Titel:
Vorauszahlung auf Straßenausbaubeitrag rechtswidrig (Einzelfall)
Normenkette:
BayKAG Art. 5 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei der Erhebung von Vorauszahlungen auf Straßenausbaubeiträge ist prognostisch nach der Erkenntnislage im Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung zu bewerten, wie sich die Ortsstraße nach vollständiger Umsetzung des gemeindlichen Bauprogramms darstellen wird. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird lediglich eine Teilstrecke einer Ortsstraße ausgebaut, kann eine beitragsfähige Erneuerung in der Regel nur dann angenommen werden, wenn die erneuerte Teilstrecke mindestens ein Viertel der gesamten Straßenlänge umfasst. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kommunalabgaben, Straßenausbaubeitrag, Vorauszahlung, natürliche Betrachtungsweise, Vorausleistung, kommunale Ausbaubeitragssatzung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 39877
Tenor
I. Der Bescheid des Beklagten vom 23. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Miltenberg vom 13. Juni 2019 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem sie zur Zahlung einer Vorausleistung auf einen Straßenausbaubeitrag herangezogen wird.
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Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.-Nr. 41* … der Gemarkung E* …, das mit einem Wohnhaus bebaut ist und an der K* H1. Straße gelegen ist.
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Mit Bescheid vom 23. Juni 2017 - ein Zustelldatum lässt sich der Akte nicht entnehmen - erhob der Beklagte von der Klägerin für den teilweisen Ausbau des Straßenzugs M* H1.straße (Nord) / K* H1. Straße zwischen dem Kreisverkehr an der Einmündung J* H1.straße und dem Kreuzungsbereich der K* H1. Straße mit dem N* …ring und der G* H1.straße eine Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 3.977,43 EUR. Die Erhebung des Beitrags beruhe auf Art. 5 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) in Verbindung mit § 1 der Ausbaubeitragssatzung (ABS) des Marktes E* … vom 6. Juni 2011. Der voraussichtliche umlagefähige Aufwand betrage 452.884,01 EUR und der Beitrag je m² Nutzungsfläche 8,84266 EUR/m². Das klägerische Grundstück weise eine Fläche von 346 m² auf und verfüge über zwei Vollgeschosse, so dass ein Nutzungsfaktor von 1,3 anzusetzen sei. Die voraussichtliche persönliche Beitragsschuld betrage somit 3.977,43 EUR.
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Mit Schreiben vom 6. Juli 2017, beim Beklagten eingegangen am 14. Juli 2017, legte die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung ließ sie durch ihren Bevollmächtigten ausführen, dass die M* H1.straße und die K* H1. Straße keinen einheitlichen Straßenzug darstellen würden und für die Anlieger der K* H1. Straße kein Vorteil durch den Ausbau gegeben sei. Schon die Planung der Fahrbahn in der K* H1. Straße lasse erkennen, wie stark der Unterschied zwischen K* H1. Straße und M* H1.straße sei. In der K* H1. Straße sei fast kein Parkplatz vorgesehen, wohingegen in der M* H1.straße fast vor jedem Anwesen mehrere Parkplätze eingeplant seien. Die Unterschiedlichkeit beider Straßenzüge ergebe sich vor allem aber aus der gewerblichen Nutzung der beiden Straßen. Gewerblich genutzte Gebäude seien in der K* H1. Straße nur eine Eisdiele und ein Reifenhandel. Die K* H1. Straße bestehe ganz und gar überwiegend aus Wohnhäusern. Es befinde sich dort ein Spielplatz, wie dies für ein Wohngebiet typisch sei. In der M* H1.straße befänden sich allein vier Gastronomiebetriebe. Fast jedes Haus dort werde gewerblich genutzt. Reine Wohnhäuser seien dort nur ganz vereinzelt. Außerdem gebe es in der M* H1.straße viele öffentliche Gebäude. Durch die durchgeführten Baumaßnahmen werde deutlich, dass hier der Ortskern, zu dem auch das Rathaus gehöre, entstanden sei. Es sei offensichtlich, dass die M* H1.straße als Geschäftsstraße und damit als Ortskern ausgebildet werden solle. Die K* H1. Straße dagegen bleibe reines Wohngebiet. Damit seien die Vorteile der Anwohner an der M* H1.straße ungleich größer als die Vorteile der Anwohner der K* H1. Straße. Des Weiteren könne ein Straßenausbaubeitrag nur von einem Grundstückseigentümer verlangt werden, der einen Sondervorteil von der Ausbaumaßnahme habe. Hier könne von einem solchen besonderen Vorteil für die Bewohner der K* H1. Straße keine Rede sein. Der Charakter der Ausbaumaßnahme in der M* H1.straße sei eindeutig auf die dortigen Anlieger abgestellt. Die Anlieger der K* H1. Straße hätten an diesem besonderen Vorteil keinen Anteil. Für sie bleibe der allgemeine Vorteil wie für alle übrigen Einwohner von Elsenfeld.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2019, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 17. Juni 2019 zugestellt, wies das Landratsamt Miltenberg den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid sei die Ausbaubeitragssatzung des Beklagten vom 6. Juni 2011. Gegenstand einer beitragsfähigen Ausbaumaßnahme sei grundsätzlich die einzelne Orts straße als die maßgebliche öffentliche Einrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG. Wo eine solche Orts straße beginne und wo sie ende, bestimme sich nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermittelten. Für die einzelne Orts straße im beitragsrechtlichen Sinne sei kennzeichnend, dass sie einen selbständigen, in sich geschlossenen Teil des Straßennetzes, also einen Straßenzug bilde. Deshalb habe sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen, wie hier M* …-straße oder K* H1. Straße, oder Grundstücksgrenzen, sondern ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Ausstattung mit Teileinrichtungen auszurichten. Zugrunde zu legen sei dabei der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten, also nach Durchführung der Ausbaumaßnahme. Bei der Erhebung von Vorauszahlungen, die begrifflich immer vor dem Entstehen der endgültigen sachlichen Beitragspflichten erfolge, sei demnach prognostisch nach der Erkenntnislage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zu bewerten, wie sich die Orts straße nach vollständiger Umsetzung des gemeindlichen Bauprogramms, insbesondere im Verhältnis zu den sich anschließenden Straßen darstellen werde. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben erweise sich die in den Bescheiden genannte Anlage M* H1.straße (Nord)/K* H1. Straße zwischen dem Kreisverkehr an der Einmündung J* H1.straße und dem Kreuzungsbereich der K* H1. Straße mit dem N* …ring und der G* H1.straße als die maßgebliche Einrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG.
