Titel:
Befristete Erhöhung der Arbeitszeit
Normenketten:
TzBfG §§ 14 Abs. 1, 14 Abs. 2, 17 S. 1
BGB §§ 133, 157, 242, 305, 307 Abs. 1, 307 Abs. 3, 611, 613
GG Art. 1, 2 ArbGG § 64 Abs. 2, 66 Abs. 1, 66 Abs. 6, 72 Abs. 2, 72a
ZPO §§ 97 Abs. 1, 256 Abs. 1, 519, 520
Leitsätze:
1. Die Befristung von Arbeitsbedigungen (hier: Erhöhung der Wiochenarbeitszeit von 3,5 auf 39 Stunden) stellt eine nach §§ 305 ff. BGB zu überprüfende Allgemeine Geschäftsbedigung dar, sofern keine Anhaltspunkte für ein freies Aushandeln gegeben sind. (Rn. 32 – 37)
2. Die befristete Erhöhung der Arbeitszeit ist unwirksam, wenn sie die betreffende Arbeitskraft unangemessen benachteiligt. Im Rahmen der zu treffenden Abwägung sind auch die Interessen beider Vertragsparteien zu berücksichtigen. Das Interesse des Arbeitgebers überwiegt nach den auch dem TzBfG zugrundeliegenden Wertungsmaßstäben, wenn aus diesen Gründen auch ein selbstständiger befristeter Arbeitsvertrag wirksam hätte abgeschlossen werden können. (Rn. 42 – 46)
3. War die befristete Erhöhung zweck- und zeitbefristet abgeschlossen worden (hier: bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit der 1. Organistin, längstens bis 31. Mai 2019) so endet die Befristungsabrede mit Eintritt der 1. Organistin in den Ruhestand. Ab diesem Zeitpunkt liegt kein "befristeter" Vertretungsbedarf mehr vor. Schließt die Arbeitgeberin trotz des Ruhestandseintritt der 1. Organistin einen weiteren Änderungsvertrag mit einer befristeten Erhöhung der Wochenarbeitszeit "bis 31. Mai 2019", so besteht für diesen kein (befristeter) Vertretungsbedarf, weswegen er unangemessen benachteiligend ist. Sie nimmt der Arbeitskraft damit die sozialpolitisch erwünschte Grundlage für eine längerfristige Lebensplanung. (Rn. 47 – 53)
Schlagworte:
befristete Erhöhung der Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen, Wochenarbeitszeit, Arbeitskraft, Befristungsabrede
Vorinstanz:
ArbG Regensburg, Endurteil vom 28.04.2020 – 6 Ca 556/19
Fundstelle:
BeckRS 2020, 37673
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 28.04.2020 - 6 Ca 556/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Befristung der Erhöhung der Arbeitszeit der Klagepartei.
2
Die Klagepartei, Dipl.-A-Kirchenmusikerin (Anlage K1, Bl. 9 d. A.), ist kraft des unbefristeten Arbeitsvertrags vom 28. Okt. 2016 mit Wirkung ab 1. Juli 2016 bei der beklagten Kirchengemeinde als Kirchenmusikerin (2. Organistin) bei 3,5 Wochenstunden unbefristet angestellt. Die Beklagte beschäftigt neben der Klagepartei und der in Vollzeit tätigen 1. Organistin M. zwei weitere Kirchenmusiker in Vollzeit und eine weitere Teilzeitkraft.
3
Wegen der Erkrankung der 1. Organistin schlossen die Parteien am 25. Aug. 2017 einen Änderungsvertrag (Anlage K3, Bl. 14 d. A.), beinhaltend die befristete Erhöhung der Arbeitszeit der Klagepartei auf 39 Wochenstunden bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit der 1. Organistin, längstens bis 31. Aug. 2018. Wegen fortdauernder Erkrankung der 1. Organistin verlängerten die Parteien am 12. Juli 2018 die Arbeitszeiterhöhung bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit durch Frau M., längstens bis 31. Mai 2019 (Anlage K4, Bl. 15 d. A.).
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Am 1. Okt. 2018 erhielt die Beklagte den Rentenbescheid Frau M.s ab 31. Okt. 2018.
