Inhalt

Anwaltsgerichtshof München, Endurteil v. 29.06.2020 – BayAGH I - 5 - 13/19
Titel:

Zulassung eines GmbH-Geschäftsführers als Syndikusrechtsanwalt 

Normenketten:
BRAO § 46
GmbHG § 37
Leitsätze:
1. Aus dem Bescheid über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt und den von ihm in Bezug genommenen Unterlagen hat sich in formaler Hinsicht abzuleiten, dass dem Zugelassenen vertraglich die fachliche Unabhängigkeit eingeräumt ist.   (Rn. 33 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Grundsätzlich erfüllt nur ein angestellter Rechtsanwalt die rechtlichen Voraussetzungen für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Syndikusrechtsanwalt, Geschäftsführer, Tätigkeitsbeschreibung, Unterlagen, Zulassungsbescheid, Unabhängigkeit, Beschäftigung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 38551

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 11.06.2019, mit welchem der Beigeladene als Syndikusrechtsanwalt für ein Arbeitsverhältnis in der mit Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 30.06.2017 durch Tätigkeitsbeschreibung vom 19.12.2018 sowie Stellungnahme vom 22.01.2019 und ergänzender Stellungnahme vom 25.02./28.05.2019 beschriebenen Ausgestaltung bei der D. I. S. GmbH als Geschäftsführer zugelassen wurde, wird aufgehoben.
II. Die Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagte und der Beigeladene jeweils selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf € 25.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die Zulassung des Beigeladenen zur Rechtsanwaltschaft als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) durch Bescheid der Beklagten vom 11.06.2019.
2
Der Beigeladene wurde mit Bescheid vom 10.05.1999 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen.
3
a) Mit „Geschäftsführer-Anstellungsvertrag“ vom 30.06.2017 wurde der Beigeladene rückwirkend mit Wirkung ab 01.06.2017 als Geschäftsführer der D. I. S. GmbH, …, … M. (im folgenden: DIS GmbH), einer 100%-igen Tochter der D. GmbH W. (im folgenden: D. GmbH) angestellt. Der Vertrag lautet in § 2 Abs. 2, Abs. 4 und § 3 Abs. 2 auszugsweise:
Der Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen, der Satzung der Gesellschaft, der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung (soweit vorhanden), den Bestimmungen der Gesellschafterin und den Regelungen in diesem Geschäftsführervertrag in voller Verantwortung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns.
Der Geschäftsführer führt und entwickelt die ihm jeweils übertragenen Mandate bzw. die ihm jeweils übertragene Aufgabe in fachlicher, administrativer und Ergebnisverantwortung.
Zu seinen Aufgaben gehören insbesondere:
- die Mitwirkung an der allgemeinen Geschäftsentwicklung der Gesellschaft und der verbundenen Gesellschaften;
- die auftrags- und projektbezogene Gewinnung von Neugeschäft;
- die auftrags- oder projektbezogene Leistungserbringung in fachlicher, qualitativ hochwertiger, organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht, einschließlich auftragsbezogenem Qualitäts- und Risikomanagement;
- die Gewinnung, Führung und Entwicklung von Mitarbeitern im Rahmen der Personalverantwortung, die ihm zugeordnet wird;
- eine aktive Kommunikation mit und Unterstützung von anderen Mitarbeitern, der Management Group sowie der Funktionsleiter und Partner bei der jeweiligen Aufgabenerfüllung.
Im Rahmen des jeweils verabschiedeten Business Plans und des jeweils gültigen Geschäftsverteilungsplans ist der Geschäftsführer zur Einstellung und Entlassung der ihm zugeordneten Mitarbeiter für die Gesellschaft berechtigt.
Neben dem Jahresfestgehalt kann der Geschäftsführer einen freiwilligen Bonus erhalten, auf dessen Zahlung - auch bei wiederholter Leistung - kein Rechtsanspruch besteht. Voraussetzung für eine Bonuszahlung an den Geschäftsführer ist die Erreichung des gemeinsamen Business Cases (dargestellt in qualitativen und quantitativen KPIs). Für den Case wird ein gemeinsamer Bonus zwischen 40% und maximal 60% des Fixgehaltes festgelegt.
Zielerreichungsgrad unter 75% - kein Bonus Zielerreichung 75% - 100% bis 40% Bonus Zielerreichung 100% - 125% bis 50% Bonus Zielerreichung > 125% - 60% Bonus die Zusammensetzung der qualitativen und quantitativen Ziele des Zielerreichungsgrades wird in der Zielvereinbarung in Anlage 6 geregelt.
4
Weiterhin regelt der Vertrag u.a. den Ort der Leistungserbringung, den Anspruch auf einen Dienstwagen, den Abschluss einer Unfallversicherung, den Urlaubsanspruch, den Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall, den Anspruch auf Aufwendungsersatz, die Vertraulichkeit, das Verbot von Nebentätigkeiten sowie Laufzeit und Möglichkeit der Beendigung des Vertrags.
