Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 29.12.2020 – AN 19 K 19.01975
Titel:

Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags

Normenketten:
BayKAG Art. 6 Abs. 1
EStG § 16, § 22 Nr. 2, § 23
Leitsätze:
1. Auch der Verkauf einer Immobilie kann nach einer auf Art. 6 BayKAG beruhenden Satzung beitragspflichtig sein, wenn sich im Verkaufserlös Vorteile aus dem Fremdenverkehr realisieren. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einkommensteuerrechtliche Überschusseinkünfte aus Vermietung und Verpachtung gelten jedenfalls immer dann als „Vermietungsgewinne“ im fremdenverkehrsbeitragsrechtlichen Sinne, wenn Gebäude oder Räume vermietet werden, die unmittelbar einem Fremdenverkehrsbetrieb zu dienen bestimmt sind. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fremdenverkehrsbeitrag, Betriebsaufgabe, privates Veräußerungsgeschäft als Veräußerungsgewinn im fremdenverkehrsrechtlichen Sinn, Veräußerung, Verkauf, Verkaufserlös, Gewinn, Vermietung, Verpachtung, Fremdenverkehrsbetrieb, Immobilie
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 20.05.2021 – 4 ZB 21.441
Fundstelle:
BeckRS 2020, 38997

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3.    Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags.
I.
2
Der Kläger war seit dem Jahre 2011 Alleineigentümer des Anwesens Fl.Nr. …, Gemarkung … (* …, in …*). Dieses hatte er zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft vermietet. Zuletzt betrieb Herr … in dem Anwesen vom 1. Juni 2017 bis Januar 2018 die Schank- und Speisewirtschaft. Für das Anwesen lag eine Genehmigung für eine Gaststätte im Erdgeschoss und für Beherbergungsbetriebe im ersten Obergeschoss vor. Dieses Anwesen verkaufte der Kläger mit notarieller Urkunde vom 24. Oktober 2017.
3
Die Anschaffungskosten für das Anwesen betrugen für den Kläger 176.066,00 Euro im Jahr 2011. Davon wurden von 2011 bis 2017 jährlich 2,5 Prozentpunkte Absetzungen für Abnutzung geltend gemacht (das sind jährlich 4.401,65 Euro und in den sieben Jahren insgesamt 30.811,55 Euro) (Bl. 29 GA).
4
Aus der „Erklärung über Verkaufserlös und Veräußerungsgewinn …, …, …“ vom 25. Juni 2018 (Bl. 51 BA) ergibt sich, dass das streitgegenständliche Objekt im Jahr 2017 verkauft wurde. Die Höhe des Veräußerungsgewinns für das Gebäude betrug dabei 22.016 Euro incl. betrieblichen Inventars in Höhe von 1.936 Euro.
II.
5
Mit Bescheid vom 12. November 2018 erließ die Beklagte einen Bescheid über Veranlagung zum Fremdenverkehrsbeitrag (Bl. 66 BA). Darin wurde für den Betrieb „Verkauf …“ für das Jahr 2017 ein Beitrag in Höhe von 1.144,00 Euro festgesetzt. Der Berechnung wurde ein steuerlicher Gewinn vom 22.016,00 Euro, ein Vorteilssatz v.H. von 65,00 und ein Beitragssatz v.H. von 8,00 zugrunde gelegt (ergibt einen Beitrag nach Gewinn in Höhe von 1.144,83 Euro). Der steuerbare Umsatz wurde mit 0,00 berechnet. Der Bescheid stützt sich auf die nach Art. 6 i.V.m. Art. 2 KAG erlassene örtliche Fremdenverkehrsbeitragssatzung.
III.
6
Mit am 21. November 2018 bei der Beklagten eingegangenem Telefax ließ der Kläger Widerspruch einlegen gegen den Bescheid vom 12. November 2018.
