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VG Ansbach, Urteil v. 08.12.2020 – AN 19 K 20.30703
Titel:

Unbegründeter Asylantrag eines zum Christentum konvertierten Iraners

Normenkette:
AsylG § 3, § 4, § 77
Leitsätze:
1. Bei der Geltendmachung von Fluchtgründen, die im Wesentlichen auf einer inneren Überzeugung beruhen und daher objektiv nur schwer nachprüfbar sind, kommt dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden eine besondere Bedeutung zu. Gleichwohl müssen die Verwaltungsgerichte selbst zur vollen Überzeugung gelangen, dass einem Asylbewerber wegen Konversion zum Christentum in seinem Heimatland Verfolgung wegen seiner Religion droht und dass die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung  für seine religiöse Identität zentrale Bedeutung besitzt (BVerfG BeckRS 2020, 9319). (Rn. 25) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Nur eine auf einer ernsthaften inneren Glaubensüberzeugung beruhende Konversion zum Christentum und die daraus folgende, nachhaltig geprägte religiöse Identität, die bei Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verfolgung führen würde, erfüllt den Tatbestand des § 3 Abs. 1 AsylG. (Rn. 30) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Es ist geklärt, dass es für die Annahme einer Verfolgungsgefahr im Iran wegen Konversion maßgeblich darauf ankommt, ob im Fall der Rückkehr einer konvertierten Person in den Iran davon auszugehen ist, dass diese ihren neu angenommenen Glauben - und die damit verbundene Abkehr vom Islam - aktiv im Iran ausüben oder nur erzwungener Maßen, unter dem Druck drohender Verfolgung, auf eine Glaubensbetätigung verzichten wird (VGH München BeckRS 2018, 17180). (Rn. 33) (red. LS Clemens Kurzidem)
4. Aus dem formalen Akt der Taufe allein kann eine ernsthafte und nachhaltige Hinwendung zum Christentum nicht abgeleitet werden. (Rn. 36) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Asyl, Iran, Christentum, Konversion, iranischer Asylbewerber, Konversion zum Christentum, Hauskirche, Nachfluchtgründe, Apostasie, Glaubensüberzeugung, Glaubensbetätigung, Taufe
Fundstelle:
BeckRS 2020, 39001

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1
Der Kläger, ein iranischer Staatsangehöriger azarischer Volkszugehörigkeit und nach eigenen Angaben christlichen Glaubens reiste am 18. September 2018 auf dem Luftweg zunächst in die Niederlande und von dort aus am selben Tag auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Hier stellte er am 30. Oktober 2018 beim Bundesamt für ... (Bundesamt) einen Asylantrag.
2
Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung gemäß § 25 AsylG am 8. November 2018 gab der Kläger zu seinen Fluchtgründen befragt gegenüber dem Bundesamt an, dass der Anlass für die Ausreise ein Unfall seiner Schwester gewesen sei, bei dem zwei Personen ums Leben gekommen seien. Danach sei es der Schwester so schlecht gegangen, dass er ein Visum beantragt habe, damit sie ausreisen und ihren bereits in Deutschland lebenden Bruder besuchen könnten. Im Iran habe er seit Anfang des Jahres 2017 eine christliche Hauskirche besucht. Als er und seine Schwester in Deutschland gewesen seien, hätten sie über ihren Bruder, der mit den Eltern telefoniert habe, erfahren, dass Mitarbeiter der Sicherheitsbehörde „Etelaat“ die Wohnung der Eltern, in der auch er und seine Schwester gewohnt hätten, durchsucht hätten. Dabei seien christliche Lehrmaterialien gefunden worden, wie z.B. ein Teil des Matthäus-Evangeliums, die sie bei den Besuchen der Hauskirche erhalten hätten. Die Sicherheitsleute hätten auch den Vater festgenommen, ihn aber nach einer Nacht wieder freigelassen. Der Vater stehe jedoch unter Kontrolle der Sicherheitsbehörden und sei angewiesen worden, den Kläger und seine Schwester im Falle ihrer Rückkehr zu melden.
3
Auslöser für den Besuch der Hauskreise sei der psychische Zustand der Schwester gewesen. Der Kläger führte insoweit aus, dass er darüber mit seinem in Deutschland lebenden Bruder gesprochen habe, welcher bereits Christ gewesen sei. Dieser habe ihn und seine Schwester missioniert und sie einem Freund namens … vorgestellt und sie zu den Sitzungen eingeladen.