5
b) Am 19.12.2018 unterzeichnete der Beigeladene eine Tätigkeitsbeschreibung für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Diese lautet auszugsweise:
6
1. D. I. S. verfügt aktuell über zwei Geschäftsführer, die beide Rechtsanwälte sind. Eine Aufteilung nach Ressorts existiert nicht, so dass ich als Geschäftsführer für alle Bereiche des Unternehmens zuständig bin. Operativ tätige Mitarbeiter der Gesellschaft sind seit der Gründung dieser Gesellschaft ausschließlich Volljuristen/Rechtsanwälte. Die Aufgaben der Rechtsabteilung innerhalb der Gesellschaft werden von den Geschäftsführern übernommen.
7
2. Als Geschäftsführer nach § 35 GmbHG vertrete ich die Gesellschaft und nehme alle damit im Zusammengang stehenden Pflichten wahr. Hierzu gehören insbesondere alle arbeitsrechtlichen Themenstellungen einschließlich der rechtlich zulässigen gerichtlichen Wahrnehmung der Interessen der Gesellschaft, Gesellschaftsrecht, Datenschutzrecht und Compliance sowie die Vertragsgestaltung und rechtliche Durchsetzung der diversen Dienstleistungsverhältnisse (z.B. IT, Controlling, Finanzbuchhaltung etc,) und die Vertragsverhandlung mit Kunden. In Bezug auf Kunden und Mandanten berate ich in rechtlich zulässiger Weise z.B. im Bereich von Investigations, Litigations, Transaktionsanalysen, KYC-Analysen und Geldwäschethemen. Dabei werden vielfach auch Wirtschaftsprüfungs- und Rechtsanwaltsgesellschaften im Rahmen deren Tätigkeiten unterstützt.
8
3.1. Bei meinen rechtlichen Tätigkeiten (siehe dazu im Einzelnen oben unter 2.2) ist es meine Pflicht, den Sachverhalt im Einzelnen aufzuklären und dann die Handlungsmöglichkeiten zu bewerten. Dabei kläre ich jeweils selbständig und eigenverantwortlich intern (wenn die Rechtsfrage z.B. Arbeitsrecht betrifft) oder extern (z.B. Verträge für die Gesellschaft oder Sonderuntersuchung bei Mandanten/Kunden) auf. Insbesondere im externen Verhältnis wird dabei der Sachverhalt vollständig aufgeklärt, was sich bei den überwiegend investigativen Untersuchungen von selbst versteht. Bei internen Rechtsfragen eruiere ich den Sachverhalt selbst und lasse mir dabei in der Regel nicht zuarbeiten. Im Fall einer „Zuarbeitung“ hinterfrage ich den Sachverhalt. Auf diese Weise gewinne ich ein vollständiges und objektives Bild der Rechtslage. Bei der Analyse der Rechtslage wird das gesamte Recht und insbesondere die Rechtsprechung berücksichtigt. Vor dem Hintergrund einer solchen Analyse werden dann die Handlungsoptionen erarbeitet und eine Entscheidung getroffen. Gesellschaftsintern dient dies nicht der Vorbereitung, sondern ist die Entscheidung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkungen.
9
3.2. Wie bereits oben unter 3.1 beschrieben, erarbeite ich alle rechtlichen Lösungen eigenverantwortlich. In der Folge setze ich den Rat dann auch um. Erfolgt die Beratung eines Kunden, bin ich ebenfalls unabhängig und berate diesen eigenverantwortlich. Dies ergibt sich auch aus der Stellung und Organisation.
10
3.3 Neben den arbeitsrechtlichen und vertraglichen Themen (siehe dazu bereits oben unter 2.2 und 3.1) bin ich auch für Verhandlungen mit den Behörden verantwortlich. Hierzu gehört z.B. die Kommunikation und Verhandlung mit dem Handelsregistergericht, der Datenschutzaufsicht, dem Gewerbeamt, den Finanzbehörden etc. Zudem führe ich Vertragsverhandlungen mit den Mandanten/Kunden. Desweiteren dienen die Projekttätigkeiten auch dazu, dass Mandanten/Kunden ihre Rechte durchsetzen können.
11
3.4 Als Geschäftsführer bin ich in allen Belangen befugt, nach außen aufzutreten. Es existieren keine Einschränkungen.
12
c) Am 21.01.2019 erfolgte im Wege einer „Zusatzvereinbarung zum GeschäftsführerAnstellungsvertrag vom 30.06.2017“ zwischen dem Beigeladenen und der Gesellschafterin der DIS GmbH eine Vertragsänderung folgenden Inhalts:
13
Bezugnehmend auf den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 30.06.2017 wird Folgendes vereinbart:
14
Tätigkeit Sie sind anwaltlich bei der Gesellschaft tätig. Mit entsprechender Zulassung durch die zuständige Rechtsanwaltskammer werden Sie als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) bei der Gesellschaft beschäftigt.
15
Das Anstellungsverhältnis ist geprägt durch folgende fachlich unabhängige und eigenverantwortlich auszuübende Tätigkeiten sowie durch folgende Merkmale:
- die Prüfung von Rechtsfragen, einschließlich der Aufklärung des Sachverhaltes,
- sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkelten,
- die Erteilung von Rechtsrat,
- die Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch das selbstständige Führen von Verhandlungen, oder auf die Verwirklichung von Rechten und
- die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten.
