Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 14.12.2020 – W 8 K 20.492
Titel:

Erfolglose Klage gegen Leistungsbescheid für Ersatzvornahme aufgrund Schornsteigerrrechts

Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 1
SchfHwG § 25, § 26
VwZVG Art. 41 Abs. 1
KG Art. 16 Abs. 5
Leitsatz:
Die Rechtmäßigkeit des der Vollstreckung zugrundeliegenden Verwaltungsakts wird im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht mehr geprüft. Gemäß Art. 21 S. 2 VwZVG sind Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch nur zulässig, soweit die geltend gemachten Gründe erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes entstanden sind und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schornsteinfegerrecht, Kosten der Ersatzvornahme, Zweitbescheid, Bescheid zur Durchführung der Feuerstättenschau, erfolglos vorgenommene Ersatzvornahmen, Abbruch von Ersatzvornahmen, Deeskalation
Fundstelle:
BeckRS 2020, 39836

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den aufgrund des Schornsteinfegerrechts erlassenen Leistungsbescheid des Landratsamts A. vom 3. März 2020.
2
Mit bestandskräftigem Feuerstättenbescheid des zuständigen bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers vom 30. Juli 2013 wurde der Kläger unter anderem verpflichtet, die fachgerechte Ausführung bestimmter Kehr- und Überprüfungsarbeiten innerhalb des angegebenen Zeitraums durch einen zulässigen Schornsteinfegerbetrieb zu veranlassen. Die durchzuführenden Kehr- und Überprüfungsarbeiten im Jahr 2018 hätten im Zeitraum vom 15. September 2018 bis 1. Oktober 2018 erfüllt werden müssen.
3
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2018 kündigte der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger Herr W. eine Feuerstättenschau und die Durchführung der fälligen Kehr- und Überprüfungsarbeiten für den 29. November 2018 an. Der Kläger sagte diesen Termin ab und verwies auf sein Schreiben vom 10. März 2018, in dem er den Kaminkehrer bat, nur im Zeitraum vom 15. Mai bis 15. September mit achtwöchiger Vorankündigung die fälligen Arbeiten zu verrichten. Zudem könne der Kläger keine Termine in den nächsten Monaten wahrnehmen. Ein weiterer Termin Anfang Dezember 2018 wurde von dem Kläger ebenfalls aus terminlichen Gründen abgesagt.
4
Nachdem der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger dem Landratsamt am 7. Januar 2019 mitgeteilt hatte, dass nach Ablauf der Frist am 1. Oktober 2018 kein Nachweis eingegangen sei, hörte das Landratsamt den Kläger mit Schreiben vom 7. Januar 2019 zu dem Erlass eines Zweitbescheids mit Ersatzvornahme an und setzte dem Kläger eine Frist bis 18. Januar 2019. Mit weiterem Schreiben vom 7. Januar 2019 hörte das Landratsamt den Kläger zum Erlass eines Bescheids zur Durchführung der Feuerstättenschau im Wege der Ersatzvornahme an und setzte dem Kläger ebenfalls eine Frist bis 18. Januar 2019.
5
Mit Bescheid vom 4. Februar 2019 ordnete das Landratsamt A. gegenüber dem Kläger die Durchführung der Feuerstättenschau bis spätestens 19. Februar 2019 an. Die zwangsweise Durchführung der Feuerstättenschau wurde angedroht. Es wurde darauf hingewiesen, dass dies bedeute, dass der für das Anwesen zuständige bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger durch das Landratsamt beauftragt werde, gegebenenfalls gegen den Willen des Klägers, die Arbeiten auszuführen. Die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme wurden mit circa 300,00 EUR veranschlagt.
