Titel:
Unzulässige Feststellungsklage: Wirksamkeit vertraglicher Verpflichtungen
Normenketten:
VwGO § 43 Abs. 1, § 92 Abs. 3
ZPO § 264
Leitsätze:
1. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis setzt voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. (Rn. 69) (redaktioneller Leitsatz)
2. An einem konkreten Rechtsverhältnis fehlt es, wenn ein Meinungsstreit über Regelungen in einer Abwendungserklärung erst als künftiges Geschehen im Raum steht bzw. aus deren umstrittenen rechtlichen Bewertung noch keine Rechtsfolgen tatsächlich abgeleitet werden. (Rn. 73 – 74) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für vorbeugenden Rechtsschutz ist dort kein Raum, wo und solange der Betroffene in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsprozessordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. (Rn. 79) (redaktioneller Leitsatz)
4. Allein die Unsicherheit über vertragliche Verpflichtungen reicht nicht aus, um ein qualifiziertes vorbeugendes Rechtsschutzinteresse zu begründen. (Rn. 85) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klageänderung, teilweise Klagrücknahme, Zulässigkeitsvoraussetzungen der Feststellungsklage, streitiges Rechtsverhältnis, vorbeugender Rechtsschutz, qualifiziertes Feststellungsinteresse, allgemeine Feststellungsklage, Präjudizinteresse, Subsidiarität der Feststellungsklage, Beweisanträge, Feststellungsklage, Rechtsverhältnis, konkretes Rechtsverhältnis, Feststellungsinteresse, qualifiziertes Rechtsschutzinteresse, Abwendungserklärung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 38386
Tenor
I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin hat zusammen mit der … … GmbH & Co. KG mit notariellem Kaufvertrag vom 4. Oktober 2018 das Grundstück …straße 16, Fl.Nr. …, Gemarkung … … …, erworben. Dieses ist mit einem Vorder- und einem Rückgebäude bebaut, wobei das Vordergebäude über zwölf Wohnungen und eine Gewerbeeinheit verfügt.
2
Das Vordergebäude liegt seit 1988 im räumlichen Geltungsbereich der Erhaltungssatzung „…straße/ …platz“ der Beklagten. Der Kaufvertrag vom 4. Oktober 2018 wurde unter Geltung der Erhaltungssatzung „…straße/ …platz“ in der Fassung vom 5. November 2013 geschlossen. Entsprechend dem räumlichen Geltungsbereich dieser Erhaltungssatzung wurde das Grundstück Fl.Nr. …, Gemarkung … … …, im Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der Firma … … GmbH & Co. KG aufgeteilt. Das Vordergebäude mit Umgriff, das im Geltungsbereich der Erhaltungssatzung „…straße/ …platz“ vom 5. November 2013, weiter aufrechterhalten mit Erhaltungssatzung vom 16. Oktober 2018, liegt, wurde von der Klägerin, das außerhalb des Geltungsbereichs der Erhaltungssatzung vom 5. November 2013 liegende Rückgebäude mit Umgriff wurde von der Firma … … GmbH & Co. KG erworben (vgl. zu dieser Aufteilung Bl. 24 BA). Trotz dieser Aufteilung waren sich die Vertragsparteien gemäß Ziffer 3.1.3 des Kaufvertrags einig, dass die beiden in diesem Kaufvertrag enthaltenen Teilflächenkäufe rechtlich und wirtschaftlich eine Einheit bilden und miteinander stehen und fallen sollen. Für den Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte wurde jedoch eine abweichende Regelung getroffen (Ziffer 16.4 des notariellen Kaufvertrags).
3
In Ziffer 7.5 des notariellen Kaufvertrags verpflichteten sich die Käufer gegenüber den Verkäufern, im Fall der Androhung der Ausübung des Vorkaufsrechts seitens der Beklagten fristgerecht eine Abwendungserklärung nach Maßgabe der Forderungen der Beklagten abzugeben. Sämtliche damit verbundenen Kosten und Nachteile wurden von den Käufern ohne Anrechnung auf den Kaufpreis übernommen. Vorsorglich bevollmächtigten die Käufer die Verkäufer unwiderruflich, alle Erklärungen, die aus und im Zusammenhang mit der Abgabe der Abwendungserklärung erforderlich sind, für die Käufer gegenüber Dritten, insbesondere der Beklagten, abzugeben und entgegenzunehmen, insbesondere die Abwendungserklärung selbst. Zudem wurde gemäß Ziffer 9.3.2.1 des notariellen Kaufvertrags die Fälligkeit des Kaufpreises unter anderem vom Vorliegen der Verzichtserklärung oder des Negativattests der Beklagten bezüglich aller Vorkaufsrechte abhängig gemacht. Gleichzeitig wurde in Ziffer 16.4 des notariellen Kaufvertrags geregelt, dass die Käufer im Fall der Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts durch die Beklagte an diesen Kaufvertrag mit der Maßgabe gebunden bleiben, dass sich das Vertragsobjekt um die von der Ausübung des Vorkaufsrechts betroffene Teilfläche reduziert. Gleichzeitig bleiben die Käufer auch im Fall der Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts durch die Beklagte weiterhin verpflichtet, den vereinbarten Kaufpreis nach Maßgabe dieses Vertrags ohne Abzug für die infolge der Ausübung des Vorkaufsrechts eingetretene Flächenreduzierung zu zahlen. Die Verkäufer traten den Käufern die Kaufpreisansprüche und Entschädigungsansprüche gegen den Vorkaufsberechtigten, soweit diese die Flächen betreffen, auf die sich die Ausübung des Vorkaufsrechts bezieht, ab.
4
Mit E-Mail des Notariats vom 22. Oktober 2018 wurde der Beklagten der Kaufvertrag übersandt (Bl. 5 BA).
5
Mit Schreiben der Vorkaufsrechtsstelle des Kommunalreferats der Beklagten vom 26. Oktober 2018 (Bl. 86 f. BA, Bl. 74 f. GA) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr an dem Grundstück grundsätzlich ein Vorkaufsrecht zustehe und dass die Klägerin gegebenenfalls die Ausübung dieses Vorkaufsrechts durch die Abgabe einer Abwendungserklärung verhindern könne. Dem Schreiben war eine vorformulierte Abwendungserklärung beigefügt (Bl. 89 ff. BA)
6
Mit E-Mail vom 6. November 2018 fragte die Beklagte unter Bezugnahme auf Ziffer 7.5 des notariellen Kaufvertrags bei der Klägerin an, ob sie die Abgabe einer Abwendungserklärung in Erwägung ziehe (Bl. 107 BA, Bl. 83 GA).
7
Mit Schreiben vom 6. November 2018 (Bl. 111 f., 116 ff. BA, Bl. 85 ff. GA) teilte die Klägerin mit, dass sie grundsätzlich bereit sei, eine Abwendungserklärung für das Vordergebäude abzugeben, das übersandte Formular jedoch überraschende und unangemessene Punkte enthalte, die sie als massiven Eingriff in ihre Eigentümerrechte erachte. Dies betreffe insbesondere die Einschränkung der Mieterauswahl aus förderberechtigten Haushalten zu einem begrenzten Mietzins. Die Klägerin wies hierbei insbesondere darauf hin, dass bei Erwerb bereits vier Wohnungen zu einem höheren Mietzins vermietet gewesen seien und sie dies bei der Kaufpreiskalkulation entsprechend berücksichtigt habe. Die Klägerin wandte sich in dem Schreiben auch gegen weitere Punkte, insbesondere gegen die am Verbraucherpreisindex (und nicht am Mietspiegel) orientierte Mieterhöhungsbegrenzung, die Regelung zur Untervermietung und die Regelung zur Modernisierungsumlage sowie die damit korrespondierenden Vertragsstrafenregelungen.
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Mit E-Mail vom 23. November 2018 erkundigte sich die Klägerin bei der Beklagten erneut, ob eine Änderung der Abwendungserklärung möglich sei. Sie wies dabei darauf hin, dass der Ankauf einschließlich Nebenkosten zu 100% fremdfinanziert worden sei, sodass schon zur Begleichung der Grunderwerbsteuer eine Grundschuld erforderlich sei. Diese solle aufgrund der mit dieser verbundenen, nicht erstattungsfähigen Kosten jedoch erst nach Klärung des Vorkaufsrechts bestellt werden (Bl. 137 f. BA, Bl. 81 GA). Mit E-Mail vom 28. November 2018 wies die Klägerin darauf hin, dass die Zahlungsfrist für die Grunderwerbsteuer der 15. Dezember 2018 sei (Bl. 93 GA).
9
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2018 lehnte die Beklagte die Änderungsvorschläge der Klägerin hinsichtlich der Formulierung der Abwendungserklärung ganz überwiegend ab (Bl. 182 ff. BA, Bl. 94 ff.).
10
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2018 erläuterte die Klägerin der Beklagten, dass mit den von der Beklagten geforderten Einschränkungen die anstehenden Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nicht im erforderlichen und angemessenen Umfang durchgeführt werden könnten, die wirtschaftliche Rentabilität daher nicht dargestellt werden könne und die Finanzierung entsprechend nicht gesichert sei. Insofern sehe sich die Klägerin außerstande, eine Abwendungserklärung für das Vordergebäude zu unterzeichnen (Bl. 268 BA).
11
Mit E-Mail vom 11. Dezember 2018 teilte die Klägerin der Beklagten allerdings mit, dass sie nun nach Rücksprache mit ihrem Rechtsanwalt zu dem Entschluss gekommen sei, die Abwendungserklärung zu unterzeichnen. Sie bat insofern um kurzfristige Übersendung der geänderten Abwendungserklärung für das Vordergebäude (Bl. 202 BA).
12
Am 14. Dezember 2018 stimmten die Beteiligten eine Änderung von Ziffer III.8 der Abwendungserklärung bezüglich der Untermietverhältnisse ab (Bl. 269, 272 ff. BA).
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Am 17. Dezember 2018 gab die Klägerin gegenüber der Beklagten die Abwendungserklärung für das „Objekt …straße 16, Vordergebäude, FlNr. …, Gemarkung … …, Erhaltungssatzung …straße/ …platz vom 16. Oktober 2018, in Kraft getreten am 21. November 2018“ ab (Bl. 269, 272, 275 f., 277 f. BA).
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Diese Abwendungserklärung enthält u.a. folgende Regelungen:
(1) Der Erwerber verpflichtet sich, Wohnungen in dem Anwesen nur an solche Mieterinnen und Mieter neu zu vermieten, die die Voraussetzungen des jeweils aktuellen Stadtratsbeschlusses zu „Wohnen in München“ (derzeit „Wohnen in München VI vom 15.11.2016) für das München Modell Miete erfüllen, insbesondere die dort festgelegten Einkommensobergrenzen nicht überschreiten.“
15
Der Nachweis für das Vorliegen der Voraussetzungen ist von den Mietinteressenten gegenüber der Erwerberseite durch Vorlage einer Bescheinigung des Sozialreferats, Amt für Wohnen und Migration, Abt. Soziale Wohnraumversorgung, zu führen.
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(2) Für den Fall, dass der Erwerber sechs Monate ohne Erfolg versucht hat, die Wohnung an förderberechtigte Haushalte zu vermieten, ist das Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration berechtigt, dem Erwerber förderberechtigte wohnungssuchende Haushalte für die betreffende Wohnung vorzuschlagen.
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Der Erwerber hat dann die Möglichkeit, aus den vorgeschlagenen Haushalten geeignete Mieterinnen und Mieter auszuwählen.
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(4) Der Erwerber verpflichtet sich, bei der Neuvermietung einer bei Abgabe der Abwendungserklärung leerstehenden Wohnung eine höhere Nettomiete als die nach dem München Modell Miete maximal zulässige Eingangsmiete in der zum Zeitpunkt der Abgabe der Abwendungserklärung geltenden Fassung (derzeit 11,50 € als obere Spanngrenze nach der Fassung Wohnen in München VI) zu verlangen („Eingangsmiete“).
19
Liegt zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags die ortsübliche Miete für die Wohnung nach dem geltenden Mietspiegel für München unterhalb der vorgenannten maximal zulässigen Eingangsmiete, kann höchstens eine Miete bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem jeweils geltenden Mietspiegel für München verlangt werden.