Fachliche Unabhängigkeit Sie arbeiten im Rahmen der Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt fachlich unabhängig (§ 46 Abs. 3 und 4 BRAO). Sie unterliegen keinen allgemeinen oder konkreten Weisungen, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen. Ihnen gegenüber bestehen keine Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen. Sie arbeiten fachlich eigenverantwortlich. Sie dürfen Aufträge aus fachlichen Gründen ablehnen.
Das Direktionsrecht des Arbeitgebers im Übrigen bleibt davon unberührt.
Die Gesellschaft behält sich vor, ihnen aus sachlichen Gründen und unter Berücksichtigung Ihrer berechtigten Interessen andere Tätigkeiten zu übertragen, die Ihrer Vorbildung und Ihren Fähigkeiten entsprechen, soweit es sich weiterhin um eine fachlich unabhängige Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwaltes nach Maßgabe des § 46 Abs. 3 BRAO handelt.
Zeichnungsbefugnis Sie sind befugt, nach außen verantwortlich aufzutreten. Sie sind zeichnungsberechtigt für alle intern wie extern ausgehenden Schreiben und Schriftsätze, die Sie Im Rahmen Ihrer Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt fertigen.
Diese Regelungen ergänzen Ihren Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 30.06.2017 und gehen den Regelungen Ihres GeschäftsführerAnstellungsvertrages vom 30.06.2017 oder etwaiger nachfolgender Vereinbarungen vor, soweit sie mit diesen im Widerspruch stehen. Alle übrigen Bestandteile Ihres Anstellungsvertrages sowie etwaiger nachfolgender Vereinbarungen bleiben von dieser Zusatzvereinbarung unberührt.
16
d) Am 22.01.2019 gab der Beigeladene im Namen der DIS GmbH gegenüber der Beklagten eine „Stellungnahme/Organisations- und Stellenbeschreibung Dr. H.“ folgenden Inhalts ab:
Die D. I. S. GmbH (nachfolgend „DIS“) ist eine 100% Tochter der D. GmbH W.p.g. (nachfolgend,D.“ oder „WPG“).
Die DIS unterstützt im Wesentlichen D. und das D. Netzwerk (national und international) sowie Rechtsanwaltskanzleien im Rahmen von Projekten. Organisatorisch gehört die DIS zum Bereich Financial Advisory und dort zum Fachbereich Forensic.
Der Fachbereich Forensic unterstützt die Mandanten von D. z.B. im Rahmen folgender Projekte: Investigations (strafrechtliche, wirtschaftliche Untersuchungen), kartellrechtliche Untersuchungen, KYC-Projekte, Geldwäschethemenstellungen, Aufarbeitung von rechtlich relevanten Sachverhalten im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten einschließlich Schiedsgerichtsverfahren, Untersuchung von wirtschaftskriminellen Handlungen z.B. zur Geltendmachung oder Abwehr von Schadensersatzansprüchen.
In all diesen Projekten sind rechtliche Themenstellungen aus sämtlichen Rechtsbereichen (insbesondere Strafrecht, Zivilrecht, Steuerrecht und (Bankaufsichtsrecht) zu berücksichtigen. Die Ergebnisse werden zumeist in Berichten mit Handlungsempfehlungen für die Mandanten verarbeitet. Die DIS beschäftigt Mitarbeiter, die diese Projekte der WPG unterstützen.
In Bezug auf die Organisation der DIS ist zu beachten, dass die DIS über keine administrativen Abteilungen bzw. Mitarbeiter verfügt. Sämtliche dieser Aufgaben (Buchhaltung, Controlling, Personal, Steuer etc.) werden für die DIS aufgrund eines Konzerndienstleistungsvertrages erbracht. Meine Tätigkeit hier dürfte bezogen auf die übrigen Tätigkeiten (siehe oben und auch nachfolgend) bei unter 10% meiner Arbeitszeit liegen. Dies schließt auch die projektbezogene Akquisition sowie strategische Fragestellungen und Unterrichtung von Gremien ein. Diese organisatorischen originären Aufgaben nichtanwaltlicher Tätigkeiten umfassen < 10% meiner Arbeitszeit.
Rechtliche Themen, die von mir originär für die DIS und nicht für die Mandanten von D. erbracht werden, bestehen in der steuerlichen Gestaltung der DIS im Organisationsgefüge, kollektivarbeitsrechtlichen Fragestellungen (Betriebsrat, Gemeinschaftsbetrieb) und Fragen des Individualarbeitsrechts (Vertragsgestaltung) sowie der gerichtlichen Vertretung der DIS vor Arbeitsgerichten und Zivilgerichten (Amtsgericht). Ferner spielen rechtliche Themen eine Rolle bei den Verträgen der DIS mit Dritten (z.B. Dienstleistern). Hier bin ich teilweise auch in die Vertragsverhandlungen der einzelnen Klauseln involviert.
