Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 22.10.2020 – AN 17 K 17.35945
Titel:

Ablehnung des Asylantrags einer pflegebedürftigen Person aus Israel als offensichtlich unbegründet

Normenketten:
AsylG § 3, § 4, § 30 Abs. 1, § 78 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsätze:
1. Mit Eintritt der Erledigung entfällt das Rechtsschutzbedürfnis und damit die Zulässigkeit der Klage, soweit der Kläger nicht auf die Erledigung reagiert, etwa durch Abgabe einer (einseitigen) Erledigungserklärung, sondern die Klage unverändert aufrecht erhält. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer qualifizierten Ablehnung des Asylantrags wegen offensichtlicher Unbegründetheit nach § 30 Abs. 1 AsylG ist zwingend erforderlich, dass sich das negative Offensichtlichkeitsurteil kumulativ auf die Asylberechtigung und die Voraussetzungen des internationalen Schutzes bezieht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Flüchtlingsstatus und subsidiärer Schutz für Herkunftsland Israel abgelehnt., Kein Rechtsschutzbedürfnis für Klage auf Feststellung von Abschiebungsverboten, wenn das Bundesamt bereits ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs.7 AufenthG festgestellt hat., Mit Eintritt der Erledigung entfällt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Kläger gleichwohl an ursprünglicher Klage festhält., offensichtlich unbegründeter Asylantrag, Herkunftsland Israel, pflegebedürftige Person, Demenzerkrankung, drohende Einweisung in geschlossene Einrichtung, Flüchtlingsstatus, subsidiärer Schutz, Erledigung des Rechtsstreits, Feststellung eines Abschiebungsverbots durch das Bundesamt, Rechtsschutzbedürfnis
Fundstelle:
BeckRS 2020, 40008

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutz und weiter hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbotes Die Klägerin ist nach Aktenlage israelische Staatsangehörige jüdischen Glaubens. Die am …1930 geborene Klägerin reiste nach eigenen Angaben am 27. Februar 2016 auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein und stellte am 5. Juli 2016 einen Asylantrag. Das Amtsgericht … bestellte die in Deutschland lebende Tochter der Klägerin, Frau …, ausweislich des Betreuerausweises vom 12. Juli 2016 zur Betreuerin der Klägerin, wobei der Aufgabenkreis alle Angelegenheiten inklusive Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post umfasst. Der Klägerin wurde vom Zentrum Bayern Familie und Soziales mit Gültigkeit bis zum November 2021 ein Grad der Behinderung von 80 einschließlich des Merkzeichens G zuerkannt. Seit Juli 2016 ist die Klägerin in die Pflegestufen 1 eingruppiert. Die Klägerin ist Inhaberin einer Duldungsbescheinigung der Ausländerbehörde der Stadt … vom 18. September 2020, gültig bis 17. September 2021 (Nummer* …*)
2
Zur Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 31. März 2017 in … ist die Klägerin mit ihrer Betreuerin erschienen. Die Klägerin trug im Rahmen ihrer Anhörung im Wesentlichen vor, Jüdin zu sein und sich bis zu ihrer Ausreise in … in Israel aufgehalten zu haben. In ihrem Heimatland würden keine weiteren Verwandten leben. Zu den Gründen für den Asylantrag trug die Tochter der Klägerin als deren Betreuerin vor, dass ihre Mutter aus Israel ausgereist sei, weil sie an Demenz erkrankt sei und ihr Zustand so schlimm gewesen sei, dass von einer Eigen- und Fremdgefährdung auszugehen gewesen sei. Ihre Mutter habe in … gelebt, sei vor 25 Jahren jedoch wieder nach Israel zurückgekehrt. Als sie in … … gelebt habe, habe es auch eine Person in diesem Haus gegeben, die Russisch gesprochen habe. Deshalb spreche ihre Mutter Russisch. In … habe ihre Mutter in einem Haus in einem Ein-Zimmer-Appartement gelebt. Das Haus habe auch eine Leiterin gehabt, welche den Eindruck gehabt habe, dass ihre Mutter jetzt in eine geschlossene Anstalt gebracht werden müsse. Ihre Mutter habe auch schon versucht, in Israel eine Behandlung zu bekommen. Leider sei das nicht möglich gewesen, weil man ihr wegen ihres Alters keine Medikamente verschreiben wollte. Ihre Mutter sei jetzt 86 Jahre alt. In Israel würden keine Medikamente mehr für eine psychische Erkrankung ab dem Alter von 80 Jahren