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In den Jahren 2002 bis 2006 habe der Markt E* … zur Entlastung der Ortsdurchfahrt eine kommunale Entlastungs straße östlich um den Ort herumgebaut. Mit dem Bau der kommunalen Entlastungs straße habe der Beklagte auch das Ziel verfolgt, die Ortsdurchfahrt umzugestalten. Die einzelnen Zielsetzungen seien durch die Aufstellung eines städtebaulichen Entwicklungskonzepts festgeschrieben worden, auf das verwiesen werde. Die M* H1.straße habe zur Erreichung der in dem Entwicklungskonzept genannten Ziele umgebaut werden sollen. Im Zuge der Umbaumaßnahmen sei eine neue funktionale Aufteilung der Straße erfolgt. Die Gehwege seien zu Lasten der Fahrbahntrassen verbreitert worden. In Teilbereichen befänden sich nunmehr abmarkierte Schutzstreifen für Radfahrer. Die Parksituation sei neu geordnet worden. Zur Verlangsamung des Verkehrs seien an mehreren Stellen Fahrbahnteile bzw. Trennstreifen eingebaut worden. Anstelle einer Ampelanlage im Einmündungsbereich der J* H1.straße sei ein Kreisverkehr mit Zebrastreifen und Fahrbahnteilern bzw. Trennstreifen in den Einmündungsbereichen errichtet worden. In gewissen Abständen seien quer zum Fahrbahnverlauf rote Markierungsstreifen angebracht worden. Diese seien als Querungshilfen für Fußgänger und Radfahrer gedacht, da in diesem Bereich die Bordsteine auf Fahrbahnniveau abgesenkt worden seien. Diese Querungshilfen seien nur zum Teil überfahrbar, da Pflanzbeete eingebracht oder Blumenkübel aufgestellt worden seien. Die Fortführung dieses städtebaulichen Entwicklungskonzeptes beinhalte in einem weiteren Schritt den Umbau der Kreuzung K* H1. Straße/G* H1.traße/N* …ring in einen Kreisverkehrsplatz. Das Ingenieurbüro F** sei bereits mit der Umsetzung der Planung beauftragt worden. Durch diesen Umbau werde dem Verkehrsteilnehmer klar signalisiert, wo der Innerortsbereich beginne und wo aus Richtung Norden kommend künftig Tempo 30 gelte. Die Beschlussfassung im Marktgemeinderat zum konkreten Umbau der Kreuzung in einen Kreisverkehrsplatz sei am 13. November 2017 erfolgt. Die Umsetzung der Maßnahme solle so zeitnah wie möglich erfolgen bei der mittelfristig vorgesehenen Generalsanierung der K* H1. Straße. Hierfür müsse zunächst kanalbautechnisch die Vorflut in der H* H1.straße optimiert werden. Das Teilstück der K* H1. Straße zwischen Jo* H1.Straße und dem zukünftigen Kreisverkehrsplatz werde im Aufweitungsbereich einen bedarfsgerechten Rückbau unter Anlegung von Fahrradschutzstreifen erfahren.
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Bei der Beurteilung dessen, was die öffentliche Einrichtung darstelle, würden ausschließlich Umstände berücksichtigt, die sich auf die Straße bzw. den Straßenkörper, wie zum Beispiel Straßenbreite, Ausstattung mit Teileinrichtungen oder Baulast und dessen Verkehrsfunktion beziehen. Die Nutzung oder Bebauung der angrenzenden Flächen sei hierbei nicht relevant bzw. habe nur eine untergeordnete Bedeutung. Dementsprechend spiele es entgegen der Argumentation der Klägerin im vorliegenden Fall bei der Beurteilung der Länge des Straßenzuges auch keine Rolle, welche Gebietsarten an beiden Straßenseiten bauplanungsrechtlich festgelegt bzw. welche Nutzungen tatsächlich vorhanden seien. Aus der insgesamt gemischten Nutzung könne keineswegs eine signifikante Zäsur für das Ende des einen und den Beginn eines anderen Straßenzuges gesehen werden. Der unbefangene Beobachter erkenne immer den weiteren Verlauf der weitgehend gleichartig ausgebauten Straße. Eine Zäsur läge nur dann vor, wenn sich die Ausbauweise in der K* H1. Straße und der M* H1.straße signifikant unterscheiden würde. Wie die Baumaßnahmen und die weiteren Planungen jedoch aufzeigten, würden die M* H1.straße (Nord) und die K* H1. Straße nach einem einheitlichen Konzept, das den Rückbau der ehemaligen Staats straße diene und eine Verkehrsberuhigung auch in der K* H1. Straße forciere, in quasi zwei Bauphasen ausgebaut. Die räumliche Begrenzung und damit den Beginn und Ende des Straßenzuges bestimmten der Kreisel bei der J* H1.straße sowie der zukünftige Kreisel an der Kreuzung K* H1. Straße mit N* …ring und G* H1.straße. Damit sei die Länge des beitragsrechtlich zu betrachtenden Straßenzuges klar vorgegeben. Die Straßenausstattung innerhalb der hier zu betrachtenden Einrichtung weise auch keine erheblichen Unterschiede auf, die für ein Ende und den Neubeginn einer anderen Anlage sprechen würden. Sowohl in der M* H1.straße (Nord) als auch in der K* H1. Straße seien bereits jetzt Querungshilfen für Fußgänger vorhanden. Vor den Anwesen K* H1. Straße 13 und 10 seien der Fahrbahnquerschnitt durch mobile Warnbaken rechts und links der Fahrbahn sowie auf diese Warnbaken konisch zulaufende Abmarkierungen so eingeengt, dass ein Durchfahren der Engstelle bei gleichzeitigem Gegenverkehr Pkw/Lkw nicht möglich sei. Bei einem mittelfristig anstehenden Ausbau der K* H1. Straße würden weitere Elemente der Verkehrsberuhigung erfolgen. Sowohl in dem Bereich der M* H1.straße (Nord) als auch in der K* H1. Straße verfüge die Anlage über die Teileinrichtungen Fahrbahn, Gehwege, Parkplätze und Straßenbegleitgrün. Lediglich auf einer kurzen Strecke fehlten das Straßenbegleitgrün und der Parkstreifen, da aufgrund der an die Straße heranrückenden Bebauung kein Platzangebot für diese Teileinrichtungen vorhanden sei. Die aufgezeigten Maßnahmen zeigten deutlich, dass der Straßenzug auf seiner gesamten Länge, ca. 770 m, einem einheitlichen Konzept mit dem Ziel Verkehrsberuhigung und Verbesserung der Lebensqualität unterliege.