17
Mit gleichlautenden Schreiben vom 25.02.2019 und 28.05.2019 gaben die DIS GmbH und der Beigeladene folgende „Stellungnahme/Gesellschafterin der DIS GmbH (§ 46 Abs. 5 Nr. 1 BRAO)“ ab:
Stellungnahme / Gesellschafterin der D. I. S. GmbH (§ 46 Abs. 5 Nr. 1 BRAO)
Obwohl die Rentenversicherung § 46 Abs. 5 Nr. 1 bis Nr. 3 BRAO vorgibt zu analysieren, erfolgt gerade keine Analyse des § 46 Abs. 5 Nr. 1 BRAO.
Die Beratung erfolgt aber gerade im Verhältnis zu einem sozietätsfähigen Unternehmen (§§ 46 Abs. 5 Nr. 1 BRAO, 15 ff. AktG).
Gesellschafterin der D. I. S. GmbH ist zu 100% die D. W.p.g. GmbH! Selbst wenn man die Mindermeinung der Rentenversicherung vertreten würde, wäre die erforderliche anwaltliche Tätigkeit im vorliegenden Fall gegeben.
Die Einwendungen sind mithin nicht tragfähig.
Sollten Sie weitere Informationen benötigen, bitte ich um kurze Nachricht.
18
f) Nachdem der Beigeladene mit am 21.12.2018 eingegangenem Schreiben vom 19.12.2018 bei der Beklagten seine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für das eingangs geschilderte Beschäftigungsverhältnis beantragt hatte, erließ diese am 11.06.2019 nach Anhörung der Klägerin folgenden Bescheid:
„Sehr geehrter Herr Kollege Dr. H.,
die hier zuständige Vorstandsabteilung der Rechtsanwaltskammer hat beschlossen, Ihnen hiermit gemäß § 46a Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt für ihr Arbeitsverhältnis gemäß Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 30.06.2017 durch Tätigkeitsbeschreibung vom 19.12.2018 sowie Stellungnahme vom 22.01.2019 und ergänzender Stellungnahme vom 25.02./28.05.2019 beschriebenen Ausgestaltung bei der D. I. S. GmbH als Geschäftsführer zu erteilen.
Eine etwaig daneben bereits bestehende Zulassung als niedergelassener Rechtsanwalt wird durch diesen Bescheid nicht berührt.“
19
Die Zusatzvereinbarung vom 21.01.2019 zum Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 30.06.2017 wird in der folgenden Begründung des Bescheids nicht erwähnt.
20
g) Gegen den ihr am 21.06.2019 zugstellten Bescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer am 12.07.2019 beim Bayerischen Anwaltsgerichtshof per Telefax eingegangenen Klageschrift vom gleichen Tag.
21
Die Klägerin beantragt darin:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 11.06.2019 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
22
Die Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen.
23
Der Beigeladene beantragt ebenfalls, die Klage abzuweisen;
24
h) In der Klagebegründung vom 19.08.2019 bringt die Klägerin im Wesentlichen vor:
- Der Bescheid der Beklagten sei schon aus formalen Gründen aufzuheben, da er nicht mit der gebotenen inhaltlichen Bestimmtheit erkennen lasse, für welche Tätigkeit der Beigeladene als Syndikusrechtsanwalt zugelassen worden sei. Insbesondere widersprächen sich der Anstellungsvertrag vom 30.06.2017, die Tätigkeitsbeschreibung vom 19.12.2018 und die Stellungnahme vom 22.01.2019, bzw. seien so nichtssagend, dass nicht klar sei, für welche Tätigkeit der Beigeladene überhaupt zugelassen sei.
- Der Beigeladene stünde nicht in einem Arbeitsverhältnis gem. § 46 Abs. 3 BRAO zur DIS GmbH, sondern in einem freien Beschäftigungsverhältnis.
- Darüber hinaus könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beigeladene gem. § 46 Abs. 3, 4 BRAO fachlich unabhängig tätig und die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung vertraglich und fachlich gewährleistet sei. Der Beigeladene unterliege dem Weisungsrecht des Gesellschafters nach § 37 Abs. 1 GmbHG. Selbst die im Bescheid nicht in Bezug genommene Zusatzvereinbarung vom 21.01.2019 entfalte lediglich schuldrechtliche Wirkung.
- Weiterhin sei nicht belegt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen durch die in § 46 Abs. 3 Nrn. 1 bis 4 BRAO genannten Merkmale geprägt sei.
- Durch die Formulierungen der Tätigkeiten des Beigeladenen sei weiterhin unklar, ob er diese auch wirklich für die DIS GmbH bzw. verbundene Unternehmen i.S.d. § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BRAO oder nicht vielmehr für deren Mandanten erbringe und somit nicht in Sachen seines Arbeitgebers tätig werde.
