Inhalt

VG München, Urteil v. 25.11.2020 – M 23 K 19.4491
Titel:

Rinderhaltungs- und Betreuungsverbot  

Normenkette:
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3
Leitsätze:
1. Bei der Entscheidung über ein Tierhaltungsverbot kommt dem Tierarzt für die Beurteilung hinsichtlich der Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen und der Frage, ob so Tieren erhebliche Leiden zugefügt wurden, eine vorrangige fachliche Beurteilungskompetenz zu. Schlichtes Bestreiten vermag amtstierärztliche Beurteilungen nicht in Zweifel zu ziehen, sodass die getroffenen veterinärfachlichen Feststellungen allenfalls ausnahmsweise entkräftbar sind. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine strafprozessuale Entscheidung macht eine eigenständige verwaltungsbehördliche Überprüfung der der tierschutzrechtlichen Anordnung zugrundeliegenden Voraussetzungen nicht entbehrlich, da der Maßstab des Strafrechts nicht mit dem im tierschutzrechtlichen Verfahren vergleichbar ist. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rinderhaltungs- und Betreuungsverbot, vorrangige Beurteilungskompetenz, Tierhaltungsverbot, Tierarzt
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 18.05.2021 – 23 ZB 21.351
Fundstelle:
BeckRS 2020, 38362

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen ein tierschutzrechtliches Verbot der Haltung und Betreuung von Rindern nebst angeordneter Bestandsauflösung.
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Seit dem Jahr 2015 betrieb die Klägerin als ausgebildete Landwirtschaftsmeisterin die Rinderhaltung zur Milcherzeugung im Nebenerwerb nach vorangegangenem Vollerwerb. Den zuletzt im Zeitpunkt des Bescheiderlasses bestehenden Bestand von zehn Rindern hat die Klägerin durch Schlachtung am 20. August 2019 aufgelöst.
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Bereits im November 2014 riet das Landratsamt T. (im Folgenden: Landratsamt) der Klägerin zu einer Fütterungsberatung. In der Folge führte das Landratsamt in den Jahren 2015 bis 2019 mehrere tierschutzrechtliche Kontrollen durch, bei denen es insbesondere einen mageren Ernährungszustand einiger Rinder, hygienische Missstände, verdorbene Futtermittel sowie einen zurückgebliebenen körperlichen Entwicklungszustand der Kälber und Jungtiere beanstandete. Auf die jeweiligen Feststellungen des Landratsamts sowie des Landeskuratoriums der Erzeugerringe für tierische Veredelung … … … (im Folgenden: LKV) wird Bezug genommen und nachfolgend beispielhaft eingegangen.
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So ergaben Feststellungen aus dem Jahr 2015 einen mageren Ernährungszustand der Rinder (Bl. 4, 5, 10), die Vorlage schlechten bis verdorbenen Futters (Bl. 10, 55, 39, 66) sowie eine unterbliebene Ausmistung mit der Folge verkoteter und voller Gitterroste, einer überfüllten Güllegrube und einer erheblichen Verschmutzung einiger Kühe (Bl. 4, 39, 41, 66).
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Für das Jahr 2016 stellte das Landratsamt wiederholt Schimmelbildung in der Silage bzw. des oberen Schnitts in einem Fahrsilo fest (Bl. 81, 88). Zwischendurch hatten das Landratsamt sowie das LKV - insbesondere im Zuge der vom Landratsamt mit Bescheid vom 18. Juni 2015 angeordneten Fütterungsberatung sowie weiterer Anordnungen - Verbesserungen festgestellt (betreffend 2015 insbesondere: Bl. 61, 73, 76; betreffend 2016: Bl. 110, 111).
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Im Jahr 2017 erließ das Landratsamt anlässlich erneuter Beanstandungen der Hygiene-, Fütterungs- und Ernährungszustände (Bl. 113, 122, 134,146, 155, 215) mit Bescheiden vom 20. Oktober 2017 (Bl. 139), 12. Dezember 2017 (Bl. 192) und 21. Dezember 2017 (Bl. 239) weitere tierschutzrechtliche Anordnungen.