ausgestellt. Als sie in Deutschland zu einem Arzt gegangen seien, sei die Medikation über einen Zeitraum von 5 Monaten schrittweise angepasst worden. In Israel habe ihre Mutter unter Paranoia gelitten, was sich dadurch geäußert habe, dass sie wahllos andere Leute beschuldigt habe; beispielsweise habe sie eine Person des Diebstahls ihrer Geldbörse bezichtigt. In Deutschland sei die Diagnose Demenz/Alzheimer gestellt worden. Die Tochter legte ein Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit der Klägerin vom 1. September 2016 vor, welches die Feststellung der Pflegestufe 1 enthält. In … wäre ihre Mutter ganz bestimmt in eine geschlossene psychiatrische Anstalt gekommen. Sie hätte in der geschlossenen Anstalt niemanden an sich herangelassen. Sie sei immer sehr aggressiv und ihr Blutdruck steige bei Aufregung immer sehr stark an. Mit der aktuellen Medikation komme sie zumindest an ihre Mutter ran und könne eine Grundpflege gewährleisten. Diese würde sich nicht waschen, die Medikamente nicht nehmen und nicht essen. Sie wolle ihre Mutter gerne selbst versorgen. Ihrer Mutter sei es ganz schrecklich in Israel gegangen, weil sie sich nicht habe orientieren können und nicht gewusst habe, wo sie sei. Außerdem gebe es niemanden, der ihre Sprache spreche. Wenn unbekannte Personen sich ihr genähert hätten, sei sie sehr schnell sehr aggressiv geworden. Sie selbst könne und dürfe ihre Mutter pflegen, einen ambulanten Pflegedienst akzeptiere sie nicht. Ihre Mutter habe sich immer weniger um sich selbst gekümmert. Sie habe sich nicht mehr gewaschen und vernachlässigt. Die Leiterin des Hauses sei dann zu dem Ergebnis gekommen, dass ihre Mutter entweder in eine psychiatrische Einrichtung müsse oder zu ihr kommen müsse. Ihre Mutter habe sich eines Tages beim Duschen schwer verletzt, so dass alles voller Blut gewesen sei. Neben dem Waschbecken sei gleich die Dusche mit einer Glaswand. Ihre Mutter habe sich die Hände gewaschen und dabei versehentlich Wasser und Seife auf dem Boden verteilt. Sie sei dann ausgerutscht und in die Glaswand der Dusche gefallen. Das Bein sei zerschnitten und sie habe Verletzungen am Arm und im Gesicht gehabt. Dies sei schon lange her gewesen, noch vor der Ausreise. Es habe sie immer jemand ins Krankenhaus gefahren und sich um sie gekümmert; aber es habe immer mehr Zwischenfälle gegeben. Ihre Mutter habe zwischenzeitlich auch die Tabletten, die ihr verschrieben worden seien, nicht genommen. Die Blutdruckmedikamente habe sie nicht mehr eingenommen. Einmal habe sie auch zu viele Schlaftabletten genommen. Medikamente für psychische Erkrankungen habe sie jedoch keine eingenommen. Durch die Übermedikation sei ihre Mutter neben sich gewesen, als sie am nächsten Tag aufgewacht sei. Sie habe bis nachmittags geschlafen, man habe sie gesucht, die Leiterin habe das Zimmer mit dem Schlüssel, den sie für Notfälle habe, geöffnet. Es sei dann schon nach 12:00 Uhr gewesen, ihre Mutter habe geweckt und ihr Blutdruck stabilisiert werden müssen. Ihre Mutter habe nur in einem, „Seniorenhaus“, keinem Altersheim gelebt. Es habe keine medizinische Versorgung und keine pflegerische Unterstützung gegeben. Einrichtungen für Demenzkranke gebe es in Israel eventuell schon. Ihre Mutter habe dort aber gar nichts bekommen. Sie sei notfallmäßig für 24 Stunden medikamentiert und dann wieder nach Hause geschickt worden. Zu einer solchen Notfallmedikation sei es gekommen, als ihre Mutter Schlaftabletten eingenommen habe. Sie sei ins Krankenhaus gebracht worden und dann zu Fuß nach fünf Stunden wieder nach Hause gegangen mit einer alten Frau, ihrer Nachbarin, als Begleiterin. Bei der Rückübersetzung gab die Tochter an, es gebe in der Stadt kein Krankenhaus und deswegen müsse man mit dem Taxi fahren. „Zu Fuß“ sei falsch. Die einzige Möglichkeit für ihre Mutter wäre gewesen, in eine geschlossene psychiatrische Anstalt zu kommen. Alte Menschen würden in Israel in geschlossene Einrichtungen gesteckt, für ihre Mutter habe es die Möglichkeit nicht gegeben. Bei der Rückübersetzung gab die Tochter an, dass das komisch klinge, sie könne nicht sagen, welche Möglichkeiten es dort gebe, sie habe dort überhaupt nicht gelebt.