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Bei Neuvermietung einer Wohnung zu einem späteren Zeitpunkt darf zu Beginn des Mietverhältnisses höchstens eine Nettokaltmiete verlangt werden, die sich aus der in III. Absatz 4 Satz 1 genannten Eingangsmiete unter Berücksichtigung der in III. Absatz 5 genannten Möglichkeiten zur Erhöhung der Eingangsmiete maximal ergibt.
21
VI. Verstößt der Erwerber gegen die Verpflichtungen aus I. mit V. dieser Erklärung, so ist für jeden Fall des Verstoßes eine Vertragsstrafe in folgender Höhe verwirkt:
22
Bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung aus
III. Abs. 1 bis 3 bis zu 25.000 € pro Wohnung
III. Abs. 4 bis 9 für jedes Mietverhältnis und jedes Jahr des Verstoßes bis zur Höhe der jeweiligen Jahresnettomiete
23
VII. Der Erwerber unterwirft sich bezüglich der Zahlung der in V. (gemeint: VI) genannten Beträge der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Die Vertragsstrafen aufgrund von Verstößen nach V. (gemeint: VI) sind jeweils sofort fällig.
24
Gleichzeitig mit der Abwendungserklärung wurde eine Vereinbarung, die einer raschen Verfahrensbeendigung dienen soll, unterzeichnet, in der sich die Beklagte verpflichtete, unverzüglich ein Negativzeugnis auszustellen. Im Gegenzug erklärte die Klägerin, dass ihr bei Abgabe der Abwendungserklärung bewusst gewesen sei, dass die Prüfung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte noch nicht abgeschlossen sei. Gegen die Abwendungserklärung könne daher nicht vorgebracht werden, die Voraussetzungen der Ausübung hätten nicht vorgelegen.
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Daraufhin erteilte die Beklagte das Negativzeugnis (Bl. 299 BA, datiert auf 14. Dezember 2018).
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Mit Schriftsatz vom 28. Mai 2019, eingegangen am 29. Mai 2019, erhob die Klägerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte,
I. festzustellen, dass die von der Klägerin am 17. Dezember 2018 zur Abwendung der Ausübung des städtebaulichen Vorkaufsrechts am Grundstück …straße 16, FlNr. …, Gemarkung … … …, abgegebene Erklärung einschließlich der Vereinbarung über das Negativzeugnis vom gleichen Tage, nichtig ist,
II. hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht nicht zur vollständigen Feststellung der Nichtigkeit gelangt, festzustellen, dass folgende Regelungen nichtig sind:
1. Ziffer III.1 und Ziffer III.2 der Abwendungsvereinbarung, wonach Neuvermietungen nur an Mieterinnen/Mieter, die die Voraussetzungen für das München Modell Miete erfüllen, zulässig sind und dem Sozialreferat ein Vorschlagsrecht zusteht.
2. Ziffer III.1 i.V.m. Ziffer III.3, wonach nicht mehr als eine leer stehende Wohnung an Familienangehörige oder Verwandte vermietet oder durch den Erwerber selbst genutzt werden darf, wenn diese zuletzt von förderberechtigten Mieterinnen/Mietern bewohnt war.
3. Ziffer III.3 der Abwendungserklärung, wonach die Eigenbedarfskündigung förderberechtigter Personen vollständig ausgeschlossen ist, und für den Fall, dass der Erwerber keinen Nachweis über die fehlende Förderberechtigung erbringt, die Förderberechtigung unterstellt wird.
4. Ziffer III.4 i.V.m. III.5 der Abwendungserklärung, wonach die Nettokaltmiete auch für Wohnungen, die bei Abgabe der Abwendungserklärung bereits zu einem höheren Mietzins vermietet waren, auf die bei Abgabe der Abwendungserklärung nach dem München Modell zulässige Eingangsmiete (unter Berücksichtigung der Veränderung des Verbraucherpreisindexes) begrenzt ist.
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Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass die Klägerin im Zug eines Grundstückserwerbs dazu gezwungen worden sei, zur Abwendung des hier vorgeblich bestehenden Vorkaufsrechts eine umfassende Abwendungserklärung abzugeben. Diese sei von der Beklagten vollständig einseitig vorgegeben worden und sei für die Klägerin nicht verhandelbar gewesen. Streitgegenstand sei ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von Art. 54 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz, da die Abwendungsvereinbarung die Modalitäten und Bedingungen zur Abwendung des durch Verwaltungsakt auszuübenden gesetzlichen Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Baugesetzbuch regle.
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Die Klage sei als allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung zulässig, weil dem im Antrag formulierten Feststellungsbegehren ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zugrunde liege und die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung habe. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis liege mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag der Parteien vom 17. Dezember 2018 vor.
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Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, dass der geschlossene öffentlich-rechtliche Vertrag in Form der am 17. Dezember 2018 von der Klägerin abgegebenen Abwendungserklärung und der hierzu zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung nichtig sei. Zu einem nach Lage des Falles anzuerkennenden schutzwürdigen Interesse rechtlicher oder wirtschaftlicher Art zähle auch eine Dispositionsunsicherheit, die sich für die Betroffenen ohne Feststellung ergebe. Eine solche Dispositionsunsicherheit liege hier vor. Die Klägerin könne ohne die beantragte Feststellung nicht zuverlässig beurteilen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie den Regelungen der Abwendungserklärung unterworfen sei. Beschränke sie beispielsweise die Nettokaltmiete im Sinne der Ziffer III.4 des Vertrages, ohne hierzu verpflichtet zu sein, entgingen ihr erzielbare Mieteinnahmen. Auch aufgrund der unter Ziffer VI des Vertrages vereinbarten erheblichen Vertragsstrafen sei der Klägerin eine rechtliche Ungewissheit nicht zuzumuten.
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Die Klage sei auch begründet, da die abgegebene Erklärung einschließlich der Vereinbarung über das Negativzeugnis nichtig sei. Der Vertrag (bestehend aus der von beiden Parteien unterzeichneten Vereinbarung und der Abwendungserklärung) sei insgesamt aus folgenden Gründen nichtig: (1.) Die Erhaltungssatzung „…straße/ …platz“ sei unwirksam, da für diesen Bereich insbesondere aufgrund der überdurchschnittlichen Kaufkraft der Einwohner und des niedrigen Anteils älterer Menschen ein im Vergleich zur Gesamtstadt niedriges Verdrängungspotenzial vorliege. (2.) Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung eines Negativzeugnisses gehabt, da die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts auch im Übrigen nicht vorgelegen hätten. Die Abwendungserklärung stelle eine gemäß Art. 59 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Art. 56 Abs. 2 i.V.m. Art. 36 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz unzulässige Gegenleistung dar. (3.) Selbst wenn ein Anspruch auf Erteilung des Negativzeugnisses abgelehnt würde, verletze der öffentlich-rechtliche Vertrag jedenfalls Art. 59 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Art. 56 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz, da sich die Beklagte mit der Abwendungserklärung eine Gegenleistung habe versprechen lassen, die nicht im erforderlichen Sachzusammenhang stehe und unangemessen sei. (4.) Der Vertrag stelle auch nicht einen nach Art. 55 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz zulässigen Vergleichsvertrag dar, da schon keine Ungewissheit im Sinne von Art. 59 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Art. 55 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz bestanden habe und eine solche nicht durch gegenseitiges Nachgeben im Sinne eines Vergleichs beseitigt worden sei. (5.) Der Vertrag sei auch gemäß Art. 59 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz i.V.m. § 138 Bürgerliches Gesetzbuch nichtig, da er auf einem behördlichen Missbrauch von Übermacht beruhe.
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Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2020 nahm die Beklagte zur Klage Stellung (Bl. 121 ff. GA). Sie trug unter anderem vor, dass die Feststellungsklage unzulässig sei, weil ihr das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Vorliegend habe die Klägerin kurz vor der Stadtratsbehandlung vom 19. Dezember 2018 ihre Vorbehalte gegen die zugeleitete Abwendungserklärung der Beklagten aufgegeben. Verhandelt sei anschließend die Abwendungserklärung worden, die die Klägerin am 17. Dezember 2018 unterschieben habe und in die nicht unerhebliche Konzessionen der Beklagten eingearbeitet worden seien. Die Abwendungserklärung vom 17. Dezember 2018 sei mit der Vereinbarung vom 17. Dezember 2018 kombiniert worden, in der die Klägerin dezidiert erklärt habe, dass gegen die Abwendungserklärung nicht vorgebracht werden könne, dass die Voraussetzungen der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht vorgelegen hätten. Im Gegenzug habe sich die Beklagte verpflichtet, die Prüfung der Voraussetzungen des Bestehens des Vorkaufsrechts zu beenden und unverzüglich ein Negativzeugnis zu erstellen, womit die Zwei-Monats-Frist des § 28 Abs. 2 Satz 1 Baugesetzbuch abgelaufen sei, ohne dass die Beklagte von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht habe. Dass die Klägerin offensichtlich bei Abgabe ihrer Erklärungen vom 17. Dezember 2018 bereits entschlossen gewesen sei, die eigenen Erklärungen insgesamt oder - hilfsweise - partiell für „nichtig“ erklären zu lassen, sei für die Beklagte auch nicht tendenziell erkennbar gewesen. Hätte die Klägerin ihre inneren Vorbehalte auch nur angedeutet, wäre der Stadtrat am 19. Dezember 2018 mit der Vorkaufsrechtsausübung befasst worden und wäre ein Vorkaufsrechtsausübungsbescheid ergangen. Dies sei der Klägerin bekannt gewesen, weshalb sie auch den Anschein erweckt habe, vertragstreu zu sein, womit nicht nur ein widersprüchliches, sondern ein arglistiges Verhalten gegeben sei. Dieses arglistige Verhalten könne nicht über die eingereichte Feststellungsklage sanktioniert werden, da es, wie § 116 Bürgerliches Gesetzbuch zeige, von der Rechtsordnung missbilligt werde. Der Feststellungsklage fehle mithin das Rechtsschutzbedürfnis.
32
Dies könne auch auf die Einwendungsverzichte gestützt werden, die die Klägerin gegenüber der Beklagten abgegeben habe. Nachdem diese Erklärung unter anwaltlicher Beratung zustande gekommen sei, sei der Klägerin auch in juristischer Hinsicht die Tragweite dieser Erklärung bekannt gewesen. Ihr sei mit der Erklärung der Einwand abgeschnitten, das Vorkaufsrecht hätte nicht bestanden und hätte nicht ausgeübt werden dürfen, womit auch die Abwendungserklärung vom 17. Dezember 2018 gerechtfertigt sei. Zur Abgabe dieser Abwendungserklärung habe sich die Klägerin bereits gegenüber den Verkäufern im notariellen Kaufvertrag verpflichtet gehabt, und zwar ohne jeden Vorbehalt. Die Klägerin habe deshalb keinen Spielraum gehabt, weder in Bezug auf den Zeitpunkt der Erklärungsabgabe noch in Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung der Abwendungserklärung. Mit der Feststellungsklage versuche die Klägerin, ihre Verpflichtungen sowohl gegenüber der Beklagten als auch gegenüber den eigenen (Kauf-)Vertragspartnern zu derogieren, was als widersprüchliches Verhalten zu qualifizieren sei, das zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses führe. Da die Beklagte in der Vereinbarung vom 17. Dezember 2018 die Verpflichtungserklärungen der Klägerin, deren wesentlicher Bestandteil die Abwendungserklärung vom 17. Dezember 2018 gewesen sei, ausdrücklich angenommen habe, liege ein Vergleichsvertrag im Sinne von Art. 55 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz vor, der ebenfalls den Rückgriff auf „verglichene Positionen“ ausschließe. Rechtsfolge sei, dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellungsklage vom 28. Mai 2019 fehle. Darüber hinaus wurde ausführlich zur Unbegründetheit der Klage Stellung genommen.
33
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 17. Dezember 2019 gegenüber der Beklagten die Anfechtung der Abwendungserklärung wegen widerrechtlicher Drohung erklärt (Bl. 309 ff. GA); die Beklagte hat die Anfechtung mit Schreiben vom 19. Dezember 2019 zurückgewiesen (Bl. 312 GA).
34
Mit Schreiben des Gerichts vom 6. Mai 2020 wies das Gericht die Beteiligten darauf hin, dass die Klage nach vorläufiger Einschätzung insgesamt unzulässig sei (Bl. 281 ff. GA).