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Eine Zusammenfassung der Bauprogramme für M* H1.(Nord) und K* H1. Straße mit anschließender abschnittsweiser Abrechnung des Ausbauaufwandes auf die Anlieger des tatsächlichen Ausbaubereiches sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Da es im vorliegenden Fall noch keine Entwurfsplanung und keinen hinreichend konkreten Zeitplan für den Ausbau der K* H1. Straße gebe, verbiete sich eine Abschnittsbildung mit dem Ziel einer abschnittsweisen Abrechnung des Ausbauaufwandes. Somit sei bei einem Teilstreckenausbau immer die Gesamtanlage in den Blick zu nehmen.
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Der von der Klägerin angedeutete offensichtliche Charakter der M* H1.straße als Geschäfts straße und der K* H1. Straße als Straße in einem reinen Wohngebiet könne hier ebenfalls nicht als Indiz für ein Ende des Straßenzuges gesehen werden. Nachdem die Satzung des Beklagten nicht nach der Straßenkategorie Geschäfts straße unterscheide, könne dieses Argument nicht für eine Begrenzung eines ansonsten einheitlichen Straßenzuges herangezogen werden. Des Weiteren habe der Beklagte in zutreffender Weise die M* H1.straße (Nord) zusammen mit der K* H1. Straße als Hauptverkehrs straße eingestuft, denn der gesamte Straßenzug diene der Erschließung der angrenzenden Grundstücke und in überwiegendem Maße dem innerörtlichen und überörtlichen Verkehr. Bei einer Einstufung der Straße als Hauptverkehrs straße belaufe sich der von dem Beklagten zu tragenden Anteil an der Fahrbahn auf 70% und bei den übrigen Teileinrichtungen, wie zum Beispiel Gehweg oder Beleuchtung auf 45%.
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Dem Grundstück der Klägerin werde entgegen ihrer Argumentation auch ein rechtlich erheblicher Sondervorteil vermittelt. Die erforderliche spezifische Nähe zur M* H1.straße (Nord)/K* H1. Straße stehe außer Frage, weil das Grundstück unmittelbar an die Einrichtung angrenze und dieses von dort betreten werden könne. Das Grundstück könne zudem in einer beitragsrechtlich sinnvollen Weise genutzt werden. Der Umstand, dass die Erneuerung und Verbesserung einer Teilstrecke des Straßenzuges nicht vor dem Grundstück der Klägerin vorgenommen worden sei, stehe einer Beitragspflicht des fraglichen Grundstücks nicht entgegen. Es sei nicht entscheidend, ob vor dem fraglichen Grundstück eine Erneuerungs- oder Verbesserungsmaßnahme stattgefunden habe. Es sei lediglich zu prüfen, ob die betroffene ausgebaute Teilstrecke mindestens ein Viertel der gesamten Straßenlänge umfasse. Dies sei hier eindeutig gegeben. Auf die weiteren Einzelheiten des Widerspruchsbescheids wird verwiesen.
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Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 15. Juli 2019, bei Gericht am 16. Juli 2019 eingegangen, ließ die Klägerin gegen den Bescheid Klage erheben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass die Frage entscheidend sei, ob die Anwohner der K* H1. Straße für den bislang nur in der M* H1.straße erfolgten Ausbau herangezogen werden könnten. Es könne überhaupt kein Zweifel bestehen, dass die Anwohner des Ortskernes M* H1.straße Vorteile von den Ausbaumaßnahmen hätten. Dies gelte nicht nur für die Verbesserung und Erweiterung der Straße selbst, sondern auch für das Anlegen breiterer Gehwege mit entsprechendem Plattenbelag und das Anlegen von Parkplätzen und Parkbuchten. Für die in dem Ortskern befindlichen Geschäfte sei dadurch in jedem Fall eine Verbesserung entstanden. Insofern bestehe in der Tat für die dort befindlichen Grundstücke ein Vorteil, der in gewisser Weise die Belastung durch die Beitragserhebung ausgleiche. Dieser Vorteil bestehe aber nicht für die Anwohner der K* H1. Straße. Diese Straße sei schon allein deshalb getrennt vom Ortskern zu sehen. Eine Gemeinsamkeit, die zu dieser Abschnittsbildung berechtige, sei nicht zu erkennen. Der Beklagte behaupte jedoch, es gehe bei dem Ausbau der M* H1.straße nicht um die Entstehung eines Ortskernes und die Schaffung eines Geschäftszentrums, sondern um den Ausbau eines Straßenzuges, in den auch die K* H1. Straße einbezogen werden müsse, damit ein flüssiger Straßenverkehr entstehe. Dieser behauptete einheitliche Straßenzug sei jedoch nicht gegeben. Die M* H1.straße bilde den Ortskern mit Geschäftszentrum. Dies sei der Charakter dieses Ortsteiles. Bei der K* H1. Straße aber handele es sich um eine reine Wohn straße. Dort befänden sich ausschließlich Wohnhäuser. Die Straße sei zudem sehr eng und biete keine Möglichkeit für einen breiteren Gehweg, ebenso sei kein Platz für Parkplätze und Parkbuchten. Deshalb könnten dort keine Geschäfte errichtet werden, wie dies im Ortskern der Fall ist. Schon allein deshalb könnten der Ortskern und die K* H1. Straße nicht als Einheit gesehen werden. Ein unvoreingenommener Beobachter der Situation stelle sehr leicht fest, dass sich die M* H1.straße mit dem Ausbau des Ortskernes ganz entscheidend von der K* H1. Straße abhebe. Im Übrigen verstoße die Einbeziehung der K* H1. Straße in die Ausbaukosten der M* …-straße auch gegen Art. 3 GG. Es bestehe nämlich bei dem Vorteil, den die Grundstücke der M* H1.straße durch die Ausbaumaßnahme erhalten hätten, ein großer Unterschied zu den erwarteten Vorteilen der Grundstücke in der K* H1. Straße. Wie vorgetragen könne dort keinesfalls der Bürgersteig so ausgestaltet werden wie im Ortskern.