25
Die Beklagte ist in ihrer Klageerwiderung der Ansicht, dass ihr Bescheid rechtmäßig sei. Die vom Bescheid in Bezug genommenen Unterlagen hätten allen Beteiligten vorgelegen, so dass nicht unklar sei, auf welche vertragliche Tätigkeit sich die Zulassung erstrecke. Die Tätigkeitsbeschreibung vom 19.12.2018 konkretisiere lediglich die in § 2 Abs. 4 des Anstellungsvertrags vom 30.06.2017 aufgeführten Tätigkeiten. Der Anstellungsvertrag sei nicht als freies Dienstverhältnis, sondern Arbeitsverhältnis ausgestaltet. Darauf komme es im Übrigen rechtlich nicht an. Die fachliche Unabhängigkeit des Beigeladenen sei durch die Vereinbarung vom 21.01.2019 gewahrt. Er sei auch offensichtlich für die DIS GmbH und die mit ihr verbunden Unternehmen tätig.
26
Der Beigeladene hat darauf hingewiesen, dass es sich bei der von der 100%-igen Konzernmutter, der D.GmbH, ausgeübten Tätigkeit um einen nach §§ 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. § 59a BRAO sozietätsfähigen Beruf handeln würde, weshalb die von ihm für deren Mandanten erbrachten Dienstleistungen Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers seien.
27
i) Auf Bitte des Senats um Präzisierung des prozentualen Anteils seiner Arbeitszeit hat sich der Beigeladene mit Schreiben vom 14.05.2020 wie folgt geäußert:
- Er wende rund 70% seiner Arbeitszeit für das Aushandeln von Verträgen der DIS GmbH bzw. der Konzernmutter D. GmbH auf.
- Die DIS GmbH habe keine eigenen Klienten. Eine Beratung erfolge insoweit nicht.
- Rund 20% seiner Arbeitszeit verwende er für die Bearbeitung von rechtlichen Fragestellungen, die die D. GmbH an ihn richte.
- Rund 3-5% seiner Arbeitszeit sei Verwaltungstätigkeit. Die Differenz zu 100% erkläre sich dadurch, dass der Wert von 70% im Zweifel zu gering geschätzt sei.
28
Sämtliche Verfahrensbeteiligte haben sich mit der Durchführung des schriftlichen Verfahrens nach § 101 Abs. 2 VwGO einverstanden erklärt.
29
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und auf die den Beigeladene betreffenden Personalakten.

Entscheidungsgründe

30
1. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO, § 112c Abs. 1 BRAO, mit der die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, hier des Bescheids der Rechtsanwaltskammer München vom 11.06.2019 begehrt wird. Eines Vorverfahrens gemäß § 68 VwGO bedurfte es nicht (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, Art. 15 BayAGVwGO).
31
2. In der Sache ist die Klage begründet. Der angefochtene Erstreckungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
32
a) Der Senat kann es dahinstehen lassen, ob der Beigeladene in Rechtsangelegenheiten der DIS GmbH (§ 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO) oder deren Konzernmutter (§ 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BRAO) tätig wird. Er unterstellt, dass seine Schätzung zutreffend ist, er wende über 70% seiner Arbeitszeit und damit deren weit überwiegenden Anteil für das Aushandeln von Verträgen (vgl. BGH Beschluss vom 16.08.2019 - AnwZ (Brfg) 58/18 [bei juris]) auf. Auf diesen Gesichtspunkt kommt es jedoch nicht entscheidend an.
33
b) Der Bescheid der Beklagten vom 11.06.2019 ist schon deshalb in formaler Hinsicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil er auf Unterlagen Bezug nimmt, aus denen sich entscheidende, für die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt jedoch zwingend erforderliche Anforderungen gerade nicht ergeben.
34
aa) Ein Zulassungsbescheid hat die Vorgaben der §§ 46 ff. BRAO für die Zulassung eines Antragstellers als Syndikusrechtsanwalt umzusetzen. Die Zulassung bezieht sich, wie sich aus § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO ergibt, auf ein bestimmtes Arbeitsverhältnis. Dieses muss den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO genügen. Entspricht die arbeitsvertragliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses oder die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit diesen Anforderungen nicht oder nicht mehr, ist die Zulassung zu widerrufen. Werden nach einer Zulassung weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen oder tritt innerhalb bereits bestehender Arbeitsverhältnisse eine wesentliche Änderung der Tätigkeit ein, ist auf Antrag die Zulassung auf die weiteren Arbeitsverhältnisse oder auf die geänderte Tätigkeit zu erstrecken (§ 46b Abs. 3 BRAO). Daraus folgt, dass der Zulassungsbescheid das Arbeitsverhältnis und die von ihm umfassten Tätigkeiten, auf welche sich die Zulassung bezieht, so genau bezeichnen muss, dass nachträgliche Veränderungen, die einen Antrag auf Erweiterung der Zulassung oder aber deren Widerruf erfordern, erkennbar sind. Die Zulassung bindet überdies gemäß § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO den Träger der Rentenversicherung bei seiner Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB VI. Gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI ist die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung beschränkt. Diese muss sich folglich aus dem Zulassungsbescheid ergeben (st. Rspr. zuletzt BGH Beschluss vom 15.10.2018 - AnwZ (BrfG) 68/17 m.w.N. [bei juris]).
35
Höchstrichterlich geklärt ist weiterhin, dass für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt die vertragliche Einräumung der fachlichen Unabhängigkeit unabdingbare Voraussetzung ist (BGH Beschluss vom 05.04.2019 - AnwZ (BrfG) 79/17).