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Anlässlich einer Besprechung am 4. Okt. 2018, an der neben dem Stiftsprobst Dr. B. sämtliche Kirchenmusiker teilnahmen, teilten die beiden weiteren Vollzeitmusiker mit, sie beabsichtigten Ende Juli bzw. Ende August 2019 ihrerseits in Ruhestand zu treten. Die Beklagte entschied, vorbehaltlich der Klärung weiterer Einzelheiten, künftig anstelle der bisherigen drei nur mehr zwei Vollzeit-Kirchenmusiker zu beschäftigen. Vor diesem Hintergrund schloss die Beklagte am 11. Okt. 2018 mit der Klägerin einen weiteren Änderungsvertrag, demzufolge die erhöhte Arbeitszeit der Klagepartei mit Wirkung zum 1. Nov. 2018 erneut bis längstens 31. Mai 2019 verlängert wurde (Anlage K5, Bl. 16 d. A.). Dieser Änderungsvertrag lautet auszugsweise:
„Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt weiterhin 39,0 Stunden (ursprünglich 3,5 Stunden lt. Arbeitsvertrag vom 28.10.2016) aufgrund von betrieblichem Bedarf, längstens jedoch bis zum 31.05.2019.“
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Die Beklagte prognostizierte, spätestens zum 31. Mai 2019 die Neuorganisation der Kirchenmusik in B-Stadt und die Abstimmung mit der erzbischöflichen Finanzkammer und dem Amt für Kirchenmusik abgeschlossen und beide Vollzeitstellen besetzt zu haben, sodass die Kirchenmusik in B-Stadt ohne befristete Aufstockung der Arbeitszeit der Klägerin sichergestellt werden könne. Mit dem Wegfall einer Vollzeitstelle sollten die Aufgaben neu verteilt werden, dass der vorübergehende Bedarf entfalle. Am 4. März 2019 seien die Stellen mit einer Bewerbungsfrist bis 31. März 2019 ausgeschrieben worden. Die Stelle des 1. Kirchenmusikers sollte zum nächstmöglichen Termin, diejenige des 2. Kirchenmusikers zum 1. Sept. 2019 besetzt werden. Die Klagepartei, die sich auf die Stelle des 1. Kirchenmusikers beworben hatte und auch zum Gespräch bzw. zur Chorprobe eingeladen worden war, hatte sich im Bewerbungsverfahren nicht durchsetzen können; die Beklagte entschied sich für einen externen Bewerber. Dies war der Klagepartei am 24. Apr. 2019 unter Hinweis auf den unbefristeten Teilzeitvertrag mitgeteilt worden.
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Mit ihrer am 6. Juni 2020 beim Arbeitsgericht Regensburg eingegangenen und der Beklagten am 13. Juni 2020 zugestellten Klage vom 5. Juni 2020 wendet sie sich gegen die Befristung der Arbeitszeiterhöhung. Mit Schriftsatz vom 11. Okt. 2019 (Bl. 98 ff. d. A.), der Beklagten am 17. Okt. 2019 zugestellt, hat sie die Klage um ihre tatsächliche Weiterbeschäftigung bei 39 Wochenstunden in der Stadtkirche B-Stadt mit Schwerpunkt Stiftsbasilika St. M. und St. J., hilfsweise in der Stadtkirche B-Stadt, erweitert. In der mündlichen Verhandlung vom 28. Apr. 2020 hat sie den Weiterbeschäftigungsantrag teilweise zurückgenommen, indem sie nur mehr die Weiterbeschäftigung in B-Stadt entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen beantragt hat.
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Sie hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, bei der Befristungsabrede handle es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung, die nach der bundesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung eines Befristungsgrundes bedürfe. Der im letzten Vertrag angegebene „betriebliche Bedarf“ reiche nicht hin. Die Beklagte räume selbst ein, dass infolge des Ruhestandseintritts mehrerer Kirchenmusiker über den 31. Mai 2020 Bedarf bestanden habe.
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Sie hat b e a n t r a g t:
I. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien über den 31.05.2019 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Kirchenmusikerin mit einer Arbeitszeit von 39 Wochenstunden besteht.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtkräftigen Abschluss dieses Verfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Kirchenmusikerin, d.h. in Vollzeit bei einem Umfang von 39 Wochenstunden in B-Stadt zu beschäftigen.
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Die Beklagte hat b e a n t r a g t,
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Sie hat entgegen der Klagepartei die befristete Arbeitszeiterhöhung nicht als allgemeine Geschäftsbedingung angesehen. Sie habe stets gegenüber der Klagepartei kommuniziert, die Stellen sollten ausgeschrieben werden, weswegen die Klagepartei auch bei Unterschrift unter den Änderungsvertrag gewusst habe, worauf sie sich einlasse. Es sei widersprüchlich, wenn sie nur deswegen, weil sie bei der Ausschreibung unterlegen sei, gegen die Befristung klage.
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Analog zum öffentlichen Dienst, habe sie nach internen Vorgaben ein Besetzungsverfahren bei offenen Stellen durchzuführen. Die befristete Erhöhung der Arbeitszeit der Klagepartei sei nur bis zum Abschluss der Neuorganisation am 31. Mai 2019 erforderlich gewesen.
13
Das Arbeitsgericht Regensburg hat der Klage mit Endurteil vom 28. Apr. 2020 (Bl. 140 ff. d. A.) vollumfänglich auf Kosten der Beklagten stattgegeben. Wegen des (un-)streitigen Sachvortrags der Parteien im Übrigen und der maßgeblichen rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.