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Die Klägerin beantragt zuletzt,
den Bescheid des Beklagten vorm 23. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes Miltenberg vom 13. Juni 2019 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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Gegenstand der Vorauszahlung seien nach dem insoweit maßgeblichen Bauprogramm Straßenbaumaßnahmen im Bereich der M* H1.straße zwischen dem Kreisverkehr im Bereich der Einmündung der J. straße im Süden bis kurz nach der Einmündung der P* H1.-Straße. Zudem sehe das Bauprogramm als eine weitere Maßnahme den Umbau der Kreuzung G* H1.straße/N* …ring in einen Kreisverkehrsplatz vor. Diesen Baumaßnahmen läge ein städtebauliches Entwicklungskonzept zugrunde. Dieses bezwecke die Verlagerung des Durchgangsverkehrs auf die Umgehungs straße mit dem Ziel einer Verkehrsberuhigung innerhalb des Orts, einer Minderung des Verkehrslärms und damit einhergehend der Verbesserung der Lebensqualität im Innenort. Die gesamten Maßnahmen sollen sukzessive in Abhängigkeit von der Haushaltslage des Beklagten durchgeführt werden. Bei der streitgegenständlichen Ausbaumaßnahme handele es sich um einen beitragsfähigen Teilstreckenausbau der Orts straße M* H1.straße / K* H1.traße. Der Straßenzug, beginnend an der Einmündung der J* H1.straße und endend an den Einmündungen N* …ring und G* H1.straße, sei die ausbaubeitragsrechtlich relevante Anlage. Maßgeblich für die Einordnung seien weder Straßennamen, Grundstücksverhältnisse oder Straßenausstattungen, sondern das äußere Erscheinungsbild, wobei auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht nach Abschluss der Baumaßnahme abzustellen sei. Für den vorliegenden Fall ergebe sich hieraus, dass die Anlage am Kreisverkehr J* H1.straße beginne und an dem im Bereich der Einmündung der G* H1.straße noch zu errichtenden Kreisverkehr ende. Im Norden ende die ausbaubeitragsrechtlich relevante Anlage bereits aus Rechtsgründen an den Einmündungen N* …ring und G* H1.straße, da die Straße in ihrem weiteren Verlauf noch nicht erstmals endgültig hergestellt sei. Dieses nördliche Straßenstück habe erst im Jahr 2006 mit dem Erlass des Bebauungsplans „Gewerbegebiet E* … Nord“ Erschließungsfunktion erlangt. Zu diesem Zeitpunkt sei das gegenständliche Straßenstück südlich der Einmündungen N* …ring und G* H1.straße bereits erstmals endgültig hergestellt gewesen. Die nördliche Verlängerung verfüge hingegen bis heute über keine ordnungsgemäße Straßenentwässerung und sei daher noch nicht erstmals endgültig hergestellt.
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Die von der Klägerin erhobenen Einwände seien nicht begründet. Wie bereits ausgeführt, bildeten die M* H1.straße und die K* H1. Straße in dem genannten Bereich beitragsrechtlich eine Anlage. Der Beklagte habe die Straßenbaumaßnahme auch als beitragsfähigen Teilstreckenausbau abrechnen können. Eine Abschnittsbildung sei nicht vorgenommen worden und komme auch nicht in Betracht, da nach dem Bauprogramm eine Fortführung der Straßenbaumaßnahme nicht vorgesehen sei. Bei einem Teilstreckenausbau ergäben sich für sämtliche an der Anlage angrenzenden Grundstücke beitragsrelevante Vorteile. Dabei komme es nicht darauf an, in welchem Bereich der Anlage Teileinrichtungen hergestellt worden seien. Im Übrigen werde Bezug genommen auf die ausführlichen Darstellungen des Landratsamtes Miltenberg im Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2019.
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Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 10. Dezember 2019 ließ die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholen und vertiefen.
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Am 22. Juli 2020 fand am streitgegenständlichen Grundstück ein Erörterungstermin statt.
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Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 3. September 2020 ließ die Klägerin ergänzend vortragen, dass der Beklagte fälschlicherweise lediglich die auf der rechten Seite der K* H1. Straße gelegenen Anwesen von Hausnummer 2 bis 16 in die Verteilung der Ausbaukosten einbezogen habe. Es fehlten die Anwesen, die zwischen R* H1.-Straße und der K* H1. Straße gelegen seien. Diese Anwesen seien ebenso in die Beitragsabrechnung einzubeziehen. Ebenso seien alle weiteren Grundstücke auf der rechten und linken Seite ab Einmündung N* …ring und G* H1.straße bis zur Einmündung der K* H1. Straße in die Umgehungs straße einzubeziehen. Da dies von dem Beklagten bislang nicht vorgenommen worden sei, sei der angegriffene Bescheid aufzuheben.
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Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 29. Oktober 2020 ließ der Beklagte ergänzend ausführen, dass er an seiner Auffassung festhalte, dass es für die Grundstücke auf Höhe R* H1.-Straße an einer vorteilsrelevanten Inanspruchnahmemöglichkeit der Straße fehle, da sich zwischen der Fahrbahn und den Grundstücken ein Park- und Grünstreifen befinde, welcher aufgrund seiner Breite nicht mehr als ortsübliches Straßenbegleitgrün betrachtet werden könne und zudem der sich anschließende Gehweg nicht gewidmet sei. Vorsorglich werde eine Vergleichsberechnung vorgelegt.
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Mit Schriftsätzen ihrer Prozessbevollmächtigten vom 24. November 2020 und 30. November 2020 ließen die Klägerin und der Beklagte ihr bisheriges Vorbringen wiederholen und vertiefen.