36
Aus dem Zusammenspiel dieser Rechtsgrundsätze ist somit abzuleiten, dass sich aus einem Zulassungsbescheid in Verbindung mit den von ihm in Bezug genommenen Unterlagen die vertragliche Einräumung der fachlichen Unabhängigkeit abzuleiten hat. Dem wird der verfahrensgegenständliche Zulassungsbescheid nicht gerecht.
37
bb) Im konkreten Fall hat die Beklagte die Einräumung der fachlichen Unabhängigkeit gerade nicht zum Bestandteil der Zulassung des Beigeladenen zum Syndikusrechtsanwalt gemacht.
38
Der angefochtene Bescheid lässt den Beigeladenen „als Syndikusrechtsanwalt für ein Arbeitsverhältnis gemäß Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 30.06.2017 in der durch Tätigkeitsbeschreibung vom 19.12.2018, Stellungnahme vom 22.01.2019 und ergänzender Stellungnahme vom 25.02./28.05.2019 beschriebenen Ausgestaltung bei der DIS GmbH als Geschäftsführer“ zu. Aus den in Bezug genommenen Unterlagen ergibt sich gerade nicht, dass das Arbeitsverhältnis des Beigeladenen von fachlicher Unabhängigkeit und eigenverantwortlich auszuübenden Tätigkeiten i.S.d. § 46 Abs. 3 Satz 1 BRAO geprägt wäre. Die fachliche Unabhängigkeit ist ausschließlich in der am 21.01.2019 geschlossenen Zusatzvereinbarung zum Geschäftsführer-Anstellungsvertrag geregelt. Auf diesen nehmen aber weder der Tenor des Bescheids vom 11.06.2019 noch seine Gründe Bezug.
39
Im Falle einer Aufhebung der Zusatzvereinbarung vom 21.01.2019 bestünde von daher trotz Wegfalls der vertraglichen Vereinbarung der fachlichen Unabhängigkeit des Beigeladenen die Gefahr, dass die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt nicht widerrufen werden könnte, da diese gerade nicht Bestandsteil des Zulassungsbescheides ist und das Beschäftigungsverhältnis auch ohne fachliche Unabhängigkeit den Anforderungen des Bescheids noch entsprechen würde.
40
c) Der Bescheid der Beklagten ist unabhängig davon auch schon deshalb rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil es sich beim Beigeladenen zum einen nicht um einen angestellten Rechtsanwalt i.S.d. § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO, sondern um einen Geschäftsführer handelt (aa) und zum anderen die Geschäftsführereigenschaft - unabhängig von dieser Einordnung - wegen der damit verbundenen gesellschaftsrechtlichen, auf die Geschäftsführung bezogenen Weisungsbefugnisse der Muttergesellschaft mit der fachlichen Unabhängigkeit eines Syndikusrechtsanwalts nicht vereinbar ist (bb).
41
aa) Grundsätzlich erfüllt nur ein angestellter Rechtsanwalt die rechtlichen Voraussetzungen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO) für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt.
42
aaa) Nach § 46 Abs. 2 BRAO üben Angestellte anderer als der in Absatz 1 genannten Personen (Rechtsanwälte und Patentanwälte) oder Gesellschaften (rechts- oder patentanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften) ihren Beruf als Rechtsanwalt aus, sofern sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind (Syndikusrechtsanwälte). Hierbei hat der Gesetzgeber den Begriff „Arbeitsverhältnis“ bewusst gewählt und ihn von sonstigen Beschäftigungsverhältnissen, insbes. Geschäftsführerverhältnissen abgrenzen wollen, wobei er sich von der Überlegung hat leiten lassen, dass die fachliche Unabhängigkeit eines Rechtsanwalts nicht nur rechtlich sondern auch ein Stück weit faktisch dadurch abgesichert werden soll, dass er für fehlerhaftes Verhalten seinem Arbeitgeber gegenüber nur nach den Grundsätzen der weniger strengen Arbeitnehmerhaftung haftet.
43
Die ursprüngliche Formulierung „im Rahmen ihres Anstellungsverhältnisses“ (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 16.07.2015, BT-Drucks. 18/5201 S. 5) wurde im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens durch „im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses“ ersetzt, ebenso der Begriff „Anstellungsverhältnis“ durch „Arbeitsverhältnis“ an mehreren weiteren Stellen in § 46 Abs. 3 und §§ 46a-46c BRAO (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 2. Dezember 2015, BT-Drucks. 18/6915, S. 6). Zur Begründung wurde im Bericht (S. 13, 15, 22 f.) im Zusammenhang mit dem Verzicht auf eine Berufshaftpflichtversicherung für Syndikusrechtsanwälte darauf verwiesen, dass durch die einheitliche Änderung der Begrifflichkeit verdeutlicht werden solle, dass sich die Haftung nach den allgemeinen Regeln des Zivil- und Arbeitsrechts richte, die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung also unberührt blieben, Syndikusrechtsanwälte mithin unter denselben Voraussetzungen wie andere Arbeitnehmer in vergleichbarer Position hafteten (vgl. BGH Beschluss vom 18.03.2019 - AnwZ (BrfG) 22/17 [bei juris]).