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Im Jahr 2018 stellte das Landratsamt wiederholt bei vier Kälbern ein zurückgebliebenes Körperwachstum (Bl. 266) sowie bei sechs Tieren einen mangelhaften und in der Folge unveränderten Entwicklungs- und Ernährungszustand fest (Bl. 274, 382). Auch der Hoftierarzt der Klägerin stellte eine nicht altersgerechte Entwicklung von sechs Jungtieren sowie einen mäßigen Ernährungszustand fest, was seiner Ansicht am ehesten auf eine Fütterungsproblematik zurückzuführen sei (Bl. 325, 352). Nach diesen in der ersten Jahreshälfte vorausgegangenen Kontrollen und Beanstandungen stellte das Landratsamt zunächst einen leicht verbesserten (Bl. 419) und schließlich akzeptablen Ernährungszustand der Tiere fest (Bl. 485) bei gleichzeitiger Beanstandung der Vorlage verdorbenen Futters (Bl. 419) und einer übermäßigen Verschmutzung der Tiere (Bl. 485). Der Hoftierarzt stellte einen guten Ernährungszustand der Kälber und einen mäßigen bis guten Ernährungszustand der Kühe fest (Bl. 462).
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Am 6. Juni 2019 stellte das Landratsamt eine erhebliche Verschmutzung der Tiere, Schimmelbildung an den lange nicht abgemisteten Kothaufen sowie einen offensichtlich reduzierten Ernährungszustand fest (Bl. 490 ff. insb. 509, 519). Nachdem das Landratsamt die Klägerin mit Bescheid vom 6. Juni 2019 (Bl. 523) zur Behebung der beanstandeten hygienischen Missstände und zur angemessenen Fütterung aufgefordert hatte, waren die Ausscheidungen bei einer Kontrolle am 7. Juni 2019 entfernt. Bei der am 12. Juni 2019 stattgefundenen angekündigten Kontrolle durch das Landratsamt stellte dieses bei den Tieren mit Ausnahme von zwei Kühen und zwei Milchkälbern einen reduzierten bis deutlich reduzierten Ernährungszustand und bei den Jungtieren einen zurückgebliebenen körperlichen Entwicklungszustand fest (Bl. 532). Milchlieferungen waren zu diesem Zeitpunkt eingestellt. Der bei der Kontrolle anwesende Hoftierarzt stellte bei der überwiegenden Anzahl der Tiere eine hochgradige Verschmutzung der Hintergliedmaßen und einen - abgesehen von den zwei Milchkälbern - stark abgemagerten Ernährungszustand fest. Bei den Kälbern und Jungrindern sei angesichts eines stark zurückgebliebenen Entwicklungs- und Allgemeinzustandes von einer chronischen Unter- und Mangelernährung auszugehen. Normalerweise sei von einem doppelten bis dreifachen des festgestellten Körpergewichts auszugehen. Auch bei den ausgewachsenen Rindern sei angesichts der mittel- bis hochgradigen Abmagerung von einer chronischen Unter- und Mangelernährung auszugehen, auch wenn keines der Tiere an einem akuten Verhungern oder Verdursten leide. Die vorgefundene Situation sei angesichts des Entwicklungszustandes vermutlich seit den letzten ein bis zwei Jahren so. Für den Hoftierarzt ergab sich der Eindruck einer Überforderung der Klägerin (Bl. 626).
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In der tierschutzrechtlichen Stellungnahme vom 26. Juni 2019 (Bl. 630) stellt die Veterinärin des Landratsamts im Wesentlichen erhebliche Schmerzen und Leiden der Rinder fest, die auf eine mindestens Wochen, wahrscheinlicher aber mehrere Monate zurückliegende zu geringe Nährstoffzufuhr und möglicherweise schlechte Futterqualität zurückzuführen seien.
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Das Landratsamt gab der Klägerin mit Schreiben vom 12. Juli 2019 Gelegenheit, sich zum angekündigten Rinderhaltungs- und Betreuungsverbot zu äußern, wovon die Klägerin über ihren Bevollmächtigten mit Schreiben von 2. August 2019 Gebrauch machte.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 5. August 2019 untersagte das Landratsamt der Klägerin die Haltung und Betreuung von Rindern (Ziffer 1 des Bescheids), ordnete die Bestandsauflösung innerhalb von vier Wochen nach Zustellung (Ziffer 2) sowie Modalitäten zur Bestandsauflösung (Ziffer 3) an. Das Landratsamt drohte unmittelbaren Zwang an für den Fall, dass sie Ziffer 2 nicht nachkommt (Ziffer 4) und sie sich der der zwangsweisen Bestandsauflösung widersetzt (Ziffer 6). Gleichzeitig legte das Landratsamt ihr die Kosten des Verfahrens auf und setzte eine Gebühr von 300 Euro fest (Ziffer 7).