7
Mit Schriftsatz vom 11. März 2019 wurde der Widerspruch begründet. Darin wird mit Bezugnahme auf das Urteil des VG München vom 26.04.2018, Az. M 10 K 17.1638, Rn. 24, ausgeführt, dass Voraussetzung der Beitragspflicht sei, dass sich im Verkaufserlös Vorteile aus dem Fremdenverkehr realisierten, da der Beitragscharakter eine Gegenleistung für die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe verlange. Dafür sei auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. Von den Fallgruppen der Rechtsprechung, in denen dem Verkäufer einer Immobilie aus dem Fremdenverkehr mittelbare Vorteile erwüchsen, werde der vorliegende Sachverhalt nicht erfasst (Bl. 40 BA). Insbesondere habe der Kläger die Immobilie nicht an einen Verkäufer veräußert, der sie durch Tätigung von Geschäften mit Fremden weiterhin zu Fremdenverkehrszwecken nutze. Bereits zuvor habe das VG München mit Urteil vom 8. Dezember 2016 - M 10 K 15.5363 - entscheiden, dass der Verkäufer einer Immobilie, die vor dem Verkauf durch Mieter (zumindest teilweise) gewerblich genutzt gewesen sei, nach dem Verkauf aber nicht mehr, kein sogenannter Beitragsschuldner im Sinne einer Fremdenverkehrsbeitragssatzung sei, mangels ausreichend engem Zusammenhang des wirtschaftlichen Vorteils zum Fremdenverkehr.
8
Mit Schreiben vom 28. März 2019 legte die Beklagte den Widerspruch dem Landratsamt … - Widerspruchsbehörde - zur Entscheidung vor.
9
Mit Schreiben vom 16. April 2019 gab die Widerspruchsbehörde dem Kläger die Möglichkeit, den Widerspruch bis 15. Mai 2019 zurückzunehmen. Andernfalls würde sie einen rechtmittelfähigen Widerspruchsbescheid erlassen.
10
Mit Schreiben vom 8. Mai 2019 bat der Klägerbevollmächtigte um Fristverlängerung bis 3. Juni 2019. Bis dahin solle entschieden werden, wie in der Angelegenheit weiter verfahren werde.
11
Mit Schreiben vom 23. Mai 2019 nahm der Klägerbevollmächtigte Stellung. Der Eigentumsübergang des streitgegenständlichen Grundstücks habe erst um die Jahreswende 2017/2018 stattgefunden. Das Pachtverhältnis mit dem Pächter, der die Wirtschaft darin betrieben habe, sei mit Schreiben vom 7. November 2017 noch vom Kläger zum 31. März 2018 ausgesprochen worden unter Einhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist, da die Erwerber das streitgegenständliche Anwesen unbedingt selbst privat hätten nutzen wollen. Das Anwesen sei vom Pächter Ende Januar 2018 geräumt worden. Der Umstand, dass das Anwesen wegen der einzuhaltenden Kündigungsfrist wohl vorübergehend noch für kurze Zeit weiter zumindest teilweise gewerblich genutzt worden sei, führe wegen der erklärten Absicht der Erwerber, das Objekt selbst für eigene Zwecke nutzen zu wollen, was seit der Räumung durch den vormaligen Pächter auch der Fall sei, nicht dazu, dass der Erlös aus dem Verkauf als wirtschaftlicher Vorteil auf dem nach der Rechtsprechung vorauszusetzenden ausreichend engen Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr beruhe. Daher erwachse dem Kläger als Verkäufer aus dem Verkauf der Immobilie nicht der für die Beitragspflichtig vorausgesetzte Vorteil unmittelbar oder mittelbar durch den Fremdenverkehr. Darüber hinaus sei festzustellen, dass die Einkünfte aus der Verpachtung der Räumlichkeiten gar kein Betriebsvermögen gewesen seien. Vielmehr habe sich das Objekt im Privatvermögen des Klägers befunden und die Einnahmen seien jährlich als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG versteuert worden. Durch die Veräußerung 2017 habe ein privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 EStG statt gefunden, was in der Steuererklärung 2017 berücksichtigt worden sei. Es sei daher am Widerspruch festzuhalten.
12
Mit Schriftsatz vom 6. September 2019 bat der Klägerbevollmächtigte ausdrücklich um eine förmliche Entscheidung bis 20. September 2019, andernfalls müsse er Untätigkeitsklage erheben.
13
Mit Schreiben vom 20. September 2019 erklärte die Widerspruchsbehörde gegenüber dem Klägerbevollmächtigten, bis spätestens Ende Oktober 2019 über den Widerspruch zu entscheiden (Bl. 91 WA).
IV.