35
Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2020 erweiterte die Klägerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigten ihren bisherigen Klageantrag in Ziffer II.1 wie folgt:
„Ziffer III.1 und Ziffer III.2 der Abwendungsvereinbarung, wonach Neuvermietungen nur an Mieterinnen/Mieter, die die Voraussetzungen für das München Modell Miete erfüllen, zulässig sind, dies von den Mietinteressenten durch Vorlage einer Bescheinigung des Sozialreferats, Amt für Wohnen und Migration, Abt. soziale Wohnraumversorgung, nachzuweisen ist und dem Sozialreferat ein Vorschlagsrecht zusteht.“
36
Des Weiteren wurde für den Fall, dass den Anträgen in Ziffer I und II nicht oder nur teilweise stattgegeben wird, unter Ziffer III weiter hilfsweise beantragt festzustellen,
III.1 dass die Klägerin die Wohnung Nr. 10 des Vordergebäudes …straße 16, die seit dem 1.11.2019 leersteht, zu einem höheren Mietzins als 11,50 € vermieten darf,
III.2 dass die Klägerin die genannte Wohnung Nr. 10 des Vordergebäudes …straße 16 an Mietinteressenten, die keine Bescheinigung des Amtes für Wohnen und Migration vorlegen, vermieten darf,
III.3 dass die Klägerin die Wohnung Nr. 10 des Vordergebäudes …straße 16 an Mietinteressenten, die nicht die Voraussetzungen des aktuellen Stadtratsbeschlusses „Wohnen in München“ erfüllen, vermieten darf,
III.4 dass die Klägerin die Wohnung Nr. 5 des Vordergebäudes …straße 16 zu einem höheren Mietzins als 11,50 € vermieten darf,
III.5 dass die Klägerin die Wohnung Nr. 5 des Vordergebäudes …straße 16 an Mietinteressenten, die keine Bescheinigung des Amtes für Wohnen und Migration vorlegen, vermieten darf,
III.6 dass die Klägerin die Wohnung Nr. 5 des Vordergebäudes …straße 16 an Mietinteressenten, die nicht die Voraussetzungen des aktuellen Stadtratsbeschlusses „Wohnen in München“ erfüllen, vermieten darf.
37
Zum Sachverhalt wurde ergänzend unter anderem vorgetragen, dass die Klägerin bei Abschluss des notariellen Kaufvertrags am 4. Oktober 2018 und auch bei Abgabe der Abwendungserklärung im Dezember 2018 noch nicht von einem mit Fragen des Verwaltungsrechts und insbesondere mit der neuen Abwendungserklärung der Beklagten bereits vertieft befassten Rechtsanwalt vertreten gewesen sei; vielmehr habe sie sich diesbezüglich erstmals am 5. Februar 2019 an die Verfahrensbevollmächtigten dieses Verfahrens gewandt. Es sei auch nicht zutreffend, dass die Klägerin bereits bei Abgabe der Abwendungserklärung entschlossen gewesen sei, diese später für nichtig erklären zu lassen. Richtig sei, dass die Klägerin die mit dem Stadtratsbeschluss vom 27. Juni 2018 neu gefasste Abwendungserklärung bereits damals für unverhältnismäßig gehalten habe und dies gegenüber der Beklagten auch deutlich zum Ausdruck gebracht habe. Die Klägerin habe der Beklagten jedoch auch offen mitgeteilt, dass sie auf die rasche Bestellung einer Grundschuld für die Finanzierung auch der Nebenkosten des Kaufvertrags angewiesen sei. Der Beklagten sei die Zwangssituation der Klägerin auch im Übrigen bekannt gewesen. Sie habe insbesondere gewusst, dass sich die Klägerin mit Ziffer 7.5 des notariellen Kaufvertrags vom 4. Oktober 2018 gegenüber den Verkäufern verpflichtet gehabt habe, gegebenenfalls die Abwendungserklärung innerhalb der Zwei-Monats-Frist gegenüber der Beklagten abzugeben und insbesondere keinen Antrag auf Verlängerung dieser Frist zu stellen. Die Klägerin habe den Ankauf bereits finanziert gehabt und hätte im Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts eine Vorfälligkeitsentschädigung an ihre Bank zu leisten gehabt. Aufgrund der Bereitstellung der Kredite habe die Klägerin in zumutbarer Weise auch keinen langen Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer von dem Vordruck der Stadt abweichenden Abwendungserklärung in Kauf nehmen können. Die Klägerin habe sich insoweit durch die Beklagte massiv unter Druck gesetzt gesehen, die viel zu weit gehende Abwendungserklärung abzugeben. Die Klägerin habe mit Schreiben an die Beklagte vom 17. Dezember 2019 auch die Anfechtung der Abwendungserklärung erklärt (Bl. 309 ff. GA); die Beklagte habe diese Anfechtungserklärung mit Schreiben vom 19. Dezember 2019 zurückgewiesen (Bl. 312 GA).
38
Zum 1. November 2019 sei die erste, renovierte Wohnung freigeworden (Wohnung Nr. 10), die aktuell (Stand: 12. Juni 2020) leer stehe. Der Klägerin entstehe hier ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden, da sie diese Wohnung nach den Bedingungen der Abwendungserklärung nicht frei vermieten könne. Sie finde keine Mietinteressenten, die die erforderliche Bescheinigung des Amtes für Wohnen und Migration vorlegen könnten. Zudem könne die Klägerin die Wohnung nach der Abwendungserklärung nur zu einem Mietzins von 11,50 €/qm vermieten. Bei einer freien Vermietung wäre unter Berücksichtigung des Mietspiegels eine deutlich höhere Miete zulässig gewesen, die die Aufwendungen der Klägerin für Ankauf, Finanzierung und Renovierung berücksichtigt hätte. Die Klägerin habe aktuell mit einer Mieterin einem bedingten Mietvertrag geschlossen (aufschiebend bedingt durch die Erteilung der Bescheinigung durch das Amt für Wohnen und Migration), wobei die Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 8. Juni 2020 das zuständige Amt für Wohnen und Migration unter Fristsetzung dazu aufgefordert hätten, den Antrag der Mieterin auf Erteilung eines Berechtigungsscheins umgehend zu bearbeiten (Bl. 317 f. GA).
39
Zum 1. Juni 2020 sei eine weitere Wohnung, die Wohnung Nummer 5, freigeworden. Diese sei seit dem 1. August 2016 zu einem Mietzins von 636 € kalt vermietet gewesen, was einem Mietzins von 12,23 €/qm entspreche; das Einkommen der vorherigen Mieterin habe über der Einkommensgrenze von „Wohnen in München“ gelegen. Nach Ziffer III. Abs. 4 der Abwendungserklärung dürfe die Klägerin diese Wohnung zukünftig nur zu einer reduzierten „Eingangsmiete“ von 11,50 € vermieten. Die Klägerin wolle diese Wohnung nicht zu einer geringeren Miete als bisher vermieten und sich die Mietinteressenten frei aussuchen.
40
Nach Ziffer VI Abs. 3 der Abwendungserklärung drohe der Klägerin für jedes Mietverhältnis und jedes Jahr des Verstoßes eine Vertragsstrafe bis zur Höhe der Jahresnettomiete. Sie benötige daher dringend eine rechtssichere Einschätzung dazu, inwieweit die Abwendungserklärung wirksam sei.
41
Darüber hinaus wurde nochmals betont, dass die Klage zulässig sei. Insbesondere liege ein streitiges, konkretes Rechtsverhältnis vor. Die aktuell laufenden Neuvermietungen der beiden Wohnungen belegten, dass die streitigen Rechte und Pflichten hinreichend konkret seien. Die Beklagte habe, auch mit der Zurückweisung der Anfechtungserklärung der Klägerin, hinreichend deutlich gemacht, dass sie freie Neuvermietungen nicht akzeptieren werde. Der Klägerin könne unter diesen Umständen offensichtlich nicht zugemutet werden, für die gerichtliche Klärung erst eine Vertragsstrafe zu verwirken.
42
Die Klägerin habe auch ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung, dass der geschlossene öffentlich-rechtliche Vertrag in Form der am 17. Dezember 2018 abgegebenen Abwendungserklärung und der hierzu zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung nichtig sei. Das Klagebegehren beschränke sich nicht auf abstrakte Rechtsfragen oder bloße Vorfragen oder unselbstständige Elemente eines Rechtsverhältnisses, da zwischen den Parteien ein Meinungsstreit bestehe, aus dem sich die eine Seite berühme, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Ein Feststellungsinteresse ergebe sich schon aus der Dispositionsunsicherheit, die sich für die Klägerin ohne Feststellung in Bezug auf die anstehenden Neuvermietungen ergebe. Die Klägerin müsse bei den anstehenden Neuvermietungen beurteilen können, ob sie diese frei vermieten könne. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung seien auch wiederholt auf die Wirksamkeit von Verträgen gerichtete Feststellungsklage für zulässig gehalten worden. So habe der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Werbenutzungsvertrag für zulässig gehalten. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe die gerichtliche Prüfung des Nichtbestehens eines Vertrags ab dem Zeitpunkt der Kündigung für zulässig erachtet.
43
Nach Ziffer VII Abs. 3 der Abwendungserklärung drohe der Klägerin für jedes Mietverhältnis und jedes Jahr des Verstoßes eine Vertragsstrafe bis zur Höhe der Jahresnettomiete. Diese Vertragsstrafe sei in ihrer Wirkung vergleichbar mit den in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren drohenden Konsequenzen. Die Feststellungsklage setze zudem auch nicht voraus, dass ein Schaden der Klägerin bereits feststehe; vielmehr reiche es aus, dass die Entstehung eines zu ersetzenden Schadens wahrscheinlich sei. Die Klägerin erwäge gegenwärtig, die seit dem 1. Juni 2020 leer stehende Wohnung frei zu vermieten. Das Gericht müsse vor dem Hintergrund der sowohl öffentlich als auch gegenüber der Klägerin vorgetragenen Äußerungen der Beklagten davon ausgehen, dass diese die in der Abwendungserklärung vorgesehenen Vertragsstrafen auch ausschöpfen werde.
44
Das Gericht gehe zudem davon aus, dass bei einer in Streit stehenden Vertragsbeendigung ein berechtigtes Feststellungsinteresse gegeben sei. Auch unter diesem Gesichtspunkt sei die Klage zulässig, da die Klägerin fristgemäß gegenüber der Beklagten die Anfechtung erklärt habe und die Wirksamkeit der Anfechtungserklärung zwischen den Parteien streitig sei.
45
Der Klage fehle auch nicht wegen angeblich widersprüchlichen Verhaltens der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis. Die Klägerin sei bei Abgabe der Abwendungserklärung nicht entschlossen gewesen, gegen diese später gerichtlich vorzugehen. Widersprüchliches Verhalten sei durchaus zulässig; eine Partei dürfe ihre Rechtsansichten durchaus ändern. Dies insbesondere dann, wenn eine Vertragspartei, wie hier, nach vergeblichen Verhandlungen unter erheblichem wirtschaftlichem Druck und unter Androhung der hoheitlichen Ausübung des Vorkaufsrechts eine Erklärung abgebe. Die Klägerin habe der Beklagten im Herbst 2018 wiederholt und deutlich mitgeteilt, dass sie die neugefasste Abwendungserklärung für unangemessen halte, und um entsprechende Anpassungen gebeten, die überwiegend abgelehnt worden seien. Im Übrigen wurde nochmals zur Begründetheit der Klage vorgetragen.
46
Ergänzend zum bisherigen Vortrag führte die Beklagte mit Schriftsatz vom 23. November 2020 aus, dass die Klägerin gegenüber ihren Verkäufern ohne Zutun der Beklagten zur Abgabe der Abwendungserklärung gebunden gewesen sei, weshalb sie bezüglich derselben keinen Spielraum mehr gehabt habe. Dass die Klägerin insoweit rechtlich unbedarft die Verpflichtungen gegenüber ihren Verkäufern eingegangen sei, sei nicht glaubhaft. Der Antrag auf Erteilung eines Wohnungsberechtigungsscheins der neuen Mieterin der Klägerin sei mit Bescheid vom 24. Juni 2020 positiv beschieden worden. Erst durch den Vorstoß der Klägerbevollmächtigten sei aufgedeckt worden, dass der Antrag, nicht wie angegeben, für eine „Sozialwohnung“, sondern für das „München Modell“ gestellt worden sei. Die hierdurch verursachte Verzögerung gehe nicht zulasten der Beklagten. Die Behauptungen der Klägerseite zur Unwirksamkeit der Abwendungserklärung seien unzutreffend. Dass für die Anfechtung vom 17. Dezember 2019 kein Anfechtungsgrund vorhanden gewesen sei, ergebe sich aus der Darstellung des Sachverhalts in der Klageerwiderung vom 22. Januar 2020 sowie im gerichtlichen Hinweisschreiben.
