Titel:
Befreiung von der Zweitwohnungsteuer
Normenketten:
VwGO § 75, § 88
BayKAG Art. 3, Art. 13
AO § 89, § 227
GG Art. 1, Art. 20 Abs. 1
BGB § 133, § 157
Leitsätze:
1. Art. 3 Abs. 3 S. 2–6 KAG enthält eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, deren Nichteinhaltung den Verlust der materiellen Rechtsposition zur Folge hat. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Diese Ausschlussfrist ist verfassungskonform. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der der Auslegung von Anträgen sind die für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des Bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Danach kommt es nicht auf den inneren Willen der erklärenden Partei, sondern darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
4. Wiedereinsetzung in eine versäumte Antragsfrist im Wege der Nachsichtgewährung kommt in Betracht, wenn die Versäumung der Frist auf ein staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Betroffene seine Rechte nicht wahren kann, und wenn durch die Berücksichtigung der verspäteten Handlung der Zweck des Gesetzes nicht verfehlt wird. (Rn. 52 und 53) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verfassungsmäßigkeit der Ausschlussfrist, Sozialstaatsgebot und Existenzminimum, Auslegung eines früheren Befreiungsantrags, Befreiungsantrag verspätet, Wiedereinsetzung unter Nachsichtgewährung (abgelehnt), Auslegung von Anträgen nach objektivem Empfängerhorizont, Zweitwohnungsteuer, Zweitwohnungsteuererklärung, Befreiung, Zweitwohnungsteuerbescheid, positive Einkünfte, Einkommensgrenzen, Frist, Wiedereinsetzung, Nachsichtgewährung, Auskunfts- und Beratungspflicht, Rechtsunkenntnis, Erlass, Steuerschuld, Hilfsantrag, Untätigkeitsklage, Auslegung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 38360
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2017 durch die Beklagte.
2
Der Kläger hatte seit 1. Dezember 2014 im Stadtgebiet der Beklagten eine Zweitwohnung inne. Auch seine Erstwohnung befindet sich im Stadtgebiet der Beklagten.
3
Die Beklagte erhebt auf Grundlage ihrer Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Landeshauptstadt München (Zweitwohnungsteuersatzung - ZwStS) vom 22. Dezember 2006 eine Zweitwohnungsteuer. Gemäß § 3 Abs. 1 ZwStS ist steuerpflichtig jede natürliche Person, die im Stadtgebiet eine Zweitwohnung i.S.v. § 2 ZwStS inne hat.
4
Mit Formular vom 6. Januar 2015, bei der Beklagten eingegangen am 8. Januar 2015, gab der Kläger eine Zweitwohnungsteuererklärung ab. Zudem beantragte er auf einem beigefügten Schreiben (wörtlich) die Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2014 bis 2016 und legte zwei Nichtveranlagungsbescheinigungen des Finanzamts München für die Jahre 2011 bis 2013 sowie 2014 bis 2016 vor.
5
Mit Bescheid vom 25. Februar 2015 wurde dem Kläger für die Jahre 2015 und 2016 eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer gewährt. Der Bescheid enthält dabei zum einen die Angabe, dass die für das Kalenderjahr 2016 i.H.v. 0 EUR festgesetzte Steuer auch für die Folgejahre gelte. Zum anderen wurde in den allgemeinen Erläuterungen unter „Wichtiger Hinweis, bitte beachten“ ausgeführt, dass der Kläger bis einschließlich 2016 entsprechend seines Antrags und der vorgelegten Nachweise von der Zweitwohnungsteuer befreit werde. Die Befreiung für das Jahr 2017 und die Folgejahre erfolge unter der Bedingung, dass er für eine Befreiung hinsichtlich des Jahres 2017 bis zum 31. Januar 2018 und für die Folgejahre jeweils zum 31. Januar des folgenden Jahres einen erneuten Antrag stelle und die gesetzlichen Voraussetzungen für eine erneute Befreiung vorlägen. Bei Versäumung dieser Frist müsse er mit einer Festsetzung der Steuer rechnen.
6
Nachdem kein erneuter Befreiungsantrag eingegangen war, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 30. August 2018 für die Jahre 2017 und 2018 jeweils Zweitwohnungsteuer i.H.v. 630 EUR fest und ordnete die Fortgeltung der für das Jahr 2018 festgesetzten Steuer für die Folgejahre an.
