl.2018). Anders als bei einer Zusicherung nach Art. 38 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG, die einen Unterfall der allgemeinen Zusage darstellt, besteht das zugesagte Tun oder Unterlassen nicht im Erlass oder dem Unterlassen eines bestimmten Verwaltungsakts. Vielmehr wurde nur erklärt, dass die mit der Zusage geregelte bestimmte Nutzung nicht den Tatbestand einer Zweckentfremdung erfüllt.
33
Aus diesem Grund handelt es sich bei der Zusage nicht um ein Negativattest iS § 10 ZeS in der damals gültigen Fassung vom 2. Januar 2009 oder um die Zusicherung, ein Negativattest als Verwaltungsakt zu erlassen. Die Satzung sah 2009 kein Negativattest für ein bestimmtes Nutzungskonzept, hier als Boardinghouse vor, weshalb ein solches auch nicht zugesichert wurde.
34
Die Vereinbarung vom 12. November 2014 stellt entgegen der Ansicht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin keinen gerichtlichen Vergleich dar. Gibt eine Partei in der Regel die Beklagtenpartei eine bestimmte Absichtserklärung zu Protokoll, wie hier, und wird die andere Partei damit zufriedengestellt, liegt kein gerichtlicher Vergleich i. S. d. § 106 VwGO vor, weil es an einer Gegenleistung fehlt. Es liegt kein gegenseitiges Nachgeben vor. Der Rechtsstreit erledigt sich nicht durch die Absichtserklärung, weshalb zur prozessualen Beendigung auch noch gesonderte prozessbeendende Erklärungen notwendig sind; wie sie auch im Verfahren M 9 K 13.3185 erfolgt sind.
35
b) Die Eigentümerin hat ihre Verpflichtung aus der durch die Zusage getroffenen Regelung über mehrere Jahre nicht erfüllt. Allgemeine Zusagen der hier vorliegenden Art werden regelmäßig aufgrund ihres verwaltungsaktähnlichen Regelungsgehalts unter der stillschweigenden Bedingung abgegeben, dass der andere Teil sich auch daran hält (VGH Mannheim, B.v.9.7.2002 - 8 S 1340/02; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9.Aufl.2018, § 38 Rn.26).
36
Eine Auslegung der Zusage vom 12. November 2014 nach dem Empfängerhorizont entsprechend §§ 133,157 BGB ergibt, dass diese unter der Bedingung erfolgte, dass die tatsächliche Vermietung nicht entgegen der Vereinbarung erfolgt. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut „dies gilt nur“, der den erkennbaren Willen der Beklagten zeigt, nur unter dieser Bedingung eine Zusage abzugeben, die bezweckt, durch die Festlegung eines Dreimonatszeitraums eine dauerhafte und wohnähnliche Nutzung der Wohneinheiten zu erreichen.
37
Im Jahr 2015/2016 blieben alle Mietverhältnisse, für die die damalige Mieterin Nachweise vorgelegt hat, regelmäßig unter drei Monaten, so dass jedenfalls mehr als 10% der Vermietungen betroffen sind. Die Vermietung erfolgte durchgehend an Personen, die sich mit einem zweckgebundenen Kurzeitvisum zur medizinischen Behandlung im Bundesgebiet aufhielten und im Ausland ihren Lebensmittelpunkt haben.
38
Für das Jahr 2017 wurden trotz entsprechender Aufforderung durch die Beklagte keinerlei Nachweise über die Nutzung und die Mieter der Wohnung vorgelegt.