47
Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2020 teilte die Klägerin unter anderem mit, dass die Wohnung Nummer 10 zum 1. Juli 2020 nach zehn Monaten Leerstand habe neu vermietet werden können und die Wohnung Nummer 5 aktuell noch leer stehe, da noch kein Mietinteressent mit aktuellem Berechtigungsschein gefunden worden sei. Vor diesem Hintergrund stellte die Klägerin ihren Hilfsantrag unter III in Bezug auf die Wohnung Nummer 10 wie folgt um:
48
Es wird festgestellt, dass
1. die Klägerin die Wohnung Nummer 10 des Vordergebäudes …straße 16 zu einem höheren Mietzins als 11,50 € neu vermieten durfte.
2. die Klägerin die Wohnung Nummer 10 des Vordergebäudes …straße 16 an Mietinteressenten, die keine Bescheinigung des Amtes für Wohnen und Migration vorgelegt haben, neu vermieten durfte,
3. die Klägerin die Wohnung Nummer 10 des Vordergebäudes …straße 16 an Mietinteressenten, die nicht die Voraussetzungen des aktuellen Stadtratsbeschlusses „Wohnen in München“ erfüllen, neu vermieten durfte.
49
Zur Begründung wurden insbesondere die Schwierigkeiten der Erlangung der erforderlichen Bescheinigung des Amtes für Wohnen und Migration dargestellt. Gleichzeitig wurde ausgeführt, dass der Klägerin aufgrund der Regelung der Abwendungserklärung, nach der sie ausschließlich an Mietinteressenten mit Vorlage einer aktuellen Bescheinigung des Amtes für Wohnen und Migration vermieten dürfe, bereits jetzt Mietausfälle (Wohnung Nummer 10: zehn Monate, Wohnung Nummer 5: bislang sechs Monate) entstanden seien, und darauf hingewiesen, dass sie die durch die langen Leerstände der Wohnungen, die jeweils durch die Abwendungserklärung verursacht worden seien, bereits entstandenen Schäden in Form von Mietausfällen gegebenenfalls auf Grundlage dieses Prozesses geltend machen könnte. Darüber hinaus wurde nochmals zur Zulässigkeit und Begründetheit der unter den Klageanträgen I und II erhobenen Klagen vorgetragen.
50
Am Ende der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2020 stellte die Klägerin nur noch die Anträge aus dem Schriftsatz vom 12. Juni 2020 unter den Ziffern III.4, III.5 und III.6 als Hauptanträge. Sie beantragte insofern festzustellen,
dass die Klägerin die Wohnung Nr. 5 des Vordergebäudes …straße 16 zu einem höheren Mietzins als 11,50 € vermieten darf,
dass die Klägerin die Wohnung Nr. 5 des Vordergebäudes …straße 16 an Mietinteressenten, die keine Bescheinigung des Amtes für Wohnen und Migration vorlegen, vermieten darf, und dass die Klägerin die Wohnung Nr. 5 des Vordergebäudes …straße 16 an Mietinteressenten, die nicht die Voraussetzungen des aktuellen Stadtratsbeschlusses „Wohnen in München“ erfüllen, vermieten darf.
51
Im Übrigen wurde die Klage zurückgenommen.
52
Der Beklagtenbevollmächtigte beantragte,
53
Sodann stellten die Klägerbevollmächtigten folgende Beweisanträge:
Beweis darüber zu erheben, dass sich Herr … (im Protokoll fehlerhaft als Herr … bezeichnet) unter anderem durch E-Mail vom 25. März 2020 an den Erhaltungssatzungskoordinator, Herrn … …, gewandt hat und ihn darum gebeten hat, ihm geeignete Mieter von Wartelisten zu benennen, die bereits über einen erforderlichen Berechtigungsschein verfügen, und dass dies aus Datenschutzgründen telefonisch und per E-Mail abgelehnt wurde.
Beweisangebot: - Zeugeneinvernahme von Herrn … … (in der mündlichen Verhandlung anwesend)
- Zeugeneinvernahme von Herrn … … (zu laden über die Beklagte)
Beweis darüber zu erheben, dass das von der Abwendungserklärung betroffene Grundstück im Zeitpunkt des Verkaufs im Einklang mit den Zielen der Erhaltungssatzung genutzt wurde und auch keine städtebaulichen Missstände vorhanden waren.
Beweisangebot: - Parteieinvernahme des anwesenden Geschäftsführers der Klägerin
- Zeugeneinvernahme der Mitarbeiter der Beklagten, die das Haus besichtigt haben
- Zeugeneinvernahme des anwesenden Herrn … …
Beweis zu erheben zu der Tatsache, dass die Wohnung Nr. 5 aufgrund der nach Ziffer III Absatz 1 der Abwendungserklärung geltenden Verpflichtung, nur an Personen neu zu vermieten, die eine Bescheinigung des Amtes für Wohnen und Migration vorlegen können, seit dem 1. Juni 2020 leer steht.
Beweisangebot: Zeugeneinvernahme von Herrn … …
57
Die Beweisanträge wurden durch die Klägerin begründet.
58
Die Beklagte beantragte,
die Beweisanträge allesamt zurückzuweisen.
59
Das Gericht lehnte die Beweisanträge 1 und 2 mangels Entscheidungserheblichkeit ab. Die Beweisfragen bezögen sich auf die Begründetheit der Feststellungsklage, die nach Auffassung des Gerichts bereits unzulässig sei. Der Beweisantrag 3 wurde ebenfalls wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit abgelehnt, da das Ziel der Beweiserhebung, die Darlegung eines bereits eingetretenen Schadens, für die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht erheblich sei. Sofern ein solcher Schaden entstanden sein sollte, wäre er im Wege der Leistungsklage geltend zu machen. Insofern sei auf § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung zu verweisen.
60
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie der von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
61
I. Die am Ende der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2020 vorgenommene Beschränkung der Klage auf die unter den Ziffern III.4, III.5 und III.6 der mit Schriftsatz vom 12. Juni 2020 gestellten Hilfs-Hilfsanträge und deren gleichzeitige Erhebung zu Hauptanträgen unter Rücknahme aller übrigen bis dahin gestellten Anträge ist zulässig.
62
Die Klägerin hatte ihre am 29. Mai 2019 erhobene Klage mit Schriftsatz vom 12. Mai 2020 gemäß § 173 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) durch die Erweiterung des Hilfsantrags II.1 und die Stellung der Hilfs-Hilfsanträge III.1 bis III.6, die im Verhältnis zum ursprünglichen Hauptantrag in Ziffer I - trotz der positiven Formulierung der Klageanträge III.1 bis III.6 - jeweils als Minus anzusehen sind, in zulässiger Weise geändert; der Klagegrund, d.h. der den gestellten Anträgen, Hilfsanträgen bzw. Hilfs-Hilfsanträgen zugrundeliegende Sachverhalt blieb unverändert im Sinne § 264 ZPO. Dasselbe gilt hinsichtlich der ebenfalls nicht mit einer Änderung des Klagegrundes verbundenen Änderungen der Klageanträge III.1 bis III.3 mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2020; diese Klageänderung ist außerdem jedenfalls gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 3 ZPO zulässig (vgl. BVerwG, U.v. 25.7.1985 - 3 C 25.84 - juris Rn. 41).
63
Die am Ende der mündlichen Verhandlung erfolgte Beschränkung des Klagebegehrens auf die mit Schriftsatz vom 12. Juni 2020 unter Ziffer III.4 bis III.6 gestellten Hilfs-Hilfsanträge und deren Erhebung zu alleinigen Hauptanträgen unter gleichzeitigem Fallenlassen aller sonstigen bisherigen Anträge ist eine gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung in Form der Beschränkung des Klageantrags verbunden mit einer - vorliegend ausdrücklich erklärten - Rücknahme der bisherigen Klageanträge I, II und III.1 bis III. 3 im Sinne von § 92 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.1979 - 68 XV 78 - BayVBl. 1979, 187 <187>; Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 91 Rn. 27 <Stand der Kommentierung: 39. EL Juli 2020>).
64
II. Soweit die Klage hinsichtlich der zunächst gestellten Anträge I, II und III.1 bis III.3 zurückgenommen wurde, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Da die Klage nur teilweise zurückgenommen wurde, war kein gesonderter Einstellungsbeschluss zu erlassen. Vielmehr konnte die - auch in diesem Fall gemäß § 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO nicht der Anfechtung unterliegende - Entscheidung über die Verfahrenseinstellung gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO und die Kostentragung gemäß § 155 Abs. 2 VwGO zusammen mit der Sachentscheidung über den nicht zurückgenommenen Teil der Klage im Urteil getroffen werden (vgl. BVerwG, U.v. 6.2.1963 - V C 24/61 - NJW 1963, 923; B.v. 7.8.1998 - 4 B 75.98 - juris Rn. 2 m.w.N.).
65
III. Die in zulässiger Weise geänderte Klage auf Feststellung, dass die Klägerin die Wohnung Nummer 5 des Vordergebäudes …straße 16 zu einem höheren Mietzins als 11,50 € vermieten darf, dass die Klägerin die Wohnung Nummer 5 des Vordergebäudes …straße 16 an Mietinteressenten, die keine Bescheinigung des Amtes für Wohnen und Migration vorlegen, vermieten darf, und dass die Klägerin die Wohnung Nummer 5 des Vordergebäudes …straße 16 an Mietinteressenten, die nicht die Voraussetzungen des aktuellen Stadtratsbeschlusses „Wohnen in München“ erfüllen, vermieten darf, ist unzulässig.
66
1. Gemäß § 43 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
67
a) Ein (feststellungsfähiges) Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO ist jede sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Norm des öffentlichen Rechts ergebende rechtliche Beziehung einer (natürlichen oder juristischen) Person zu einer Sache oder einer anderen Person (vgl. BVerwG, U.v. 8.6.1962 - VII C 78.61 - BayVBl. 1962, 381 <381>; U.v. 23.1.1992 - 3 C 50.89 - juris Rn. 29; U.v. 28.1.2010 - 8 C 19.09 - juris Rn. 24 m.w.N.; U.v. 28.5.2014 - 6 A 1.13 - juris Rn. 20 m.w.N.).
68
aa) Ein Rechtsverhältnis in diesem Sinne kann auch durch den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags entstehen, mit dem regelmäßig ein ganzes Bündel von Rechten und Pflichten begründet wird (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 17, 20, 36). Insofern kann der Inhalt eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, d.h. die die Vertragsparteien treffenden Rechte oder Pflichten, ein bzw. mehrere Rechtsverhältnis(se) darstellen, dessen bzw. deren Bestehen bzw. Nichtbestehen grundsätzlich im Rahmen einer Feststellungsklage geklärt werden kann (vgl. Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 43 Rn. 15 <Stand der Kommentierung: 17. EL Oktober 2008> unter Verweis auf BVerwG, U.v. 29.8.1986 - 7 C 5.85, wobei diese Entscheidung eine Klage auf Feststellung des Inhalts eines Verwaltungsaktes betrifft, VGH Mannheim, U.v. 28.10.1999 - 5 S 2149.97, wobei diese Entscheidung das Bestehen einer Verpflichtung des dortigen Beklagten aus einer einseitigen Erklärung betrifft, OVG Saarland, U.v. 30.10.2007 - 1 R 24.06, das die Feststellung einer vertraglichen Schadensersatzpflicht dem Grunde nach betrifft und BVerwG, B.v. 29.1.1996 - 6 P 1.93 - NVwZ-RR 1997, 553, wo es um die Feststellung von gesetzlich bestimmten Rechten der Personalvertretung geht).