14
Im Wesentlichen führt das Erstgericht aus, die befristete Erhöhung der Wochenstundenzahl im letzten Änderungsvertrag sei unwirksam und halte wegen einer unangemessenen Benachteiligung der Klagepartei einer AGB-Kontrolle nicht stand. Demzufolge gelte die erhöhte Wochenstundenzahl über den 31. Mai 2019 hinaus. Die Vertragsinhaltskontrolle, die sich allein auf den letzten befristeten Vertrag erstrecke, sei nicht durch die Bestimmungen des TzBfG ausgeschlossen. Die befristete Erhöhung der Arbeitszeit stelle schon nach dem äußeren Erscheinungsbild eine allgemeine Geschäftsbedingung dar. Anzeichen eines freien Aushandelns bestünden nicht. Die Inhaltskontrolle sei auch nicht nach § 307 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Bestimmungen der allgemeinen Geschäftsbedingungen seien unwirksam, wenn sie den Geschäftspartner nach Treu und Glauben unter wechselseitiger Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anerkennenswerter Interessen beider Vertragspartner unangemessen benachteiligten. Dabei sei - anders als nach § 14 Abs. 1 TzBfG - bei der Inhaltskontrolle nach der Angemessenheit der befristeten Änderung zu fragen. Ausnahmsweise liege aber keine unangemessene Benachteiligung vor, wenn Umstände gegeben seien, die eine Befristung des gesamten Vertrages rechtfertigen könnten, etwa bei erheblicher Aufstockung der Arbeitszeit um mindestens 25%. Ein schützenswertes Arbeitnehmerinteresse an einer unbefristeten zeitlichen Aufstockung sei umso mehr beeinträchtigt, je höher - ausgehend von einer unbefristeten Teilzeitbeschäftigung - der Umfang der befristeten Aufstockung sei, die hier mehr als 1.000% betrage. Vorliegend seien keine Umstände gegeben, die eine Befristung des Arbeitsvertrages insgesamt rechtfertigten, insbesondere kein vorübergehender „betrieblicher Bedarf“. Ein vorübergehender Bedarf sei nicht gegeben gewesen, da bei Vertragsschluss klar gewesen sei, auch nach Ablauf der Befristungszeit würden Kirchenmusiker in B-Stadt benötigt werden. Zwar sei zuzugestehen, dass eine Umstrukturierung der Kirchenmusik in B-Stadt erfolgt sei, doch werde mit dem Verlangen nach einem Befristungsgrund nicht in die unternehmerische Freiheit eingegriffen. Eine Ausnahme, etwa wegen der Ungeeignetheit der Klagepartei für die dauerhafte Besetzung der Stelle, sei nicht gegeben. § 14 Abs. 2 TzBfG sei nicht geeignet, die Befristung der Änderung von Arbeitsbedingungen zu rechtfertigen. Es sei zudem nicht widersprüchlich, wenn sich die Klagepartei nach ihrem vergeblichen Bewerbungsverfahren für die freie Stelle der 1. Kirchenmusikerin gegen die Befristung wendet. Befristete Verträge würden zumeist zunächst in Vollzug gesetzt und bei deren Ablauf ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung geführt. Der Weiterbeschäftigungsanspruch sei in Anwendung der Grundsätze des Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts begründet.
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Gegen diese ihr am 25. Mai 2020 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 25. Juni 2020, der am selben Tag über einen sicheren Übermittlungsweg (beA) beim Landesarbeitsgericht eingegangen war, Berufung eingelegt und diese nach der auf ihren am Montag, dem 27. Juli 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Antrag hin erfolgten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 27. Aug. 2020 (Bl. 189 d. A.), mit Schriftsatz vom 24. Aug. 2020, eingegangen über einen sicheren Übermittlungsweg am selben Tag, begründet.
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Sie beanstandet die arbeitsgerichtlich vorgenommene Kontrolle der allgemeinen Geschäftsbedingungen im Grundsatz nicht mehr. Allerdings sei verkannt worden, dass das Prüfungserfordernis schon dem Grunde nach nicht gegeben sei. Zunächst wäre festzustellen gewesen, ob eine unangemessene Benachteiligung per definitionem überhaupt vorliegen könne, was nur der Fall gewesen wäre, wenn sie durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners hätte durchsetzen wollen. Dies aber setze voraus, dass sich die Rechtsposition des Arbeitnehmers im Vergleich zur vertraglichen Position überhaupt verschlechtert habe.
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Die letzte Abänderung beinhalte aber schon keine unangemessene Benachteiligung, da der vorherige ebenso bis 31. Mai 2019 befristete Vertrag ohne den Abschluss des neuen befristeten Arbeitsvertrages fortgewirkt und die Arbeitszeiterhöhung zum selben Zeitpunkt beendet hätte. Die letzte Vereinbarung sei lediglich wegen des geänderten Befristungsgrundes abgeschlossen worden. Dass die Änderung am 31. Mai 2019 hatte enden sollen, sei der Klagepartei seit Langem klar gewesen.