39
Für das Jahr 2018 haben zunächst weder die Klägerin noch die Eigentümerin die von der Beklagten zunächst erbetenen, dann mit Bescheid verlangten lückenlosen und nachprüfbaren Nachweise über die Mietverhältnisse und ihre Dauer vorgelegt. Die Eigentümerin hat lediglich eine Reihe von Wohnungsgeberbestätigungen vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass die hier verfahrensgegenständliche Wohnung wiederholt kurzfristig vermietet wurde. Die durch den Bevollmächtigten vorgelegten Mietverträge und Mietaufhebungsverträge bestätigen, dass im Jahr 2018 nur eine kurzzeitige Vermietung an Personen erfolgte, die die Wohnung zu einem vorübergehenden Zweck nutzten. Soweit die Klägerin vorträgt, dass die hier verfahrensgegenständliche Wohnung durch unbefristete Mietverträge immer länger als drei Monate vermietet wurde und jeweils erst durch Mietaufhebungsvereinbarung das Mietverhältnis vorzeitig beendet worden sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Es entspricht nicht der Lebenswirklichkeit, dass Mieter unbefristet Mietverträge abschließen und nach vier oder fünf Monaten das Mietverhältnis einvernehmlich aufgehoben wird, wenn die Betreffenden tatsächlich auf Dauer in München wohnen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Konstruktion gewählt wurde, um das Geschäftsmodel der Fremdenbeherbergung durch ein flexibles und zeitlich hotelähnliches Konzept fortzuführen. Anhaltspunkte für eine entsprechende Verschleierung ist auch der Umstand, dass Mietvertrag und Mietaufhebungsvertrag jeweils von unterschiedlichen Personen geschlossen wurden und dass dieses Konzept nicht nur bei der hier verfahrensgegenständlichen Wohnung, sondern auch bei anderen Wohnungen angewandt wurde. Die Mieter haben dabei auch regelmäßig die Miethöhe als Tagesmiete angegeben. Die in den Verträgen festgelegte monatliche Zahlung erfolgt zur Überzeugung des Gerichts nur zum Schein. Der Vermutung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dass die Mieter eventuell aufgrund der Zahlungsmodalitäten in ihren Herkunftsländern die Monatsmiete in eine Tagesmiete umgerechnet haben könnten, ist nicht zu folgen. Für das Gericht steht aufgrund der Tatsachen fest, dass die dauerhaften Mietverträge nicht ernstlich gewollt waren, sondern täglich flexibel beendet werden konnten. Aufgrund dieser Tatsachen ist davon auszugehen, dass auch noch in 2018 die Mietverhältnisse nur auf dem Papier länger als drei Monate liefen. Fest steht nach Aktenlage auch, dass bei Ermittlungen durch Ortseinsichten keine Dauermieter, sondern entweder niemand oder Touristen angetroffen wurden.
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c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Eigentümerin als Grund für die fehlenden Nachweise das Verhalten der früheren Mieterin Al M… genannt hat. Es ist unbeachtlich, ob die Eigentümerin tatsächlich Einfluss auf die Vermietung 2015 und 2016 hatte, da die Weitervermietung an Dritte ausdrücklich von der Vereinbarung erfasst war und eine Zurechnung iS eines Verschuldens nicht erforderlich ist. Die Eigentümerin muss sich das Verhalten der Al M… nach dem Rechtsgedanken des Erfüllungsgehilfen (§ 278 S.1 BGB) verschuldensunabhängig zurechnen lassen. Die Zusage hat die Vermietung an und durch Dritte ausdrücklich mit einbezogen. Das Risiko, dass Dritte die Bedingung der Zusage nicht einhalten, trägt nicht die Beklagte, sondern die Eigentümerin und der jeweilige Nutzer der Wohnung. Auch nach Abschluss des neuen Gewerbemietvertrags mit der Klägerin im Dezember 2017 wurde keine aktuelle Aufstellung für 2017 vorgelegt. Die Ortseinsichten vom 13. September 2018 und vom 20. September 2018 haben zweifelsfrei ergeben, dass die Vermietung auch 2018 an Medizintouristen zur vorübergehenden kurzzeitigen Nutzung erfolgte.