14
Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2019, bei Gericht per beA eingegangen am selben Tag, ließ der Kläger Untätigkeitsklage gem. § 75 VwGO erheben mit den Anträgen, den Bescheid der Beklagten über Veranlagung zum Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2017 vom 12.11.2018 - FAD … aufzuheben und die Beiziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
15
Zur Begründung trug der Klägerbevollmächtigte zusätzlich zu seinem bisherigen Vorbringen gegenüber der Behörde vor, dass der vormalige Pächter das Objekt Ende Januar 2018 den Erwerbern übergeben habe, ohne an diese jemals auch nur einen Cent Miete zu zahlen. Selbst wenn das Anwesen wegen der einzuhaltenden Kündigungsfrist tatsächlich noch für kurze Zeit teilweise als „gewerblich genutzt“ zu bezeichnen sein sollte, würde dies wegen der von Anfang an erklärten Absicht der Erwerber, das Objekt dauerhaft selbst für eigene private Wohnzwecke nutzen zu wollen, daher nicht dazu führen, dass der Verkaufserlös als wirtschaftlicher Vorteil auf einem ausreichend engen Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr beruhe. Aus dem Verkauf erwachse dem Kläger als Verkäufer folglich nicht der für die Beitragspflicht vorausgesetzte Vorteil unmittelbar oder mittelbar durch den Fremdenverkehr. Die Einkünfte aus der Verpachtung der Räume im streitgegenständlichen Anwesen seien für den Kläger kein Betriebsvermögen gewesen.
V.
16
Mit Bescheid vom 4. November 2019 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass Rechtsgrundlage des Bescheides Art. 6 KAG i.V.m der „Satzung für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrags in der Großen Kreisstadt …“ - FBS - vom 03.02.2015 sei. Der in § 2 Abs. 1 FBS vorausgesetzte mittelbare Vorteil, der durch den Fremdenverkehr erwachsen müsse, bestünde vorliegend im Verkauf des streitgegenständlichen Anwesens. Ausschlaggebend sei insoweit, dass der Kläger, wie hier im Falle der Verpachtung und Veräußerung des Anwesens über mehr als sieben Jahre hinweg ab 2011 mittelbar Nutzen aus dem von der Beklagten geförderten Tourismus gezogen habe. Es habe eine Verdienstmöglichkeit unabhängig von der konkreten Ertragssituation im Einzelfall bestanden. Dem liege der Gedanke zugrunde, dass ohne den Fremdenverkehr das wirtschaftliche Ergebnis (noch) schlechter gewesen wäre. Unter Bezugnahme auf das Urteil des VG München vom 8. Dezember 2016 - M 10 K 15.5363 - führte die Widerspruchsbehörde weiter aus, der Fremdenverkehrsbezug müsse sich nicht aus der vertraglichen Beziehung zum Käufer des Anwesens ergeben. Der Verkaufserlös könne bei wirtschaftlicher Betrachtung auch noch ein (bislang nicht berücksichtigter) Gewinn aus den Geschäften sei, die der Immobilienverkäufer während des laufenden Betriebes (mittelbar) mit Fremden getätigt habe. Der Verkauf eines zu Fremdenverkehrszwecken genutzten Gebäudes könne der Beitragspflicht unterliegen, wenn darin eine Betriebsaufgabe liege und sich in dem Verkaufserlös stille Reserven des Betriebes realisierten, die infolge der jährlichen Absetzung für Abnutzung der Anschaffungs- und Herstellungskosten als periodengerechte Verteilung des Aufwandes bzw. Berücksichtigung des Werteverzehrs entstanden seien. Durch das Ausscheiden des Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen realisierten sich die bis dahin unversteuerten Gewinne, die § 16 EStG der Versteuerung unterwerfe. Eine derartige Konstellation sei vorliegend gegeben. Aufgrund der Tatsache, dass die Kläger im Bereich der Fremdenverkehrsabgabe bei der Vermietung seines Anwesens als „Selbständiger“ tätig sei (Az. 4 CS 02.1220) und nicht als Privatperson betrachtet werde, handele es sich vorliegend beim Verkauf des streitgegenständlichen Anwesens um Verkauf von Betriebsvermögen bzw. damit um die Aufgabe eines Betriebes. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen (Bl.153-161 WSA).
VI.