18
Sie b e a n t r a g t:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Abänderung des am 28.04.2020 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Regensburg - Kammer Landshut mit dem Az. 6 Ca 556/19, die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
19
Die Klagepartei b e a n t r a g t,
die Berufung zurückzuweisen.
20
Sie verteidigt unter ergänzender Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Sachvortrag die erstinstanzliche Entscheidung. Sie vertritt die Ansicht, eine unangemessene Benachteiligung sei nur dann nicht gegeben, wenn auch bei einem gesonderten Vertrag über die Arbeitszeitaufstockung dessen Befristung nicht zu beanstanden wäre. Auch seien die Wertungen des Arbeitsgerichts hinsichtlich des Fehlens eines tauglichen Sachgrundes nicht zu beanstanden. Die letzte Befristungsvereinbarung sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als klar gewesen sei, dass die 1. Organistin nicht zurückkehren und der Personalbedarf durch den beabsichtigten Ruhestandseintritt der weiteren in Vollzeit beschäftigten Kirchenmusiker sich weiter intensivieren werde.
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Wegen des Sachvortrags der Parteien im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Klagepartei vom 5. Juni 2019 (Bl. 1 ff. d. A.), vom 6. Aug. 2019 (Bl. 60 ff. d. A.), vom 11. Okt. 2019 (Bl. 98 ff. d. A.) und vom 24. Sept. 2020 (Bl. 212 ff. d. A.), der Beklagten vom 4. Juli 2019 (Bl. 34 ff. d. A.), vom 20. Sept. 2019 (Bl. 77 ff. d. A.), vom 30. Sept. 2019 (Bl. 97 d. A.), vom 26. Nov. 2019 (Bl. 115 ff. d. A.), vom 25. Juni 2020 (Bl. 165 ff. d. A.) und vom 24. Aug. 2020 (Bl. 190 ff. d. A.) - jeweils einschließlich evtl. Anlagen - sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 9. Juli 2019 (Bl. 58 f. d. A.), vom 22. Okt. 2019 (Bl. 106 ff. d. A.), vom 28. Apr. 2020 (Bl. 136 ff. d. A.) und vom 20. Okt. 2020 (Bl. 217 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
22
Die statthafte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
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Die Berufung ist zulässig.
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Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
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In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.
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Das Arbeitsgericht hat die zuletzt abgeschlossene befristete Änderung des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien als unwirksam angesehen, mit der Folge, dass die Klägerin unbefristet als vollzeitig beschäftigte Kirchenmusikerin zu den Bedingungen gemäß des zuletzt abgeschlossenen Änderungsvertrags bei der Beklagten beschäftigt ist. Denn bei Abschluss des letzten Änderungsvertrages hatte eine freie Vollzeitstelle als Kirchenmusiker bei der Beklagten bestanden; ein nur vorübergehender betrieblicher Bedarf an einem Vollzeit-Kirchenmusiker war demzufolge nicht zu begründen. Zwar hatte die Beklagte damals bereits beschlossen, künftig nur mit zwei Vollzeitmusikern zu arbeiten, doch standen die beiden weiteren Stellen, bei Abschluss des befristeten Änderungsvertrages, wegen des angekündigten Ruhestandseintritts der beiden anderen Kirchenmusiker in Vollzeit kurz nach Ablauf der vereinbarten Befristung, absehbar bereits zur Disposition.
27
Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, nach dem vorletzten Änderungsvertrag hätte das Arbeitsverhältnis zum selben Zeitpunkt geendet, des zuletzt abgeschlossenen Vertrages hätte es nicht bedurft.
28
Vorweg wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführlich und zutreffend begründete Entscheidung des Arbeitsgerichts Bezug genommen (§ 69 Abs. 3 ArbGG). Hinsichtlich der Berufungseinwände ist ergänzend auszuführen:
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1. Die Klage ist zulässig.
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Klägerseits ist zutreffend eine Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) erhoben, nicht eine Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG. Denn auf die Kontrolle der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen findet § 17 TzBfG, wie das TzBfG insgesamt, keine Anwendung (BAG v. 14. 1. 2004 - 7 AZR 213/03, NZA 2004, 719, unter I der Gründe; BAG v. 27. 7. 2005 - 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40, unter A I der Gründe).
31
2. Die Klage ist auch begründet.
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Die vereinbarte befristete weitere Änderung der Arbeitszeit von 3,5 auf 39 Wochenstunden bis 31. Mai 2019 war nicht wirksam. Für die Klägerin besteht auch darüber hinaus ein Vollzeitarbeitsverhältnis als Kirchenmusikerin. Dieses kann weder dadurch in Frage gestellt werden, dass nach dem vorangegangenen befristeten Änderungsvertrag das Arbeitsverhältnis zum selben Zeitpunkt geendet hätte, noch, dass zwischenzeitlich - nach dem Vortrag der Beklagten - zur Kündigung berechtigende Fehlverhaltensweisen der Klägerin aufgetreten waren.