41
d) Da die Bedingung der Zusage nicht erfüllt wurde, ist diese hinfällig bzw. bindet die Beklagte nicht mehr. Dies hat zur Folge, dass mangels einer wirksamen Zusage eine Zweckentfremdung in Form eines Boardinghouse vorliegt. Offenbleiben kann damit, ob die Beklagte entsprechend Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG aufgrund einer geänderten Sachlage nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht mehr an die Zustimmung gebunden ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann aber nicht aufgrund einer geänderten Rechtslage die Bindungswirkung entfallen sein. Eine Änderung der Rechtslage kann durch eine spätere Rechtsprechung grundsätzlich nicht herbeigeführt werden. Notwendig ist eine Änderung der Norm selbst, nicht aber ihrer Auslegung (st. Rspr. z.B. BVerwG, U.v. 11.9.2013 - 8 C 4/12 - juris Rn. 21 m.w.N.).
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e) Da die Eigentümerin ihre Verpflichtung aus der gerichtlichen Vereinbarung nicht erfüllt hat, gilt mangels einer gültigen anderen Regelung das Zweckentfremdungsrecht. Die Beklagte ist nicht an die Vereinbarung gebunden, da Bedingung der Zusage die Einhaltung der Vereinbarung war. Dies hat zur Folge, dass die Vereinbarung auch nicht für die Klägerin Geltung hat, da eine für die Beklagte nicht bindende Regelung nicht für diese verpflichtend von der Eigentümerin weitergegeben werden kann.
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2. Die Nutzung als Boardinghouse ist eine rechtswidrige Nutzung zu Fremdenverkehrszwecken und wurde zu Recht durch die Beklagte untersagt. Die Nutzungsänderung in ein Boardinghouse ist eine ungenehmigte Zweckentfremdung von Wohnraum.
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Zwar ist umstritten und im Zweckentfremdungsrecht noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, wann ein Nutzungskonzept wie hier eine zeitlich begrenzte Wohnnutzung darstellt und wann ein gewerblicher Beherbergungsbetrieb in Gestalt eines Boardinghouses und damit Fremdenbeherbergung vorliegt. Nach Ansicht der Kammer ist bei der verfahrensgegenständlichen Wohnung die Grenze zur Fremdenbeherbergung überschritten.
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a) Eine Fremdenbeherbergung im Sinne des Zweckentfremdungsrechts liegt immer dann vor, wenn ein lediglich beherbergungsartiges Unterkommen ohne Verlegung des Lebensmittelpunktes vorliegt. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn eine Wohnung für die Dauer eines bestimmten Zwecks, aber einen vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt wird (BayVGH, B.v. 01.08.2016 - 12 CS 16.969; VG München U.v. 15.11.2017 - M 9 K 17.557). Maßgeblich ist grundsätzlich nicht die Länge des Aufenthalts, sondern der Umstand, dass es sich um ein übergangsweises, nicht alltägliches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen für Personen handelt, die ihre eigentliche Wohnung typischerweise an einem anderen Ort haben. Schwierig ist die Abgrenzung, wenn keine fremdenverkehrstypischen Serviceleistungen angeboten werden und die vollständig eingerichtete Unterkunft länger genutzt wird, ohne dass der Lebensmittelpunkt des Bewohners dorthin verlagert wird. Ausschlaggebend ist für die Abgrenzung einer Wohnnutzung von einem Boardinghouse als gewerblichen Fremdenverkehrsbetrieb ist deshalb nicht die Möglichkeit einer uneingeschränkten eigenen Haushaltsführung in Abgrenzung zu einer Unterkunft mit fremdenverkehrstypischen Dienstleistungen, wie sie in Hotels oder Pensionen angeboten werden. Die dazu vorliegende baurechtliche Rechtsprechung zur Einstufung eines Boardinghouse je nach Schwerpunkt der Nutzung und Einrichtung als Wohnen oder als Beherbergungsbetrieb/Ferienhaus (z.B. VGH Mannheim, B.v.17.01.2017 - 8 S 16.41/16) kann für das Zweckentfremdungsrecht nicht übernommen werden (VG München, U. v. 15.11.2017 - M 9 K 17.557). Wenn wie hier eine Wohneinheit nach ihrer Ausstattung mit Möbeln, Kochecke etc. dafür geeignet ist, dass die Benutzer in den jeweiligen Räumen ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können, kommt es deshalb maßgeblich auf das zugrundeliegende Nutzungskonzept des Vermieters und sein konkretes Geschäftsmodell im Einzelfall dafür an, ob eine Fremdenverkehrsnutzung vorliegt.
