Titel:
Übernahme der Kosten eines Familienurlaubs als eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an den Mehrheits-Gesellschafter
Normenketten:
KStG § 8 Abs. 1 u. 3
EStG § 4 Abs. 1 S. 1, § 37b Abs. 1 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2, § 135 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Übernahme der Kosten des Familienurlaubs eines Mehrheitsgesellschafters, auch für überobligatorische Leistungen, stellt jedenfalls dann, wenn die Übernahme der Kosten nicht auf einer im Voraus getroffenen Vereinbarung beruht, sondern für ein zurückliegendes Geschäftsjahr erfolgt, eine verdeckte Gewinnausschüttung dar.
2. Eine Besteuerung der Kosten für die Übernahme des Familienurlaubs gem. § 37b EStG mit dem Pauschsteuersatz von 30 Prozent kommt nicht in Betracht, da es sich bei der Kostenübernahme nicht um eine betrieblich veranlasste Zuwendung, sondern um eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensminderung handelt.
Schlagwort:
Verdeckte Gewinnausschüttung
Fundstellen:
GmbH-Stpr 2021, 349
GmbHR 2021, 564
BeckRS 2020, 38237
DStRE 2021, 927
LSK 2020, 38237
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
1
Streitig ist, ob die Übernahme der Kosten eines Familienurlaubs durch die Klägerin eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an ihren Mehrheits-Gesellschafter darstellt.
2
Die Klägerin ist eine Rechtsanwalts- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. An deren Stammkapital ist seit Gründung ihr Allein-Geschäftsführer A zu 95% und dessen Ehefrau Dr. B zu 5% beteiligt.
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Am 04.07.2014 traf die Klägerin mit ihrem Geschäftsführer folgende Vereinbarung:
„Wegen der überobligatorischen Anstrengung im Geschäftsjahr 2013 und im laufenden Geschäftsjahr 2014 soll dem Geschäftsführer eine Zuwendung zu Teil werden.
Unter Berücksichtigung der insoweit maßgeblichen Vorschriften wird folgendes vereinbart:
Dem Geschäftsführer wird im Jahr 2014 eine Incentivereise bis zu € 3.000,00 unter Berücksichtigung des § 37b Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 EStG gewährt.
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Am 22.07.2014 buchte der Gesellschafter-Geschäftsführer eine All-inclusive-Flugreise für sich, seine Ehefrau und das gemeinsame Kind nach 1 für 2.878 €. Die Geldforderung wurde zulasten des Kontos der Klägerin beglichen.
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Am 30.01.2017 erließ das Finanzamt einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid sowie einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 2014, in denen es aufgrund der o.g. Vereinbarung vom 04.07.2014 eine vGA in Höhe von 3.000 € berücksichtigte. Den bis dahin bestehenden Vorbehalt der Nachprüfung hob es jeweils auf.
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Dem hiergegen fristgerecht am 31.01.2017 eingelegten Einspruch half das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 15.07.2019 nur insofern ab, als es die vGA auf den tatsächlichen Reisepreis in Höhe von 2.878 € reduzierte und deshalb für 2014 die Körperschaftsteuer auf 37.944 €, den Solidaritätszuschlag auf 2.086,92 € und den Gewerbesteuermessbetrag auf 8.851 € herabsetzte. Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.
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Hiergegen hat die Klägerin am 14.08.2019 fristgemäß Klage erhoben.
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Zur Begründung hat sie vorgetragen, eine vGA liege nicht vor. Gegenstand der Vereinbarung sei eine sog. Incentive-Reise gewesen, welche neben der Belohnung für Leistungen der Vergangenheit auch als Motivation und Leistungsanreiz für die Zukunft erbracht worden sei. Die dadurch bezweckte zukünftige Mehrleistung komme dem Betrieb der Klägerin durch Umsatz- und Gewinnsteigerungen zu Gute. Da die Maßnahme mithin im Interesse der Klägerin gelegen habe, stellten die Kosten steuerlich zu berücksichtigende Betriebsausgaben dar. Zudem sei die Gewährung der Incentive-Reise vor Reisebeginn beschlossen worden. Soweit das Finanzamt einen Beschluss vor Beginn des Geschäftsjahres der Gewährung einfordere, sei dies weder erforderlich noch zweckdienlich, da die Möglichkeit zur Wahrnehmung der Reise zu diesem Zeitpunkt im Regelfall noch nicht feststehe.