6
Mit Zweitbescheid vom 5. Februar 2019 ordnete das Landratsamt gegenüber dem Kläger die Veranlassung und Durchführung der im Feuerstättenbescheid des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers vom 30. Juli 2013 für das Anwesen D…straße …, G. unter Nr. 1, lfd. Nr. 1 und Nr. 2 festgesetzten Kehr- und Überprüfungsarbeiten bis spätestens 19. Februar 2019 an. Für den Fall, dass der Kläger die genannten Schornsteinfegerarbeiten nicht innerhalb der eingeräumten Frist ausführen lasse, wurde ihm die Ersatzvornahme angedroht, indem der für das Anwesen zuständige bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger durch das Landratsamt beauftragt werde, gegebenenfalls gegen den Willen des Betroffenen, die Arbeiten durchzuführen. Die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme wurden mit circa 300,00 EUR beziffert.
7
Die Klagen gegen die Bescheide vom 4. und 5. Februar 2019 wurden mit Urteilen des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 15. Juli 2019 - W 8 K 19.169 und W 8 K 19.174 abgewiesen.
8
Ein zunächst mit Schreiben des Landratsamtes A. vom 13. März 2019 für den 1. April 2019 um 10 Uhr angekündigter Termin für die Durchführung der Ersatzvornahme wurde von Seiten der Behörde abgesagt und mit Schreiben vom 1. April 2019 als neuer Termin der 15. April 2019 festgesetzt.
9
Am 15. April 2019 empfing der Kläger eine Vertreterin des Landratsamtes A., zwei Polizeibeamte und den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger Herrn W. mit dessen Mitarbeiter vor seinem Anwesen und gab an, dass er zwar Eigentümer des Anwesens, aber nicht des sich im Haus befindlichen Ofens sei. Er gewährte keinen Zutritt zu seinem Haus. Die Ersatzvornahme wurde abgebrochen.
10
Mit Ankündigungsschreiben des Landratsamtes A. vom 29. Juli 2019 wurde als neuer Termin für die Durchführung der Ersatzvornahme der 27. August 2019 festgelegt. Am 27. August 2019 verweigerte der Kläger unter Berufung auf einen Verwaltungsvertrag vom 1. August 2019 zwischen ihm und seiner Frau E.W. betreffend die Verwaltung des Sondereigentums „Heizungsanlage“ erneut den Zugang zum Anwesen und die Durchführung der Ersatzvornahme. Die Ersatzvornahme wurde daraufhin erneut abgebrochen.
11
Am 7. Februar 2020 gewährte der Kläger dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger Herrn W. freiwillig Zugang zu seinem Anwesen und ließ die rückständigen Kehr- und Überprüfungsarbeiten sowie die ausstehende Feuerstättenschau durchführen.
12
Mit Leistungsbescheid vom 3. März 2020, wurden vom Landratsamt A. die vom Kläger, wohnhaft D.-straße …, G., zu zahlenden Kosten für die erfolglos vorgenommenen Ersatzvornahmen im Anwesen D.-straße …, G., mit 130,90 EUR angegeben (Nr. 1). Der unter Nr. 1 genannte Betrag ist bis spätestens 23. März 2020 zur Zahlung an das Landratsamt A. fällig (Nr. 2). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Kläger auferlegt. Eine Gebühr in Höhe von 100,00 EUR wurde für diesen Bescheid festgesetzt, es wurden Auslagen in Höhe von 3,68 EUR festgelegt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Androhung der zwangsweisen Durchführung der notwendigen Kehr- und Überprüfungsarbeiten sei erforderlich gewesen, um die Gefahren für die Betriebs- und Brandsicherheit, die von nicht rechtzeitig gewarteten Anlagen ausgehen könnten, zu beseitigen. Aufgrund der Regelung des § 25 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG käme als Zwangsmittel allein die Ersatzvornahme in Betracht. Der Kläger sei durch das Aufforderungsschreiben vom 7. Januar 2019 sowie durch die Zweitbescheide vom 5. Februar 2019 und die Schreiben der Ankündigung der verschiedenen Ersatzvornahmen mehrfach Gelegenheit gegeben worden, die rückständigen Kehr- und Überprüfungsarbeiten sowie die rückständige Feuerstättenschau durchführen zu lassen. Die Kosten für die Tätigkeiten der Schornsteinfeger seien eine öffentliche Last des Grundstücks und von den Grundstückseigentümern