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Zur Begründung führte das Landratsamt im Wesentlichen aus, aufgrund der über mehrere Jahre festgestellten tierschutzrechtlichen Verstöße sei von einer Unzuverlässigkeit der Klägerin auszugehen. Es erweise sich vor diesem Hintergrund nicht als erfolgsversprechend, die Klägerin durch weitere zwangsgeldbewehrte Einzelanordnungen zur Einhaltung ihrer tierschutzrechtlichen Verpflichtungen anzuhalten, sodass es pflichtgemäßem Ermessen entspreche, nunmehr unmittelbar zu einer Bestandsauflösung bei gleichzeitigem Haltungs- und Betreuungsverbot überzugehen.
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Mit Schriftsatz vom 2. September 2019 erhob die Klägerin über ihren Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 25. November 2020 das Verfahren im Hinblick auf die ursprünglich auch gegen die Ziffern 2, 3, 4 und 6 des streitgegenständlichen Bescheids gerichtete Klage übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, stellte die Klägerin zuletzt den Antrag,
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die Ziffern 1 und 7 des Bescheids aufzuheben.
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Zur Begründung lässt die Klägerin schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung vortragen, der Bescheid sei aufgrund eines Anhörungsfehlers bereits formell rechtswidrig. So habe das Landratsamt die im Rahmen der im Verwaltungsverfahren über den Klägerbevollmächtigten angekündigte und unter Heranziehung einer Ernährungsberaterin bereits begonnene Umstellung der Rinderhaltung auf Mast sowie die ohnehin für Oktober 2019 geplante Auflösung des zu diesem Zeitpunkt mit einer Anzahl von zehn Rindern bestehenden Tierbestandes ebenso unberücksichtigt gelassen wie die am 4. Juli und 26. Juli 2019 festgestellten Verbesserungen des Body Condition Score (Beurteilung der Körperkondition - BCS). Da die Anordnung somit zur Unzeit komme, sei der Bescheid in der Sache unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft. Auch sei insbesondere anhand der zuletzt eingetretenen Verbesserungen in der Rinderhaltung eine positive Zukunftsprognose gegeben. Letztlich seien tierschutzrechtliche Verstöße und die daraus folgenden Schmerzen und Leiden nicht nachgewiesen und die vom Landratsamt festgestellten BCS-Werte fehlerhaft.
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Der Beklagte trat der Klage schriftsätzlich am 16. Januar 2020 und in der mündlichen Verhandlung entgegen und beantragte
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Klageabweisung.
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Am 16. Oktober 2019 hat die Staatsanwaltschaft Traunstein das gegen die Klägerin geführte Ermittlungsverfahren im Hinblick auf vor dem 12. Juni 2019 erfolgte tierschutzrechtliche Kontrollen gem. § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) aufgrund nicht sicherem Tatnachweis eingestellt. Das im Übrigen geführte - die veterinärfachlichen Feststellungen zur Kontrolle vom 12. Juni 2019 betreffende - strafrechtliche Verfahren war zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht abgeschlossen.
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Am 25. November 2020 fand die mündliche Verhandlung statt. Hierbei legten die Beklagtenvertreter eine Zusammenfassung eines Schlachtberichts vor, der elf Rinder der Klägerin betrifft. Auch die Klägerin legte Unterlagen vor. Hierauf wird jeweils Bezug genommen. Die Beklagtenvertreter ergänzten den Bescheid in Ziffer 1 dahingehend, dass Betreuungen unter Aufsicht des verantwortlichen Halters ausgenommen bleiben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts-, die vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit im Hinblick auf die Ziffern 2, 3, 4 und 6 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, was das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 VwGO analog einzustellen.
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Die damit nur noch gegen das in Ziffer 1 angeordnete Rinderhaltungs- und Betreuungsverbot und die in Ziffer 7 verfügte Kostenentscheidung gerichtete zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der auf § 16a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 TierSchG beruhende Bescheid ist formell rechtmäßig. Auch wenn der Klägerbevollmächtigte eine Verletzung der gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG obligatorischen Anhörung rügt, da das Landratsamt seine mit Schreiben vom 2. August 2019 vorgebrachten Argumente weder gewürdigt noch bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt habe, ist jedenfalls im gerichtlichen Verfahren gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG Heilung eingetreten, nachdem sich die Beklagtenvertreter inhaltlich mit den Argumenten der Klägerin schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung befasst haben.