7
Auf die Begründung wird Bezug genommen.
8
Mit E-Mail vom 6. September 2018 beantragte der Kläger eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2018. Mit Bescheid vom 12. September 2018 wurde ihm die beantragte Befreiung erteilt und die Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2018 auf 0 EUR herabgesetzt.
9
Mit Schreiben vom 27. September 2018, eingegangen bei der Beklagten am 28. September 2018, legte der Kläger Widerspruch gegen den Zweitwohnungsteuerbescheid vom 30. August 2018 ein und beantragte, „unter Verbescheidung des bisher nicht verbeschiedenen Antrags“ auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer 2017 die Steuer für das Jahr 2017 auf 0 EUR festzusetzen. Hilfsweise beantragte er den Erlass der festgesetzten Zweitwohnungsteuer aus Billigkeitsgründen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger in Auslegung der bisher gestellten Anträge bereits fristgerecht einen Befreiungsantrag auch für das Jahr 2017 gestellt habe. Er habe umfangreiche Unterlagen über seine Einkommensverhältnisse vorgelegt, die die Jahre 2011 bis 2016 beträfen. Aufgrund dieser Unterlagen habe ein Anspruch auf Befreiung für die Jahre 2014 bis 2018 bestanden. Der Befreiungsantrag habe entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nur die Jahre 2014 bis 2016 umfasst. Wie sich aus der Übersendung der Unterlagen auch aus den Jahren 2015 und 2016 ergebe, habe der Kläger eine möglichst umfangreiche Befreiung erreichen wollen. Die Nennung des Zeitraums 2014 bis 2016 statt 2014 bis 2018 sei irrtümlich erfolgt und auf ein erkennbares Versehen zurückzuführen. Die notwendige Auslegung des Antrags würde daher vor dem Hintergrund der beigefügten Unterlagen ergeben, dass er auch für die Jahre 2017 und 2018 befreit werden habe wollen. Den Widerspruch des Wortlauts des Anschreibens hätte man analog §§ 133, 157 BGB dahingehend auflösen müssen, dass eine Befreiung auch für 2017 und 2018 begehrt werde. Dass ohne explizite Rückfrage nur ein Befreiungsbescheid für die Jahre 2014 bis 2016 erlassen worden sei, verstoße gegen die in § 89 Abs. 1 Satz 1 AO normierte, auf Treu und Glauben beruhende Auskunfts- und Beratungspflicht der Behörde. Der Hinweis im Bescheid vom 25. Februar 2015 dürfe vom Steuerpflichtigen in Zusammenschau dahingehend verstanden werden, dass die Befreiung fortwirke und ein vorheriger Hinweis ergehe, bevor eine Änderung erfolge. Aus dem Verstoß gegen die Fürsorge- und Auskunftspflicht der Beklagten folge hilfsweise ein Erlassgrund.
10
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass dem Widerspruch vom 27. September 2018 nicht abgeholfen werden könne und forderte ihn zur Rücknahme bis 31. Oktober 2018 auf.
11
Zudem lehnte sie mit Bescheid vom 22. Oktober 2018 die Anträge auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2017 (Nr. 1 des Bescheids) und auf Erlass der Steuer (Nr. 2) ab.
12
Begründet wurde die Entscheidung damit, dass Befreiungsanträge, welche nach Ablauf der Frist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 Kommunalabgabengesetz (KAG) eingingen, nicht berücksichtigt werden könnten. Der Antrag auf Befreiung für das Jahr 2017 sei verfristet. Im Zweitwohnungsteuerbescheid für die Vorjahre sei explizit darauf hingewiesen worden, dass für das Jahr 2017 und die Folgejahre ein erneuter Antrag nötig sei.
13
Hinsichtlich des Erlassantrags führte die Beklagte aus, dass Härten, die dem Belastungszweck entsprächen und die der Gesetz- oder Satzungsgeber bei der Gestaltung des Tatbestands bewusst in Kauf genommen habe, keinen Billigkeitserlass rechtfertigen könnten. Die Befreiung nach Art. 3 Abs. 3 KAG setze einen fristgerechten Antrag voraus. Ein sachlicher Billigkeitsgrund liege nicht vor. Persönliche Billigkeitsgründe setzten Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit voraus. Eine Billigkeitsentscheidung nach § 227 AO scheide in aller Regel aus, wenn Stundung mit entsprechender Ratenzahlung in Betracht komme oder die Steuer mit Hilfe eines Darlehens beglichen werden könne. Daher sei der Antrag auf Erlass abzulehnen. Der Gesetzgeber habe bewusst eine Antragsfrist vorgegeben. Im Übrigen könne eine Anwendung von Treu und Glauben auf Grund der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist nicht erfolgen.