zu tragen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG). Die Kosten der Ersatzvornahme, auch die einer vergeblichen Ersatzvornahme, fielen gemäß § 26 Abs. 1, Abs. 2 SchfHwG auch unter diese Regelung. Die Entscheidung über die Auferlegung der Kosten auf den Kläger beruhe auf Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5, Art. 6 und Art. 10 Kostengesetz (KG). Der Kläger habe die Amtshandlung (zweifache vergebliche Durchführung der Ersatzvornahme) durch sein Verhalten, nämlich die Pflichten aus dem Zweitbescheid nicht zu erfüllen, veranlasst und sei somit gemäß Art. 2 Abs. 1 KG als Kostenschuldner zur Zahlung der Kosten verpflichtet. Gemäß lfd. Nr. 2.IV.8 Tarifstelle 10 des Kostenverzeichnisses sei für die Anwendung des Zwangsmittels nach § 26 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG ein Gebührenrahmen von 50,00 EUR bis 2.500,00 EUR festgesetzt. Der für die Gebühren festgesetzte Betrag in Höhe von 100,00 EUR orientiere sich am unteren Ende des Gebührenrahmens.
13
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 1. April 2020, bei Gericht eingegangen am 6. April 2020 Klage und beantragte mit Schriftsatz vom 30. Juni 2020,
Der o.g. Leistungsbescheid des Beklagten wird aufgehoben.
14
Zudem beantragt der Kläger, die Teilnehmer und Anwesenden vom Landratsamt A., die von der Polizeiinspektion A1., die von Bezirksschornsteinfeger D.W., mögen vorab einmal zu allen erlassenen und ergangenen Ersatzvornahmen in dieser Sache vorab einen schriftlichen Rechenschaftsbericht darlegen, worin zu erkennen sei, warum Durchführungen der Ersatzvornahme festgesetzt, aber nicht durchgeführt worden seien - und auch nicht abgeholfen worden seien, und wie die Anschuldigung und Verwehrung vom Zutritt in das o.g. Anwesen überhaupt ausgesehen und stattgefunden haben solle. Zur Begründung führte der Kläger im Wesentlichen aus, das Landratsamt A. habe in der Durchführung der Ersatzvornahmen u.a. geschrieben, falls der Kläger den Zutritt zu dem Anwesen verwehren bzw. nicht anwesend sein solle, werde bei der Durchführung der Ersatzvornahme ein Schlüsseldienst hinzugezogen. Es stelle sich die Frage, warum die o.g. Beteiligten nicht eingetreten seien.
15
Mit Schreiben vom 31. August 2020 führte das Landratsamt A. im Wesentlichen aus, der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger Herr W. habe am 9. Februar 2020 an das Landratsamt A. eine Rechnung betreffend die abgebrochenen Ersatzvornahmen in Höhe von 130,30 EUR übermittelt. In dieser Rechnung sei zweimal eine Kostenpauschale für 60 Minuten je 55,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer für die Termine am 15. April 2019 sowie 27. August 2019 geltend gemacht worden. Gemäß § 26 Abs. 1 SchfHwG habe das Landratsamt A. als zuständige Behörde den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger mit der Vornahme der Handlungen im Wege der Ersatzvornahme zu beauftragen gehabt, da die in den Zweitbescheiden ausgesprochenen Verpflichtungen, die erforderlichen Kehr- und Überprüfungsarbeiten sowie die fällige Feuerstättenschau für sein Anwesen vornehmen zu lassen, vom Kläger nicht erfüllt worden sei. Es seien deshalb zunächst für den 15. April 2019 und anschließend für den 27. August 2019 jeweils Ersatzvornahmen angekündigt und auch versucht worden, diese durchzuführen. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des vom Landratsamt A. geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs sei die Rechtmäßigkeit der beiden Ersatzvornahmen, was sich aus Art. 16 Abs. 5 KG ergebe. Beide Zweitbescheide seien an den beiden Terminen, an denen die Ersatzvornahmen durchgeführt werden sollten, vollziehbar gewesen. Bei beiden Ersatzvornahmen lägen zudem keine Rechtsfehler vor. Sie seien vor Ort aus Deeskalationsgründen abgebrochen worden, da der Kläger den Zutritt zu seinem Anwesen verwehrt und zudem neuen, zu prüfenden Sachvortrag angeführt habe. Bei der Ersatzvornahme am 15. April 