21
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte mit dem Protokoll über den Erörterungstermin vom 22. Juli 2020 und dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2020 sowie auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vorm 23. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes Miltenberg vom 13. Juni 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Vorliegend findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 19 Abs. 7 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) in der Fassung vom 24. Mai 2019 (GVBl S. 266) das Kommunalabgabengesetz in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung Anwendung.
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2. Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Nach der hier geltenden alten Gesetzeslage sollen gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a KAG zu erheben sind.
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Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Vorauszahlung ist Art. 5 Abs. 5 KAG, ohne dass es einer satzungsrechtlichen Umsetzung durch den Beklagten bedürfte. Danach können für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, Vorauszahlungen auf den Beitrag verlangt werden, wenn mit der Ausführung der Maßnahmen begonnen worden ist, für die der Beitrag erhoben werden soll. Aus dem Wesen der Vorauszahlung als einer Zahlung vor Entstehung einer Beitragspflicht und aus der darin begründeten Abhängigkeit von einer künftigen Beitragsschuld nach Grund und Höhe fordert ihre Festsetzung jedoch das Vorhandensein der gültigen Beitragsregelung in Gestalt einer Abgabensatzung nach Art. 2 Abs. 1 KAG, weil nur so die rechtlichen Voraussetzungen für die spätere Begründung einer Beitragspflicht geschaffen werden können (vgl. BayVGH, U.v. 1.6.2011 - 6 BV 10.2467 - juris Rn. 31).
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Eine solche Regelung hat der Beklagte mit der Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen und Grünanlagen vom 6. Juni 2011 (Ausbaubeitragssatzung - ABS -) erlassen. Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen dieser Satzung sind nicht ersichtlich und auch in materiell-rechtlicher Hinsicht liegen keine Fehler auf der Hand.
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3. Die abzurechnende Baumaßnahme an der M* H1.straße stellt eine beitragsfähige Verbesserung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG dar und nicht nur eine Instandhaltungsmaßnahme. Dass die Ausbaumaßnahme auch den Zweck der Verkehrsberuhigung und Umgestaltung des Ortszentrums gemäß dem Städtebaulichen Entwicklungskonzept aus dem Jahre 2009 verfolgte, ist ausbaubeitragsrechtlich unschädlich. Denn eine beitragsfähige Verbesserung liegt vor, wenn sich der Zustand der Orts straße nach dem Ausbau in irgendeiner Hinsicht (insbesondere räumlicher Ausdehnung, funktionaler Aufteilung der Gesamtfläche, Art der Befestigung) von ihrem ursprünglichen Zustand im Herstellungszeitpunkt in einer Weise unterscheidet, die positiven Einfluss auf die Benutzbarkeit hat (BayVGH, U.v. 11.12.2015 - 6 BV 14.586 - juris Rn. 15; B.v. 13.8.2014 - 6 ZB 12.1119 - juris Rn. 13). Dies ist hier offensichtlich der Fall.
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4. Soweit die Klägerin meint, der Ausbau der M* H1.straße sei „zu großzügig“ und „pompös“, vermag dies keine Zweifel an der Höhe des beitragsfähigen Aufwands zu begründen. Bei der Beurteilung der Frage, ob angefallene Kosten für die Erneuerung einer Straße erforderlich sind im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 KAG, steht der Gemeinde ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Die Gemeinde ist weder gehalten, die kostengünstigste Ausbaumöglichkeit zu wählen noch alle - etwa vergleichbaren - Ortsstraßen in gleicher Weise auszubauen. Die Angemessenheit entstandener Kosten kann angesichts dessen nur dann ausnahmsweise verneint werden, wenn sich die Gemeinde bei der Vergabe der Aufträge oder der Durchführung einer Baumaßnahme offensichtlich nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gehalten hat und dadurch augenfällige Mehrkosten entstanden sind, d.h., wenn die Kosten in für die Gemeinde erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreichen, also sachlich schlechthin unvertretbar sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U.v. 30.1.2013 - 9 C 11.11 - juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 1.9.2016 - 6 ZB 16.798 - juris Rn. 6). Hierfür fehlen vorliegend jegliche Anhaltspunkte und auch die Klägerin vermochte dies nicht substantiiert in Frage zu stellen.
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5. Die Klägerin ist jedoch nicht beitragspflichtig, da sie nicht zum Kreise der Grundstückseigentümer gehört, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Einrichtung besondere Vorteile bietet.
30
Gegenstand einer beitragsfähigen Ausbaumaßnahme ist grundsätzlich die einzelne Orts straße als die maßgebliche öffentliche Einrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG. Wo eine solche Orts straße beginnt und wo sie endet, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Einrichtung als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Deshalb hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen oder Grundstücksgrenzen, sondern ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Ausstattung mit Teileinrichtungen auszurichten (vgl. etwa BayVGH, U.v. 28.1.2010 - 6 BV 08.3043 - juris Rn. 12; U.v. 1.6.2011 - 6 BV 10.2467 - juris Rn. 41; B.v. 6.12.2017 - 6 ZB 17.1104 - juris Rn. 7 m.w.N.). Zugrunde zu legen ist dabei der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten, also nach Durchführung der Ausbaumaßnahme. Bei der - hier in Streit stehenden - Erhebung von Vorauszahlungen, die begrifflich immer vor dem Entstehen der endgültigen sachlichen Beitragspflichten erfolgt, ist prognostisch nach der Erkenntnislage im Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung zu bewerten, wie die Orts straße sich nach vollständiger Umsetzung des gemeindlichen Bauprogramms darstellen wird (BayVGH, B.v. 13.8.2014 - 6 ZB 12.1119 - juris Rn. 8).
31
Erstreckt sich eine Baumaßnahme nicht auf die Orts straße in ihrer gesamten Länge, sondern mangels weitergehenden Erneuerungs- oder Verbesserungsbedarfs lediglich auf eine Teilstrecke, kann eine beitragsfähige Erneuerung in der Regel nur dann angenommen werden, wenn die erneuerte Teilstrecke mindestens ein Viertel der gesamten Straßenlänge umfasst. Denn unterhalb dieser Schwelle ist regelmäßig nur ein unerheblicher Teil betroffen, dessen Erneuerung oder Verbesserung nicht auf die gesamte Einrichtung durchschlägt (vgl. BayVGH, U.v. 11.12.2015 - 6 BV 14.586 - juris Rn. 16).