14
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2018 legte der Kläger Widerspruch gegen Nummer 1 und 2 des Bescheids vom 22. Oktober 2018 ein.
15
Mit Schreiben vom 21. Januar 2019 legte die Beklagte die beiden Widersprüche der Regierung von Oberbayern zur Entscheidung vor. Über die Widersprüche ist bisher nicht entschieden.
16
Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2019 erhob die Klägerbevollmächtigte Untätigkeitsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragt,
17
I. Der Bescheid der Beklagten vom 30. August 2018 wird aufgehoben.
18
II. Die Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung von Nummer 1 des Bescheids vom 22. Oktober 2018 den Kläger von der Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2017 zu befreien.
19
III. Die Beklagte wird hilfsweise verpflichtet, unter Aufhebung von Nummer 2 des Bescheids vom 22. Oktober 2018 dem Kläger die festgesetzte Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2017 zu erlassen.
20
Zur Begründung wird vortragen, dass die Klage als Untätigkeitsklage zulässig und statthaft sei. Inhaltlich werde auf die Widersprüche Bezug genommen. Es werde daran festgehalten, dass der Befreiungsantrag des Klägers in einer Gesamtschau der Dinge, insbesondere unter Berücksichtigung der positiven Kenntnis der Beklagten von ihrer in der Bevölkerung in großer Anzahl missverstandenen Verwaltungspraxis sowie der evidenten Befreiungsmöglichkeit auslegungsbedürftig und auslegungsfähig sei. Jedenfalls aber habe ein Fall des Rechtsmissbrauchs bzw. der Missachtung der der Beklagten obliegenden Beratungspflicht im konkreten Einzelfall vorgelegen. Dies ergebe sich aus der positiven Kenntnis der Beklagten aufgrund bereits vorliegender Nachweise darüber, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Befreiung für das Steuerjahr 2017 erfüllt habe. Der verschachtelte, nicht einzelfallbezogene Standardhinweis in kleiner Schrift am Ende des zuvor ergangenen Befreiungsbescheids vom 25. Februar 2015 erfülle diese Voraussetzungen nicht. Entscheidend sei im vorliegenden Fall aus Sicht des Klägers jedenfalls, dass die Beklagte über lange Zeit eine rechtlich zu beanstandende Verwaltungspraxis auf Grundlage des ebenfalls rechtlich zu beanstandenden Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG angewandt habe. Obwohl es der Beklagten, wie die nunmehrige Änderung der Verwaltungspraxis zeige, möglich gewesen wäre, eine rechtzeitige Steuerfestsetzung zu treffen, sei es lange Jahre gelebte Praxis der Beklagten gewesen, einen Steuerbescheid erst nach Ablauf der Frist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG zu erlassen. In rechtlicher Hinsicht sei es zwar wohl grundsätzlich als zulässig anzusehen, im Rahmen des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 KAG eine Steuerfreiheit für bestimmte Einkommensgrenzen festzusetzen. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gebotenen Absicherung des steuerfrei zu belassenden Betrags sei es jedoch unzulässig, hierfür eine Ausschlussfrist zu normieren. Insofern sei aus Sicht des Klägers eine Entscheidung nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu prüfen, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht einzuholen. Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sich mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG befasst habe, sei die Frage der Vereinbarkeit mit Art. 1, 20 Abs. 1 GG bisher wohl nicht gesehen worden, sodass dies klärungsbedürftig sei. Selbst wenn man von einer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht ausgehen sollte, so würde eine solche Auslegung jedoch ergeben, dass eine Steuerfestsetzung vor Ablauf der Befreiungsfrist mit Hinweis auf die Notwendigkeit einer Antragstellung zur Wahrung des Existenzminimums zwingend geboten sei.
21
Mit Schriftsatz vom 8. April 2019 beantragt die Beklagte:
22
Die Klage wird abgewiesen.