17
Mit Schriftsatz vom 29. November 2019 fasste der Klägerbevollmächtigte den Klageantrag neu:
18
1. Der Bescheid der Beklagten über die Veranlagung des Klägers zum Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2017 vom 12.11.2018 - FAD … in Gestalt des dazu ergangenen Widerspruchsbescheides des Landratsamtes … vom 4. November 2019 wird aufgehoben.
19
2. Die Beiziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
20
Zur Begründung wurde vorgetragen, die Ausführungen im Widerspruchsbescheid zu § 16 EStG lägen neben der Sache. Der Kläger habe - anders als in dem von der Widerspruchsbehörde zitierten Urteil 4 BV 04.1306, in dem die damalige Beklagte selbst ein Fremdenverkehrsheim betrieben habe - niemals selbst eine Schank- und Speisewirtschaft betrieben, sondern diese verpachtet. Dies sei aber nicht als Gewerbebetrieb anzusehen. Damit habe der Kläger nicht gem. §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 EStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, zu denen nach § 16 EStG auch der Veräußerungsgewinn gehören würde. Das streitgegenständliche Anwesen habe sich vielmehr stets nur im Privatvermögen des Klägers befunden. Entsprechend seien dessen Pachteinnahmen als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung versteuert und dessen Verkauf als privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 EStG berücksichtigt worden. Zudem werde bestritten, dass die Erwerber noch Geschäfte mit dem Pächter Herrn … gemacht hätten. Zwar wisse der Kläger nicht, wie lange genau der Pächter die Schank- und Speisewirtschaft im Januar 2018 noch betrieben habe. Jedenfalls aber ist dem Kläger bekannt, dass die Erwerber des Anwesens vom Pächter nie irgendwelche Pachtzahlungen erhalten hätten.
VII.
21
Mit Schreiben vom 8. Juni 2020 beantragte die Beklagte Klageabweisung.
22
Zur Begründung nahm sie in erster Linie Bezug auf den bisherigen Akteninhalt sowie die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 4. November 2019. Außerdem entsprächen die Ausführungen der Klägerseite, der Kläger habe das streitgegenständliche Anwesen nicht an einen Käufer veräußert, der es durch die Tätigung von Geschäften mit Fremden weiterhin zu Fremdenverkehrszwecken nutze, nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Ebenso wenig wie der Vortrag, der Erwerber habe von Anfang an die erklärte Absicht gehabt, das Gebäude dauerhaft selbst für eigene Wohnzwecke nutzen zu wollen. Tatsächlich hätten die Erwerber mit Baueingabeplan vom 15. Juni 2018 den Umbau des Wohn- und Geschäftshauses des streitgegenständlichen Anwesens beantragt. Im Baueingabeplan seien neben einer Wohnnutzung von insgesamt drei Wohneinheiten auch der Einbau von zwei Ferienwohnungen im Erdgeschoss vorgesehen. Dieser Bauantrag sei öffentlich bereits im Bauausschutz am 25. Juni 2018 behandelt worden. Aufgrund der strengen planungsrechtlichen Vorgaben für den Altstadtbereich sei die Aufgabe einer bestehenden Wohnnutzung zugunsten einer Ferienwohnraumnutzung nicht zulässig. Im vorliegenden Fall seien die bislang bestehenden Fremdenzimmer als Ferienwohnungseinheiten ins Erdgeschoss verlegt worden. Im Erdgeschoss entstünden insoweit neben dem Dauerwohnraum noch zwei Ferienwohnungen. In der Vorlage zum Bauausschuss werde ausgeführt, dass die zwei neuen Ferienwohnungen im Erdgeschoss aufgrund des bestehenden Bestandschutzes der vier Gästezimmer im 1. Obergeschoss und Erdgeschoss zulässig seien. Insoweit sei den Erwerbern mit Bescheid vom 16. Oktober 2018 die Genehmigung erteilt und der Baubeginn mit Datum 29. Oktober 2018 angezeigt worden. Somit stünde fest, dass für das streitgegenständliche Anwesen sowohl vor der Veräußerung durch den Kläger, als auch während des Veräußerungsvorgangs selbst sowie nach der Veräußerung eine Nutzung zu Zwecken des Fremdenverkehrs vorgesehen gewesen sei. Im Weiteren werden weitere Argumente vorgebracht, aus denen sich eine Beitragspflicht des Klägers ergebe. Hierauf wird Bezug genommen (Bl. 60 f. GA).