2019 habe der Kläger erstmals angegeben, dass er nicht mehr Eigentümer des im Haus befindlichen Ofens sei. Zudem habe er keinen Zutritt zum Anwesen gewährt. Im Rahmen des Termins am 27. August 2019 habe er sich auf einen Verwaltungsvertrag zwischen ihm und seiner Ehefrau für die Heizungsanlage berufen und habe den Zutritt zum Anwesen erneut verweigert. Ein Zutritt zum Anwesen des Klägers wäre an beiden Terminen nur durch Einsatz von unmittelbarer Polizeigewalt sowie einem massiven Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung unter erheblichen Kosten möglich gewesen. Dass die erforderlichen Arbeiten an den vorgesehenen Terminen nicht hätten vorgenommen werden können, habe damit an Umständen gelegen, die der Kläger zu vertreten gehabt habe. Daher habe er auch die entsprechenden Kosten, die dem Landratsamt A. durch die Beauftragung des bevollmächtigten Bezirksschonsteinfegers entstanden seien, zu tragen. Herr W. sei an den Terminen am Anwesen des Klägers anwesend gewesen und habe während dieser Zeit keine anderen Termine wahrnehmen können.
16
In der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2020 ist der Kläger nicht erschienen. Mit Telefax vom 14. Dezember 2020 brachte der Kläger vor, er leide an Erbrechen und Durchfall und beantrage die Verlegung.
17
Die Beklagtenvertreterin beantragte,
die Klage abzuweisen.
18
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Verfahren W 8 K 19.169, W 8 S 19.170, W 8 K 19.174, W 8 S 19.175, W 8 S 19.723 und W 8 S 19.870) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19
Über die Klage konnte entschieden werden, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist (§ 102 Abs. 2 VwGO). Der Kläger war zur mündlichen Verhandlung laut Zustellungsurkunde vom 19. November 2020 rechtzeitig und ordnungsgemäß geladen worden. Anlass für eine Terminverlegung aufgrund des Telefax des Klägers vom 14. Dezember 2020, in dem dieser mitteilte, er leide seit dem Morgen unter Erbrechen und Durchfall, bestand nicht.
20
Nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 ZPO kann aus erheblichen Gründen ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO sind erhebliche Gründe insbesondere nicht das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafürhält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist. Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen glaubhaft zu machen (§ 227 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts.
21
Bei Berücksichtigung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots (§ 87b, § 87 Abs. 1 VwGO) sowie bei Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Erfordernisses des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 2 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) war eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung nicht erforderlich. Je kurzfristiger der Antrag auf Terminverlegung gestellt wird, umso höhere Anforderungen sind an die Darlegung des wichtigen Grundes zu stellen. Ein erheblicher Grund für eine Aufhebung oder Verlegung des Termins war vorliegend - auch angesichts der Prozessgeschichte mit bereits stattgegebenem kurzfristigem Verlegungsantrag - nicht rechtzeitig glaubhaft gemacht worden.
22
Der Kläger hat erst kurz vor dem planmäßigen Aufruf des Verfahrens (um 13:45 Uhr) dem Gericht um ca. 13:15 Uhr telefonisch mitgeteilt, dass er erkrankt sei, obwohl er laut dem um 14:10 Uhr eingegangenen Telefax bereits seit dem Morgen unter Erbrechen und Durchfall litt. Die mit Telefax vom 14. Dezember 2020 übersandte Arztbescheinigung vom selben Tag genügt nicht zur Glaubhaftmachung eines erheblichen Grundes für eine Terminverlegung. Denn aus dieser ergibt sich zwar die Arbeitsunfähigkeit des Klägers, nicht aber dessen Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit. Eine solche folgt ohne Ausführungen zur Dauer und Schwere der Erkrankung auch nicht zwingend aus der in der Bescheinigung enthaltenen Diagnose A09.9 G.