3
Mit Schreiben vom 31. März 2017 übersandte die Beklagte der Betreuerin der Klägerin einen Fragenkatalog und bat um konkrete Aussagen zum Behandlungsbedarf und den eventuellen Folgen fehlender oder unzureichender Behandlungsmöglichkeiten durch Vorlage eines ärztlichen Attestes.
4
Nach einer ärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie … … vom 25. April 2017 habe die Klägerin nach den Angaben ihrer Tochter aufgrund ihres Zustandes der Vergesslichkeit nicht mehr in dem Seniorenappartement bleiben dürfen, in dem sie seit 11 Jahren gelebt habe. Sie hätte in einem geschlossenen Heim untergebracht werden müssen und man habe mit einer Zwangsbetreuung gedroht. Deshalb habe die Tochter die Klägerin nach Deutschland geholt. Vom psychologischen Befund seien ausgeprägte paranoide Wahnideen, ein Wahnsystem, Beziehungs- und Beeinträchtigungsideen sowie eine starke motorische Unruhe festgestellt worden. Ebenfalls hätten Tests deutliche Defizite im Kurzzeitgedächtnis, Verwirrtheitszustände und Orientierungsstörungen selbst in der Wohnung ergeben. Diagnostisch sei von einer schweren Demenz, am ehesten vom Typ Alzheimer auszugehen, zusätzlich von einer chronifizierten wahnhaften Störung. Würde die Betroffene sich selbst überlassen, drohe ihr eine Verwahrlosung und eine erhebliche Selbst- und Fremdgefährdung. Durch eine medikamentöse Behandlung mit Risperidon und Memantine habe ein rasches Fortschreiten der Erkrankung abgemildert werden können. Paranoide Wahnideen, ein Wahnsystem und Beziehungs- und Beeinträchtigungsideen seien unter der Medikation zum Teil unterdrückt worden. Demenzspezifische Verhaltensweisen mit motorischer Unruhe, wenig Kooperation und weitere Defizite stünden unverändert im Vordergrund. Ein Abbruch der Behandlung führe zu einer raschen Verschlechterung des Zustandes, erneutem Auftreten von psychotischen Symptomen, rascher Progredienz der Demenzsymptomatik mit Verstärkung der Verwirrtheitszustände, und die derzeit gewonnene Kompetenz, zumindest unter Anleitung etwas in den Alltag mit einbezogen zu werden, werde komplett verloren gehen. Die Patientin benötige eine engmaschige Betreuung, 24 Stunden Aufsicht. Es bestehe eine Eigen- und Fremdgefährdung. Die Patientin nehme weder Flüssigkeiten noch Essen selbständig zu sich. Eine Rückkehr nach Israel werde nicht verantwortet, da die Patientin dort niemanden habe, der sich um sie kümmere. Eine Unterbringung in einem Heim in Israel sei für die Patientin und ihre Tochter eine extrem emotionale Belastung, die Tochter könne sie dort nur in Ausnahmefällen besuchen. Das Herausnehmen aus der Familie der Tochter, in welche die Patientin relativ gut integriert sei, werde den psychischen Zustand der Patientin dramatisch verschlechtern und zu einer raschen Progredienz der Demenzerkrankung führen. Zusätzlich leide die Patientin unter einer arteriellen Hypertonie und erhalte mittlerweile fünf verschiedene Präparate zur Stabilisierung des Blutdrucks. Bei Absetzen dieser könne es zu Blutdruckkrisen mit entsprechenden Folgen für Gehirn und Herz kommen. Weiter leide die Patienten an chronischen Verstopfungen.