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Nach diesen Maßstäben ist für die Erhebung der streitigen Vorauszahlung nicht auf den gesamten Straßenzug M* H1.straße Nord/K* H1.als beitragsrechtlich maßgebliche Einrichtung abzustellen.
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5.1 Die Straßen M* H1.straße (Nord) und K* H1. Straße stellen zwei unterschiedliche beitragsrechtliche Einrichtungen dar. Dies hat insbesondere der vom Gericht vor Ort durchgeführte Erörterungstermin mit der Inaugenscheinnahme der örtlichen Gegebenheiten ergeben.
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Bei einer reinen Betrachtung von Straßenplänen und Luftaufnahmen wirken die beiden Straßen unter dem Aspekt der Straßenführung zunächst wie ein einheitlicher Straßenzug. Beginnend am sogenannten „Mini-Kreisel“ verläuft die M* H1.straße in leicht nordöstlicher Richtung weitgehend gerade, bis sie nach etwa 300m im Einmündungsbereich der Haupt straße auf die K* H1. Straße einschwenkt. Diese führt ab dem Einmündungsbereich nahezu gerade in nordöstlicher Richtung bis zum Einmündungsbereich der Umgehungs straße. Allerdings kommt es nicht auf den durch Luftbilder vermittelten Eindruck an, sondern auf den Gesamteindruck, den die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Bei dieser natürlichen Betrachtungsweise ergeben sich so gravierende Unterschiede im äußeren Erscheinungsbild der beiden Straßen, dass von einem einheitlichen Straßenzug nicht mehr die Rede sein kann.
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Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es hierbei allerdings nicht auf die unterschiedliche vorhandene Bebauung und Nutzungsarten in M* H1.straße einerseits und K* H1. Straße andererseits an. Denn die angrenzende Bebauung gehört nicht zu den maßgeblichen Kriterien für die Abgrenzung einer einzelnen Orts straße (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2015 - 6 CS 15.389 - juris Rn. 12)
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Die K* H1. Straße führt von Nordosten kommend geradewegs auf die H* H1.straße zu. Blickt ein objektiver Beobachter der K* H1. Straße folgend nach Südwesten, fällt sein Blick weiter geradeaus in die H* H1.straße. Diese war ursprünglich auch deren schnurgerade Verlängerung. Der Einmündungsbereich H* H1.straße / K* H1.weg / M* H1.straße wurde durch breite Gehwege, Grünflächen und Bepflanzung platzartig aufgeweitet. Die M* H1.straße wurde in Abkehr vom historischen Verlauf durch einen deutlichen Verschwenk in der Straßenführung mit der K* H1. Straße verbunden. Diese baulichen Maßnahmen führen einerseits dazu, dass der Verkehr von Norden kommend nicht weiter geradeaus in die Haupt straße fließt, sondern in die M* H1.straße abbiegt, welche gleichsam als Umgehungs straße für die H* H1.straße fungiert. Andererseits führt dieser Einmündungsbereich zu einer optischen Zäsur, die die beiden Straßenzüge als jeweils selbständige Verkehrseinrichtung erscheinen lässt.
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Dieser Eindruck wird verstärkt durch die sich erheblich unterscheidenden Ausbaubreiten von K* H1. Straße einerseits und M* H1.straße andererseits. Während sich die K* H1. Straße im Bereich nördlich dieses Einmündungsbereichs als relativ enge Straße mit beidseits sehr schmalen, teilweise weniger als 1 Meter breiten Gehwegen darstellt, öffnet und weitet sich die Straße im weiteren Verlauf und wird deutlich breiter. So befinden sich bereits im Einmündungsbereich der H* H1.straße begrünte Verkehrsinseln in der Mitte der Straße, welche die Fahrbahnbreite sichtlich vergrößern. Im weiteren Verlauf werden auch die Gehwege deutlich breiter, bis sie schließlich im Bereich der neu angelegten Parkplätze (Höhe Sparkasse/Apotheke) fast promenadenartig angelegt sind. Hier ist die M* H1.straße einschließlich der Parkplätze und Gehwege ungefähr doppelt so breit wie die K* H1. Straße. Diese augenfällige Gestaltung der M* H1.straße vermittelt dem von Norden kommenden Beobachter den Eindruck, mit dem Verschwenk in besagtem Einmündungsbereich in eine andere Straße geleitet zu werden.
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Auch die Ausstattung der beiden Straßenzüge mit ihren Teileinrichtungen steht in derart augenfälligem Kontrast zueinander, dass ein objektiver Beobachter nicht mehr den Eindruck haben kann, sich in ein und derselben Straße zu befinden. Die M* H1.straße ist aufwendig ausgestattet mit breiten Gehwegen, diversen Fahrbahnteilern bzw. Trennstreifen mit Bepflanzung oder Blumenkübeln und zum Teil Beleuchtung, 17 Parkplätzen zum Querparken auf Höhe Sparkasse/Apotheke, weiteren Parkbuchten sowie mehreren Zebrastreifen bzw. Querungshilfen. Die K* H1.traße hingegen weist nicht in vergleichbarem Maße eine derartige Ausstattung auf. Insbesondere im Bereich bis zur Kreuzung G* H1.straße/N* …ring, den der Beklagte als einheitlichen Straßenzug angesehen hat, finden sich weder derart breite Gehwege noch Fahrbahnteiler bzw. Trennstreifen. Über weite Strecken sind aufgrund der geringen Straßenbreite keine Parkbuchten oder Parkplätze vorhanden; vielmehr ist ein Halteverbot angeordnet. Lediglich einige rot eingefärbte Querungshilfen sind in diesem Bereich der K* H1. Straße zu finden. Diese großen Unterschiede in der Ausstattung sind so offenkundig, dass auch sie den Eindruck vermitteln, dass nach dem Verschwenk der M* H1.straße in die K* H1. Straße eine neue, selbständige Straße beginnt.