4
Er selber sei eigentlich kein religiöser Mensch gewesen. Er glaube an keine Religion. Er habe diese Veranstaltungen nur wegen seiner Schwester besucht. Da er auf diese Weise sehr viel Ruhe erfahren habe, gehe er diesen Weg weiter. Er suche gerade die Ruhe.
5
Bevor die Wohnung der Eltern durchsucht worden sei, sei die Hauskirche gestürmt worden, so dass die Sicherheitskräfte zu ihren Namen gekommen seien.
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Mit Bundesamtsbescheid vom 4. Januar 2019 wurde der Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung des Klägers in die Niederlande angeordnet.
7
Nach Ablauf der Überstellungsfrist und Aufhebung des Bescheids vom 4. Januar 2019 durch Gerichtsbescheid vom 14. Mai 2020 unter dem gerichtlichen Aktenzeichen AN 14 K 19.50060 erließ das Bundesamt am 16. Juli 2020 folgenden Bescheid:
1. Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt.
2. Der Antrag auf Asylanerkennung wird abgelehnt.
3. Der subsidiäre Schutzstatus wird nicht zuerkannt.
4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor.
5. Der Antragsteller wird aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, wird er nach Iran abgeschoben. Der Antragsteller kann auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist.
Die durch die Bekanntgabe dieser Entscheidung in Lauf gesetzte Ausreisefrist wird bis zum Ablauf der zweiwöchigen Klagefrist ausgesetzt.
6. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
8
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger kein Flüchtling i.S.d. § 3 AsylG sei, weil es im Zeitpunkt seiner Ausreise keine Verfolgung durch die iranischen Sicherheitskräfte gegeben habe. Bei einem unverfolgt ausgereisten Asylbewerber komme eine Asylanerkennung in der Regel nur dann in Betracht, wenn diesem aufgrund eines asylrechtlich erheblichen „Nachfluchttatbestand“ eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohe. Der Kläger habe eine begründete Furcht vor Verfolgung durch die iranischen Behörden im Falle seiner Rückkehr jedoch nicht glaubhaft gemacht. So habe der Kläger seine Verfolgungsfurcht im Wesentlichen darauf gestützt, dass er anlässlich des Besuchs christlicher Sitzungen in einer Hauskirche von den iranischen Behörden gesucht werde und die Hinrichtung zu befürchten habe. Dieses Vorbringen könne gemessen an den zu berücksichtigen Grundsätzen für die Glaubhaftmachung nicht überzeugen, weil es zum einen mit den tatsächlichen maßgeblichen Gegebenheiten nicht in Einklang zu bringen sei und zum anderen in mehreren Punkten lebensfremd erscheine.
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Auch die bereits im Iran vollzogene Hinwendung zum Christentum einschließlich der Kirchenbesuche in Deutschland führe nicht zu einer mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmenden Verfolgungsgefahr bei Rückkehr in den Iran. So habe nicht die volle Überzeugung gewonnen werden können, dass der Kläger aus ernsthafter, fester innerer Überzeugung zum christlichen Glauben übergetreten sei und die Ausübung des christlichen Glaubens eine besondere identitätsprägende und unverzichtbare Bedeutung für ihn darstelle. Vielmehr habe die Unterzeichnerin den Eindruck gewonnen, dass der Kläger sich weder mit Glaubensfragen auseinandergesetzt noch dass der Hinwendung zum Christentum eine Ernsthaftigkeit zu Grunde gelegen habe. So seien die Einlassungen des Klägers zu den Gründen einer angeblichen ernsthaften Hinwendung zum Christentum oberflächlich geblieben und zeigten nicht auf, aus welchen zwingenden inneren Gründen sich der Kläger zu einem ernsthaft gläubigen Christen gewandelt haben solle. Ruhe, Liebe und Hoffnung seien keine Merkmale, die ausschließlich der christlichen Religion zuzurechnen seien. Dass von dem Kläger als Neukonvertierten kein tiefgründiges religiöses Wissen erwartet werden könne, sei beachtet worden. Es sei jedoch zu erwarten, dass der Kläger seine Motivation, Gedanken und Überzeugungen als konvertierter Christ darlegen könne, indem er lebhaft über seine neuen Erfahrungen und Gefühle spreche, seinen Weg zum Glauben beschreibe und seine geistige Entwicklung schildere. Zudem habe der Kläger nicht hinreichend darzulegen vermocht, wie er seinen neuen Glauben im Alltag lebe. Die Prognose, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Iran wegen einer auf Dauer angelegten religiösen Überzeugung quasi keine andere Wahl hätte, als diese Überzeugung auch in seinem Heimatland auszuleben, könne nicht getroffen werden.
