Inhalt

VG München, Urteil v. 17.07.2020 – M 30 K 19.5902
Titel:

Erwähnung eines Vereins im Verfassungsschutzbericht Bayern als rechtsextremistische Organisation – Unterlassungsklage

Normenketten:
GG Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, Art. 9, Art. 19 Abs. 3
BGB § 1004 Abs. 1 S. 2
BVerfSchG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 S. 1 lit. c
BayVSG Art. 3, Art. 4 Abs. 1 S. 1, Art. 26 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Der Schutz der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit vor inhaltsbezogenen Einwirkungen sowie der Vereinigungsfreiheit betrifft nicht allein Eingriffe im traditionellen Sinn, sondern kann auch bei mittelbaren Einwirkungen ausgelöst werden, wenn sie in der Zielsetzung und ihren Wirkungen Eingriffen gleichkommen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Verfassungsschutzbericht ist kein beliebiges Zeugnis staatlicher Öffentlichkeitsarbeit, sondern zielt auf die Abwehr besonderer Gefahren ab und stammt von einer dauerhaft spezialisierten und mit besonderen Befugnissen arbeitenden Stelle, sodass eine Veröffentlichung im Verfassungsschutzbericht über die bloße Teilnahme staatlicher Funktionsträger an der öffentlichen Meinungsbildung hinausgeht. Seine Ausführungen können den Charakter einer Warnung vor einer  Organisation haben und deren Wirkungsmöglichkeiten so nachteilig beeinflussen, dass diese Beeinträchtigungen in ihren Wirkungen einem Eingriff vergleichbar sind. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind und eine Berichtspflicht im Verfassungsschutzbericht begründen, sind politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen, die ein aktives, jedoch nicht notwendig kämpferisch-aggressives Vorgehen erfordern. Erfasst sind damit (nur) Verhaltensweisen, die über rein politische Meinungen hinausgehen und auf die Durchsetzung eines solchen Ziels gerichtet sind. Die bloße Kritik an Verfassungswerten ist nicht als Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzuschätzen, wohl aber darüberhinausgehende Aktivitäten zu deren Beseitigung. (Rn. 27 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zwar gehen verfassungsschutzrelevante Bestrebungen über bloße politische Meinungen hinaus, sodass bloße Kritik an einem Bestandteil der freiheitlich-demokratischen Grundordnung als solche unberücksichtigt bleiben muss. Verfassungsschutzbehörden können aber insoweit an die Inhalte von Meinungsäußerungen anknüpfen, als diese Ausdruck eines eigenen Bestrebens sind, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Demgegenüber reicht die bloße Übereinstimmung oder Sympathie mit Zielen und Maßnahmen einer verfassungsfeindlichen Organisation nicht aus. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zeitgeschichte, Verfassungsschutzrelevanter Geschichtsrevisionismus, Verfassungsschutzbericht 2019, Unterlassung der Berichterstattung, Grundrechtseingriff, mittelbare Einwirkungen, Abwehr besonderer Gefahren, Ausführungen mit dem Charakter einer Warnung, Berichtspflicht im Verfassungsschutzbericht, Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen, politische Meinungen, Kritik an Verfassungswerten, Übereinstimmung oder Sympathie mit verfassungsfeindlichen Organisationen, verfassungsschutzrelevanter Geschichtsrevisionismus
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 12.11.2024 – 10 B 23.374
Fundstelle:
BeckRS 2020, 36397

Tenor

I. Dem Beklagten wird untersagt, den Kläger als rechtsextremistische Organisation in seinen Verfassungsschutzberichten aufzuführen.
II. Der Beklagte hat die Kosten zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen seine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht Bayern 2019.
2
Der Kläger ist ein im Jahr 1981 gegründeter eingetragener Verein, dessen Zweck laut § 2 der Vereinssatzung die Förderung der Erziehung-, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe sei. Er widmet sich lt. Satzung zugleich der Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens. Die Forschungsstelle des Vereins diene diesen Aufgaben insbesondere durch Förderung wissenschaftlicher Arbeiten zur Zeitgeschichte, von öffentlichen Vorträgen und Seminarveranstaltungen und durch die Anfertigung von Gutachten. Oberster Grundsatz sei die Verpflichtung zur Erhellung der jüngeren Geschichte auf Grundlage streng wissenschaftlicher Verarbeitung von Urkunden und Originaldokumenten.