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a. Im Falle der Befristung von Arbeitsverträgen, aber auch bei der befristeten Änderung der Arbeitsbedingungen von Arbeitsverträgen (hier: der wöchentlichen Arbeitszeit) ist stets nur auf den zuletzt abgeschlossenen Vertrag abzustellen. Vorliegend ist sohin der Vertrag vom 1. Nov. 2018 bis 31. Mai 2019 zugrunde zu legen. Mit der - wie hier - vorbehaltlosen Unterzeichnung eines neuen befristeten Vertrages stellen die Parteien die Wirksamkeit der Befristung eines früheren Vertrages außer Streit (vgl. BAG v. 27. 7. 2005 - 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40, unter B I 1 der Gründe; BAG v. 23. 3. 2016 - 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881 Rz. 43).
34
b. Die Kontrolle einer befristeten Inhaltsänderung eines Arbeitsvertrages erfolgt nicht auf Grundlage der §§ 14 ff. TzBfG direkt oder entsprechend (BAG v. 23. 3. 2016, a.a.O. Rz. 41 ff.), sondern im Wege der Vertragsinhaltskontrolle (§§ 305 Abs. 1, 307 ff. BGB). Dabei handelt es sich bei der vereinbarten Befristung der Erhöhung der Wochenarbeitszeit, wie vom Arbeitsgericht angenommen und seitens der Beklagten im Berufungsverfahren zwischenzeitlich auch anerkannt, um eine Allgemeine Geschäftsbedingung gem. § 305 Abs. 1 BGB.
35
aa. Eine Vertragsinhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB schließt § 307 Abs. 3 BGB nicht aus. Danach unterliegen Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen allein nur dann der uneingeschränkten Inhaltskontrolle, wenn durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Bei anderweitigen Bestimmungen ist die Inhaltskontrolle auf den Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB beschränkt. Einer nur eingeschränkten Kontrolle unterliegen deklaratorische Vertragsklauseln, die in jeder Hinsicht mit einer bestehenden gesetzlichen Regelung übereinstimmen (BAG v. 10. 12. 2014 - 7 AZR 1009/12, NZA 2015, 811 Rz. 34; BAG v. 7. 10. 2015 - 7 AZR 945/13, NZA 2016, 441 Rz. 37; BAG v. 23. 3. 2016, a.a.O. Rz. 46) bzw. Abreden, über den Umfang der von den Parteien geschuldeten Hauptleistungen, die keiner gesetzlichen Regelung unterliegen, sondern von den Vertragsparteien vertraglich festzulegen sind (BAG v. 31. 8. 2005 - 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324, unter II 3 a der Gründe).
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bb. Die hier zugrundeliegende Befristungsabrede unterliegt nach dem Vorstehenden der uneingeschränkten Inhaltskontrolle, nicht lediglich einer beschränkten, da sie sich auf die Arbeitszeit bezieht. Die Erhöhung der Arbeitszeit und der klägerseits zu erbringende Umfang der Arbeitsleistung sind nicht der Gegenstand der Inhaltskontrolle, sondern deren zeitliche Einschränkung durch die Befristung (vgl. BAG v. 10. 12. 2014, a.a.O. Rz. 36; BAG v. 23. 3. 2016, a.a.O., Rz. 47).
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cc. Für die vorzunehmende Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB bei Befristung einzelner Arbeitsbedingungen ist als Angemessenheitskontrolle anhand der Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen beider Vertragsparteien durchzuführen. Dennoch sind bei der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen diejenigen Umstände, welche insgesamt eine Befristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen könnten, nicht ohne Bedeutung und können sich bei der Interessenabwägung nach § 307 Abs. 1 BGB zugunsten des Arbeitgebers auswirken. Liegt der befristeten Arbeitszeiterhöhung ein Sachverhalt zugrunde, der die Befristung eines - die Arbeitszeiterhöhung betreffenden eigenständigen - Arbeitsvertrags insgesamt mit Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG rechtfertigte, überwiegt nach den im Teilzeit- und Befristungsgesetz zum Ausdruck kommenden Wertungsmaßstäben (vgl. BAG v. 2. 9. 2009 - 7 AZR 233/08, NZA 2009, 253 Rz. 29 m.w.N.) regelmäßig das Interesse des Arbeitgebers an der nur befristeten Erhöhung der Arbeitszeit das Interesse des Arbeitnehmers an der unbefristeten Vereinbarung des Arbeitszeitumfangs. Allein bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände auf Seiten des Arbeitnehmers, etwa einem Sachverhalt nach § 9 TzBfG (vgl. BAG v. 2. 9. 2009, a.a.O., Rz. 30, 38), kann ausnahmsweise eine andere Beurteilung in Betracht kommen.