23
Mit Schriftsatz vom 20. August 2020 erwiderte der Klägerbevollmächtigte, dass die Erwerber das streitgegenständliche Anwesen tatsächlich umbauen und im Erdgeschoss Ferienwohnungen errichten wollen, wovon der Kläger allerdings erst jetzt erfahren habe. Bei den Verkaufsverhandlungen hätten die Erwerber immer nur bekundet, das Anwesen selbst privat zu Wohnzwecken nutzen zu wollen. Die Vermietung an Touristen solle nunmehr aber wohl doch vorgesehen sein, allerdings erst voraussichtlich im Herbst 2020. Die Nutzung des Anwesens - ggf. durch Geschäfte mit Fremden zu Fremdenverkehrszwecken - durch die Erwerber schlösse sich also nicht unmittelbar an die bisherige Nutzung durch den Kläger an, sondern würde für geraume Zeit unterbrochen gewesen sein, nämlich für zwei bis drei Jahre, wobei zudem die bisherige Nutzungsart (Gaststätte) durch eine andere (Zimmervermietung) ersetzt werden würde. Vor diesem Hintergrund könne der bisherige Standpunkt des Klägers aufrechterhalten bleiben. Schließlich wurde nochmals betont, dass der Kläger in … weder ansässig sei noch Geschäfts- oder Büroräume in … unterhalte. Die „nicht nur vorübergehende, objektiv verfestigte Beziehung“ des Klägers als Betroffener zur beklagten Gemeinde, die nach der Rechtsprechung für die Verpflichtung zur Fremdenverkehrsabgabe vorauszusetzen sei, sei daher ohne weiteres ebenfalls nicht ersichtlich.
24
Die Behauptung des Klägers, dass die Erwerber immer nur bekundet hätten, das Anwesen selbst privat zu Wohnzwecken nutzen zu wollen, bestritt die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2020 mit Nichtwissen.
25
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2020 erklärte sich die Klägerseite, mit Schreiben vom 8. Oktober 2020 die Beklagtenseite mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
27
Das Gericht konnte - nach einem Übertragungsbeschluss gemäß § 6 Abs. 1 VwGO - durch den Einzelrichter und mit Einverständnis der Beteiligten auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
II.
28
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. In der Umstellung von der ursprünglich erhobenen Untätigkeitsin die Anfechtungsklage liegt eine zulässige Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO, da dieser nicht widersprochen wurde.
III.
29
Der Fremdenverkehrsbeitragsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig.
30
1. Rechtsgrundlage des Beitragsbescheides ist Art. 6 Kommunalabgabengesetz (KAG) i.V.m. der Satzung für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrags in der Großen Kreisstadt … vom 3. Februar 2015. Nach Art. 6 Abs. 1 KAG, § 1 Abs. 1 der Satzung für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrags (FBS) wird von allen selbständig tätigen natürlichen und juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr Vorteile erwachsen, ein Fremdenverkehrsbeitrag erhoben. Mit diesem wird der Vorteil, der dem Beitragspflichtigen innerhalb eines Kalenderjahres durch den Fremdenverkehr mittelbar oder unmittelbar erwächst, abgegolten, § 2 Abs. 1 FBS. Zur Bestimmung des Vorteils dienen der einkommens- oder körperschaftsteuerpflichtige Gewinn und steuerbare Umsatz innerhalb eines Kalenderjahres, § 2 Abs. 2 FBS.
31
a) Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Satzung wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
32
b) Der Kläger ist als selbständig tätige natürliche Person Beitragsschuldner. Der Kläger unterfällt als ehemaliger Verpächter einer Schank- und Speisewirtschaft der selbständig tätigen natürlichen Person im Sinne des § 1 Abs. 1 FBS. Dabei ist der Begriff der selbständigen Tätigkeit des Fremdenverkehrsbeitragsrechts nicht mit dem des Steuerrechts gleichzusetzen. Er ist nicht beschränkt auf Gewerbetreibende und Freiberufler, sondern kann auch nicht gewerbsmäßige Tätigkeiten umfassen, die steuerrechtlich der privaten Vermögensverwaltung zuzurechnen sind. Der Begriff der selbständig tätigen Person dient damit im Wesentlichen nur der Abschichtung gegenüber unselbständiger Tätigkeit von Arbeitnehmern (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BayVGH, U. v. 27.03.2003 - 4 B 98.2772). Es werden folglich auch nichtgewerbsmäßige Tätigkeiten erfasst, sofern sie einer nachhaltigen Einnahmenwirtschaft dienen (BayVGH, U.v. 5.12.2006 - 4 B 05.3119). Die Veräußerung des Anwesens stellte vorliegend den Schlusspunkt der selbständigen Tätigkeit des Klägers im fremdenverkehrsrechtlichen Sinne dar.