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Mit bei Gericht am 4. August 2020 eingegangenem Telefax ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,
unter Aufhebung des Bundesamtsbescheids vom 16. Juli 2020 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise subsidiären Schutz zuzuerkennen, sowie festzustellen, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.
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Eine Begründung der Klage erfolgte bis zur mündlichen Verhandlung nicht.
12
Das Bundesamt beantragte mit Schriftsatz vom 12. August 2020
Klageabweisung.
13
Durch Beschluss der 19. Kammer vom 1. Oktober 2020 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen.
14
In der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2020 wiederholte die Prozessbevollmächtigte den Klageantrag vom 4. August 2020.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (1.), auf Feststellung des subsidiären Schutzstatus im Sinne von § 4 AsylG (2.) und auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG (3.) hat. Auch die in Ziffer 5) und 6) des angefochtenen Bescheids getroffenen Nebenentscheidungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken (4.). Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 16. Juli 2020 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
17
Die in Ziffer 2) des angefochtenen Bescheides erfolgte Ablehnung der Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne von Art. 16a GG durch Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides ist nicht Gegenstand der vorliegenden Klage. Denn gemäß dem in der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2020 wiederholten, schriftsätzlich am 4. August 2020 gestellten Klageantrag ist dieser allein auf die Aufhebung der Ziffer 1 sowie der Ziffern 3 bis 6 des ablehnenden Bescheids vom 16. Juli 2020 und auf die - insoweit - positive Verbescheidung gerichtet.
18
Maßgeblich für die Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG.
19
1. Der Kläger ist nach Auffassung der hier erkennenden Einzelrichterin kein Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG.
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Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
21
Der Kläger stützt seinen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Wesentlichen auf seine Konversion zum Christentum, die nach seiner Darstellung bereits im Iran durch den Besuch der Hauskreise ihren Anfang genommen hat (1.1) und in der Bundesrepublik Deutschland fortgeführt wurde und in den Empfang der Taufe mündete (1.2).
22
Der Kläger hat die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG mit diesem Vorbringen nicht - hinreichend konkret und substantiiert - glaubhaft gemacht.
23
Einleitend ist zur Glaubhaftmachung folgendes auszuführen:
24
Bei der Glaubhaftmachung im Asylverfahren und im anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahren kommt dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden hinsichtlich der vor Ausreise entstandenen Fluchtgründe naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Hinsichtlich der objektiven Nachprüfbarkeit dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.
25
Das Gleiche gilt für Fluchtgründe, welche im Wesentlichen auf einer inneren Überzeugung beruhen und daher objektiv ebenfalls nur schwer nachprüfbar sind. Gleichwohl müssen die Verwaltungsgerichte „selbst zu der vollen Überzeugung gelangen“ (…), „dass einem Asylbewerber wegen Konversion zum Christentum in seinem Heimatland eine Verfolgung wegen seiner Religion droht und dass die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für die religiöse Identität des Betroffenen zentrale Bedeutung hat“ (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 3.4.2020, 2 BVR 1838/15, juris).
26
Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VwGO i.V.m. § 25 Abs. 1 AsylG muss der Ausländer zunächst selbst die Tatsachen vorbringen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Asylsuchende unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, U.v. 29.11.1977 - I C 33.71 -, BVerwGE 55, 82-86).
27
Diesen Maßstäben wird der Vortrag des Klägers nicht gerecht.
28
1.1 Da das klägerische Vorbringen im gerichtlichen Verfahren, was den Besuch der Hauskreise im Heimatland angeht, keinen über den Vortrag im Rahmen der Anhörung hinausgehenden und entscheidungserheblichen Gehalt besitzt, folgt das Gericht insoweit den Feststellungen und Begründungen des angefochtenen Bescheids vom 16. Juli 2020, § 77 Abs. 2 AsylG.
29
Es sei an dieser Stelle nur darauf hingewiesen, worauf der Kläger selbst noch einmal ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung verwiesen hat, dass nämlich die Ausreise aus dem Heimatland nicht unter dem Druck der Verfolgung erfolgt ist, sondern allein aus touristischen Gründen. Die angebliche Zerschlagung des Hauskreises und die fernmündlich erfahrene Bedrohung durch iranische Sicherheitsbehörden haben erst nach der Ausreise stattgefunden. Die im angefochtenen Bescheid geäußerten Zweifel des Bundesamtes an der Darstellung des Klägers wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht einmal ansatzweise ausgeräumt. Vielmehr wurde lediglich darauf verwiesen, dass die Nachrichten zu einem „heftige Stress“ für den Kläger und seine Schwester geführt und den Kläger veranlasst hätten, einen Asylantrag zu stellen. Eine verfahrensrelevante Verfolgung ist diesem Vorbringen jedoch nach wie vor nicht zu entnehmen.