38
(1) Danach bedarf es im Falle einer befristeten Arbeitszeiterhöhung in einem erheblichen Umfang nach der gesetzgeberischen Wertung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes solcher Umstände, welche die Befristung des gesamten - über das erhöhte Arbeitszeitvolumen gesondert geschlossenen - Vertrags rechtfertigten. Gegenstand der Inhaltskontrolle bei befristeter Arbeitszeiterhöhung ist nicht der vereinbarte Umfang der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung als Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis, sondern dessen zeitliche Einschränkung durch die Befristungsabrede (vgl. BAG v. 7. 10. 2015, a.a.O., Rz. 39; BAG v. 15. 12. 2011 - 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674 Rz. 23). Diese Wertung, das unbefristete Vertragsverhältnis sei der Normalfall, der befristete Vertrag die Ausnahme (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 1 und S. 12), findet auch für die Vereinbarung des Umfangs der Arbeitszeit Anwendung. Das sozialpolitisch erwünschte - auch seinem Inhalt nach - unbefristete Arbeitsverhältnis soll dem Arbeitnehmer ein dauerhaftes Auskommen sichern und zu einer längerfristigen Lebensplanung beitragen. Für diese Planung des Arbeitnehmers ist regelmäßig auch die Höhe des von ihm erzielten und zu erzielenden Einkommens maßgebend, was wiederum u. a. vom Umfang seiner Arbeitszeit abhängt. Eine längerfristige Planungssicherheit wird dem Arbeitnehmer daher nicht schon allein durch den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags ermöglicht, sondern nur dann, wenn auch der Umfang der Arbeitszeit unbefristet vereinbart wird (BAG v. 15. 12. 2011, a.a.O.). Zudem wird das schützenswerte Interesse eines Arbeitnehmers an der unbefristeten Vereinbarung über den Umfang der Arbeitszeit umso mehr beeinträchtigt, je größer - ausgehend von einer zeitlich unbegrenzten Teilzeitbeschäftigung - der Umfang der vorübergehenden Arbeitszeitaufstockung ist. Dann ist für den Arbeitnehmer, dessen Arbeitszeit befristet erhöht wird, der Lebensstandard nicht an einem mit weitgehender Sicherheit kalkulierbaren, in etwa gleichbleibenden Einkommen auszurichten. Zudem ist die befristete, jedenfalls die erhebliche befristete Aufstockung der Arbeitszeit der Sache nach kaum vom Abschluss eines zusätzlichen befristeten Arbeitsvertrags zu unterscheiden, welcher einer unmittelbaren Befristungskontrolle nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz unterfiele. Jedenfalls bedarf die Befristung der Arbeitszeiterhöhung in einem erheblichen Umfang besonderer berechtigter Belange auf Arbeitgeberseite. An denen fehlt es, wenn ein gesonderter Vertrag über die Arbeitszeitaufstockung insgesamt nicht zulässig hätte befristet werden können (BAG v. 15. 12. 2011, a.a.O.).
39
(2) Nach dem Vorstehenden ist die befristete Aufstockung der Arbeitszeit nicht gerechtfertigt. Auch ein befristeter Vertrag über das erhöhte Arbeitszeitaufkommen hätte nicht abgeschlossen werden können.
40
Das Arbeitsgericht (unter II 5 f der Entscheidungsgründe) nimmt hier zutreffend und mit zutreffender Begründung an, es seien keine Umstände erkennbar, die einen vorübergehenden oder betrieblichen Bedarf, auf den der letzte befristete Änderungsvertrag abhebe, erkennbar, weswegen auch ein befristeter Arbeitsvertrag aus diesen Gründen nach § 14 Abs. 1 TzBfG nicht wirksam hätte geschlossen werden können. Demzufolge stelle die Befristung der (weiteren) Arbeitszeiterhöhung eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin dar. Auf diese Ausführungen wird ausdrücklich Bezug genommen (§ 69 Abs. 3 ArbGG).
41
(3) Die Beklagte kann sich auch nicht auf eine mögliche Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG berufen. Dessen Regelungen sind im Rahmen einer AGB-Kontrolle nicht zu berücksichtigen, wie das Arbeitsgericht (unter II 6 g der Entscheidungsgründe) ebenso zutreffend ausgeführt hat. Hierauf nimmt die Berufungskammer Bezug (§ 69 Abs. 3 ArbGG).
42
(cc) Vorliegend handelt es sich nach den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 23. 3. 2016, a.a.O., Rz. 54) zudem um eine erhebliche Arbeitszeitänderung, welche die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 1 BGB rechtfertigt. Denn das schützenswerte Interesse an einer dauerhaften (unbefristeten) Arbeitszeitvereinbarung wird umso stärker beeinträchtigt, je größer die Arbeitszeiterhöhung gegenüber der dauerhaften Teilzeitarbeitszeit ist. Dem Arbeitnehmer - hier: der Klägerin - bleibt so, wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, durch die lediglich befristete Erhöhung der Arbeitszeit - hier: um mehr als 1.000% - Befristung keine hinreichende Planbarkeit, den Lebensstandard zu kalkulieren.