33
c) Dem Kläger erwuchsen durch den Verkauf der Immobilie auch Vorteile aus dem Fremdenverkehr. Ausschlaggebend ist insoweit, dass der Kläger als örtlicher Unternehmer unmittelbar oder - wie hier im Fall der Verpachtung und Veräußerung eines auch auf den Fremdenverkehr ausgerichteten Betriebs - mittelbar Nutzen aus dem von der Gemeinde geförderten Tourismus ziehen konnte, d.h. eine Verdienstmöglichkeit bestand, unabhängig von der konkreter Ertrags- (Gewinn-)situation im Einzelfall. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass ohne den Fremdenverkehr das wirtschaftliche Ergebnis (noch) schlechter gewesen wäre (vgl. Engelbrecht in Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, Stand: Dezember 2014, Art. 6 Rn. 31 m.w.N.).
34
Auch der Verkauf einer Immobilie kann nach einer auf Art. 6 KAG beruhenden Satzung beitragspflichtig sein. Voraussetzung ist, dass sich im Verkaufserlös Vorteile aus dem Fremdenverkehr realisieren, da der Beitragscharakter eine Gegenleistung für die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe verlangt. Dabei wird von der Rechtsprechung auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt, wobei sich jedoch einzelne Fallgruppen erkennen lassen, in denen dem Verkäufer einer Immobilie aus dem Fremdenverkehr mittelbare Vorteile erwachsen. So können sich beispielsweise im Falle der Betriebsaufgabe im Veräußerungserlös Vorteile aus dem Fremdenverkehr realisieren, die bis dahin als Abschreibungen nicht beim Fremdenverkehrsbeitrag berücksichtigt werden konnten (vgl. dazu BayVGH U.v. 10.10.2005 - 4 BV 04.1306).
35
Einkommensteuerrechtlich definieren sich Gewinneinkünfte als solche aus Gewerbebetrieb und aus selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, §§ 4 bis 7k und 13a EStG i.V.m. § 15 bzw. § 18 EStG). Im Rahmen der gewerblichen Einkünfte fallen hierunter nicht nur die „laufenden“ Gewinne bezogen auf das jeweilige Wirtschaftsjahr; zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auch Gewinne, die bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs erzielt werden. Für „Freiberufler“ gilt diese Vorschrift nach Maßgabe des § 18 Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG entsprechend.
36
In einer insoweit grundlegenden Entscheidung vom 1. Dezember 2000 - 4 ZB 99.961 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass auch bei der Bemessung des Fremdenverkehrsbeitrags derjenige einkommensteuerpflichtige Gewinn zu berücksichtigen ist, der durch den Verkauf eines Hotels als Veräußerungsgewinn im Sinne von § 16 EStG erzielt wurde. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob das Hotel weiterbetrieben wird oder nicht, sofern sich im Verkauf die Vorteile aus dem Fremdenverkehr realisieren. In dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall wurde das Veräußerungsobjekt als Tourismusbetrieb weitergeführt. Ob der streitgegenständliche Fall, in dem die Immobilie umgebaut wurde und die rein private Nutzungsmöglichkeit im Raum stand, mit diesem Fall vergleichbar ist, ist nicht entscheidungserheblich. Denn jedenfalls haben sich zumindest auch in einer durch die Veräußerung erfolgten Betriebsaufgabe die Vorteile aus dem Fremdenverkehr realisiert, die bis dahin als Abschreibungen nicht beim Fremdenverkehrsbeitrag berücksichtigt werden konnten. Denn infolge der jährlichen Absetzung für Abnutzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten als periodengerechte Verteilung des Aufwands bzw. Berücksichtigung des Wertverzehrs bei mehrjährig nutzbaren Wirtschaftsgütern können sich stille Reserven als unversteuerte Gewinne bilden. Diese werden beim Ausscheiden des Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen realisiert. § 16 EStG dient im Ansatz dazu, die Versteuerung stiller Reserven sicherzustellen. Zeitliche Gewinnverschiebungen ändern nichts daran, dass der Gewinn aus Geschäften mit Fremden erwächst, so dass die fremdenverkehrsbeitragsrechtliche Einbeziehung auch des Betriebsaufgabegewinns gerechtfertigt ist (BayVGH, B.v. 24.-1.2005 - 4 ZB 04.2044).