69
bb) Gegenstand der Feststellungsklage kann allerdings nur ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss bereits „die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig” sein (vgl. BVerwG, U.v. 8.6.1962 - VII C 78.61 - BayVBl. 1962, 381 <381>; U.v. 28.5.2014 - 6 A 1.13 - juris Rn. 21 m.w.N.). Damit setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt (vgl. BVerwG, U.v. 23.1.1992 - 3 C 50.89 - juris Rn. 30 f.; U.v. 28.1.2010 - 8 C 19/09 - juris Rn. 24 m.w.N.; U.v. 23.5.2009 - 8 C 1.09 - juris Rn. 15; U.v. 28.5.2014 - 6 A 1.13 - juris Rn. 21). Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden. Auch bloße Vorfragen oder unselbstständige Elemente eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Nicht statthaft ist die Feststellungsklage, wenn mit ihr lediglich die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage auf Grund eines nur erdachten oder eines ungewissen, insbesondere von einer in ihren tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen noch nicht überschaubaren künftigen Entwicklung abhängigen, künftigen Sachverhalts erreicht werden soll; in einem solchen Fall würde der Rechtsstreit nicht - dem Rechtsschutzsystem der Verwaltungsgerichtsordnung und dabei insbesondere § 42 Abs. 2 VwGO, der auch im Rahmen der Feststellungsklage zu beachten ist (vgl. stRspr BVerwG, B.v. 30.7.1990 - 7 B 71.90 - juris Rn. 4 m.w.N.; U.v. 29.6.1995 - 2 C 32.94 - juris Rn. 18; U.v. 26.1.1996 - 8 C 19.94 - juris Rn. 20 m.w.N.), sowie dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) entsprechend - der Durchsetzung von konkreten subjektiv-öffentlichen Rechten der Beteiligten, sondern dazu dienen, abstrakte Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen rechtstheoretisch zu lösen (vgl. BVerwG, U.v. 8.6.1962 - VII C 78.61 - BayVBl. 1962, 381 <381>; U.v. 9.12.1982 - 5 C 103.81 - juris Rn. 10; U.v. 28.1.2010 - 8 C 19.09 - juris Rn. 24; U.v. 28.5.2014 - 6 A 1.13 - juris Rn. 21; U.v. 14.12.2016 - 6 A 9.14 - juris Rn. 12; U.v. 25.10.2017 - 6 C 46.16 - juris Rn. 12). Das Erfordernis der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses soll die Entscheidungsressourcen der Justiz auf tatsächlich vorhandene - statt lediglich hypothetische - Streitfälle konzentrieren. Außerdem - soll - wie mit § 42 Abs. 2 VwGO - die Popularklage im Verwaltungsprozess verhindert werden, bei der sich der Kläger allein zum Sachwalter öffentlicher Interessen oder rechtlich geschützter Interessen Dritter macht (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2014 - 6 A 1.13 - juris Rn. 21). Diese Möglichkeit besteht innerhalb der deutschen Rechtsordnung - jedenfalls im Rahmen der ordentlichen Rechtsbehelfe - grundsätzlich nur unter besonderen, jeweils explizit geregelten Voraussetzungen (z.B. §§ 1 ff. Unterlassungsklagengesetz, §§ 1 ff. Umweltrechtsbehelfsgesetz, § 606 Zivilprozessordnung), derer es nicht bedürfte, wenn die Popularklage allgemein zulässig wäre.
70
b) Als Feststellungsinteresse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ist jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art anzusehen (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.1990 - 7 B 71.90 - juris Rn. 4). Entscheidend ist, dass die gerichtliche Feststellung geeignet erscheint, die Rechtsposition des jeweiligen Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (vgl. stRspr BVerwG, U.v. 6.2.1986 - 5 C 40.84 - juris Rn. 28; U.v. 25.10.2017 - 6 C 46.16 - juris Rn. 20; B.v. 20.12.2017 - 6 B 14.17 - juris Rn. 13). Ein derartiges Interesse kann grundsätzlich auch in einem Interesse des Klägers an der Planbarkeit wirtschaftlicher Dispositionen bestehen (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2001 - 3 C 2.01 - juris Rn. 12; VGH Kassel, U.v. 17.12.1985 - 9 UE 2162.85 - juris Rn. 58; BayVGH, B.v. 10.7.2006 - 22 BV 05.457 - juris Rn. 34). Trotz identischer Begrifflichkeit („berechtigtes Interesse“) stellt § 43 Abs. 1 VwGO grundsätzlich höhere Anforderungen an das Feststellungsinteresse als § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO an das sog. Fortsetzungsfeststellungsinteresse (vgl. BVerwG, B.v. 20.6.1974 - IV B 25.74 - juris Rn. 3; U.v. 20.1.1989 - 8 C 30.87 - juris Rn. 9; U.v. 8.12.1995 - 8 C 37.93 - juris Rn. 24 m.w.N.).
71
2. Gemessen hieran fehlt es vorliegend an einem bereits hinreichend konkreten streitigen Rechtsverhältnis bzw. mangelt es der (vorbeugenden) Feststellungsklage jedenfalls an dem erforderlichen qualifizierten Feststellungsinteresse.
72
a) Die Vereinbarung vom 17. Dezember 2018 und die darin von der Beklagten angenommene Abwendungserklärung der Klägerin vom selben Tag wurden zwar bereits in der Vergangenheit abgegeben und haben unzweifelhaft - auch in Bezug auf die Wohnung Nummer 5 im Vordergebäude …straße 16 - ein Rechtsverhältnis bzw. ein ganzes Bündel von Rechtsverhältnissen im oben beschriebenen Sinne zwischen den Verfahrensbeteiligten begründet. Vorliegend ist zudem spätestens seit der Klageerhebung am 29. Mai 2019 und dem hierauf erfolgten Klageabweisungsantrag mit Schriftsatz vom 30. Juli 2019 bzw. der Klageerwiderung mit Schriftsatz vom 22. Januar 2020 zwischen den Verfahrensbeteiligten streitig, ob die von der Klägerin am 17. Dezember 2018 zur Abwendung der Ausübung des städtebaulichen Vorkaufsrechts am Grundstück …straße 16, FlNr. …, Gemarkung … … …, Vordergebäude, abgegebene Erklärung einschließlich der Vereinbarung über das Negativzeugnis vom gleichen Tage insgesamt oder jedenfalls hinsichtlich einzelner Regelungen - insbesondere zur Belegungsverpflichtung und zum Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen des jeweils aktuellen Stadtratsbeschlusses „Wohnen in München“ (Ziffer III Absatz 1 der Abwendungserklärung) sowie zur Mietpreisbindung (Ziffer III Absatz 4 der Abwendungserklärung) - unwirksam ist. Insofern ist spätestens seither auch streitig, ob die Pflichten aus Ziffer III Absatz 1 und Absatz 4 der Abwendungserklärung auch für die Wohnung Nummer 5 im Vordergebäude …straße 16 gelten. Allerdings sind die in Streit stehenden Rechtsverhältnisse bislang nicht hinreichend konkret im oben beschriebenen Sinne.
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aa) In der Vereinbarung vom 17. Dezember 2018 sowie in der Abwendungserklärung vom selben Tag ist die Klägerin gegenüber der Beklagten zwar bestimmte Verpflichtungen eingegangen. Diese führen jedoch weder zu unmittelbaren Eingriffen der Beklagten in Rechte der Klägerin noch automatisch dazu, dass die Beklagte von der Klägerin ein bestimmtes - der ihr gegenüber eingegangenen Verpflichtung(en) entsprechendes - Verhalten auch tatsächlich verlangt bzw. sich zumindest tatsächlich berühmt, ein derartiges Verhalten von der Klägerin verlangen zu können. Vielmehr steht ein dahingehender konkreter Meinungsstreit zwischen Klägerin und Beklagter um die Wirksamkeit der bzw. zumindest von einzelnen in der Abwendungserklärung und der Vereinbarung vom 17. Dezember 2018 eingegangenen Verpflichtungen auch im Hinblick auf die Wohnung Nummer 5 im Vordergebäude …straße 16 erst als künftiges Geschehen im Raum - und zwar insbesondere dann, wenn die Klägerin tatsächlich und nicht nur, wie im Schriftsatz vom 12. Juni 2020 angegeben („möchte […] nicht zu einer geringeren Miete als 12,23 €/qm“, Seite 8 des Schriftsatzes; „erwägt gegenwärtig, die seit dem 1.6.2020 leer stehende Wohnung Nummer 5 frei zu vermieten“, Seite 10 des Schriftsatzes), lediglich möglicherweise künftig gegen eine oder mehrere von ihr gegenüber der Beklagten (vermeintlich nicht wirksam) eingegangene Verpflichtungen tatsächlich verstößt und diese daraufhin die ihr in diesem Fall zustehenden vertraglichen Rechte geltend macht bzw. dies zumindest konkret angekündigt (zum Ausreichen der Ankündigung eines solchen Verhaltens durch den Vertragspartner vgl. VGH Kassel, U.v. 17.12.1985 - 9 UE 2162.85 - juris Rn. 54; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 104). Erst hierdurch, z.B. wenn sie eine Unterlassung des vertragswidrigen Verhaltens verlangt oder die für den Fall der Vertragsverletzung vorgesehenen Vertragsstrafen (Ziffer VI der Abwendungserklärung) als verwirkt ansieht und diese einfordert und insoweit ggf. auch von der von der Klägerin abgegebenen Erklärung über die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (Ziffer VII der Abwendungserklärung) Gebrauch macht bzw. machen will, berühmt sich die Beklagte, aus einem dann konkret streitigen Rechtsverhältnis heraus von der Klägerin ein bestimmtes Tun bzw. Unterlassen verlangen zu können.
74
Allein die bislang ausweislich der in diesem Verfahren ausgetauschten Schriftsätze zwischen den Beteiligten jedenfalls teilweise umstrittene rechtliche Bewertung der Wirksamkeit der Vereinbarung vom 17. Dezember 2018 sowie der Abwendungserklärung vom selben Tag, aus der die Klägerin selbst nach ihrer Anfechtungserklärung vom 17. Dezember 2019 - auch im Hinblick auf die Wohnung Nummer 5 im Vordergebäude …straße 16 - tatsächlich keine Rechtsfolgen ableitet, sondern stattdessen die von ihr eingegangenen Verpflichtungen weiterhin ordnungsgemäß erfüllt, wobei sie hierbei ausweislich der geschilderten Beantragung einer Bescheinigung des Sozialreferats der Beklagten im Namen einer Mieterin der Wohnung Nummer 10 im Vordergebäude …straße 16 sogar besonderen Einsatz zeigt, konkretisiert den Streit noch nicht hinreichend. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der mit Schreiben vom 19. Dezember 2019 erklärten Zurückweisung der Anfechtungserklärung der Klägerin durch die Beklagte. Denn die Klägerin trägt trotz der ex-tunc-Wirkung einer wirksamen Anfechtung (§ 142 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) auch seither in ihrem tatsächlichen Tun den gegenüber der Beklagten im Zusammenhang mit der Abwendung des Vorkaufsrechts eingegangenen Verpflichtungen vollumfänglich und damit auch in Bezug auf die Wohnung Nummer 5 im Vordergebäude …straße 16 Rechnung. Auch wenn damit wohl keine wirksame Bestätigung der angefochtenen Abwendungserklärung verbunden ist, berühmt sich die Klägerin jedenfalls weder Rechten aus der von ihr abgegebenen Anfechtungserklärung noch gibt sie der Beklagten auch nur Anlass dafür, wegen des Nichteinhaltens der nach ihrer Ansicht zumindest nicht infolge der Anfechtungsklärung erloschenen Verpflichtungen zumindest anzukündigen, für diesen Fall vorgesehene vertragliche Rechte geltend zu machen. Zudem kann aus der Zurückweisung der Anfechtung wegen Fehlens eines Anfechtungsgrundes als unberechtigt nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass die Beklagte sich im Fall eines Verstoßes der Klägerin gegen die am 17. Dezember 2018 eingegangenen Verpflichtungen tatsächlich und in jedem Fall berühmen würde, von der Klägerin ein bestimmtes Verhalten zu verlangen bzw. das (vermeintlich) vertragswidrige Verhalten durch die Forderung bzw. Vollstreckung der vorgesehenen Vertragsstrafe tatsächlich zu sanktionieren. Die Zurückweisung der Anfechtung beinhaltet vielmehr nur, dass die Beklagte keinen Nichtigkeitsgrund im Sinne von Art. 62 Satz 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) i.V.m. § 142 Abs. 1 i.V.m. § 123 Abs. 1 BGB erkennt. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Beklagte nach dem Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 12. Juni 2020 (dort Seite 13 f.) zwischenzeitlich nicht mehr von vornherein auf allen von der Klägerin eingegangenen Verpflichtungen zur Abwendung eines Vorkaufsrechts besteht, sondern jede „geeignete“ Abwendungserklärung für ausreichend hält. Die Klärung der Wirksamkeit der Anfechtung ist somit mangels Ableitung von Rechtsfolgen aus der Anfechtungserklärung bislang nicht von tatsächlicher Relevanz.