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Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Das Gericht folgt der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und sieht von einer über die nachfolgenden Erwägungen hinausgehenden eigenständigen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
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Nach § 16a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG wiederholt oder grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird.
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Hierbei ist zur Beurteilung der materiellen Rechtmäßigkeit der nach § 16a Abs. 1 Satz TierSchG getroffenen tierschutzrechtlichen Anordnungen - der gesetzgeberischen Wertung des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Hs. 2 TierSchG folgend - auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen (OVG Lüneburg, U.v. 20.4.2016 - 11 LB 29/15 -, juris Rn. 35 m.w.N.; VG München, U.v. 6.7.2016 - M 23 K 16.315 - juris Rn. 38), vorliegend also mit Bescheiderlass auf den 5. August 2019.
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Den in der veterinärfachlichen Stellungnahme vom 26. Juni 2019 getroffenen Feststellungen zu den erheblichen tierschutzrechtlichen Verstößen vermochte die Klägerin nicht substantiiert entgegenzutreten. Die aus veterinärfachlicher Sicht bestehenden und dem Gericht zweifelsfrei belegten über etwa vier Jahre dokumentierten Verstöße gegen § 2 TierSchG hat die Klägerin nicht entkräftet, indem sie sich unter vollumfänglichen Bestreiten der veterinärfachlich festgestellten Verstöße gegen eine tierschutzgerechte Ernährung und Pflege und die damit einhergegangenen langanhaltenden erheblichen Schmerzen und Leiden auf eine Besserung des Ernährungszustandes seit Juli 2019 stützt. Bei der Entscheidung über ein Tierhaltungsverbot kommt dem für die Verwaltungsbehörde tätigen Tierarzt für die Beurteilung sowohl hinsichtlich des Vorliegens grober oder wiederholter Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen, als auch hinsichtlich der Frage, ob so Tieren erhebliche und länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt wurden, eine vorrangige fachliche Beurteilungskompetenz zu (§ 15 Abs. 2 TierSchG). Schlichtes Bestreiten vermag amtstierärztliche Beurteilungen deshalb nicht in Zweifel zu ziehen, geschweige denn zu widerlegen, sodass die getroffenen veterinärfachlichen Feststellungen allenfalls ausnahmsweise durch fundierte veterinärfachliche Auseinandersetzung entkräftbar wären (vgl. etwa BayVGH, B.v. 13.5.2014 - 9 CS 14.1207 - juris; BayVGH, B.v. 31.1.2017 - 9 C 16.2023 - juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 14.7.2020 - 23 CS 20.1087 - juris Rn. 7; Hirt/Maisack/Moritz, 3. Aufl. 2016, TierSchG § 16a Rn. 46).
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Zwar ist dem Klägerbevollmächtigten darin zuzustimmen, dass sich die BCS-Werte bei den zuletzt gehaltenen ca. 10 Rindern jeweils etwa einen Monat vor Bescheiderlass grundsätzlich verbessert haben. Angesichts der in den vergangenen Jahren durch die für die Verwaltungsbehörde tätigen Tierärzte festgestellten Verstöße, die im Übrigen durch den Hoftierarzt der Klägerin (zuletzt am 12. Juni 2019) noch dazu von dritter Seite bestätigt wurde, sind die bereits vor Juli 2019 (seit 2015) dokumentierten und festgestellten Verstöße keineswegs entkräftet. Denn die vorgebrachten BCS-Werte beziehen sich auf einen nachgelagerten Zeitpunkt, ohne dass sich hieraus Schlüsse auf ein angebliches Nichtvorliegen tierschutzrechtlicher Verstöße und erheblicher und langanhaltender Schmerzen und Leiden ergeben. Vielmehr bestätigt der starke Anstieg den bislang vorhandenen grundlegend unterernährten Ernährungszustand, der sich bei den Kälbern und den Jungrindern ausweislich veterinärfachlicher Stellungnahme und des Privattierarztes auch auf deren Entwicklungszustand ausgewirkt hatte. Dies hat das Landratsamt zuletzt auch schriftsätzlich am 16. Januar 2020 unter Bezugnahme auf ihre strafrechtliche Stellungnahme nachvollziehbar dargelegt. Nicht zuletzt die vom Schlachthof vorgelegten Daten weisen für die am 23. Juli und 20. August 2019 geschlachteten Rinder, also selbst nach Beginn der klägerseits vorgetragenen Ernährungsumstellung auf Mast, nahezu durchgehend eine erheblich unterdurchschnittliche Gesamtmasse bei nahezu allen Rindern auf.