5
Mit Bescheid vom 6. November 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, widrigenfalls werde sie nach Israel abgeschoben. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 20 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
6
Mit Schriftsatz ihrer Betreuerin vom 12. November 2017, beim Verwaltungsgericht Ansbach per Telefax eingegangen am 13. November 2017, ließ die Klägerin Klage erheben mit den Anträgen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. November 2017 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise, subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zu gewähren, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
7
Außerdem wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
8
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die 87 Jahre alte Klägerin an Demenz erkrankt sei. Sie sei nicht in der Lage, ihren Alltag selbständig zu bestreiten, und benötige 24 Stunden am Tag eine Betreuung. Sie habe in Israel keinerlei Verwandte und könne dort nicht von ihrer Tochter betreut werden, sodass sich ihr Zustand schlagartig verschlechtern würde. Außerdem habe sie dort keine Wohnmöglichkeit.
9
Die Beklagte beantragte zunächst,
die Klage abzuweisen und bezog sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.
10
Mit Schreiben vom 20. November 2017 legte die Tochter der Klägerin den auf sie lautenden Betreuerausweis des Amtsgerichts … vom 12. Juli 2016 sowie eine ärztliche Stellungnahme der … vom 13. November 2017 vor, die im Wesentlichen den oben geschilderten Inhalt hat.
11
Mit Beschluss vom 4. Dezember 2017 (AN 6 S 17.35944) hat das Verwaltungsgericht Ansbach den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage rechtskräftig abgelehnt.
12
Mit Schreiben vom 4. Februar 2020 reichte die Tochter der Klägerin u.a. einen Arztbrief des …-Krankenhauses in … vom 3. September 2019 ein, in dem über eine stationäre Behandlung der Klägerin wegen einer Beckenringfraktur vom 1. September 2019 bis zum 3. September 2019 berichtet wurde. Weiterhin reichte sie eine Bestätigung des Hardship Funds der „Conference of Jewish Material Claims Against Germany“ vom 8. Dezember 2017 ein, dass der Klägerin als Opfer von NS-Verfolgungsmaßnahmen eine einmalige Beihilfe von EUR 2.556,46 gewährt worden sei. Schließlich war eine Stellung der Israelitischen Kultusgemeinde … vom 18. Dezember 2017 enthalten, in der unter Verweis auf die Lebensgeschichte der Klägerin und ihren Gesundheitszustand um Wohlwollen bei der Entscheidung über einen Aufenthalt in Deutschland gebeten wurde.
13
Auf gerichtliches Schreiben vom 30. September 2020 hin erklärte das Bundesamt mit Schriftsatz und Bescheid vom 1. Oktober 2020, dass ein Abschiebungsverbot hinsichtlich der Klägerin nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt werde und der Bescheid vom 6. November 2017, soweit er dem entgegenstehe, aufgehoben werde. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass die Entscheidung einzelfallbezogen unter Berücksichtigung aller Unterlagen zum Gesundheitszustand und aufgrund des hohen Alters der Klägerin sowie der zugespitzten Situation in Israel hinsichtlich der Ausbreitung des Corona-Virus erfolge.
14
Daraufhin erfolgte bislang keine prozessuale Reaktion der Klägerin.
15
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die elektronische Asylverfahrensakte der Klägerin und die Gerichtsakte Bezug genommen. Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 22. Oktober 2020 wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

16
Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2020 trotz des Ausbleibens der Beteiligten entschieden werden, § 102 Abs. 2 VwGO. Die Klägerin und die Beklagte sind form- und fristgerecht geladen worden und in der Ladung wurde auf die Möglichkeit der Verhandlung und Entscheidung auch bei Ausbleiben eines Beteiligten hingewiesen. Streitgegenstand ist der Bescheid des Bundesamtes vom 6. November 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 1. Oktober 2020, mit dem der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG zugesprochen wurde und der Bescheid vom 6. November 2017 aufgehoben wurde, soweit er dem entgegensteht.