30
1.2 Die für § 3 Abs. 1 AsylG maßgebliche Gefährdung des Klägers aufgrund der Konversion zum Christentum hat dieser nicht - zur Überzeugungsgewissheit des Gerichts - glaubhaft gemacht. Denn nur eine auf einer ernsthaften inneren Glaubensüberzeugung beruhende Konversion zum Christentum und die daraus folgende, nachhaltig geprägte religiöse Identität, die bei Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verfolgung führen würde, erfüllte den Tatbestand des § 3 Abs. 1 AsylG.
31
So stellt sich die Lage muslimischer Konvertiten nach den aktuellen Erkenntnissen, die das Gericht unter anderem dem „Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: Februar 2020)“ des Auswärtigen Amtes vom 26. Februar 2020 (Gz.: 508-516.80/3 IRN) entnimmt und welche den Prozessbeteiligten zur Verfügung gestellt wurden, (Lagebericht, aaO, 1.1.4.) wie folgt dar: „Muslimen ist es ebenso verboten, zu konvertieren (‚Abfall vom Glauben‘) wie an Gottesdiensten anderer Religionen teilzunehmen. Die Konversion eines schiitischen Iraners zum sunnitischen Islam oder einer anderen Religion sowie Missionstätigkeit unter Muslimen können eine Anklage wegen Apostasie und schwerste Sanktionen bis hin zur Todesstrafe nach sich ziehen. Oftmals lautet die Anklage jedoch auf ‚Gefährdung der nationalen Sicherheit‘, ‚Organisation von Hauskirchen‘ und Beleidigung des Heiligen‘, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden.“
32
Dabei handelt es sich um eine asylrelevante Verfolgungsgefahr im Falle einer zur Überzeugung des Gerichts feststehenden Konversion.
33
Der Schutzsuchende darf in diesem Zusammenhang nicht darauf verwiesen werden, von etwaigen religiösen Betätigungen Abstand zu nehmen, um einer Verfolgung zu entgehen. (EuGH, U.v. 5.9.2012 - C-71/11 und C-99/11 - ABl. EU 2012, Nr. C 331 S. 5 - NVwZ 2012, 1612 zur bis dahin praktizierten Unterscheidung zwischen „forum internum“ und „forum externum“). Es „ist geklärt, dass es für die Frage einer Verfolgungsgefahr im Iran wegen Konversion maßgeblich darauf ankommt, ob im Fall einer Rückkehr einer konvertierten Person in den Iran davon auszugehen ist, dass diese ihren neu aufgenommenen Glauben - und die damit verbundene Abkehr vom Islam - aktiv im Iran ausüben (BayVGH, B.v. 16.11.2015 - 14 ZB 13.30207 - juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 7.11.2016 - 14 ZB 16.30380 - juris Rn. 7) oder nur erzwungener Maßen, unter dem Druck drohender Verfolgung, auf eine Glaubensbetätigung verzichten wird (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 - 1 B 40.15 - BayVBl 2016, 104 Rn. 11 m.w.N.).“ (BayVGH, B.v. 9.7.2018 - 14 ZB 17.30670 -, Rn. 21, juris)
34
Eine ernsthafte und nachhaltige Hinwendung zum Christentum hat der Kläger jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht.
35
So hat der Kläger im Rahmen seiner ausführlichen Befragung durch das Gericht in der mündlichen Verhandlung zu der Frage, inwieweit das Christentum ihn in seiner persönlichen Identität geprägt hat, im Wesentlichen auf den kritischen Gesundheitszustand seiner Schwester, auf die angeblichen Besuche der Hauskreise im Heimatland und seine Unterbringung im Kirchenasyl hingewiesen.
36
Die in Deutschland am 23. Februar 2020 empfangene Taufe hat er in diesem Zusammenhang hingegen nicht einmal erwähnt, sondern nur eine entsprechende Taufbescheinigung vorgelegt. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Taufe für den Kläger keine besondere Bedeutung hatte, sondern nur einen formalen Akt darstellte, dessen Fehlen das Bundesamt im angefochtenen Bescheid noch moniert hatte. Aus dem formalen Akt der Taufe allein kann jedoch eine ernsthafte und nachhaltige Hinwendung zum Christentum nicht abgeleitet werden. Das Gericht hat daher von diesbezüglichen Nachfragen abgesehen.