3
Unter dem Abschnitt „Rechtsextremistische Parteien, Vereinigungen und Verlage“, Unterabschnitt „Sonstige rechtextremistische Organisationen“, wird auf S. 180 ff. des „Verfassungsschutzbericht Bayern 2019“ ausgeführt:
„7.4 Sonstige rechtsextremistische Organisationen Zeitgeschichtliche Forschungsstelle I. e.V. (...)
Die … wurde am … Juli 1981 gegründet und dient nach eigenen Angaben der „Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe […] und der Förderung wissenschaftlicher Arbeiten zur Zeitgeschichte“. Der Verein veranstaltet in I. regelmäßig Tagungen. Von der … publizi...e Reden enthielten antisemitische beziehungsweise die NS-Zeit verherrlichende Inhalte. An Veranstaltungen der … nahmen einzelne Redner teil, die sich rechtsextremistisch äuß...en oder bereits bei Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Organisationen, wie beispielsweise der „… … … … e.V.“, auftraten. Bei der …-Frühjahrstagung trat als Redner ein als Geschichtsrevisionist bekannter Buchautor auf. Ein anderer Redner äußerte sich antisemitisch, kritisierte darüber hinaus die „Auflösung der Volksgemeinschaft“ und bestritt die Legitimität der Bunderepublik Deutschland. Damit stellte er die verfassungsmäßige Ordnung und das Grundgesetz in Frage: „Vielmehr kommt dadurch auch die ganze Legitimationsbasis der BRD ins Rutschen, die letztlich eine USamerikanische Erfindung unter Beihilfe von Engländern und Franzosen gewesen ist.“ Offenkundig hegte der Redner Zweifel am Holocaust, vor dem Hintergrund einer strafrechtlich relevanten Volksverhetzung sagte er insoweit taktisch motiviert:
Denn das von ihr [gemeint ist „alliierte Propaganda“] produzierte Geschichtsbild hält einer seriösen, das heißt an Fakten orientierten Betrachtungsweise in vielen Fällen gar nicht stand. Zwar werde ich hier nicht den Holocaust mit seinen sechs Millionen Toten in Zweifel ziehen - keine Angst. Leider Gottes hat dieses schreckliche Ereignis in der einen oder anderen Form stattgefunden und wohl auch schätzungsweise so viele Opfer gefordert. Anstatt daran lange herum zu deuteln und darüber vielleicht auch noch eine Anklage wegen Volksverhetzung zu riskieren, kommt es mir auf den Nexus von Holocaust, Hitler und Zweiter Weltkrieg an, der aus dem roosevelteischen Zeitalter stammt und sich in den letzten siebzig, achtzig Jahren wie ein Fluch über uns Deutsche gelegt hat.
Einer der Vorstände des … schrieb im Dezember 2019 in einer Zeitschrift über den rechtsextremistischen Verein „G. e.V.“ aus G. in T.:
Mit dieser Gedenkstätte hatten sich die Initiatoren das Ziel gesetzt, einen längst überfälligen Ort der Erinnerung für die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs durch den alliierten Bombenkrieg, die Vertreibung, die Deportation deutscher Zivilisten und die in den Gefangenenlagern der ehemaligen Kriegsgegner umgekommenen Soldaten der Wehrmacht zu schaffen.
Auf der Herbsttagung 2017 des … wurde das unter Rechtsextremisten verbreitete Narrativ der „Umerziehung der Deutschen seit 1945“ propagi... So heißt es in einer durch das … veröffentlichten Rede: „Dies nachzuvollziehen ist uns Deutschen heute nahezu unmöglich, weil ein Nationalstolz, der sich auf siegreiche Kriege gründet, seit 1945 im besiegten, umerzogenen Deutschland auf völliges Unverständnis trifft.“ Darüber hinaus wurde der Bundesrepublik die Souveränität abgesprochen:
Das Deutsche Reich war 1915 politisch und militärisch souverän. Die Bundesrepublik Deutschland dagegen ist weder politisch noch militärisch souverän, sie hat kein eigenes Sicherheitskonzept und kennt keine genuin deutschen außenpolitischen Interessen. Folglich waren wir Deutsche 1915/16 selbstbewusste V...reter einer in Europa kriegführenden, souveränen Nation. Wir verfügen dagegen heute nur über international defini...e, durch jahrzehntelange Umerziehung entnationalisierte Politiker und Soldaten.