23
Zur Begründung führt sie aus, der Kläger gehe irrtümlich davon aus, dass sein Befreiungsantrag vom 6. Januar 2015 auch als Antrag für 2017 gelte. Der Antrag beziehe sich ausdrücklich auf die Jahre 2014 bis 2016, einer Auslegung bedürfe es daher nicht. Es komme daher nicht darauf an, welche Einkommensnachweise vorgelegt worden seien. Ein Verstoß gegen die auf Treu und Glauben beruhende Auskunfts- und Beratungspflicht der Beklagten liege nicht vor. Denn die Befreiung stelle eine Begünstigung dar. Im Steuerrecht gelte der Grundsatz, dass derjenige, der eine Begünstigung bzw. Befreiung erhalten möchte, verpflichtet sei, sich selbständig nach der Rechtslage und den Voraussetzungen, ggf. unter Hinzuziehung eines sachkundigen Dritten, zu erkundigen. Da die Frist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG vom Bayerischen Gesetzgeber ausdrücklich festgesetzt worden sei, seien Härten, welche durch die Versäumung der Frist aufträten, bewusst in Kauf genommen worden. Ein Billigkeitserlass sei nicht dazu bestimmt, die Folgen einer versäumten Handlung, hier der rechtzeitigen Antragstellung, zu heilen, weshalb keine sachliche Unbilligkeit gegeben sei.
24
In der mündlichen Verhandlung am 10. Dezember 2020 ist die Klagepartei nicht erschienen.
25
Hinsichtlich des übrigen Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
26
A. Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da in der Ladung zum Termin auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen wurde, § 102 Abs. 2 VwGO.
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B. Das Gericht legt den Antrag in Nummer 1 der Klageschrift vom 12. Februar 2019 nach § 88 VwGO dahingehend aus, dass der Bescheid der Beklagten vom 30. August 2018 lediglich insoweit angefochten wird, als darin eine Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2017 festgesetzt wurde. Der dahingehende Wille des Klägers lässt sich dem übrigen Inhalt der Klageschrift entnehmen. Hinsichtlich der im streitgegenständlichen Bescheid getroffenen Steuerfestsetzung für das Jahr 2018 hat der Kläger sein Ziel der Befreiung bereits vor Klageerhebung erreicht. Die Klage richtet sich nun erkennbar gegen die noch verbleibende Zweitwohnungsteuerfestsetzung für 2017.
28
C. Die so verstandene Klage ist als Untätigkeitsklage sowohl in den Hauptanträgen als auch im Hilfsantrag nach § 75 VwGO zulässig.
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Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind seit Einlegung der Widersprüche mehr als drei Monate verstrichen, § 75 Satz 2 VwGO. Sachliche Gründe, warum bislang keine Entscheidung der Regierung von Oberbayern als Widerspruchsbehörde erging, sind nicht ersichtlich, § 75 Satz 1 VwGO.
30
D. Die Klage bleibt sowohl in den Hauptanträgen als auch im Hilfsantrag in der Sache ohne Erfolg.
31
Die angegriffenen Bescheide der Beklagten vom 30. August 2018 und 22. Oktober 2018 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat zudem keinen Anspruch auf Befreiung von der festgesetzten Zweitwohnungsteuer oder deren Erlass (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
32
I. Der Zweitwohnungsteuerbescheid vom 30. August 2018 ist rechtmäßig.
33
1. Rechtsgrundlage für die Steuererhebung durch die Beklagte ist ihre Zweitwohnungsteuersatzung vom 22. Dezember 2006. Hinsichtlich der Gültigkeit der Satzung bestehen keine Bedenken. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht haben die Gültigkeit der Zweitwohnungsteuersatzung in mehreren Entscheidungen nicht beanstandet (BayVGH, B.v. 17.3.2009 - 4 CS 09.25 - juris; U.v. 15.10.2009 - 4 ZB 09.521 - juris; U.v. 28.9.2009 - 4 ZB 09.923 - juris; BVerfG, B.v. 17.2.2010 - 1 BvR 529/09 - juris).
34
2. Die Beklagte hat die Zweitwohnungsteuer in nicht zu beanstandender Weise festgesetzt. Einwände gegen die Zweitwohnungsteuerpflicht des Klägers oder die erfolgte Berechnung der Steuer sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
35
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2017.
36
Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 ff. KAG liegen für das Jahr 2017 nicht vor.