43
c. Das Begehren der Klägerin, die sich zunächst erfolglos auf die ausgeschriebenen Vollzeitstellen beworben hatte, ist nicht widersprüchlich oder treuwidrig (§ 242 BGB). Auch kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, nach dem vorher vereinbarten befristeten Änderungsvertrag hätte die Arbeitszeiterhöhung ebenso mit dem 31. Mai 2019 geendet.
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aa. Es stellt keine Widersprüchlichkeit oder Treuwidrigkeit dar, sich zunächst auf eine ausgeschriebene Stelle zu bewerben und erst dann, wenn die Bewerbung erfolglos bleibt, die getroffene Befristungsvereinbarung (gerichtlich) anzugreifen. Insbesondere liegt in der Bewerbung kein Verstoß gegen den Grundsatz des venire contra factum proprium, also ein widersprüchliches Verhalten. Durch eine vorangehende Bewerbung kann im Erfolgsfalle eine Streitigkeit über die Wirksamkeit einer Befristungsabrede vermieden werden. Die Bewerbung dient somit auch den Interessen des Arbeitgebers - hier: der Beklagten -, da auf diese Weise etwaige (finanziell evtl. relevante) Auseinandersetzungen vermieden werden können.
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Bleibt die Bewerbung einer befristet beschäftigten oder - wie hier - befristet mit erhöhter Arbeitszeit beschäftigten Kraft auf eine (unbefristete) Vollzeitstelle ohne Erfolg, so kann daraus nicht entnommen werden, diese Person - hier: die Klägerin - wolle die getroffene Befristungsabrede akzeptieren. Vielmehr hat sie mit ihrer Bewerbung einen von zwei kumulativ nebeneinanderstehenden Wegen gewählt, der, führt er nicht zum Erfolg, das anschließende Beschreiten des weiteren Weges nicht ausschließt.
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Der Streit über die Wirksamkeit der Befristung ist - unabhängig ob es sich um die Befristung eines Arbeitsvertrages handelt oder die Wirksamkeit der befristeten Änderung einzelner Arbeitsbedingungen - nicht unüblich. Dieser muss nicht schon während des bestehenden befristeten (Änderung-)Vertrages oder vor dessen Auslaufen stattfinden, sondern kann auch erst nach Ablauf der vereinbarten Befristungsdauer ausgetragen werden (vgl. § 17 TzBfG für den befristeten Arbeitsvertrag).
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bb. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, nach der vorangegangenen (vorletzten) Befristungsvereinbarung hätte die Arbeitszeiterhöhung zum selben Zeitpunkt geendet. Wäre dem so, so fragte sich, weswegen die Beklagte einen weiteren Änderungsvertrag zum selben Endzeitpunkt abgeschlossen hatte. Es ist nur der letzte Änderungsvertrag zu überprüfen. Und: Der vorangegangene Änderungsvertrag war nach Ansicht der Kammer mit Ruhestandseintritt der vertretenen 1. Kirchenmusikerin beendet, weswegen die befristete Arbeitszeiterhöhung der Klägerin auf Grund dieses Vertrages nicht mehr zum 31. Mai 2019 hatte enden können.
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(1) Es ist jeweils allein der letzte befristete (Änderungs-)Vertrag auf seine Wirksamkeit zu prüfen (vgl. etwa BAG v. 7. 10. 2015, a.a.O., Rz. 32), es sei denn, der Arbeitnehmer hat sich das Recht vorbehalten, die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung überprüfen zu lassen (BAG v. 7. 10. 2015, a.a.O. m.w.N.), was hier nicht geschehen war. Mit der Unterzeichnung des neuen befristeten Änderungsvertrages stellen die Vertragsparteien klar, sich auf Mängel des vorangegangenen nicht mehr berufen zu wollen. Mangels Relevanz der vorangegangenen Änderungsvereinbarung kann aus dieser sohin keine abweichende Rechtsposition der Beklagten abgeleitet werden.
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(2) Ungeachtet des Vorstehenden war der frühere bis maximal 31. Mai 2019 befristete (Änderungs-)Vertrag nach dem Ruhestandseintritt der vertretenen 1. Kirchenmusikerin spätestens mit Ablauf des 31. Okt. 2018 beendet. Ab diesem Zeitpunkt hatte kein befristeter Vertretungsbedarf mehr bestanden. Denn die Vereinbarung, die Änderung auf von 3,5 auf 39 Wochenstunden sei befristet „bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit von Frau M., längstens bis 31.05.2019“ (Anlage K4, Bl. 15 d. A.) ist dahingehend zu verstehen, dass die befristete Erhöhung der Arbeitszeit nur dann mit dem 31. Mai 2019 enden sollte, falls das Vertretungsbedürfnis über diesen Termin hinaus fortbesteht. Dies war jedoch nicht mehr der Fall.