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Schließlich führen auch die jeweils ganz unterschiedlichen Straßenlängen zu dem Gesamteindruck zweier eigenständiger Elemente des örtlichen Straßennetzes. Während die M* H1.straße nördlich des „Mini-Kreisels“ nur etwa 300m lang ist und sich dementsprechend nur auf dieser Länge die geschilderte Gestaltung und Ausstattung findet, führt die K* H1. Straße auf einer Länge von insgesamt etwa 1.200m bis zur Umgehungs straße. Der aus Süden kommende „unbefangene Beobachter“ folgt also für eine verhältnismäßig kurze Strecke der M* H1.straße mit besagtem Erscheinungsbild, während sich nach dem Verschwenk in die K* H1. Straße eine etwa viermal so lange Strecke anschließt (zum maßgeblichen Ende der Einrichtung K* H1. Straße sogleich unter 5.2).
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An dieser Beurteilung ändern auch die Pläne für einen möglichen Ausbau der K* H1. Straße nichts. Zwar ist im Falle einer Vorauszahlung prognostisch nach der Erkenntnislage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zu bewerten, wie sich die Orts straße nach vollständiger Umsetzung des gemeindlichen Bauprogramms darstellen wird. Allerdings existiert hinsichtlich der K* H1. Straße kein hinreichend bestimmtes Bauprogramm, das hier zu berücksichtigen wäre.
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Im Bauprogramm legt die Gemeinde als Trägerin der Straßenbaulast fest, was sie durchführen will und muss, um eine geplante Straßenausbaumaßnahme so zu verwirklichen, dass eine Beitragserhebung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG in Betracht kommt. Dem gemeindlichen Bauprogramm kommt nach ständiger Rechtsprechung im jeweiligen Einzelfall ausschlaggebende Bedeutung insbesondere dafür zu, ob eine Straßenbaumaßnahme als beitragsfähige Erneuerung oder Verbesserung zu qualifizieren, wann die Maßnahme abgeschlossen und in welchem Umfang der mit ihr verbundene Aufwand beitragsfähig ist. Das setzt einen solchen Grad an Bestimmtheit voraus, dass später verlässlich festgestellt werden kann, in welchem Zeitpunkt die Ausbaumaßnahme abgeschlossen ist und in welchem Umfang die durchgeführten Maßnahmen und die dafür angefallenen Kosten erforderlich, mithin beitragsfähig sind. Es muss mit anderen Worten hinreichend deutlich bestimmt werden, wo, was und wie ausgebaut werden soll (BayVGH, B. v. 4.7.2018 - 6 ZB 17.1585 - juris Rn. 8).
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Nach diesen Maßstäben liegt für den Bereich der K* H1. Straße kein hinreichend konkretes Bauprogramm vor. Zwar sieht das der streitgegenständlichen Ausbaumaßnahme zugrundeliegende Bauprogramm nach Darstellung des Beklagten auch den Umbau der Kreuzung G* H1.straße/N* …ring in einen Kreisverkehr vor. Bereits im Jahre 2017 sei ein Ingenieurbüro mit der Umsetzung dieser Planung beauftragt worden. Für die Jahre 2019/2020 sei ursprünglich der Abschluss der Umgestaltung der Kreuzung vorgesehen gewesen. Aufgrund der Haushaltslage des Beklagten werde sich dieser allerdings noch verzögern. Eine Straßenerneuerung im Bereich der K* H1. Straße sei gegenwärtig nicht vorgesehen, da zuvor die Vorflut in der H* H1.straße kanalbautechnisch saniert werden müsse. Der Ausbau der K* H1. Straße sei auch nicht Gegenstand des aktuellen Bauprogramms, das der Vorauszahlungserhebung vom 23. Juni 2017 zugrunde liege.
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Da somit hinsichtlich der Errichtung eines Kreisverkehrs und hinsichtlich sonstiger Ausbaumaßnahmen in der K* H1. Straße kein hinreichend zeitlich und inhaltlich konkretisiertes Bauprogramm vorliegt, kann nur jenes Berücksichtigung finden, dass den streitgegenständlichen Ausbaumaßnahmen im Bereich der M* H1.straße tatsächlich zugrunde lag.
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5.2 Selbst wenn man dieser Auffassung der Kammer nicht folgt, wäre die Erhebung der Vorauszahlung aus weiteren Gründen rechtswidrig.
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5.2.1 Zum einen hätten bei der Ermittlung des Beitragssatzes auch die Grundstücke R* H1.-Straße 9 bis 31 einbezogen werden müssen. Denn auch diesen Grundstückseigentümern bietet die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtung M* Heipstraße (Nord)/K* H1. Straße besondere Vorteile.
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Für einen Sondervorteil im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG, der die Erhebung eines Beitrags für die Erneuerung oder Verbesserung einer Orts straße rechtfertigt, sind zwei Merkmale entscheidend: Zum einen die spezifischen Nähe des Grundstücks zur ausgebauten Orts straße, wie sie bei Anliegergrundstücken und ihnen aus dem Blickwinkel einer rechtlich gesicherten Inanspruchnahmemöglichkeit gleichzustellenden Hinterliegergrundstücken gegeben ist, zum anderen eine Grundstücksnutzung, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Möglichkeit, als Anlieger von der Orts straße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann. Dabei kommt es - anders als im Erschließungsbeitragsrecht (Art. 5a Abs. 1 KAG i.V.m. §§ 127 ff. BauGB) - nicht darauf an, ob die Straße dem Grundstück die wegemäßige Erschließung vermittelt, die für eine zulässige bauliche oder gewerbliche Nutzung erforderlich ist. Vielmehr genügt im Straßenausbaubeitragsrecht die qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit als solche, die im Grundsatz jeder sinnvollen und zulässigen, nicht nur der baulichen oder gewerblichen Nutzung zugutekommt (ständige Rechtsprechung; vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2012 - 6 B 10.132 - juris Rn. 29 m.w.N.).
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Eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße von einem bestimmten Grundstück aus setzt eine Erreichbarkeit voraus, die für dessen bestimmungsgemäße Nutzung erforderlich ist. Dazu bedarf es in der Regel der Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen (Heranfahrenkönnen). Diese Grundform der Erreichbarkeit ist erfüllt, wenn auf der Fahrbahn der ausgebauten Orts straße bis zur Höhe dieses Grundstücks mit Personen- und kleineren Versorgungsfahrzeugen gefahren und es von da ab gegebenenfalls über einen dazwischen liegenden Gehweg, Radweg oder Seitenstreifen in rechtlich zulässiger und tatsächlich zumutbarer Weise betreten werden kann (vgl. BayVGH, U.v. 29.11.2018 - 6 B 18.248 - juris Rn. 27).