37
Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 KAG wird eine Steuer auf das Innehaben einer Wohnung nicht erhoben, wenn die Summe der positiven Einkünfte des Steuerpflichtigen nach § 2 Abs. 1, 2 und 5a des Einkommensteuergesetzes im vorletzten Jahr vor Entstehen der Steuerpflicht 29.000 EUR nicht überschritten hat; bei nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten und Lebenspartnern beträgt die Summe der positiven Einkünfte 37.000 EUR (Art. 3 Abs. 3 Satz 3 KAG).
38
1. Auch wenn der Kläger - zwischen den Beteiligten unstreitig - die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuerpflicht aufgrund der normierten Einkommensgrenzen erfüllt hat, fehlt es an einem fristgerechten Befreiungsantrag i.S.v. Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG.
39
Nach dieser Vorschrift setzt die Entscheidung über die Nichterhebung der Steuer nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 bis 6 KAG einen Antrag voraus, der bis zum Ende des Kalendermonats, der auf das Steuerjahr folgt, gestellt sein muss. Dabei handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, deren Nichteinhaltung den Verlust der materiellen Rechtsposition zur Folge hat (BayVGH, U.v. 26.1.2017 - 4 B 16.1541 - juris; VG München, U.v. 11.10.2018 - M 10 K 17.5157 - juris Rn. 40 f. m.w.N.).
40
a) Der Befreiungsantrag des Klägers im Widerspruchsschreiben vom 27. September 2018 war für das Jahr 2017 verfristet, da er bis zum 31. Januar 2018 gestellt werden hätte müssen.
41
b) Das Schreiben des Klägers vom 6. Januar 2015 ist nicht dahingehend auszulegen, dass mit ihm auch eine Befreiung für 2017 beantragt worden ist.
42
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 12.12.2001 - 8 C 17/01 - BVerwGE 115, 302-312 Rn. 40) sind bei der Auslegung von Anträgen die für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des Bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Danach kommt es nicht auf den inneren Willen der erklärenden Partei, sondern darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist. Dabei tritt der Wortlaut hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurück. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er aus der Erklärung und sonstigen Umständen für den Erklärungsempfänger erkennbar wird. Maßgeblich für den Inhalt eines Antrags ist daher, wie die Behörde ihn unter Berücksichtigung aller ihr erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben zu verstehen hat (BayVGH, B.v. 12.3.2010 - 11 ZB 08.1495 - juris Rn. 9 m.w.N.).
43
Gemessen an diesen Maßstäben durfte die Beklagte das klägerische Schreiben vom 6. Januar 2015 seinem Wortlaut entsprechend als Befreiungsantrag für die Jahre 2014 bis 2016 verstehen.
44
Eine Auslegung als Befreiungsantrag auch für das Jahr 2017 folgt nicht aus dem Umstand, dass dem Schreiben vom 6. Januar 2015 zwei Nichtveranlagungsbescheinigungen für die Zeiträume 2011 bis 2013 und 2014 bis 2016 beigefügt waren. Auch wenn damit aufgrund der Regelung, dass für die Befreiung die Einkommensverhältnisse des vorletzten Jahres vor Entstehen der Steuerpflicht zu berücksichtigen sind, die für die Steuerjahre 2017 und 2018 relevanten Einkommensverhältnisse mitgeteilt wurden (vgl. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 KAG), war der Antrag nicht entgegen seines Wortlauts auch als Antrag für 2017 zu verstehen. Die beiden vorgelegten Nichtveranlagungsbescheinigungen umfassten jeweils einen Zeitraum von drei Jahren. So bestätigte die erste Bescheinigung, dass für den Kläger in den Jahren 2011 bis 2013 voraussichtlich keine Einkommensteuer entstehe, die Zweite bestätigte dies für die Jahre 2014 bis 2016. Damit war es dem Kläger gar nicht möglich, eine Bescheinigung nur für das Jahr 2014 vorzulegen. Weil es sich um ein einheitliches Dokument handelte, musste er, auch für einen auf die Jahre 2014 bis 2016 beschränkten Antragszeitraum die Nichtveranlagungsbescheinigung für die Jahre 2014 bis 2016 vorlegen. Aus den vorgelegten Unterlagen ergab sich daher nicht zwingend ein vom Wortlaut abweichender Wille des Klägers.