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Die Länge des Aufenthalts kann dafür als Indiz berücksichtigt werden (OVG Berlin-Bbg B.v. 26.4.2019 - OVG 5 S 24.18 - juris Rn. 12). Dabei muss aber nach Ansicht der Kammer bereits das Nutzungskonzept erkennbar und nachprüfbar auf eine längere Aufenthaltsdauer ausgelegt sein und diese auch sicherstellen. Vorliegend ist schon aufgrund des Gewerbemietvertrages zwischen der Klägerin und der Eigentümerin ein starkes Indiz dafür vorhanden, dass eine kurzfristige Fremdenbeherbergung beabsichtigt ist. Denn nach dem Vertrag verpflichtet sich die Klägerin, den Mietgegenstand zu 95% zu umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen zu verwenden. Langfristige Vermietungen zu Wohnzwecken sind allerdings umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 12 Buchst a) UStG. Nicht befreit ist nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält. Die zeitliche Grenze zwischen kurzfristiger und langfristiger Vermietung wird nach der steuerrechtlichen Rechtsprechung bei sechs Monaten gezogen (BFH, U.v. 27.10.1993 - XI R 69/90 - juris Rn. 13). Dabei ist nicht die tatsächliche Dauer der Vermietung entscheidend, sondern die aus den äußeren Umständen ableitbare diesbezügliche Absicht des Vermieters (BFH, B.v. 23.9 2014 - V B 37/14 - juris Rn. 7). Nach dem Gewerbemietvertrag zwischen der Klägerin und der Eigentümerin liegt es damit nahe, dass auch bezüglich der verfahrensgegenständlichen Wohnung nur Mietverhältnisse unter sechs Monaten angestrebt wurden. Bei einer derartigen vertraglichen Gestaltung eines Boardinghouses und bei Übernahme der zeitlichen Grenze von sechs Monaten für die Zweckentfremdung (VG München, U.v. 29.7.2015 - M 9 K 14.5596 - juris), kann ein Boardinghouse keine Wohnnutzung darstellen.
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b) Die Klägerin bietet nach ihrer eigenen Einlassung, nach Aktenlage und nach dem Ergebnis der Ortseinsichten durch die Beklagte eine flexible, vorübergehende Unterkunft zum vorübergehenden Aufenthalt an und keine Wohnung im Sinne einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit. Die Anmietung durch die Klägerin erfolgte ausweislich des vorgelegten Mietvertrags als Gewerbemiete mit dem Nutzungszweck, die Einheiten als möblierten Wohnraum unter Einhaltung der gerichtlichen Vereinbarung unter zu vermieten. Die Untervermietung selbst erfolgte ausweislich der bei den Ortseinsichten gegebenen Auskünfte der Untermieter regelmäßig tage- und wochenweise an Personen, die sich alle befristet zu einem bestimmten Zweck, zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlass zur medizinischen Behandlung, vorübergehend im Bundesgebiet aufhielten und die die jeweilige Wohneinheit dementsprechend kurzzeitig und flexibel nutzten.