23
Die als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO statthafte Klage ist zulässig, aber unbegründet.
24
Der angegriffene Leistungsbescheid vom 22. Oktober 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25
Die Voraussetzungen für den Erlass des Leistungsbescheids, mit dem die Kosten für die am 15. April 2019 und 25. August 2019 erfolglos vorgenommenen Ersatzvornahmen von bezüglich des klägerischen Anwesens festgesetzten Kehr- und Überprüfungsarbeiten und der Feuerstättenschau erhoben wurden, liegen vor. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen sind gegeben und die erfolglos vorgenommenen Ersatzvornahmen waren rechtmäßig. Das Gericht verweist insoweit zunächst auf die zutreffende Begründung des Leistungsbescheids vom 3. März 2020 (§ 117 Abs. 5 VwGO).
26
Das Vorbringen des Klägers im Klageverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
27
Der Beklagte konnte die Kosten für die am 15. April und 27. August 2019 erfolglos vorgenommenen Ersatzvornahmen in Bezug auf den Zweitbescheid gemäß § 26 Abs. 2 Schornsteinfegerhandwerksgesetz (SchfHwG) und in Bezug auf den Bescheid vom 4. Februar 2020 gem. Art. 32 Abs. 1, Art. 41 Abs. 1 Satz 1 VwZVG gegenüber dem Kläger mit dem angegriffenen Leistungsbescheid geltend machen. Nach § 26 Abs. 2 SchfHwG kann die zuständige Behörde für die Ausführung der Ersatzvornahme von dem betroffenen Eigentümer Gebühren und Auslagen erheben. Gemäß Art. 41 Abs. 1 VwZVG werden für Amtshandlungen im Vollstreckungsverfahren kosten nach dem Kostengesetz erhoben, soweit nicht bundesrechtliche Kostenvorschriften unmittelbar gelten oder landesrechtlich für anwendbar erklärt worden sind. Kostenschuldner ist der Vollstreckungsschuldner.
28
Die Voraussetzungen hierfür liegen jeweils vor.
29
Insbesondere sind die erfolglos vorgenommenen Ersatzvornahmen als Grundlage für die Kostenforderung in rechtmäßiger Weise erfolgt (vgl. Art. 16 Abs. 5 KG). Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen waren gegeben.
30
Der Kläger hat die mit Bescheid vom 4. Februar 2019 festgesetzte Feuerstättenschau und die im Zweitbescheid vom 5. Februar 2019 festgesetzten Kehr- und Überprüfungsarbeiten nicht innerhalb der dort gesetzten Frist durchführen lassen. Auf ein Vertretenmüssen der Kläger kommt es diesbezüglich nicht an (vgl. VG Würzburg, B.v. 4.3.2020 - W 8 S 20.247 - juris Rn. 29). Der Bescheid vom 4. Februar 2019 und der Zweitbescheid vom 5. Februar 2019 sind wirksam und konnten durch die Ersatzvornahme vollstreckt werden. Die Bescheide waren im Zeitpunkt der erfolglos vorgenommenen Ersatzvornahmen vollziehbar. Hinsichtlich der Nummern 1 und 2 des Bescheids vom 4. Februar 2019 wurde die sofortige Vollziehung angeordnet, der Zweitbescheid ist von Gesetzes wegen gemäß § 25 Abs. 4 SchfHwG sofort vollziehbar (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG).
31
Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 29 ff. VwZVG für die Vollstreckung von Verwaltungsakten, mit denen eine Handlung, Duldung oder Unterlassung gefordert wird, sind gegeben.