17
Die Klage ist bereits unzulässig, soweit sie auf die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG und auf Aufhebung der Ziffern 4 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes vom 6. November 2017 gerichtet ist. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
18
1. Die Klage ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, soweit die Klägerin die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG und die Aufhebung der Ziffern 4 bis 6 des Bescheides vom 6. November 2017 begehrt. Insoweit hat sich die Klage durch den Bescheid des Bundesamtes vom 1. Oktober 2020 erledigt. Mit diesem Bescheid hatte das Bundesamt hinsichtlich der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt und den Bescheid vom 6. November 2017 insoweit aufgehoben, als er dem entgegensteht, also in den Ziffern 4 bis 6, die die Ablehnung der Feststellung eines Abschiebungsverbotes, die Abschiebungsandrohung nach Israel und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots enthielten. Hierauf hat die Klägerin trotz Aufforderung des Gerichts mit Schreiben vom 2. Oktober 2020 nicht prozessual reagiert, in der mündlichen Verhandlung am 22. Oktober 2020 ist sie trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Mit Eintritt der Erledigung entfällt nach ganz herrschender Ansicht das Rechtsschutzbedürfnis und damit die Zulässigkeit der Klage, soweit der Kläger nicht auf die Erledigung reagiert, etwa durch Abgabe einer (einseitigen) Erledigungserklärung, sondern die Klage unverändert aufrechterhält (OVG NW, B.v. 23.9.2013 - 11 A 1834/11 - juris Rn. 10; Clausing in Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 161 Rn. 12 m.w.N. auch zur a.A. (Unbegründetheit); Zimmermann-Kreher in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 55. Ed. 1.10.2020, § 161 Rn. 7).
19
2. Im Übrigen, also was die begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte, als Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG und hilfsweise als subsidiär Schutzberechtigte nach § 4 AsylG angeht, ist die Klage zwar zulässig, jedoch unbegründet.
20
Der Klägerin steht weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, noch auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a GG, noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG zu. Die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, der Anerkennung als Asylberechtigte und der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus als offensichtlich unbegründet durch das Bundesamt ist jeweils rechtmäßig. Bei einer qualifizierten Ablehnung des Asylantrages wegen offensichtlicher Unbegründetheit nach § 30 Abs. 1 AsylG ist zwingend erforderlich, dass sich das negative Offensichtlichkeitsurteil kumulativ auf die Asylberechtigung und die Voraussetzungen des internationalen Schutzes bezieht (VG München, B.v. 25.7.2018 - M 9 S 17.40120 - BeckRS 2018, 17144 Rn. 17; Heusch in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 27. Ed. 1.10.2020, § 30 AsylG Rn. 9).
21
3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, weil es an einer begründeten Furcht vor Verfolgung fehlt. Ihr Asylantrag war diesbezüglich gemäß § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich unbegründet, da die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Flüchtling offensichtlich nicht vorliegen.
22
a) Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Hierzu bestimmt § 3a AsylG näher die Verfolgungshandlungen, § 3b AsylG die Verfolgungsgründe, § 3c AsylG die Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, § 3d AsylG die Akteure, die Schutz bieten können und § 3e AsylG den internen Schutz. Zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in Verbindung mit § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1, Abs. 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung bestehen. Die Handlung muss darauf gerichtet sein, den Betroffenen gerade in Anknüpfung an einen oder mehrere Verfolgungsgründe zu treffen. Ob die Verfolgung in diesem Sinne „wegen“ eines Verfolgungsgrundes erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen, nicht hingegen nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolger leiten (BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 33/18 - NVwZ 2020, 161 Rn. 13).