44
Der Geschäftsführer einer GmbH ist demgegenüber deren gesetzlicher Vertreter und Organ (§ 35 GmbHG). Das seiner Anstellung zugrundeliegende Rechtsverhältnis ist grundsätzlich kein Arbeits-, sondern ein auf die Geschäftsführung bezogenes Dienstverhältnis, der Geschäftsführer kein Arbeitnehmer. Die Haftung als Geschäftsführer richtet sich deshalb - anders als die von leitenden Angestellten - auch nicht nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung (BGH a.a.O m.w.N.), sondern nach § 43 GmbHG.
45
bbb) Der Beigeladene ist kein angestellter Anwalt und erfüllt von daher nicht die rechtlichen Voraussetzungen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO) für seine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt.
46
Er steht vielmehr in einem Geschäftsführerverhältnis zur DIS-GmbH. Hierfür spricht zum einen der Wortlaut des am 30.06.2017 geschlossenen GeschäftsführerAnstellungsvertrags und der am 21.01.2019 geschlossenen „Zusatzvereinbarung zum Geschäftsführer-Anstellungsvertrag“. Hierfür spricht weiterhin, dass vom Beigeladenen, wenn auch faktisch in zeitlich nachrangigem Umfang, die typische Verwaltungstätigkeit eines Geschäftsführers erwartet wird. Hierfür sprechen weiter in dem Vertrag vom 30.06.2017 geregelte Pflichten des Beigeladenen, die ihm eine sich auch in seiner Bezahlung in Form eines Bonus niederschlagende unternehmerische Verantwortung bei der Gewinnung von Neugeschäft, der vertraglichen Gestaltung und der Leistungserbringung auferlegen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass diesbezüglich weder im Vertrag vom 30.06.2017 noch in der Zusatzvereinbarung vom 21.01.2019 die Geschäftsführerhaftung des Beigeladenen modifiziert wurde. Er unterliegt somit im Rahmen der Vertragsverhandlungen, die den wesentlichen Teil seiner Tätigkeit ausmachen, als auch im Rahmen seiner Leistungserbringung - ungeachtet der ihm vertraglich zugesicherten fachlichen Unabhängigkeit - der DIS GmbH gegenüber nicht der eingeschränkten Haftung eines Arbeitnehmers sondern der strengen Haftung eines Geschäftsführers. Dadurch steht der Beigeladene in einem Spannungsverhältnis, welches seine Unabhängigkeit faktisch beeinträchtigen kann.
47
Zu seinen vertraglichen Verpflichtungen gehören die Entwicklung der Gesellschaft und der verbundenen Gesellschaften, sowie die auftrags- und projektbezogene Gewinnung von Neugeschäft, was sich darin zeigt, dass das Aushandeln von Verträgen nach seiner Schätzung jedenfalls 70% des Umfangs seiner Leistung ausmacht. Der Wunsch, interessierte Klienten oder Mitarbeiter an die DIS GmbH oder die D. GmbH zu binden, steht nun aber in einem Spannungsverhältnis zum Wunsch des an einem Vertragsschluss interessierten Mandanten oder potenziellen Mitarbeiters nach für ihn möglichst vorteilhaften Vertragskonditionen. Für die vom Beigeladenen vertretene Seite besteht somit einerseits das Risiko ein finanziell lukratives Mandat oder einen wichtigen Mitarbeiter nicht gewinnen zu können, auf der anderen Seite aber das Risiko, ein Mandat oder einen Mitarbeiter zu unvorteilhaften Vertragsbedingungen zu übernehmen. Für den Beigeladenen ist es im Rahmen der von ihm geführten Vertragsverhandlungen somit nicht ohne Bedeutung, wie streng sich die Haftung darstellt, der er selbst unterliegt.
48
ccc) Es liegt auch kein Fall vor, in welchem die Geschäftsführereigenschaft einer rechtlichen Einordnung als Syndikusrechtsanwalt ausnahmsweise nicht entgegenstünde.