37
Der Kläger führte allgemein aus, dass er sich vom Christentum sehr angezogen gefühlt habe und dass durch den Tod Jesu die Sünden der Menschen getilgt worden seien.
38
Auch wenn das Gericht anerkennt, dass der Kläger sich mit dem Christentum beschäftigt hat, und es in seine Prüfung einbezieht, dass nicht jeder Mensch gleichermaßen emotional und intellektuell in der Lage ist, sich in höchstpersönlichen, gar intimen Angelegenheiten wie in Glaubensfragen schlüssig und nachvollziehbar zu äußern, bleibt der Vortrag des Klägers - in der Gesamtschau der Anhörung gegenüber dem Bundesamt und der gerichtlichen Befragung - weit hinter den oben beschriebenen Anforderungen an die Darlegungslast im Falle geltend gemachter Konversion zurück.
39
Letztlich knüpft der Kläger fast ausschließlich an äußere Merkmale, wie die Lebensgeschichte der Schwester und seinen Zufluchtsort im Kirchenasyl, an. Weshalb und auf welche Weise daraus eine nachhaltige und identitätsprägende Konversion aufgrund einer inneren und ernsthaften Überzeugung erwachsen sein soll, erschließt sich dem Gericht nicht.
40
Dies wiederholt sich im Grunde bei der Antwort auf die Frage des Gerichts, welche Glaubensbetätigung für den Kläger für seine christliche Identität zwingend ist: Auch hier bezieht sich der Kläger zunächst auf die Krankengeschichte seiner Schwester, die er als Wunder erlebt haben will. Außerdem verweist der Kläger nur sehr allgemein darauf, dass er „durch Jesus Christus und die Heilige Schrift viel Kraft bekommen“ habe. Er habe sich verändert, weil er sein Herz Jesus Christus geschenkt habe. Auch auf Nachfrage des Gerichts, was das konkret bedeuten solle, wies er nur allgemein darauf hin, dass er gelernt habe zu vergeben.
41
Es mag zwar sein, dass die Schwester des Klägers Halt im christlichen Glauben gefunden hat und dies für den Kläger eine emotionale Entlastung bedeutet haben mag. Es mag zudem sein, dass das Kirchenasyl für den Kläger und seine Schwester eine Art Zuflucht (vor den deutschen Behörden) gewesen ist und der Kläger sich mit den dortigen „Glaubensgeschwistern“ daher auf besondere Weise verbunden fühlt. Der Kläger gibt gar auf die Frage einer „hypothetischen Glaubensbetätigung im Iran“ an, dass eine solche ohne die deutsche Glaubensgemeinschaft für ihn nur schwer vorstellbar sei. Das ist zwar verständlich, zeigt jedoch, dass die aktive Glaubensbetätigung für den Kläger nicht derart zwingend ist, dass er nicht auf diese verzichten könnte, ohne letztlich auf seine neugewonnene Identität zu verzichten, weil er sich andernfalls der Verfolgung aussetzen würde. Vielmehr ist die Glaubensbetätigung des Klägers derart eng mit der deutschen Glaubensgemeinschaft verbunden, dass er sich ohne diese eine Glaubensbetätigung gar nicht erst vorstellen kann.
42
Dass er sich in seiner Glaubensgemeinschaft wohl fühlt und dadurch eine gewisse innere Sicherheit gefunden haben mag, reicht für die Glaubhaftmachung der verfahrensrelevanten Umstände jedoch nicht aus.
43
Nach alledem hat der Kläger das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG aufgrund der Konversion zum Christentum nicht - hinreichend konkret und substantiiert - dargelegt.
44
2. Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG besteht ebenfalls nicht.
45
Denn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nur dann subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß Satz 2: Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
46
Das Gericht bezieht sich insoweit auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids, da der Kläger auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens keine darüber hinausgehenden, maßgeblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat und das Gericht den Ausführungen des Bundesamtes folgt, § 77 Abs. 2 AsylG.
47
3. Dasselbe gilt für die begehrte Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
48
4. Die in Ziffer 5 des Bescheids vom 16. Juli 2020 angedrohte Abschiebung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, weil die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
49
Die im Rahmen von § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (hier festgesetzt auf 30 Monate) ist nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
50
Nach alledem ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO als unbegründet abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.