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Die durch die Staatsanwaltschaft Traunstein verfügte Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO ist im vorliegenden Verfahren keinesfalls - wie der Klägerbevollmächtigte meint - präjudiziell dafür, dass den Tieren keine Leiden und Schmerzen zugefügt worden wären. So sind zum einen von der Einstellung durch die Staatsanwaltschaft ausdrücklich die veterinärfachlichen Feststellungen zur Kontrolle vom 12. Juni 2019 ausgenommen. Zum anderen macht eine strafprozessuale Entscheidung nicht eine eigenständige verwaltungsbehördliche bzw. verwaltungsgerichtliche Überprüfung der der tierschutzrechtlichen Anordnung zugrundeliegenden Voraussetzungen entbehrlich, da der Maßstab des Strafrechts nicht mit dem vorliegenden tierschutzrechtlichen Verfahren vergleichbar ist (vgl. VG Arnsberg, U.v. 2.5. 2016 - 8 K 116/14 - juris Rn. 137, 147). Dies ergibt sich bereits daraus, dass dem vorliegenden und gerade auf Gefahrenprävention gerichteten Verfahren ein subjektives Element fremd ist, wohingegen dieses im Strafrecht - auch aufgrund des dortigen repressiven Charakters - zum Tatnachweis grundsätzlich erforderlich ist (§ 15 StGB).
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Auch soweit der Klägerbevollmächtigte mit Verweis auf die zuletzt eingetretene Verbesserung des Ernährungszustandes und der Umstellung auf eine Masthaltung darauf hinaus möchte, dass zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung keine genügenden Anhaltspunkte für zukünftige Zuwiderhandlungen gegeben wären, folgt das Gericht dem nicht. Vielmehr teilt das Gericht die vom Landratsamt angestellte Negativprognose auch unter Einbeziehung dieser zuletzt bis zum Bescheiderlass eingetretenen Verbesserungen. Denn angesichts der in den letzten vier Jahren fortwährend festgestellten und im Wesentlichen gleichartigen Verstöße genügt dieser kurze Zeitraum von lediglich etwa einen Monat (bis zum Bescheiderlass) nicht, um nunmehr von einer positiven Zukunftsprognose ausgehen zu können. Denn die festgestellten massiven Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften und gegen behördliche Anordnungen erlauben grundsätzlich die Untersagung der Haltung und Betreuung von Tieren (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2019 - 23 ZB 18.756 - juris Rn. 8; B.v. 30.4.2019 - 23 CS 19.662 - juris Rn. 5). Die vorliegende Kette von Verfehlungen gegen § 2 TierSchG rechtfertigt die Annahme weiterer Verstöße, auch wenn es in der Zwischenzeit Verbesserungen in der Tierhaltung gegeben haben mag. Für die Prognose ist auf den hypothetischen Geschehensverlauf - bei unterstelltem Nichteinschreiten der Behörde - abzustellen. Auch die vereinzelte bzw. kurzfristige Behebung einzelner Mängel schließt die Untersagung nicht aus, wenn - wie hier - insgesamt eine ersichtlich fortgesetzte Kette von Verstößen gegeben war. Auch ein Wohlverhalten unter dem Druck eines laufenden behördlichen bzw. gerichtlichen Verfahrens ist grundsätzlich nicht geeignet, die Gefahrenprognose zu erschüttern (BayVGH, B.v. 30.4.2019 - 23 CS 19.662 - juris Rn. 6; VGH BW, B.v. 17.3.2005 - 1 S 381/05 - juris Rn. 4; VG Würzburg, B.v. 19.4.2011 - W 5 S 11.242 - juris Rn. 49; Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 48).