49
Zwar hat der BGH (a.a.O.) in einem von ihm entschiedenen Fall die Zulassung eines Geschäftsführers als Syndikusrechtsanwalt nicht beanstandet. Er hat dies jedoch mit den Besonderheiten des Einzelfalls begründet. Dieser war dadurch geprägt, dass der Geschäftsführer vor seiner Bestellung, anders als der Beigeladene, bereits in einem vertraglichen Verhältnis als leitender Angestellter zu seiner Arbeitgeberin stand und bereits innerhalb dieses Verhältnisses in seiner Funktion als leitender Angestellter Leistungen erbrachte, die typisch für einen Syndikusrechtsanwalt waren. Die Person war, wiederum anders als der Beigeladene, lediglich zeitweilig zum Mitgeschäftsführer berufen. Nach einer kurzen Übergangszeit hat sie, wiederum anders als beim Beigeladenen, dessen Geschäftsführervertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen ist und faktisch ausgeübt wird, alle Mitgeschäftsführerpositionen abgegeben und ist nur noch rechtsberatend als Syndikus tätig gewesen. In dieser besonders gelagerten Situation hat der BGH entschieden, der zeitweiligen Mitgeschäftsführerstellung keine einer Zulassung im Hinblick auf den Begriff des „Arbeitsverhältnisses“ von vorneherein entgegenstehende Bedeutung beizumessen und auf Basis der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit eines leitenden Angestellten schließlich eine anwaltliche und das Rechtsverhältnis zur Arbeitgeberin prägende Tätigkeit bejaht. Ungeachtet der ihm vertraglich zugesicherten fachlichen Unabhängigkeit ist das Verhältnis zwischen dem Beigeladenen und der DIS GmbH mit dieser Konstellation schon deshalb nicht vergleichbar, weil der Beigeladene seine Geschäftsführertätigkeit weder vorübergehend, noch neben einer Angestelltentätigkeit ausübt, noch eine privilegierte Angestelltenhaftung bei seinen Aufgaben genießt.
50
bb) Darüber hinaus übt nach § 46 Abs. 4 Satz 1 BRAO eine fachlich unabhängige Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 3 BRAO nicht aus, wer sich an Weisungen zu halten hat, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen.
51
aaa) Nach § 37 GmbHG ist der Geschäftsführer verpflichtet, Weisungen - egal ob im Einzelfall oder als allgemeine Richtlinie - der Gesellschafterversammlung (soweit - wie hier - eine GmbH nur eine Alleingesellschafterin hat, der Gesellschafterin) zu jeder Geschäftsführungsangelegenheit zu befolgen. Hieran ändert der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag grundsätzlich nichts. Die dort enthaltene Zusage der fachlichen Unabhängigkeit wirkt lediglich schuldrechtlich, begrenzt aber nicht die gesellschafts- bzw. organrechtliche Pflicht des Beigeladenen zur Befolgung von Weisungen. Dass eine Weisungsbeschränkung zusätzlich in die Satzung der DIS GmbH aufgenommen wäre, ist nicht ersichtlich. Weisungen muss der Geschäftsführer mithin auch dann beachten, wenn sie im Widerspruch zum Anstellungsvertrag stehen (vgl. BGH Beschluss vom 18.03.2019 - AnwZ (BrfG) 22/17).
52
Zwar steht die Geschäftsführereigenschaft einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht zwingend entgegen. Dies gilt aber nur dann, wenn der Sachverhalt von besonderen Umständen geprägt ist, die es rechtfertigen, die Zulassung des Beigeladenen nicht an § 37 GmbHG scheitern zu lassen (BGH a.a.O.). Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Zusage besteht, das organschaftliche Weisungsrecht bezüglich der Geschäftsführung nicht zu instrumentalisieren, um Einfluss auf die - von den Vertragsbeteiligten davon getrennt behandelte - syndikusrechtsanwaltliche Tätigkeit des Beigeladenen auszuüben und dies in der Vergangenheit auch so gehandhabt wurde (BGH a.a.O.). Von einer solchen Fallkonstellation kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden.
53
bbb) Unabhängig von der bisherigen faktischen Handhabung der Beziehungen zwischen Konzernmutter und -tochter, zwischen denen üblicherweise ein ÜberUnterordnungsverhältnis mit gesellschaftsrechtlichen Durchgriffsmöglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf die Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen untereinander vorliegt, besteht keine vertragliche Absicherung des Beigeladenen, die über die Regelungen in der Zusatzvereinbarung vom 21.01.2019 hinausginge. Zwar beinhaltet diese den Passus, dass sie allen Regelungen im GeschäftsführerAnstellungsvertrag vom 30.06.2017 vorgehe, andererseits verweist die Arbeitgeberin nochmals ausdrücklich auf ihr Direktionsrecht, welches unberührt bleibt.
54
Der vorliegende Fall unterscheidet sich von dem der Entscheidung des BGH vom 18.03.2019 zugrundeliegenden Fall im Übrigen darin, dass der Geschäftsführer dort, anders als der Beigeladene, bereits in einem vertraglichen Verhältnis als leitender Angestellter zu seiner Arbeitgeberin stand. Er unterscheidet sich weiter dadurch, dass er, wiederum anders als der Beigeladene, lediglich zeitweilig zum Mitgeschäftsführer berufen wurde. Nur in dieser speziellen Situation hat der BGH entschieden, dass die Geschäftsführereigenschaft wertungsmäßig zurücktrete.
55
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO.
56
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
57
Der Streitwert wurde gemäß § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG auf 25.000.- Euro festgesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 30.09.2019 - AnwZ (BrfG) 38/19).
58
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung (§§ 112e BRAO, 124 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben. Auch wenn der BGH eine Fallkonstellation wie die vorliegende noch nicht konkret entschieden hat, lässt sich der konkrete Einzelfall doch zwanglos aus der bisherigen Rechtsprechung ableiten. Es handelt sich dabei um eine Einzelfallentscheidung, die in Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsgrundsätze weder besondere Schwierigkeiten noch eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2, 3 VwGO aufweist.