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bb) Die von der Klägerin am 17. Dezember 2018 eingegangenen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen und die im Fall von deren Verletzung drohenden Sanktionen vollziehen sich - auch im Hinblick auf die Wohnung Nummer 5 im Vordergebäude …straße 16 - gerade nicht selbst (vgl. zum Aspekt des „self-executing“ im Fall einer Feststellungsklage zum Geltungsumfang einer Norm vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2010 - 8 C 19.09 - juris Rn. 29; ebenso betrifft BVerwG, U.v. 9.12.1982 - 5 C 103.81 einen Fall einer sich selbst vollziehenden Norm; vgl. auch OVG Bautzen, B.v. 25.7.2013 - 4 A 218.13 - juris Rn. 15). Vielmehr kommen vorliegend erst dann, wenn eine Vertragspartei (jedenfalls vermeintlich) die von ihr eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt oder (vermeintlich) ihr nach dem Vertrag nicht bestehende Rechte für sich in Anspruch nimmt und die andere Vertragspartei daraus (vertrags-)rechtliche Konsequenzen zieht, die insoweit in Streit stehenden vertraglichen Regelungen und damit auch die gesetzlichen Regelungen, an denen die vertraglichen Regelungen zu messen sind, auf einen konkreten Sachverhalt zur Anwendung und steht erst dann eine mögliche konkrete, nicht nur abstrakt drohende Rechtsverletzung im Raum, die mit einer Klage abgewehrt werden können soll (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.1982 - 5 C 103.81 - juris Rn. 10). Solange sich nicht eine Vertragspartei tatsächlich berühmt, von der anderen auf der Grundlage der eingegangenen Verpflichtungen ein bestimmtes Verhalten verlangen bzw. ein bestimmtes vertragswidriges Verhalten sanktionieren zu können, und die andere dies nicht ablehnt, besteht kein konkreter Streit über die Wirksamkeit eines oder mehrerer Rechtsverhältnisse(es) und ist die Wirksamkeit der eingegangenen vertraglichen Regelungen eine bloße Vorfrage eines (noch nicht hinreichend konkreten) Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Der für ein Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO notwendige konkrete Sachverhalt zeichnet sich dadurch aus, dass Rechtsfragen hinsichtlich eines Einzelfalls (tatsächlich) relevant werden. Es ist nicht möglich, der Feststellungsklage dadurch den erforderlichen konkreten Einzelfallbezug zu verleihen, dass ein bislang bloß fiktives Geschehen konkret geschildert bzw. umrissen wird (vgl. Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 44). Denn die Feststellungsklage ist gerade keine allgemeine Auskunftsklage über die Rechtslage (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 21; vgl. auch Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 43); vielmehr dient auch sie allein der Durchsetzung konkreter Rechte der Parteien (vgl. BVerwG, U.v. 8.6.1962 - VII C 78.61 - BayVBl. 1962, 381 <381>) und nicht der Erstellung von Rechtsgutachten durch Gerichte.
76
Vor diesem Hintergrund sind die vorliegend in Streit stehenden Rechtsverhältnisse betreffend die Wohnung Nummer 5 im Vordergebäude …straße 16 noch nicht hinreichend konkret, um bereits Gegenstand einer Feststellungsklage im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO sein zu können, so dass die in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltene Feststellungsklage mit ihren drei Anträgen schon nicht statthaft ist.
77
b) Unabhängig davon fehlt der Klage das erforderliche Feststellungsinteresse.
78
Mangels Bezugs zu einem bereits derzeit hinreichend konkreten streitigen Rechtsverhältnis ist die vorliegend erhobene Feststellungsklage eine sogenannte vorbeugende Feststellungsklage, mit der künftige und erst drohende belastende Maßnahmen bzw. Forderungen der Beklagten gegenüber der Klägerin und damit möglicherweise einhergehende Rechtsverletzungen abgewehrt werden sollen (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 5.2.2019 - 2 LC 365.18 - juris Rn. 27).
79
aa) Vorbeugender Rechtsschutz ist zwar im deutschen und auch im verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystem nicht generell ausgeschlossen, sondern kann durch die Garantie (tatsächlich) effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG sogar geboten sein. Andererseits ist in diesem Zusammenhang das Prinzip der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) zu berücksichtigen, das durch vorbeugenden Rechtsschutz mit dem Ziel, die Entscheidungsfreiheit der Verwaltung im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten und Aufgabenerfüllung im Vorhinein durch richterliche Anordnungen einzuengen, betroffen wird (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.1992 - 21 CE 92.949 - juris Rn. 5; B.v. 30.11.2010 - 9 CE 10.2468 - juris Rn. 20; B.v. 23.7.2019 - 6 ZB 19.790 - juris Rn. 9). Entsprechend der zwischen diesen widerstreitenden Vorgaben des Grundgesetzes herzustellenden praktischen Konkordanz setzt ein Antrag auf vorbeugenden Rechtsschutz ein entsprechend qualifiziertes, d.h. ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse voraus. Für vorbeugenden Rechtsschutz ist dort kein Raum, wo und solange der Betroffene in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsprozessordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.1972 - IV C 17.71 - juris Rn. 29; U.v. 29.7.1977 - IV C 51.75 - juris Rn. 22; U.v. 25.9.2008 - 3 C 35.07 - juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 28.4.1992 - 21 CE 92.949 - juris Rn. 5; B.v. 1.2.2001 - 22 AE 00.40055 - juris Rn. 11).
80
Bei befürchtetem Handeln durch Verwaltungsakt ist Rechtsschutz regelmäßig nicht vorbeugend erforderlich, sondern nach Erlass des Verwaltungsakts, gegebenenfalls über § 80 und § 80a VwGO, zu gewähren. Dasselbe gilt im Hinblick auf sonstiges, auch eingreifendes Verwaltungshandeln aufgrund der dagegen eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten unter Berücksichtigung der Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO. Für vorbeugenden Rechtsschutz ist folglich nur dann Raum, wenn nachträglicher - auch vorläufiger - Rechtsschutz nicht möglich ist oder nicht ausreicht, um wesentliche Nachteile abzuwenden, die auch durch eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden können (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.1992 - 21 CE 92.949 - juris Rn. 5; B.v. 1.2.2001 - 22 AE 00.40055 - juris Rn. 11). Insofern besteht für eine vorbeugende Feststellungsklage nur dann ein berechtigtes Interesse, wenn durch „nachträglichen“ (gegebenenfalls auch vorläufigen) Rechtsschutz (ausnahmsweise) kein ausreichender und insofern effektiver Rechtsschutz gewährleistet wäre (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 31 f.), so dass bereits jetzt ein ausreichender Klärungsbedarf besteht (vgl. Möstl, in: BeckOK VwGO, § 43 Rn. 5 <Stand: 55. Ed. Stand: 1.10.2020>). Nicht gleichwertig ist der nachträgliche Rechtsschutz regelmäßig bei solchen Rechtsverhältnissen, die wiederholt auftreten, also bei Rechten und Pflichten, deren Bestehen oder Nichtbestehen nicht nur einmalig von Interesse ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2008 - 4 ZB 07.997 - juris Rn. 6 zur Feststellung eines jährlichen Anspruchs auf Fördermittel; U.v. 5.8.2014 - 10 BV 13.2020 - juris Rn. 20 zur Feststellung von aufenthaltsrechtlichen Rechten im Zusammenhang mit der häufigen Einreise in die Bundesrepublik Deutschland; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 33), oder, wenn eine Strafanzeige oder ein Ordnungswidrigkeitenverfahren o.Ä. droht und sich der jeweilige Beklagte insofern hoheitlicher Eingriffsbefugnisse gegenüber dem jeweiligen Kläger berühmt (vgl. zur sog. Damokles-Rechtsprechung BVerwG, U.v. 23.1.1992 - 3 C 50.89 - juris Rn. 32 ff.; U.v. 23.6.2016 - 2 C 18.15 - juris Rn. 20; VGH Kassel, U.v. 17.12.1985 - 9 UE 2162.85 - juris Rn. 58). Das maßgebliche Kriterium zur Bestimmung des Feststellungsinteresses ist somit die Zumutbarkeit weiteren Abwartens des konkreten behördlichen Handelns, das der jeweilige Kläger durch die Feststellung, dass die Behörde hierzu nicht berechtigt sei, abwehren möchte (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 5.2.2019 - 2 LC 365.18 - juris Rn. 27; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 104, 106).
81
bb) Vorliegend ist weder dargetan noch ersichtlich, dass der Klägerin irreparable, d.h. nachträglich nicht mehr regulierbare Nachteile drohten, wenn sie auf nachträglichen (vorläufigen) Rechtsschutz gegen künftiges Handeln der Beklagten zur Durchsetzung der von der Klägerin in der Vereinbarung und der Abwendungserklärung vom 17. Dezember 2018 eingegangenen Verpflichtungen im Hinblick auf die Wohnung Nummer 5 im Vordergebäude …straße 16 verwiesen wird.
82
aaa) Zwar kann ein qualifiziertes Feststellungsinteresse vorliegen, wenn ein Beteiligter durch die Feststellungsklage Klarheit über die das Rechtsverhältnis bestimmende Rechtslage schaffen will, um bereits jetzt wirtschaftliche Dispositionen treffen zu können bzw. die Dispositionssicherheit wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur, soweit drohende Rechtseingriffe oder Forderungen oder ähnliche sich auf die wirtschaftlichen Dispositionsmöglichkeiten auswirkende Maßnahmen gegen einen bereits eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder sonstige geschützte Rechte im Raum stehen, der bzw. die ohne die Dispositionsunsicherheit erworben wurde(n) bzw. bei dessen/deren Erwerb die Dispositionsunsicherheit noch nicht erkennbar und diese daher unausweichlich war (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 15 zur Dispositionsunsicherheit für den Betrieb von bei Änderung des Spielhallengesetzes bereits genehmigten und betriebenen Spielhallen; BayVGH, U.v. 10.7.2006 - 22 BV 05.457 - juris Rn. 32, wo explizit auf die Gefahr behördlicher Eingriffe in einen bereits eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb abgestellt wird; VGH Kassel, U.v. 17.12.1985 - 9 UE 2162.85 - juris Rn. 57 zur Dispositionsunsicherheit für einen ebenfalls bereits bestehenden Betrieb und dessen Werbeauftritte). Eine Dispositionsunsicherheit aufgrund eines streitigen Rechtsverhältnisses, mit der der Betroffene bereits bei Erwerb des Betriebs o.Ä. von Anfang an konfrontiert war und seine Dispositionsmöglichkeiten insofern in erkennbarer Weise von Anfang an belastet waren und auf die er sich dennoch bewusst bzw. trotz objektiver Erkennbarkeit eingelassen hat, ist nicht schutzwürdig und vermag daher ein (qualifiziertes) Feststellungsinteresse als Ausprägung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses nicht zu begründen.