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(a) Der Passus „…befristet bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit von Frau M., längstens bis 31.05.2019.“ ist auszulegen (§§ 133, 157 BGB), da durch den Ruhestandseintritt die „Wiedergenesung“, d.h. die Rückkunft Frau M.s und deren Fortsetzung der vertraglichen Tätigkeit nicht mehr stattfinden konnte. Damit kann die Vereinbarung theoretisch dahingehend verstanden werden, zumindest bis 31. Mai 2019 solle die Klägerin weiter vertreten.
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Nach §§ 133, 157 BGB kann der Passus nur so verstanden werden, die befristete Erhöhung der Arbeitszeit ende mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit Frau M.s. Nur dann, sollte deren Erkrankung, also der Vertretungsbedarf, andauern, so ende die befristete Arbeitszeiterhöhung jedenfalls mit Ablauf des 31. Mai 2019. Primäres Kriterium für die Beendigung der befristeten Arbeitszeiterhöhung ist die Wiederaufnahme der Tätigkeit Frau M.s. Eine Regelung, was geschehen solle, wenn sie ihre Tätigkeit nicht mehr wiederaufnehmen werde, besteht nicht explizit. Die Annahme, die Klägerin solle in jedem Fall bis 31. Mai 2019 mit der erhöhten Arbeitszeit arbeiten, also auch in dem gerade angesprochenen Fall, ist der Formulierung nicht zu entnehmen.
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Bei einer Falle hier eingetretenen Nicht-Wiederaufnahme der Tätigkeit durch Frau M., belegt durch den eingereichten Rentenbescheid und ihrem Ruhestandseintritt, besteht zwar der Bedarf fort, die nunmehr unbesetzte Vollzeitstellen „zu vertreten“. Es handelt sich dann aber nicht mehr um einen „befristeten“ Vertretungsbedarf, sondern um einen unbefristeten. Die Befristungsabrede war sohin bereits mit Ruhestandseintritt Frau M.s obsolet geworden und es bedurfte eines neuen befristeten Änderungsvertrags, welcher beklagtenseits konsequent tatsächlich auch abgeschlossen worden war, um die Klägerin nur bis 31. Mai 2019 mit erhöhter Arbeitszeit zu beschäftigen. Nur, dieser befristete Änderungsvertrag war, wie vorstehend ausgeführt, nicht wirksam befristet.
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Zwar hatte die Beklagte ins Auge gefasst, statt der bisherigen drei nur mehr zwei Vollzeitstellen fortzuführen, als auch die beiden anderen Vollzeitmitarbeiter ihren Ruhestandseintritt in Folgejahr ankündigten. Dies ändert aber nicht an der unbefristeten freien Stelle. Bei Abschluss des letzten befristeten Vertrages mit der Klägerin hatte die Beklagte die Umorganisation der Kirchenmusik in B-Stadt noch nicht endgültig beschlossen. Dies hatte bis 31. Mai 2019 erfolgen sollen. Mit welchen Änderungen und wie vielen Vollzeitstellen es letztlich weitergehen sollte, stand im Oktober 2018 jedenfalls noch nicht fest. Daneben waren zudem weitere freie und nicht anderweit vergebene Vollzeitstellen in Folgejahr in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem avisierten Vertretungsende vorhanden, sodass auch insoweit bei Abschluss des letzten befristeten Änderungsvertrages von einem dauerhaften Bedarf auszugehen war.
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d. Die beklagtenseits erstinstanzlich vorgetragenen Fehlverhaltensweisen der Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 4. Juli 2019, S. 6, unter 3., Bl. 34 ff., 39 d. A.) ändern nichts an der Unwirksamkeit der nur befristeten Erhöhung der Arbeitszeit. Die Wirksamkeit einer Befristungsabrede ist prognostisch im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, hier des Abschlusses des letzten Änderungsvertrages, zu prüfen. Zu diesem Zeitpunkt war kein Umstand zu erkennen, der eine Befristung gerechtfertigt hätte; ein solcher kann nicht nachträglich durch die - hier nicht zu beurteilenden - Fehlverhaltensweisen der Klägerin hergestellt werden.
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e. Der Weiterbeschäftigungsanspruch ist nach §§ 611, 613 BGB i. V. m. Art. 1, Art. 2 GG, § 242 BGB begründet (BAG v. 27. 2. 1985 - GS 1/84, NZA 1985, 818 Rz. 38 ff.). Auch insoweit wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts (unter III der Entscheidungsgründe) Bezug genommen (§ 69 Abs. 3 ArbGG).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Umstände, die eine Zulassung der Revision bedingten (§ 72 Abs. 2 ArbGG), sind nicht gegeben.