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Zulässigerweise habe die Klägerin diese gemäß § 37b Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 EStG der pauschalierten Lohnbesteuerung unterworfen. Insbesondere habe es sich beim Begünstigten um den Geschäftsführer der Klägerin - und damit um deren Arbeitnehmer gehandelt. Das Gesetz sehe keinen Ausschluss der Pauschalierung bei Zuwendungen an Geschäftsführer vor. Auf die kleine Sachwertgrenze von 44 €, die auch dem Geschäftsführer zugewendet werden könne, werde diesbezüglich verwiesen.
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Der Argumentation des Finanzamts werde insofern Rechnung getragen, als im Hinblick auf den vergangenheitsorientierten Anteil und den hier steuerlich relevanten, zukunftsorientierten Motivationsanreiz einer Incentive-Maßnahme lediglich die hälftige Berücksichtigung der Reisekosten (1.439 €) als steuerlich berücksichtigungsfähige Betriebsausgaben eingefordert werde.
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Die Klägerin hat beantragt,
den Körperschaftsteuerbescheid 2014 sowie den Gewerbesteuermessbescheid 2014, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.07.2019, dahingehend abzuändern, dass die hälftigen Reisekosten in Höhe von 1.439 € als Betriebsausgaben berücksichtigt und die vGA entsprechend gemindert werden.
Die Zulassung der Revision, weil bisher höchstrichterlich nicht geklärt sei, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer vor dem Hintergrund des § 8 Abs. 3 KStG eine Zuwendung (hier Incentive-Reise) nach § 37b Abs. 1 Nr. 1 EStG erhalten kann.
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Das beklagte Finanzamt hat
Klageabweisung beantragt.
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Zur Begründung hat es ausgeführt, es habe sich bei der gewährten Urlaubsreise um eine vergangenheitsbezogene Belohnung für Leistungen des Gesellschafter-Geschäftsführers gehandelt, die bereits vor Abschluss der Vereinbarung erbracht worden seien. Der Vergangenheitsbezug ergebe sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung, welcher die „überobligatorischen Anstrengung im Geschäftsjahr 2013 und im laufenden Geschäftsjahr 2014“ als Beweggrund für die Gewährung nenne.
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Darüber hinaus habe es sich bei der gegenständlichen Zuwendung nicht um eine steuerlich anzuerkennende Incentive-Reise gehandelt. So habe der Reise der nach dem BMF-Schreiben vom 14.10.1996 (BStBl I 1996, 1192) typische Wettbewerbscharakter gefehlt, der aufgrund der Auslobung für besondere Leistung entstehe, und der Förderung der Loyalität zum Unternehmen bzw. der Förderung des Teamgeistes unter Kollegen diene, schließlich habe der Gesellschafter-Geschäftsführer die Reise mit seiner Familie unternommen.
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Zudem trete der Motivationscharakter bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern aufgrund ihrer besonderen Verantwortung für die Gesellschaft ohnehin in den Hintergrund.
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Im Streitfall fehle es außerdem an einer klaren, zivilrechtlich wirksamen und im Voraus getroffenen Vereinbarung über die Gewährung der gegenständlichen Zuwendung; dies sei bei Vereinbarungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und deren Gesellschafter-Geschäftsführer jedoch unabdingbar. Diese Voraussetzung liege nicht vor, da die Vereinbarung über eine besondere Vergütung von überobligatorischen Leistungen vor Beginn des Leistungszeitraums hätte abgeschlossen werden müssen.
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Die Vereinbarung vom 04.07.2014 halte damit einem Fremdvergleich nicht stand. Sie sei alleine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst worden und stelle mithin eine vGA dar.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Finanzgerichtsakte, die dem Finanzgericht vorliegenden Akten des Finanzamts und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 13.10.2020 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Kostenübernahme der Urlaubsreise des Gesellschafter-Geschäftsführers durch die Klägerin stellt im Streitjahr 2014 eine vGA dar. Eine pauschale Besteuerung im Sinne des § 37b EStG kommt mithin nicht in Betracht.
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1. Die Zuwendung der Klägerin an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer in Form der Kostenübernahme für eine Urlaubsreise stellt eine vGA dar.
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Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat die Rechtsprechung die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28.01.2004 I R 50/03, BStBl II 2005, 524).
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Nach ständiger Rechtsprechung liegt aufgrund des fehlenden Interessengegensatzes insbesondere ein Indiz gegen die betriebliche Veranlassung vor, wenn bei einer Leistungsbeziehung zwischen der Gesellschaft und dem beherrschenden Gesellschafter keine klare und eindeutige, von vornherein abgeschlossene zivilrechtlich wirksame Vereinbarung getroffen wird (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 16.07.2003 I B 215/02, BFH/NV 2003, 1613).