32
Nach Art. 32 Satz 2 VwZVG ist die Ersatzvornahme grundsätzlich nur zulässig, wenn ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt. Dieser Grundsatz wird jedoch durch § 25 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG eingeschränkt, als dass im Falle der Nichtvornahme der im Zweitbescheid festgelegten Pflichten - wie hier - zwingend das Zwangsmittel der Ersatzvornahme vorgesehen ist. Hinsichtlich der Durchführung der Feuerstättenschau ließ ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten. Vor dem Hintergrund von Brandgefahren und unter Berücksichtigung der Weigerungshaltung des Klägers konnte nicht erst versucht werden, ein Zwangsgeld beizutreiben.
33
Die Ersatzvornahme wurde in den inzwischen bestandskräftigen Bescheiden vom 4. und 5. Februar 2019 jeweils angedroht und die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme veranschlagt, Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG, § 25 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG. Die Rechtmäßigkeit des der Vollstreckung zugrundeliegenden Verwaltungsakts wird im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht mehr geprüft. Gemäß Art. 21 Satz 2 VwZVG sind Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch nur zulässig, soweit die geltend gemachten Gründe erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes entstanden sind und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl. VG Bayreuth, B.v. 18.5.2015 - B 3 E 15.160 - juris; VG München, B.v. 5.12.2014 - M 6b E 14.4417 - juris). Solche Einwände, die die Voraussetzungen des Art. 21 VwZVG erfüllen, hat der Kläger indes nicht vorgebracht.
34
Nach § 26 Abs. 2 SchfHwG kann die zuständige Behörde für die Ausführung der Ersatzvornahme in Bezug auf den Zweitbescheid von den betroffenen Eigentümern Gebühren und Auslagen erheben. Gründe für das Absehen von der Erhebung der Kosten sind nach vorstehenden Ausführungen nicht ersichtlich (Formulierung: „kann“).
35
Ansatzpunkte für eine unrichtige Sachbehandlung durch den Beklagten im Hinblick auf die Ersatzvornahmen selbst liegen wie oben ausgeführt zur Überzeugung der Kammer ebenfalls nicht vor (Art. 16 Abs. 5 KG).
36
Die Höhe der für die erfolglos vorgenommenen Ersatzvornahmen geforderten Kosten, die angesetzte Verwaltungsgebühr und die weiteren Auslagen sind nicht zu beanstanden. Die tatsächlich für die Ersatzvornahme angefallenen und mit dem streitgegenständlichen Leistungsbescheid geforderten Kosten blieben zudem deutlich hinter den im Bescheid vom 4. Februar 2019 bzw. im Zweitbescheid vom 5. Februar 2019 geschätzten Kosten für die Ersatzvornahme in Höhe von jeweils 300,00 EUR zurück.
37
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Ersatzvornahmen jeweils abgebrochen wurden.
38
Gegenstand des Leistungsbescheids sind sämtliche durch die Ersatzvornahme entstandenen erforderlichen Kosten (VG München, U.v. 5.11.2015 - M 1 K 15.3391 - juris; Seidel/Fischer/Kreiser, Schornsteinfeger-Handwerksrecht, 2. Auflage 2019, § 26 Rn. 14, 26). Bei überflüssigen Maßnahmen soll die Kostentragung insoweit ausgeschlossen sein (Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 10 VwVfG, Rn. 22).
39
Vorliegend handelt es sich bei den mit dem streitgegenständlichen Leistungsbescheid geltend gemachten Kosten um erforderliche Kosten. Der Abbruch der Ersatzvornahmen steht dem nicht entgegen. Grundsätzlich können nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Dem Kläger als zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme Verpflichteten können auch die Kosten einer fehlgeschlagenen bzw. abgebrochenen Ersatzvornahme auferlegt werden, z.B. im Fall des wegen Wegfahrens des Pkw durch den Verantwortlichen selbst abgebrochenen Abschleppvorgangs oder bei einem Abbruch von Schornsteinfegerarbeiten im Wege der Ersatzvornahme aufgrund eines Defekts an der Heizungsanlage (OVG Saarl., U.v. 25.4.2019 - 2 A 802/17 - juris, Rn. 32 u. 38; VG Saarland, U.v. 11.3.2016 - 6 K 2111/14 - juris Rn. 20; Sadler/Tillmanns, VwVG/VwZG, 10. Auflage 2020, § 19 Kosten Rn. 17).