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(1) Vorliegend war der Kaufvertrag zwischen der Klägerin und den Verkäufern des Grundstücks …straße 16 zum Zeitpunkt der Abgabe der Abwendungserklärung und des Abschlusses der Vereinbarung vom 17. Dezember 2018 bereits geschlossen, so dass im Hinblick auf das „Ob“ und auch die Bedingungen des Kaufvertrags keine Unsicherheit mehr bestand. Ebenso wurde der Kaufvertrag ausweislich der dort getroffenen Regelungen für den Fall der Ankündigung und der Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts durch die Beklagte in dem Bewusstsein geschlossen, dass ein gesetzliches Vorkaufsrecht im Raum steht und die von der Klägerin getätigte Investition insofern noch scheitern bzw. - je nach Ausgestaltung der Abwendungserklärung, zu deren Abgabe sich die Klägerin gegenüber den Verkäufern in Ziffer 7.5 des Kaufvertrags ausdrücklich ohne die Möglichkeit eines Aushandelns des Inhalts mit der Beklagten verpflichtete bzw. sie sogar die Verkäufer bevollmächtigte - jedenfalls in ihrer konkreten Ausgestaltung noch verändert werden kann. Die Klägerin hat die Abwendungserklärung vom 17. Dezember 2018 und ist die Vereinbarung mit der Beklagten vom selben Tag - insbesondere ausweislich der vorangegangenen Bemühungen um eine Änderung des Inhalts der Abwendungserklärung - in voller Kenntnis bzw. zumindest Erkennbarkeit von deren bzw. dessen Inhalt und damit auch deren bzw. dessen Auswirkungen auf die Rentabilität ihres getätigten Grundstückskaufgeschäfts abgegeben bzw. eingegangen, ohne hierzu gegenüber der Beklagten auch nur ansatzweise verpflichtet gewesen zu sein. Für die Klägerin war bereits zum Zeitpunkt der Abgabe der Abwendungserklärung in vollem Umfang ersichtlich, worauf sie sich in wirtschaftlicher Hinsicht - gerade im Hinblick auf die Höhe der mit der Investition erzielbaren Einnahmen bzw. drohende Vertragsstrafen - durch die gegenüber der Beklagten eingegangenen Verpflichtungen zur Abwendung von deren Vorkaufsrecht einlässt. Ihr hätte es gerade in Anbetracht der in der Abwendungserklärung vorgesehenen Einschränkungen bei der Gewinnerzielung im Verhältnis zur Beklagten ohne Weiteres offen gestanden, von der Abgabe einer Abwendungserklärung abzusehen und der Beklagten die Ausübung ihres Vorkaufsrechts zu ermöglichen. Der begrenzte Zeitraum, der für die Abgabe einer Abwendungserklärung zur Verfügung steht, folgt aus § 28 Abs. 2 Satz 1 Baugesetzbuch (BauGB), wobei sich vorliegend die Klägerin gemäß Ziffer 7.5 des Kaufvertrags zudem gegenüber ihren Verkäufern verpflichtet hatte, keine Verlängerung der Frist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 BauGB zu beantragen. Der von der Klägerin verspürte zeitliche Druck zur der Abgabe einer Abwendungserklärung wurde folglich nicht von der Beklagten ausgeübt. Die im Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte im Raum stehende Vorfälligkeitsentschädigung hätte die Klägerin im Fall der Annahme der Rechtswidrigkeit des Vorkaufsrechts im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs geltend machen können. Dass ein dahingehender Erfolg - insbesondere wegen der Notwendigkeit der Anfechtung des Vorkaufsrechts (§ 839 Abs. 3 BGB), in deren Rahmen auch das Ausreichen einer von der Klägerin angebotenen bzw. abgegebenen, von der Beklagten jedoch nicht für ausreichend erachteten Abwendungserklärung geklärt werden kann - regelmäßig eine nicht ganz unerhebliche Zeit in Anspruch nimmt und zudem mit Unsicherheiten behaftet ist, war für die Klägerin wegen ihrer Kenntnis von dem im Raum stehenden Vorkaufsrecht bereits bei Abschluss des Kaufvertrags erkennbar.
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Daraus, dass sich die Klägerin vorliegend im notariellen Kaufvertrag gegenüber den Verkäufern verpflichtet hat, eine Abwendungserklärung nach Maßgabe der Forderungen der Beklagten abzugeben, und sie die Abwendungserklärung am 17. Dezember 2018 insofern nicht ohne jegliche Verpflichtung hierzu und ohne jeglichen Zwang abgegeben hat, folgt nichts anderes, da das berechtigte Feststellungsinteresse gerade gegenüber dem jeweiligen Klagegegner bestehen muss (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.1997 - 8 C 23.96 - juris Rn. 17 m.w.N.). Die in Ziffer 7.5 des Kaufvertrags gegenüber ihren Verkäufern eingegangene Verpflichtung ändert nichts daran, dass die Klägerin die Abwendungserklärung vom 17. Dezember 2018 und die Vereinbarung mit der Beklagten vom selben Tag ohne Verpflichtung gegenüber der Beklagten und mit der Möglichkeit, von den Erklärungen abzusehen und der mit ihnen verbundenen Dispositionsunsicherheit auszuweichen, abgegeben hat bzw. eingegangen ist und sie sich insofern allein durch ihr eigenes Tun in die bestehende, von Anfang an mit Dispositionsunsicherheiten verbundene und insofern nicht per se schutzwürdige Lage gebracht hat.
85
In einem solchen Fall vermag die Dispositionsunsicherheit, die aus der streitgegenständlichen Frage der Wirksamkeit von von der Klägerin im Hinblick auf die Wohnung Nummer 5 im Vordergebäude …straße 16 eingegangenen Verpflichtungen in Ziffer III der Abwendungserklärung folgt, trotz im Raum stehender Verwirkung einer Vertragsstrafe im Fall der Vertragsverletzung (vgl. Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339 Rn. 547 <Stand: Neubearbeitung 2015>) ein schutzwürdiges qualifiziertes Feststellungsinteresse nicht zu begründen. Die vorliegend bestehende Unsicherheit - die die Frage der Berechtigung der Klägerin zur einfacheren Erzielung höherer Mieteinnahmen betrifft - geht nicht über die Unsicherheit hinaus, die üblicherweise mit einem möglicherweise vertragsverletzenden Verhalten verbunden ist. Diese allein reicht jedoch entsprechend der grundsätzlichen Ausgestaltung des subjektiven Rechtsschutzes als nachträglichem Rechtsschutz nicht aus, um ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse zu begründen, zumal auch im Bereich öffentlich-rechtlicher Verträge Vertragsfreiheit besteht und die Vertragsparteien damit - wie auch vorliegend - frei entscheiden können, ob und mit welchem Inhalt sie eine vertragliche Vereinbarung eingehen. Das Anliegen, der Klägerin einen Vertragsverstoß zu erleichtern, indem man ihr die „Angst“ vor der Vertragsstrafe oder der Geltendmachung von sonstigen Ansprüchen des Vertragspartners aufgrund der Vertragsverletzung nimmt, vermag kein (qualifiziertes) Feststellungsinteresse zu begründen (vgl. Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339 Rn. 547 <Stand: Neubearbeitung 2015>). Dasselbe gilt im Hinblick auf mögliche Schadensersatzansprüche Dritter gegenüber der Klägerin, die möglicherweise dadurch entstehen, dass die Klägerin diesen gegenüber Verpflichtungen, die gegenüber der Beklagten vertragswidrig sind, nicht dauerhaft erfüllen kann. Andernfalls wäre es gerade bei auf Dauer angelegten Rechtsverhältnissen, beispielsweisen Gesellschaftsverträgen, regelmäßig als das Mittel der Wahl anzusehen, unmittelbar nach Vertragsschluss und bereits vor Aufkommen eines konkreten Streits über Rechte bzw. Pflichten von Gesellschaftern eine allgemeine Klärung der Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrags zur Vermeidung künftiger Streitigkeiten und insbesondere der unberechtigten Inanspruchnahme von einzelnen Gesellschaftern durch die Gesellschaft herbeizuführen. Es würde jedoch die Leistungsfähigkeit der Gerichte bei Weitem übersteigen (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.2015 - 1 B 36.15 - juris Rn. 5 zum Schutzzweck der Sachurteilsvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses), wenn Verträge unabhängig vom Bestehen konkreter Streitigkeiten um konkrete Vertragspflichten abstrakt und vorab - vorsorglich und zur Prävention künftiger konkreter Auseinandersetzungen - auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden könnten und müssten. Dementsprechend wird auch in der Kommentarliteratur die Frage der Nichtigkeit eines Vertrags jedenfalls grundsätzlich nicht als Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO angesehen (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 16, 17, 20).
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(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine im Raum stehende Verwirkung einer Vertragsstrafe ebenso wie eine im Raum stehende Schadensersatzpflicht gegenüber Dritten auch nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen eine Strafanzeige oder ein Ordnungswidrigkeitenverfahren droht und für die ein für vorbeugenden Rechtsschutz notwendiges qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis bzw. Feststellungsinteresse anerkannt wird. Anders als im Fall eines drohenden Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens oder auch eines drohenden Disziplinarverfahrens (vgl. zur Anerkennung eines qualifizierten Feststellungsinteresses in diesem Fall Happ, in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 33) berühmt sich der eine Vertragspartner im Fall der Geltendmachung einer zuvor vertraglich und damit im Einverständnis beider Vertragsparteien vereinbarten Vertragsstrafe keiner hoheitlichen und damit ohne eigenes Zutun bzw. ausdrückliches Einverständnis begründeten einseitigen Eingriffsbefugnisse gegenüber dem anderen. Derjenige, der sich in einem gerichtlichen Verfahren gegen die Geltendmachung oder Vollstreckung einer Vertragsstrafe oder von Schadensersatzansprüchen wehrt, muss eine dieser zugrundeliegende verwaltungsrechtliche Frage gerade nicht in ihm nicht zumutbarer Weise „von der Anklagebank herab“ und als Beschuldigter, dem ein von der Rechtsordnung allgemein missbilligtes und strafbewehrtes und insofern besonders schwerwiegendes Fehlverhalten vorgeworfen wird, klären lassen (vgl. BVerfG, B.v. 7.4.2003 - 1 BvR 2129/02 - juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 23.6.2016 - 2 C 18.15 - juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 10.7.2006 - 22 BV 05.457 - juris Rn. 32). Er kann dies vielmehr wie ein Beteiligter eines sonstigen den Zivil- oder Verwaltungsgerichten zugewiesenen Verfahrens und damit in zumutbarer Weise tun.
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bbb) Das für die zulässige Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes erforderliche qualifizierte Rechtsschutzinteresse ergibt sich auch nicht daraus, dass mit der Abwendungserklärung der Klägerin vom 17. Dezember 2018 und der Vereinbarung mit der Beklagten vom selben Tag Rechtsverhältnisse begründet wurden, die wiederholt auftreten können, so dass das Bestehen oder Nichtbestehen der damit begründeten Rechte und Pflichten - auch im Hinblick auf die Wohnung Nummer 5 im Vordergebäude …straße 16 - nicht nur einmalig von Interesse ist. Denn auch im Fall eines „Dauerrechtsverhältnisses“ setzt die Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes voraus, dass es zwischen den Beteiligten des Rechtsverhältnisses bereits einmal zu einem hinreichend konkreten Streit über das Bestehen bzw. Nichtbestehen von Rechten bzw. Pflichten aus dem Rechtsverhältnis im oben beschriebenen Sinne gekommen ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2008 - 4 ZB 07.997 - juris Rn. 1, 6 zur Feststellung eines jährlichen Anspruchs auf Fördermittel, nachdem der Zuschussbetrag bereits einmal abgelehnt wurde; U.v. 5.8.2014 - 10 BV 13.2020 - juris Rn. 2, 20 zur Feststellung von aufenthaltsrechtlichen Rechten im Zusammenhang mit der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland, nachdem die Einreise bereits einmal verweigert worden ist; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 33). Andernfalls stehen auch im Fall eines „Dauerrechtsverhältnisses“ nur abstrakte Rechtsfragen im Raum, deren Klärung die Feststellungsklage nicht dient.
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ccc) Ferner stehen der Klägerin auch ohne die Möglichkeit vorbeugenden Rechtsschutzes trotz drohender Vertragsstrafe effektive Rechtsschutzmöglichkeiten offen und ist ihr insofern ein Abwarten des nachträglichen Rechtsschutzes zumutbar. Insbesondere steht der Klägerin im Fall der möglicherweise drohenden Vollstreckung von von aus Sicht der Beklagten verwirkten Vertragsstrafen neben einer Klage auf Feststellung, dass die Vertragsstrafe nicht verwirkt und fällig geworden ist (vgl. VG München, U.v. 28.11.2016 - M 8 K 15.3460 - juris Rn. 29; U.v. 5.3.2018 - M 8 K 16.2803 - juris Rn. 44), insbesondere auch die Möglichkeit (nachträglichen) vorläufigen Rechtsschutzes in Form eines Antrags gemäß § 123 Abs. 1 VwGO offen, die Beklagte zu verpflichten, die Zwangsvollstreckung der Vertragsstrafe vorläufig einzustellen. Insofern ist es für die Frage eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses auch unerheblich, wie hoch eine ohne Vorabklärung der Rechtslage drohende Vertragsstrafe ist. Es besteht, soweit ersichtlich, kein Grund für die Annahme, bei einer Antragstellung nach § 123 Abs. 1 VwGO würde der Klägerin ausreichender Rechtsschutz gegen (künftige) Maßnahmen der Zwangsvollstreckung der Beklagten nicht mehr rechtzeitig gewährt. Eine Schaffung vollendeter Tatsachen ist insoweit nicht zu befürchten; die Effektivität nachträglichen (vorläufigen) Rechtsschutzes ist ebenfalls nicht zweifelhaft. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist nicht anzunehmen, dass das Verwaltungsgericht den Rechtsschutzanspruch der Klägerin dadurch infrage stellt, dass über derartige Anträge der Klägerin nicht unverzüglich nach Eintritt der Entscheidungsreife entschieden wird (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.1992 - 21 CE 92.949 - juris Rn. 6).