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Nach diesen Maßstäben ist ein Sondervorteil auch für die Grundstücke R* H1.-Straße 9 bis 31 zu bejahen. Diese grenzen mit ihren westlichen Grundstücksgrenzen jeweils in ihrer gesamten Breite bis unmittelbar an den Gehweg entlang der K* H1. Straße heran. Von diesem Gehweg aus können die Grundstücke tatsächlich betreten werden. Der zwischen der Fahrbahn bzw. den längsseitigen Parkplätzen und dem Gehweg vorhandene, etwa zwei bis drei Meter breite Grünstreifen steht der Betretbarkeit weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht entgegen.
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Der Grünstreifen ist völlig eben und nur teilweise mit Büschen und Bäumen bewachsen. Als solcher stellt er in tatsächlicher Hinsicht kein beachtliches Hindernis dar. Auch in rechtlicher Hinsicht führt er zu keinem Zugangshindernis. Der Beklagte trägt diesbezüglich nichts Substantiiertes vor. Er führt lediglich aus, dass der Park- und Grünstreifen aufgrund seiner Breite nicht mehr als ortsübliches Straßenbegleitgrün betrachtet werden könne. Er legt damit nichts dar, was in rechtlicher Hinsicht dagegen sprechen könnte, den Grünstreifen betreten zu dürfen. Dass seitens des Beklagten mit einem Betreten des Grünstreifens gerechnet wird, zeigt sich bereits in der Tatsache der Parkplätze, die sich fast durchgehend zwischen den Grundstücken R* H1.-Str. 9 bis 31 entlang der K* H1. Straße befinden. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass die dort parkenden Autofahrer ausschließlich unter Querung der K* H1. Straße auf den westlich gelegenen Gehweg wechseln, anstatt den näher gelegenen östlich gelegenen Gehweg über den Grünstreifen zu betreten.
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5.2.2 Zum anderen würde unter der Prämisse, bei den beiden Straßen M* H1.straße Nord/K* H1. Straße handele es sich um eine einheitliche Einrichtung, diese entgegen der Auffassung des Beklagten jedenfalls nicht an der Kreuzung G* H1.straße/N* …ring enden, sondern an der Einmündung in die Umgehungs straße. Die Inanspruchnahme würde dann an den Voraussetzungen des Teilstreckenausbaus scheitern.
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Wenn der Beklagte ausführt, die ausbaubeitragsrechtlich relevante Anlage ende aus Rechtsgründen an der Kreuzung G* H1.straße/N* …ring, da die Straße in ihrem weiteren Verlauf noch nicht erstmals endgültig hergestellt sei, kann dem nicht gefolgt werden. Für die Beurteilung der Frage nach der maßgeblichen öffentlichen Einrichtung ist straßenausbaurechtlich grundsätzlich allein eine natürliche Betrachtungsweise, also der Gesamteindruck nach den jeweiligen tatsächlichen Verhältnissen, entscheidend. Eine Ausnahme von der natürlichen Betrachtungsweise ist nicht geboten, weil es hier insbesondere nicht um die nachträgliche Verlängerung einer endgültig hergestellten Anbau straße um eine zuvor nicht angelegte Teilstrecke geht. Bei natürlicher Betrachtungsweise ergeben sich im Verlauf der K* H1. Straße keine derart gravierenden Veränderungen in Straßenführung, Breite, Länge und Ausstattung, dass von einer Zäsur und Trennung in eine weitere, selbständige Einrichtung ausgegangen werden könnte. Insbesondere kommt der Kreuzung G* H1.straße/N* …ring keine trennende Wirkung zu. Das hat der Erörterungstermin der Kammer deutlich gezeigt.
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Zwar können Kreuzungen im Rahmen der natürlichen Betrachtungsweise je nach den tatsächlichen Verhältnissen eine trennende Wirkung entfalten. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die beiden kreuzenden Straßen sind im Verhältnis zur K* H1. Straße nur relativ kurz und weisen keine wesentlich größere Straßenbreite oder Ausstattung auf. Auch befindet sich lediglich nördlich der Kreuzung eine Ampel, die zu keiner augenfälligen Zäsur führt. Die Kreuzung teilt die K* H1. Straße somit nicht in zwei selbständige Einrichtungen.
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Stellt daher der gesamte Straßenzug vom „Mini-Kreisel“ bis zur Umgehungs straße eine einheitliche Einrichtung dar, scheitert eine Inanspruchnahme der Klägerin unabhängig von Fragen des Herstellungsbeitragsrechts (vgl. aber BayVGH, U.v. 19.10.2017 - 6 B 17.189 - juris) jedenfalls daran, dass schon die Voraussetzungen des Teilstreckenausbaus nicht gegeben sind.
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Der gesamte Straßenzug zwischen „Mini-Kreisel“ im Süden und der Umgehungs straße im Norden ist etwa 1.500m lang. Davon erneuert wurde eine Teilstrecke von etwa 250m, also weniger als ein Fünftel der gesamten Straßenlänge. Erstreckt sich eine Baumaßnahme nicht auf die Orts straße in ihrer gesamten Länge, sondern lediglich auf eine Teilstrecke, kann eine beitragsfähige Erneuerung in der Regel nur dann angenommen werden, wenn die erneuerte Teilstrecke mindestens ein Viertel der gesamten Straßenlänge umfasst. Denn unterhalb dieser Schwelle ist regelmäßig nur ein unerheblicher Teil betroffen, dessen Erneuerung oder Verbesserung nicht auf die gesamte Einrichtung durchschlägt (vgl. BayVGH, U.v. 11.12.2015 - 6 BV 14.586 - juris Rn. 16).
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Nach diesem Maßstab sind die durchgeführten Ausbaumaßnahmen nicht beitragsfähig, da diese unter dem Orientierungswert von einem Viertel des gesamten Straßenzugs liegen. Außergewöhnliche örtliche Verhältnisse, die ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen würden, sind nicht erkennbar.
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6. Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.