45
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die vorgelegte Nichtveranlagungsbescheinigung dem Kläger für das Jahr 2015 bereits ein voraussichtliches Einkommen unterhalb der maßgeblichen Grenze bescheinigte. Eine Auslegung des Antrags als möglichst umfangreicher Befreiungsantrag für alle Jahre, in denen die Einkommensgrenze nach Aktenlage voraussichtlich unterschritten würde, war nicht angezeigt. Für die Beklagte war bei Eingang der Erklärung Anfang 2015 weder mit Gewissheit absehbar, dass für das Jahr 2017 überhaupt eine Zweitwohnungsteuerpflicht entstehen würde, noch dass eine Befreiungsmöglichkeit aufgrund zu geringen Einkommens im Jahr 2015 bestehen würde, sodass eine Auslegung entgegen des klaren Wortlauts nicht angezeigt war. Sowohl das Entstehen der Zweitwohnungsteuerpflicht als auch das Vorliegen einer Befreiungsmöglichkeit hängen von Umständen ab, die in der Sphäre des potentiell Steuerpflichtigen liegen. So entfällt etwa die Steuerpflicht, wenn die Zweitwohnung aufgegeben oder als (alleinige) Erstwohnung beibehalten wird. Die Möglichkeit zur Befreiung von der Zweitwohnungsteuer entfällt, wenn die Einkommensgrenze des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 ff. KAG überschritten wird. Gerade im Fall des Klägers, der am 6. Januar 2015 23 Jahre alt war, war jedenfalls nicht auszuschließen, dass im Laufe des Jahres 2015 eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und daher die Einkommensgrenze überschritten würde oder vor bzw. im Jahr 2017 Veränderungen hinsichtlich der Zweitwohnungseigenschaft eintreten würden. Diese Umstände kann der Steuerpflichtige wesentlich besser einschätzen als die Beklagte. Bestehende Pläne über berufliche oder private Veränderungen sind allein dem Steuerpflichtigen, nicht der Behörde bekannt. In vielen Fällen dürfte eine Beschränkung des Befreiungsantrags auf nur einige der Folgejahre sinnvoll und vom Steuerpflichtigen tatsächlich gewollt sein, weil Veränderungen in den genannten Bereichen erwartet werden. Ohne weitere Erkenntnisse darf die Behörde daher davon ausgehen, dass der Antragsteller bewusst nur eine Befreiung für die angegebenen Jahre anstrebt und eine Befreiung für spätere Jahre nochmals beantragt wird, wenn eine solche in Frage kommt. Eine Befreiung „ins Blaue“ hinein ohne Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Angabe der Steuerjahre tatsächlich um ein Versehen handelt, würde sich dagegen als wenig nachvollziehbar erweisen.
46
Eine anderweitige Auslegung war auch nicht aufgrund der von der Klagepartei als rechtswidrig angesehenen Verwaltungspraxis der Beklagten, Zweitwohnungsteuerbescheide regelmäßig erst nach Ablauf der Ausschlussfrist zu erlassen, angezeigt. Zum einen ist darin kein rechtswidriges Vorgehen zu sehen (dazu sogleich). Zum anderen handelte es sich nach Aktenlage bei dem Bescheid vom 25. Februar 2015 um den ersten an den Kläger ergangenen Zweitwohnungsteuerbescheid. Es ist daher nicht ersichtlich, wie sich eine Praxis der Beklagten hinsichtlich des Erlasszeitpunkts von Steuerbescheiden auf den mit Schreiben vom 6. Januar 2015 geäußerten Willen des Klägers hätte auswirken können.
47
Nach Auffassung des Gerichts führt auch eine Gesamtschau dieser Umstände nicht zu einem anderen Verständnis des Schreibens vom 6. Januar 2015. Mangels erkennbar anderslautenden Willens des Klägers durfte die Beklagte die Erklärung ihrem Wortlaut entsprechend als Befreiungsantrag für die Jahre 2014 bis 2016 verstehen.
48
2. Die in Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG normierte Ausschlussfrist erweist sich auch im vorliegenden Verfahren nicht als verfassungswidrig.