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Eben diesen Eindruck des Wohlgefallens unter Druck erweckt aber gerade das Verhalten der Klägerin. So ist zwar aus der Chronologie seit dem Jahr 2015 erkennbar, dass die Klägerin durchaus und immer wieder Verbesserungen ihrer Tierhaltung aufweisen konnte, nachdem das Landratsamt Beanstandungen oder verbindliche Anordnungen getroffen hatte. Es war und ist aber nicht Aufgabe des Landratsamts, durch fortwährende Kontrollen und Anordnungen eine tierschutzgerechte Haltung herzustellen und aufrechtzuerhalten. Angesichts der sich nach Verbesserungen in der Tierhaltung jedoch stets wieder fortgesetzten sowie zur Überzeugung des Gerichts ausreichend dokumentierten Verstöße gegen tierschutzrechtliche Verpflichtungen sind die erst jüngst festgestellten und dokumentierten Verbesserungen der BCS-Werte keinesfalls geeignet, eine negative Zukunftsprognose zu erschüttern.
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Auch hat das Landratsamt die gesetzlichen Grenzen des durch § 16a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 TierSchG eröffneten Ermessens nicht überschritten, vgl. § 114 Abs. Satz 1 VwGO. Die Untersagung ist verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei.
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Angesichts der Vielzahl der seit mehreren Jahren festgestellten tierschutzrechtlichen Verstöße und den mehrfach von Seiten des Landratsamts erfolgten Anordnungen ist nicht ersichtlich, welche anderen, milderen Maßnahmen ernstlich in Betracht kommen könnten, um weitere tierschutzrechtliche Verstöße in Zukunft sicher ausschließen zu können (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2018 - 9 ZB 16.2467 - juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 30.4.2019 - 23 CS 19.662 - juris Rn. 5), zumal die Beklagtenvertreter den Bescheid in Ziffer 1 in der mündlichen Verhandlung dahingehend abgeändert haben, dass Betreuungen unter Aufsicht des verantwortlichen Halters erlaubt sind. Es ist auch kein Ermessensdefizit darin zu sehen, dass das Verbot - wie der Klägerbevollmächtigte meint - zur Unzeit, nämlich kurz vor einer eigenständig von der Klägerin geplanten Bestandsauflösung, ausgesprochen wurde. Zum einen hatte die Klägerin eine Bestandsauflösung bereits in der Vergangenheit für Ende 2015 angekündigt (vgl. Bl. 5), ohne jedoch ihren Worten Taten folgen zu lassen. Zudem bleibt die angekündigte - ausschließlich auf den konkreten Rinderbestand gerichtete - Bestandsauflösung hinter dem angeordneten Haltungs- und Betreuungsverbot qualitativ zurück, sodass ein in die Zukunft gerichtetes und unabhängig des konkreten Rinderbestandes geltendes Verbot zum Schutz des Tierwohls als „ultima ratio“ angemessen ist. Es bleibt der Klägerin auch unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unbenommen, bei grundlegender Änderung der Verhältnisse einen Antrag auf Wiedergestattung der Rinderhaltung und -betreuung zu stellen (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 letzter Halbs. TierSchG). Erforderlich ist dazu der Nachweis, dass der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen weggefallen ist und sich die Basis für die frühere Prognose zwischenzeitlich verändert hat.
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In der Folge der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung bestehen auch gegen die Ziffer 7 des Bescheids verfügte Kostentragungspflicht weder dem Grund noch der Höhe nach Bedenken.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und im Übrigen auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Es entspricht im Hinblick auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil des Rechtsstreits billigem Ermessen, der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da die Klage auch insoweit keinen Erfolg gehabt haben dürfte. So sind Rechtsfehler des in Ziffer 2 des Bescheids - und in der Folge auch der lediglich die Modalitäten der Bestandsauflösung regelnden Ziffer 3 - angeordneten Bestandsauflösung nicht ersichtlich, nachdem sich bereits das in Ziffer 1 angeordnete Rinderhaltungs- und Betreuungsverbot als rechtmäßig erweist. Auch gegen die in Ziffer 4 angeordnete Duldungspflicht und die in den Ziffern 4 und 6 angedrohten Zwangsmittel bestehen keine rechtlichen Bedenken; insbesondere die Androhung unmittelbaren Zwangs zur Wegnahme der Rinder erweist sich zur Beendigung der tierschutzwidrigen Zustände als zutreffendes und adäquates Zwangsmittel.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.