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3. Die Klägerin hat ihr Nutzungskonzept bis heute nicht auf Dauer geändert und will auch zukünftig grundsätzlich daran festhalten. Ihre Bevollmächtigten haben in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die Klägerin grundsätzlich an ihrem Konzept eines Boardinghouse-Betriebs, bevorzugt für Medizintouristen festhalten will und dass die Vermietung an Studenten und sonstige Mieter vorerst nur vorübergehend bis zur verwaltungsgerichtlichen Entscheidung erfolgt sowie um weitere Zwangsgelder zu vermeiden.
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Eine Nutzungsänderung nach Bescheiderlass ist im Übrigen für die Klage gegen den zweckentfremdungsrechtlichen Grundbescheid unbeachtlich, da maßgeblich das Nutzungskonzept zum Zeitpunkt des Bescheiderlass ist und eine Erledigung auch schon deswegen ausgeschlossen ist, da der Bescheid immer noch als Grundlage für Vollstreckungshandlungen gegen die Klägerin in Betracht kommt. Da es sich nach der Rechtsprechung sowohl des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes als auch des Gerichts bei der durch einen zweckentfremdungsrechtlichen Bescheid begründeten Pflicht in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich um eine Unterlassungsverpflichtung handelt - nämlich die Verpflichtung, das verfolgte Nutzungskonzept aufzugeben (vgl. beispielsweise VG München, B.v. 26.4 2016 - M 9 S 16.1449; BayVGH, B.v. 9.5.2016 - 12 CS 16.899 nicht veröffentlicht) - kommt nach Art. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG immer noch die Fälligstellung und Einziehung von Zwangsgeldern in Betracht. Die vertraglichen Änderungen zwischen der Klägerin und der Eigentümerin vom 18./24. Oktober 2018 und vom 19. April 2019 sind schon deswegen für die vorliegende Anfechtungsklage gegen den Grundbescheid vom 2. Oktober 2018 unbeachtlich.
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4. Bedenken dagegen, dass die Klägerin die richtige Adressatin der Nutzungsuntersagung ist, bestehen keine, Art. 9 Abs. 1 LStVG. Die Beklagte hat der SSK als Eigentümerin ebenfalls mit Bescheid die Nutzung untersagt und damit die Klägerin als Mieterin und die Eigentümerin als (Mit) Störer in Anspruch genommen. Unter Berücksichtigung dessen, dass ausweislich des Schriftverkehrs sowohl die Klägerin als auch ihre Mieterin gemeinsam gehandelt und sich in mehreren Vereinbarungen abgesprochen haben, bestehen gegen die Inanspruchnahme der Mieterin und der Eigentümerin als gemeinsame Störer keine rechtlichen Bedenken (BayVGH B.v.20.11.2019 - 12). Die diesbezügliche Einschätzung der Beklagten ist nach Aktenlage nachvollziehbar und hat sich in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Die Störerauswahl ist damit nachvollziehbar, erforderlich, geeignet und ermessensgerecht. Sonstige Ermessensfehler sind nicht erkennbar und wurden nicht vorgetragen, § 114 VwGO.
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5. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung keine Erledigung hinsichtlich der Nutzungsuntersagung mit Bescheid vom 2. Oktober 2018 eingetreten ist. Zwar ist die Klägerin aktuell nicht mehr Vermieterin der verfahrensgegenständlichen Wohnung, da diese mit Vereinbarung 2 vom 19. April 2019 aus dem Gewerbemietvertag herausgenommen wurde. Diese Vereinbarung wurde jedoch erst nach Bescheiderlass abgeschlossen und soll nach Aussage der Klägerseite nur bis zum Abschluss der verwaltungsgerichtlichen Verfahren, d.h. vorübergehend gelten. Ungeachtet dessen ist der Bescheid vom 2. Oktober 2018 weiterhin die Rechtsgrundlage für die nachfolgenden Vollstreckungsmaßnahmen und damit nicht gegenstandslos.
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Gegen die Zwangsgeldandrohung, die sich richtigerweise auf Art. 29, 31 und 36 VwZVG stützt, bestehen keine rechtlichen Bedenken.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.