Der Redner verherrlichte zudem die Waffen-SS und bedauerte die deutsche Niederlage im Zweiten Weltkrieg.
Auch auf der Frühjahrstagung im Jahr 2017 sprach ein Redner von der „Umerziehung des Deutschen“, die durch die ehemaligen Sieger des Zweiten Weltkriegs initiiert worden sei. Als Verantwortliche machte er „Journalisten, die aus Kreisen von Industrie und Hochfinanz … stammten“ aus, die „die Aversion gegen alles Deutsche“ eine. Mit dem Begriff „Hochfinanz“ nutzt der Redner einen Kampfbegriff der Nationalsozialisten, der eng mit antisemitischen Stereotypen und Verschwörungstheorien verbunden ist. Damit bedient der Redner antisemitische Verschwörungstheorien. Ziel dieser „Umerziehung“ sei die:
Zerstörung der deutschen geistigen Tradition; Vernichtung des Volks- und Vaterlandsbewusstseins; Auflösung der Volksgemeinschaft; Einführung des Marxismus; Angriff auf jede Art von Autorität; Herabwürdigung der Familie als ´Keimzelle des Faschismus´; wachsende Sexualisierung des Lebens; Aufhebung des abendländischen Schönheits- und Kunstbegriffs. Überdies wurden pseudohumanitäre Begriffe als Forderungen propagi...: Demokratisierung aller Bereiche; auf sämtlichen Ebenen durchzuführende Emanzipierung; Transparenz aller Vorgänge; emanzipatorische und antiautoritäre Erziehung. Neuerdings gehören dazu auch Ausländerintegration und multikulturelle Gesellschaft, deren Ablehnung sogleich den Vorwurf des Faschismus und Rassismus nach sich zieht.
In diesem Zitat werden verschiedene rechtsextremistische Ideologieelemente sichtbar, so war z.B. die Etablierung der rassischen Volksgemeinschaft einer der zentralen Punkte der nationalsozialistischen Diktatur.“
4
Mit Schriftsatz vom 27. November 2019 ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht München erheben. Zur Klagebegründung wurde insbesondere in den Schriftsätzen vom 7. Januar 2020, 31. Januar 2020 sowie 15. Mai 2020 umfangreich vorgetragen. Die Stadt I. lehne es ab, dem Kläger die jahrelang zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten in der Volkshochschule zur Durchführung der für das Frühjahr 2020 geplanten turnusmäßigen Tagung zu vermieten, weil der Beklagte ihn in seinem Verfassungsschutzbericht als rechtsextrem einstufe. Außerdem habe die Hausbank des Klägers nach Bekanntwerden der Einstufung als rechtsextrem das Girokonto gekündigt. Zu den Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung vom 20. Dezember 2019 wurde umfangreich repliziert. Insbesondere trug der Kläger vor, das Vorstandsmitglied S. P., als Reichsbürger vom Beklagten eingestuft, habe einschlägige politische Ansichten jedenfalls im Rahme des Vereins niemals erkennen lassen. Voraussichtlich werde er den Verein verlassen. Unter dem 13. Februar 2020 teilten die Bevollmächtigten des Klägers dessen Austritt aus dem Verein mit. Unter dem 8. Mai 2020 teilten die Bevollmächtigten des Klägers zudem mit, das Finanzamt I. habe mit Bescheid vom … April 2020 dem Kläger die Gemeinnützigkeit entzogen. Auf den nunmehr in Druckform vorliegenden Verfassungsschutzbericht wurde Bezug genommen und der ursprünglich gegen die Bezeichnung des Klägers gegenüber der Stadt I. als rechtsextremistisch gerichtete Klageantrag entsprechend umgestellt. Weitere Äußerungen der Klagepartei erfolgten mit Schriftsätzen vom 14. Mai 2020, 30. Juni 2020, 1. Juli 2020 sowie vom 16. Juli 2020.
5
In der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2020 beantragte die Klagepartei zuletzt:
6
Dem Beklagten wird untersagt, den Kläger als rechtsextremistische Organisation in seinen Verfassungsschutzberichten aufzuführen.
7
Der Beklagte beantragte,
8
die Klage abzuweisen.