40
Diesen genannten Fällen ist der streitgegenständliche Fall vergleichbar, denn der Abbruch der Ersatzvornahmen lag jeweils in der Sphäre des Klägers begründet. Dieser brachte in beiden Ersatzvornahmeterminen neue zu prüfende Einwände gegen die Ersatzvornahme vor. Ferner schilderte die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung glaubhaft, dass der Kläger bei beiden Ersatzvornahmeterminen aggressiv und provokativ aufgetreten sei. Die erfahrene Sachbearbeiterin habe die Gefahr vor Ort eingeschätzt und sich entschieden, die Sache nicht eskalieren zu lassen. Der Abbruch der Ersatzvornahmen durch die Behörde aufgrund des neuen Vorbringens des Klägers und aus Gründen der Deeskalation ist nicht zu beanstanden. Er war jeweils durch das Verhalten des Klägers veranlasst und ist mit den Fällen vergleichbar, in denen der Kläger seiner Verpflichtung selbst nachkommt und die Ersatzvornahme deshalb abgebrochen wird. Dem klägerischen Vorbringen, es sei darzulegen, warum Durchführungen der Ersatzvornahme festgesetzt, aber nicht durchgeführt worden seien, ist entgegenzuhalten, dass die Kosten der Ersatzvornahme bei deren zwangsweiser Durchführung weit höher ausgefallen wären, was schon ein Vergleich mit den in den Bescheiden angegebenen voraussichtlichen Kosten zeigt. Nach den Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 31. August 2020 wäre ein Zutritt zum klägerischen Anwesen nur durch Einsatz von unmittelbarer Polizeigewalt unter erheblichen Kosten möglich gewesen.
41
Gegen die Höhe der mit dem streitgegenständlichen Leistungsbescheid geltend gemachten Kosten bestehen keine Bedenken.
42
Gemäß Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG erheben die Behörden des Freistaats Bayern für Tätigkeiten, die sie in Ausübung hoheitlicher Gewalt vornehmen (Amtshandlungen), Kosten (Gebühren und Auslagen). Gemäß Art. 10 Abs. 1 KG werden an Auslagen der an der Amtshandlung beteiligten Behörden und Stellen, soweit im Kostenverzeichnis nicht Ausnahmen vorgesehen sind, u.a. die anderen Behörden oder anderen Personen für ihre Tätigkeit zustehenden Beträge erhoben (Nr. 5). Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG bemisst sich die Höhe der Gebühren grundsätzlich nach dem Kostenverzeichnis. Nach der Tarif-Nr. 2.IV.8/9 des Kostenverzeichnisses ergibt sich für die Anwendung des Zwangsmittels Ersatzvornahme nach § 26 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG ebenso wie nach der Tarif-Nr. 1.I.8.2 für die Anwendung des Zwangsmittels Ersatzvornahme ein Gebührenrahmen von 50,00 EUR bis 2.500,00 EUR. Die streitgegenständliche Gebühr liegt im unteren Bereich der Rahmengebühr. Die festgesetzte Gebühr ist nicht überhöht, sondern der Sachlage angemessen und ist auch gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 KG im Hinblick auf den mit der Amtshandlung verbundenen Verwaltungsaufwand und die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass die an dem mit der Durchführung der Ersatzvornahmen beauftragten bevollmächtigten Schornsteinfeger zu zahlenden Kosten in Höhe von insgesamt 130,90 EUR (je 55,00 EUR netto) außer Verhältnis zu den von diesem erbrachten Leistungen bzw. Aufwand stünden, sind vom Kläger weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Die Erhebung von Auslagen für die Postzustellungsurkunde entspricht Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG.
43
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
44
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.