49
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die gesetzliche Ausschlussfrist in Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG bereits ausdrücklich als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen (BayVGH, U.v. 26.1.2017 - 4 B 16.1541 - juris Rn. 41). Sie ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und verhältnismäßig. Der Gesetzgeber erreicht mit einer solchen Regelung im Interesse der steuererhebenden Kommunen, dass schon kurze Zeit nach Beendigung eines Steuerjahres Rechtssicherheit herrscht und die Kommune nicht noch weiterhin mit Befreiungsanträgen und darauf gegebenenfalls folgenden Rückabwicklungen von Steuererhebungen für längst vergangene Steuerjahre rechnen muss. Zudem wird ein Anreiz bei den Steuerpflichtigen geschaffen, zur Vermeidung von Rechtsnachteilen (Fristablauf) der Anzeige- und Meldepflicht von Zweitwohnungen zeitnah nachzukommen und diese Wohnungen einer Veranlagung zuzuführen (BayVGH, a.a.O.).
50
Auch der Einwand der Klägerbevollmächtigten, eine Verfassungswidrigkeit könne sich aus einem Verstoß gegen Art. 1, 20 Abs. 1 GG ergeben, greift nicht durch. Einen Verstoß gegen das im Einkommenssteuerrecht zu beachtende objektive Nettoprinzip kann sich nach Auffassung des Gerichts im Falle der Zweitwohnungsteuer nicht ergeben. Das Wesen der Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer spricht bereits gegen eine Beschränkung der Besteuerung auf das objektive Nettoeinkommen. Der notwendige Schutz des Existenzminimums, den die Klägerbevollmächtigte aus dem Sozialstaatsgebot in Art. 20 Abs. 1 GG herleitet, ist durch die Möglichkeit des Steuererlasses aufgrund persönlicher Unbilligkeit nach § 227 AO gewährleistet. Eine Verfassungswidrigkeit der Ausschlussfrist für einen Befreiungsantrag folgt daraus nicht.
51
3. Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass auch eine Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist im Wege der Nachsichtgewährung nicht in Frage kommt.
52
Nach herrschender Auffassung dürfen sich Behörden nach Treu und Glauben unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer rechtsvernichtenden Ausschlussfrist berufen. Außer in den Fällen höherer Gewalt kommt dies dann in Betracht, wenn die Versäumung der Frist auf ein staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Betroffene seine Rechte nicht wahren kann, und wenn durch die Berücksichtigung der verspäteten Handlung der Zweck des Gesetzes nicht verfehlt wird (BVerwG, U.v. 28.3.1996 - 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39/45; U.v. 10.11.2016 - 8 C 11.15 - NVwZ 2017, 876 Rn. 22; BayVGH, B.v. 24.9.2019 - 4 ZB 19.19 - juris Rn. 15).
53
Eine Missachtung der Auskunfts- und Beratungspflicht ist auch im vorliegenden Einzelfall nicht gegeben. Die Beklagte war rechtlich nicht verpflichtet, den Kläger nochmals ausdrücklich auf die gesetzliche Möglichkeit einer Befreiung von der Steuerpflicht nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 ff. KAG hinzuweisen oder ihn zu einem erneuten Antrag aufzufordern. Eine solche Verpflichtung ergab sich insbesondere nicht aus der über Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) cc) ccc) KAG anwendbaren Vorschrift des § 89 Abs. 1 Satz 1 AO, wonach die Behörde die Stellung von Anträgen anregen soll, wenn diese offensichtlich aus Unkenntnis unterblieben sind. Für die zuständigen Behördenmitarbeiter war, wie bereits ausgeführt, vorliegend jedenfalls nicht „offensichtlich“, dass der Kläger aus Rechtsunkenntnis davon abgesehen hatte, einen Befreiungsantrag auch für die Jahre 2017 und 2018 zu stellen. Zudem ergibt sich aus dem Bescheid vom 25. Februar 2015 klar, dass für eine Befreiung für das Jahr 2017 ein Befreiungsantrag bis 31. Januar 2018 zu stellen war. Die Beklagte hatte den Kläger also bereits im Jahr 2015 darauf hingewiesen, dass er einen erneuten Antrag stellen müsse, um eine Befreiung für 2017 zu erhalten. Mehr als dieser ausdrückliche Hinweis war von der Beklagten nicht zu verlangen.