23
Eine begründete Furcht vor Verfolgung bei einer Rückkehr nach Israel in diesem Sinne macht die Klägerin unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt geltend. Ihr Vorbringen beschränkt sich im Wesentlichen darauf, aufgrund ihres Gesundheitszustandes - insbesondere aufgrund ihrer schweren Demenzerkrankung - auf die engmaschige Pflege durch ihre Tochter und gesetzliche Betreuerin in Deutschland angewiesen zu sein, sowie dass eine adäquate Pflege durch und in Einrichtungen in Israel nicht möglich sei, da sie niemand anderen als ihre Tochter als Pflegeperson akzeptiere. Zudem würde eine Rückführung nach Israel, möglicherweise in eine geschlossene Einrichtung dort, zu einer dramatischen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin führen. Daraus ergibt sich kein Ansatzpunkt für eine Verfolgung der Klägerin aus den in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründen. Im Übrigen wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 6. November 2017 Bezug genommen.
24
b) Auch die qualifizierte Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG als offensichtlich unbegründet durch die Beklagte nach § 30 Abs. 1 AsylG ist rechtmäßig.
25
Ein Asylantrag ist dann im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich unbegründet, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Bundesamtes vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Asylantrages geradezu aufdrängt. Aus den Bescheidsgründen muss sich zudem klar ergeben, weshalb die Behörde den Asylantrag nicht als einfach unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet ablehnt (Heusch in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 27. Ed. 1.10.2020, § 30 AsylG Rn. 14; BVerfG [Kammer], B.v. 25.2.2019 - 2 BvR 1193/18 - juris Rn. 18 ff.).
26
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes ist die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG durch das Bundesamt als offensichtlich unbegründet zutreffend. Weder der eigene Vortrag der Klägerin (s.o. 1.a)) noch die übrige Aktenlage lassen irgendeinen Anhaltspunkt für eine Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erkennen.
27
4. Aus denselben Gründen wie unter 1. ausgeführt, hat die Klägerin offensichtlich (§ 30 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf eine Anerkennung als Asylberechtigte im Sinne des Art. 16a GG.
28
5. Der Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG, weil keine stichhaltigen Gründe dafür ersichtlich sind, dass ihr im Herkunftsland Israel ein ernsthafter Schaden droht. Ihr Asylantrag ist auch diesbezüglich gemäß § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich unbegründet, da die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes offensichtlich nicht vorliegen.
29
a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist der Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2  Nr. 3 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
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Die von der Klägerin berichtete, in Israel unter Umständen drohende Einweisung in eine geschlossene Einrichtung aufgrund ihrer Demenzerkrankung ist keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Vielmehr obliegt es dem Staat alleinstehende, geschäftsunfähige und dringend hilfsbedürftige Menschen in Obhut zu nehmen, die bei einer drohenden Eigengefährdung aufgrund einer demenziellen Erkrankung auch die Einweisung in eine geschlossene Einrichtung bedeuten kann.
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Auch für eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Klägerin infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG gibt es laut der ins Verfahren eingeführten Erkenntnismittel für die Herkunftsregion/-stadt der Klägerin, … (im Südwesten Israels an der Mittelmeerküste gelegen), keinerlei Ansatzpunkte (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Israel, Stand 2.7.2020, S. 16 ff.).
32
Im Übrigen wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 6. November 2017 Bezug genommen.
33
b) Auch die qualifizierte Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG als offensichtlich unbegründet im Sinne der oben genannten Definition (s.o. 1. b)) durch die Beklagte ist rechtmäßig. Sowohl nach dem Vorbringen der Klägerin als auch der aus den Erkenntnismitteln hervorgehenden Lage in Israel sind keinerlei Ansatzpunkte für eine Gewährung subsidiären Schutzes nach den Voraussetzungen des § 4 AsylG erkennbar. Aus dem klägerischen Vortrag lässt sich vielmehr entnehmen, dass der Klägerin und ihrer Betreuerin und Tochter - menschlich nachvollziehbar, aber für den Flüchtlings- und subsidiären Schutz nicht relevant - daran gelegen ist, dass die Pflege der schwerkranken Klägerin durch die in Deutschland lebende Tochter erfolgen soll, nicht aber, dass in Israel eine grundsätzlich defizitäre gesundheitliche oder pflegerische Versorgungslage herrsche oder die Sicherheitslage kritisch sei.
34
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.