37
Im streitgegenständlichen Fall hat der Kläger die Verpachtung der Gaststätte allerdings nicht gewerbsmäßig betrieben, so dass durch den Verkauf des Anwesens folglich kein Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 EStG erzielt wurde. Bei dem im Einkommenssteuerbescheid für 2017 ausgewiesenen Betrag in Höhe von 22.016 Euro handelt es sich vielmehr um sonstige Einkünfte im Sinne von §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EstG („Spekulationsgewinne aus privaten Immobiliengeschäften“). Es ist aber sachlich gerechtfertigt, auch nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG einkommensteuerrechlich relevante Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften als Veräußerungsgewinn im fremdenverkehrsrechtlichen Sinne bei der Bemessung des durch den Fremdenverkehr vermittelten Vorteils nach § 2 Abs. 2 FBS zu berücksichtigen.
38
So geht der Begriff des selbständig Tätigen im Fremdenverkehrsbeitragsrechts weiter als im Steuerrecht. Es werden auch nichtgewerbsmäßige Tätigkeiten erfasst, sofern sie einer nachhaltigen Einnahmenwirtschaft dienen, so dass auch die so erwirtschafteten Einnahmen Gewinne im fremdenverkehrsrechtlichen Sinne darstellen.
39
Nach diesen Grundsätzen gelten nach ständiger Rechtsprechung insbesondere einkommensteuerrechtliche Überschusseinkünfte aus Vermietung und Verpachtung jedenfalls immer dann als „Vermietungsgewinne“ im fremdenverkehrsbeitragsrechtlichen Sinne, wenn Gebäude oder Räume vermietet werden, die - wie vorliegend eine Gaststätte - unmittelbar einem Fremdenverkehrsbetrieb zu dienen bestimmt sind. Die Absicht einer nachhaltigen Einnahmenwirtschaft wird in den Fällen der §§ 22 Nr. 2, 23 EStG fingiert. Abweichend vom Grundsatz der Nichtsteuerbarkeit privater Vermögensvorgänge ist es Sinn und Zweck dieser Vorschriften, innerhalb einer Spekulationsfrist realisierte Wertmehrungen aus verhältnismäßig kurzfristigen Wertdurchgängen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen - insbesondere bei Immobiliengeschäften - zu erfassen. Der Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegt generell der Gedanke zu Grunde, dass der An- und Verkauf von (nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzten) Immobilien innerhalb der dort genannten Frist von zehn Jahren eine gewisse Nähe zur Gewerblichkeit indiziert und dies die (einkommensteuerrechtliche) Besteuerung legitimiert. Auch die Gewinnermittlung gemäß § 23 Abs. 3 EStG lässt die Nähe zum gewerblichen Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG erkennen. Diese gesetzgeberische Wertung, private Spekulationsgewinne nach Maßgabe der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1, Abs. 3 EStG einkommensteuerrechtlich zu erfassen, lässt sich auf das Fremdenverkehrsbeitragsrecht übertragen und steht auch im Übrigen im Einklang mit dessen Prinzipien (VG München, U.v.29.10.2015, Az.: M 10 K 15.2764).
40
d) Der Fremdenverkehrsbeitrag wurde korrekt ermittelt. Die Beklagte hat zur Bestimmung des Vorteils im Sinne von § 2 Abs. 2 FBS den vom Kläger genannten Veräußerungsgewinn in Höhe von 22.016 Euro zugrunde gelegt. Gemäß § 3 FBS errechnet sich der Betrag, indem der Gewinn mit dem Vorteilssatz und mit dem Beitragssatz multipliziert wird. Nach § 3 Abs. 4.1 beträgt der Beitragssatz acht v.H. Gegen den zugrunde gelegten Vorteilssatz von 65 v.H. wurde nichts vorgetragen und ist auch nichts ersichtlich.
41
2. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
42
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.