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Nicht durchdringen kann die Klagepartei mit dem Einwand, der Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2015 sei missverständlich gewesen. Zum einen hält das Gericht den Bescheid bereits nicht für missverständlich. Hinsichtlich der Frage, ob für 2017 eine Steuer i.H.v. 0 EUR festgesetzt wurde, ist zwar genaueres Lesen erforderlich, letzten Endes ergibt sich aus der getroffenen Fortgeltungsanordnung aber diese Festsetzung vorbehaltlich eines erneuten Bescheides. Vollkommen ohne Unschärfe formuliert ist zum anderen ohnehin der Hinweis auf das erneute Antragserfordernis für eine Befreiung ab den Jahren 2017. Auch enthalten ist der Hinweis, dass der Kläger mit einer Steuerfestsetzung rechnen musste, wenn kein erneuter Befreiungsantrag gestellt würde.
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Auch kann der Beklagten nicht durchgreifend vorgeworfen werden, dass es in der Vergangenheit ein übliches Vorgehen war, Steuerbescheide erst nach Ablauf der Ausschlussfrist zu erlassen. Auch wenn sich durch dieses Vorgehen im Einzelfall, insbesondere bei der erstmaligen Veranlagung, Härten ergeben konnten, lag darin keine Pflichtverletzung. Der Gesetzgeber hat der Beklagten die Möglichkeit eingeräumt, Steuern auch rückwirkend festzusetzen, solange keine Festsetzungsverjährung i.S.v. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) und cc) KAG i.V.m. §§ 169, 170 AO eingetreten ist, sodass der Beklagten nicht schon deshalb ein Fehlverhalten anzulasten ist, weil sie in der Vergangenheit Festsetzungsvorgänge nicht umgehend nach Entstehen der Steuerpflicht eingeleitet hat. Auch und gerade im Steuerrecht, das sich für die steuererhebende Behörde regelmäßig als Massenverfahren darstellt, obliegt es dem Steuerpflichtigen in der Regel selbst, sich über seine Rechtspflichten und Ansprüche zu informieren (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.1984 - 6 C 33.83 - juris Rn. 23).
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III. Auch ein Anspruch auf Erlass der Steuerschuld nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Buchst. a) KAG i.V.m. § 227 Abs. 1 AO besteht nicht.
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Ein Steuererlass kommt grundsätzlich bei sachlicher oder persönlicher Unbilligkeit in Betracht.
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Sachliche Unbilligkeit kommt in Frage, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Tatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn des Steuergesetzes nicht vereinbar ist, der Sachverhalt zwar den gesetzlichen Tatbestand erfüllt, die Besteuerung aber den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft. Stets ist dabei zu beachten, dass Härten, die der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen hat, keinen Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen rechtfertigen können (Fritsch in Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 227 Rn. 18). Die Fristenregelung in Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG dient, wie bereits ausgeführt, der Rechtssicherheit. Die mit Ausschluss der Befreiungsmöglichkeit nach Fristablauf entstehende Härte wurde vom Gesetzgeber in Kauf genommen, sodass eine sachliche Unbilligkeit nicht in Betracht kommt. Der Vortrag des Klägers, eine Pflichtverletzung der Beklagten könne zu einer sachlichen Unbilligkeit führen, scheitert bereits daran, dass der Beklagte keine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist.
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Auch eine persönliche Unbilligkeit der Steuereinziehung ist nicht gegeben. Persönliche Billigkeitsgründe liegen vor, wenn der Steuerpflichtige in eine unverschuldete finanzielle Notlage geraten ist oder durch die Steuerfestsetzung bzw. deren Erhebung geraten würde (Rüsken in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 227 Rn. 33). Hierzu hat der Kläger weder substantiiert vorgetragen noch Nachweise vorgelegt. Auch im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die einmalige Entrichtung von 630 EUR zu einer Existenzgefährdung führen würde.
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Damit bleibt die Klage insgesamt ohne Erfolg.
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E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kosten waren der Beklagten nicht nach § 155 Abs. 4 i.V.m. § 161 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen. Zum einen war das Handeln der Beklagten rechtmäßig, sodass ihr kein Verschulden zum Vorwurf gemacht werden kann. Zum anderen sind den Beteiligten durch das Verhalten der Widerspruchbehörde - unabhängig davon, ob ein solches i.R.d. § 155 Abs. 4 VwGO überhaupt berücksichtigt werden könnte - soweit ersichtlich bisher keine (zusätzlichen) Kosten entstanden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.