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ddd) Allein die Erwägung, dass es möglicherweise prozessökonomischer wäre und gegebenenfalls spätere - auch gerichtliche - Auseinandersetzungen vermeiden könnte, wenn die Rechtslage, d.h. die Wirksamkeit der Vereinbarung vom 17. Dezember 2018 und der Abwendungserklärung der Klägerin vom selben Tag auch nur teilweise und allein im Hinblick auf die Wohnung Nummer 5 des Vordergebäudes …straße 16 gerichtlich vorab abstrakt geklärt würde, lässt die Inanspruchnahme nachträglichen (vorläufigen) Rechtsschutzes nicht als unzumutbar erscheinen und vermag insbesondere keine erheblichen, später nicht mehr zu beseitigenden und einen Eingriff in das Prinzip der Gewaltenteilung rechtfertigenden Nachteile der Klägerin zu begründen. Zwar ist es der Klägerin entgegen der Ansicht der Beklagten nicht grundsätzlich verwehrt, einen von ihr abgeschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag und eine abgegebene Abwendungserklärung für rechtswidrig zu halten und eine Klärung der Wirksamkeit der darin von ihr eingegangenen Verpflichtungen auf dem Rechtsweg anzustreben. Daran ist sie insbesondere auch nicht dadurch gehindert, dass sie in der Vereinbarung vom 17. Dezember 2018 hinsichtlich der von ihr abgegebenen Abwendungserklärung auf die Einwendung des Nichtvorliegens der Voraussetzungen eines Vorkaufsrechts verzichtet hat. Dies ist zum einen dadurch bedingt, dass die Wirksamkeit der abgegebenen Abwendungserklärung auch von anderen Voraussetzungen als denen eines bestehenden Vorkaufsrechts abhängen kann. Zum anderen unterliegt die Frage der Wirksamkeit eines Einwendungsverzichts ebenfalls der gerichtlichen Überprüfung. Allerdings steht dem Einzelnen innerhalb der Systems des Individualrechtsschutzes in der deutschen Rechtsordnung und auch in der Verwaltungsprozessordnung diese Möglichkeit nicht schon allein aufgrund des Wunsches nach einer möglichst frühzeitigen und umfassenden Klärung der Wirksamkeit gerade einer Mehrzahl eingegangener (vertraglicher) Verpflichtungen offen, solange sich der eine Vertragspartner noch nicht berühmt, vom anderen auf der Grundlage des Vertrags ein bestimmtes Verhalten verlangen zu können. Eine derartige Vorverlagerung des Rechtsschutzes auf eine abstrakte Vertragskontrolle, ohne dass es bereits zu einem konkreten, der vertraglichen Vereinbarung (zumindest möglicherweise) widersprechenden Verhalten gekommen ist, das vom anderen Vertragspartner als nicht berechtigt aufgefasst wird und aufgrund dessen er die ihm in diesem Fall (vermeintlich) zustehenden Maßnahmen ergreift bzw. dies zumindest ankündigt - was keineswegs stets der Fall sein muss -, ist dem grundsätzlich auf nachträglichen Individualrechtsschutz ausgelegten Rechtsschutzsystem der deutschen Rechtsordnung und auch der Verwaltungsgerichtsordnung fremd (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2016 - 2 C 18.15 - juris Rn. 19; OVG Münster, U.v. 9.5.2017 - 13 A 1035.15 - juris Rn. 43; VG München, U.v. 25.7.2002 - M 29 K 99.4233 - juris Rn. 19). Dementsprechend besteht für eine Klage auf Feststellung des (Fort-)Bestehens bzw. Nicht(fort) bestehens eines vertraglichen Verhältnisses als solchem grundsätzlich erst im Fall eines konkreten Streits um die Wirksamkeit einer Vertragsbeendigung ein berechtigtes Feststellungsinteresse (so zum Fall einer konkret streitigen Vertragskündigung BayVGH, U.v. 15.3.2019 - 22 A 16.40010, 22 A 17.40003 - juris Rn. 10 f., 31; VGH Mannheim, U.v. 14.8.1992 - 10 S 816.91 - juris Rn. 4 f., 16; VG Düsseldorf, U.v. 16.6.2008 - 5 K 2746.08 - BeckRS 2008, 39407; VG Schleswig, U.v. 14.11.2017 - 3 A 14.17 - juris Rn. 9, 18, 22, 71, 76).
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eee) Darüber hinaus ist bei der Frage der Zumutbarkeit des weiteren Abwartens eines konkreten behördlichen Handelns, das die Klägerin durch die Feststellung des Nichtbestehens zumindest von Teilen der in der am 17. Dezember 2018 abgegebenen Abwendungserklärung eingegangenen Verpflichtungen im Hinblick auf die Wohnung Nummer 5 im Vordergebäude …straße 16 abwehren möchte, zu berücksichtigen, dass die Frage der Wirksamkeit konkreter vertraglicher Regelungen im Fall eines Rechtsstreits um die aus einer konkreten Vertragsverletzung folgenden Rechte bzw. Pflichten regelmäßig eine entscheidungserhebliche Vorfrage ist, die im Rahmen eines insoweit entstehenden konkreten Rechtsstreits inzident und - unter den Voraussetzungen des § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 256 Abs. 2 ZPO, die auch im Verwaltungsprozess gelten (vgl. BayVGH, U.v. 22.12.1998 - 1 B 94.3288 - juris Rn. 76 ff.; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 6) - auch mit Rechtskraftwirkung geklärt werden kann (vgl. Rieble, in: Staudinger, BGB, § 339 Rn. 549 <Stand: Neubearbeitung 2015>). Hierbei wird zudem das für eine Feststellungsklage grundsätzlich notwendige Feststellungsinteresse durch die Vorgreiflichkeit ersetzt (vgl. BGH, U.v. 17.5.1977 - VI ZR 174.74 - NJW 1977, S. 1637; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 6).
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3. Schließlich vermag auch das von der Klägerin geltend gemachte Präjudizinteresse für einen künftigen Schadensersatz- bzw. Amtshaftungsprozess vor den Zivilgerichten die Zulässigkeit der vorliegend am Ende der mündlichen Verhandlung noch rechtshängigen Feststellungsklage nicht zu begründen; sie ist insofern jedenfalls wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO unzulässig.
92
Für eine Feststellungsklage nach § 43 VwGO zur Vorbereitung eines Amtshaftungs- bzw. Schadensersatzprozesses besteht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO - d.h. der vorliegend nicht gegebenen Erledigung eines Verwaltungsaktes bzw. eines Anspruchs auf Erlass eines Verwaltungsaktes (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) nach Klageerhebung - grundsätzlich kein Bedürfnis, weil die aufgeworfene Rechtsfrage in dem beabsichtigten Zivilprozess als Vorfrage geklärt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.1.1989 - 8 C 30.87 - juris Rn. 9; U.v. 24.1.1992 - 7 C 24.91 - juris Rn. 11). Die Subsidiarität der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO gilt wegen der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Rechtswege „rechtswegübergreifend“, d.h. auch dann, wenn die mit der Feststellungsklage konkurrierende Klage vor dem Zivilgericht zu erheben ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.10.1985 - 4 C 21.80 - juris Rn. 41; U.v. 12.7.2000 - 7 C 3.00 - juris Rn. 12; B.v. 19.3.2014 - 6 C 8.13 - juris Rn. 13).
93
Eine Ausnahme hiervon gilt nur, wenn der jeweilige Kläger mit einer Feststellungsklage zunächst primären Rechtsschutz begehrt hat, sich dieses Begehren aber nach Klageerhebung erledigt und er sich nunmehr nur noch auf die Geltendmachung von Ausgleichs- und Ersatzansprüchen verwiesen sieht. In diesen Fällen kann auch das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der alsbaldigen Feststellung ausnahmsweise mit der Absicht, Ersatzansprüche gegen den Staat geltend zu machen, begründet werden (vgl. BVerwG, U.v. 11.3.1993 - 3 C 90.90 - juris Rn. 37 f.; U.v. 8.12.1995 - 8 C 37.93 - juris Rn. 24; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 43 Rn. 35 <Stand der Kommentierung: 17. EL Oktober 2008>). Denn in diesem Fall greift - wie im Fall einer Erledigung im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nach Klageerhebung - der Rechtsgedanke, dass eine Partei nicht ohne Not um die Früchte des bisherigen Prozesses gebracht werden darf, insbesondere dann nicht, wenn das Verfahren unter entsprechendem Aufwand einen bestimmten Stand erreicht hat und sich mit der Erledigung des ursprünglichen Antrags die Frage stellt, ob dieser Aufwand nutzlos gewesen sein soll und der Kläger der Erledigung wegen in diesem Fall leer ausgehen muss (vgl. BVerwG, U.v. 20.1.1998 - 8 C 30.87 - juris Rn. 9 m.w.N.).
94
Eine solche Konstellation ist vorliegend allerdings nicht gegeben, weil eine Erledigung eines Rechtsschutzbegehrens nicht im Raum steht. Insofern ist die Klägerin im Hinblick auf die von ihr angedeuteten Schadensersatzansprüche gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO insgesamt auf den entsprechenden Schadensersatzprozess vor den Zivilgerichten zu verweisen.
95
Da das von der Klägerin angesprochene Präjudizinteresse wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Zulässigkeit der Klage nicht begründen kann, war die Frage, ob die Wohnung Nummer 5 im Vordergebäude …straße 16 aufgrund der in Ziffer III Absatz 1 der Abwendungserklärung eingegangenen Verpflichtung, nur an Personen neu zu vermieten, die eine Bescheinigung des Amtes für Wohnen und Migration vorlegen können, seit 1. Juni 2020 leer steht und der Klägerin daher ein Schaden entstanden ist, nicht entscheidungserheblich. Der auf die Feststellung dieser Tatsache abzielende Beweisantrag 3 war daher mangels rechtlicher Relevanz (vgl. Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 70) abzulehnen.
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4. Nach alledem ist Klage auf Feststellung, dass die Klägerin die Wohnung Nummer 5 des Vordergebäudes …straße 16 zu einem höheren Mietzins als 11,50 € vermieten darf, dass sie die Wohnung Nummer 5 des Vordergebäudes …straße 16 an Mietinteressenten, die keine Bescheinigung des Amtes für Wohnen und Migration vorlegen, vermieten darf, und dass sie die Wohnung Nummer 5 des Vordergebäudes …straße 16 an Mietinteressenten, die nicht die Voraussetzungen des aktuellen Stadtratsbeschlusses „Wohnen in München“ erfüllen, vermieten darf, unzulässig.
97
Die Beweisanträge 2 und 3 zielten auf Fragen ab, die allenfalls für die Begründetheit der bereits unzulässigen Klage relevant sein können. Sie waren daher ebenfalls mangels Entscheidungserheblichkeit abzulehnen.
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Der Beweisantrag 2, mit dem beantragt wurde, Beweis darüber zu erheben, dass das von der Abwendungsklärung betroffene Grundstück im Zeitpunkt des Verkaufs im Einklang mit den Zielen der Erhaltungssatzung genutzt wurde und auch keine städtebaulichen Missstände vorhanden waren, bezieht sich zudem nicht - wie für einen Beweisantrag geboten (vgl. Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 52) - auf eine die Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite einer (möglicherweise im Rahmen der Begründetheit) relevanten Vorschrift betreffende Tatsache, sondern unmittelbar auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Nr. 4 BauGB und damit auf eine Rechtsfrage.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht, soweit die Klage zurückgenommen wurde, auf § 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.