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Eine solche im Voraus abgeschlossene Vereinbarung über eine Zuwendung der Klägerin an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer hinsichtlich der Kostenübernahme für die private Urlaubsreise lag für den Zeitraum bis 03.07.2014 nicht vor.
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1.1. Die Vereinbarung über die Gewährung einer Incentive-Reise wurde nicht im Voraus abgeschlossen.
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1.1.1. Die Gewährung eines Vorteils für den Geschäftsführer in Form einer Incentive-Maßnahme war und ist im Geschäftsführeranstellungsvertrag nicht vorgesehen. Die Gewährung der Incentive-Reise stellt mithin bereits dem Grunde nach keinen Ausfluss des zwischen der Klägerin und ihrem Geschäftsführer vertraglich vereinbarten Beschäftigungsverhältnisses dar.
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1.1.2. Die Gewährung der Zuwendung am 04.07.2014 wurde zwar vor Buchung der Reise vereinbart; für die Beurteilung, ob eine im Vorhinein klar und eindeutig geschlossene Vereinbarung vorlag, ist jedoch hinsichtlich einer vergangenheitsbezogenen Gegenleistung der Beginn desjenigen Zeitraums maßgebend, in welchen die zu entlohnende Leistung fällt (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.1991 I R 49/90, BStBl II 1992, 434). Diese Betrachtungsweise stellt sicher, dass das zu versteuernde Einkommen der Kapitalgesellschaft nicht noch während des laufenden Veranlagungszeitraums kurzfristig und mehr oder weniger beliebig durch den beherrschenden Gesellschafter beeinflusst werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 30.01.1985 I R 37/82, BStBl II 1985, 345).
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Aus dem Wortlaut der Vereinbarung („überobligatorischen Anstrengung im Geschäftsjahr 2013 und im laufenden Geschäftsjahr 2014“) folgt, dass es sich im Streitfall um eine Entlohnung von besonderen Leistungen der Vergangenheit handelte, sodass der Beginn des entlohnenden Zeitraums - hier also das Jahr 2013 - für die Beurteilung der Vereinbarung im Voraus maßgeblich ist. Die Vereinbarung wurde jedoch erst im Juli 2014 geschlossen.
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1.2. Die Vereinbarung entfaltet auch nicht für den Zeitraum ab 04.07.2014 Wirkung für das restliche Geschäftsjahr 2014, da mit Abschluss der Vereinbarung über die Incentive-Reise keine rechtsverbindliche Verpflichtung durch die Klägerin eingegangen wurde. Insofern handelt es sich lediglich um eine Erwartungshaltung der Klägerin hinsichtlich einer Mehrleistung des Geschäftsführers, der jedoch kein durchsetzbarer Rechtsanspruch gegenübersteht.
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1.3. Die streitgegenständliche Vereinbarung war auch im Übrigen nicht hinreichend klar und eindeutig, da sie nur eine Betragsobergrenze enthielt („bis zu € 3.000,00“).
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2. Für den Streitfall kommt es zwar auf die lohnsteuerliche Behandlung nicht an, jedoch wird darauf hingewiesen, dass eine Pauschalierung der Einkommenssteuer gemäß § 37b Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vorliegend nicht in Betracht kommt, da keine betrieblich veranlasste Zuwendung, sondern eine vGA, vorliegt.
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Gemäß § 37b Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Satz 1 Nr. 1 EStG können Steuerpflichtige die Einkommensteuer einheitlich für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten, betrieblich veranlassten Zuwendungen an Arbeitnehmer, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden und nicht in Geld bestehen, mit einem Pauschsteuersatz von 30 Prozent versteuern.
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Mit der Aufnahme der betrieblichen Veranlassung als eigenes Tatbestandsmerkmal zielte der Gesetzgeber unter anderem darauf ab, die pauschalierte Besteuerung von vGA als nicht betrieblich, sondern durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensminderungen aus dem Anwendungsbereich des § 37b EStG explizit herauszunehmen (vgl. BT-Drs. 16/2712, Seite 56); dies wurde so auch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestätigt (vgl. das BFH-Urteil vom 12.12.2013 VI R 47/12, BStBl II 2015, 490).
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Da es sich bei der streitgegenständlichen Gewährung der Kostenübernahme für die private Urlaubsreise um eine vGA handelte, scheidet im vorliegenden Fall die Möglichkeit der Pauschalierung im Sinne des § 37b EStG aus.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Die Voraussetzungen, unter denen eine vGA vorliegt, ist durch die ständige Rechtsprechung des BFH hinreichend konkretisiert. Die Entscheidung beruht auf diesen Grundsätzen.
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Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen, da sie mit ihrer Klage keinen Erfolg hat (§ 135 Abs. 1 FGO).