9
Er führte im Wesentlichen mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2019 aus, dass sich aus den auf der Homepage des Klägers publizierten Referaten verschiedener, bei ihm auftretender Redner und deren anderweitigen Vortragstätigkeiten tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinne des Art. 3 BayVSG beim Kläger ergäben. Der Rechtsextremismus habe viele verschiedene Ausprägungen. Rechtsextremistische Bestrebungen richteten sich jedoch stets gegen die universelle Geltung der Menschenrechte und die im Grundgesetz verankerte Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz. Zu den Erscheinungsformen des Rechtsextremismus zähle auch der Revisionismus. Revisionisten versuchten, den historischen Nationalsozialismus positiv darzustellen und dann das NS-Regime von Schuld zu entlasten oder ganz freizusprechen. Man unterscheide zwischen einem Revisionismus im engeren Sinne (Leugnung der Massenvernichtung von Juden) und einem Revisionismus im weiteren Sinne (z.B. Leugnung oder Relativierung der deutschen Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, Klage über die „Umerziehung“ der Deutschen durch die Alliierten, Diffamierung der Widerstandskämpfer als „Vaterlandsverräter“). Durch eine vermeintlich entlastende und verzerrende Darstellung der Geschichte versuchten Rechtsextremisten nationalsozialistische Ideologie wieder politisch anschlussfähig zu machen. Revisionisten stellten dazu angeblich positive Leistungen des Dritten Reichs heraus. Zugleich diffamierten sie die Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime und verschweigten, verharmlosten oder leugneten die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Revisionisten relativierten den Holocaust und andere Verbrechen der Nationalsozialisten, indem sie sie mit Handlungen der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges gleichsetzten. Forschungsergebnisse, die eindeutig belegen, dass der Holocaust stattgefunden habe, würden durch rechtsextremistische Revisionisten bewusst ignoriert. Im Rahmen einer gezielten Revisionismuskampagne versuchten Rechtsextremisten aus aller Welt seit Jahren, den millionenfachen Mord an den Juden zu bestreiten oder zumindest die Zahl der Opfer in Frage zu stellen. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Bestrebungen im Sinne von Art. 3 Satz 1 BayVSG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG verfolgt, ergäben sich einerseits aus den Aktivitäten seiner Vorstandsmitglieder als auch daraus, dass bei Veranstaltungen des Klägers Redner aufgetreten seien, die bereits in rechtsextremistischen Zusammenhängen bekannt geworden seien bzw. sich rechtsextremistisch äußerten. Indem der Kläger nicht nur diesen Rednern auf den von ihm durchgeführten Veranstaltungen ein öffentliches Forum zur Verfügung stelle, sondern die dort gehaltenen Referate auch ohne jede kritische Auseinandersetzung mit den jeweiligen Inhalten in seinen Publikationen der Öffentlichkeit zugänglich mache, sei bei verständiger Betrachtung davon auszugehen, dass der Kläger die dort wiedergegebenen Ansichten teile. Im Einzelnen wird hierzu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
10
Der jetzige Vorsitzende G. F. habe am … Mai 2013 am so genannten „Herrschaftsfreien Dialog“ der M. Burschenschaft D. teilgenommen.
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Das Vorstandsmitglied K. H. habe am … Februar 2014 am so genannten „Herrschaftsfreien Dialog“ der M. Burschenschaft D. teilgenommen. Außerdem sei er für den … Juni 2015 als Redner einer Veranstaltung des rechtsextremistischen Vereins G. e.V. in G. (T.) angekündigt gewesen und sei als einer der Redner des Jahreskongresses 2017 der rechtsextremistischen „Gesellschaft … … …“ aufgetreten. Im Übrigen habe er in der Publikation „… … einen Artikel über die Einweihung der G. G. veröffentlicht, u.a. mit dieser Passage:
„Mit dieser G. hatten sich die Initiatoren das Ziel gesetzt, einen längst überfälligen Ort der Erinnerung für die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs durch den allii...en Bombenkrieg, die V...reibung, die Deportation deutscher Zivilisten und die in den Gefangenenlagern der ehemaligen Kriegsgegner umgekommenen Soldaten der Wehrmacht zu schaffen.“
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Der auf der Homepage des Klägers ebenfalls als Vorstand genannte S. P. werde polizeilich als „Reichsbürger“ eingestuft.
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Dr. D. B. sei Redner bei der Frühjahrstagung 2019 mit einem Vortrag zum Thema „Donald Trump und das Ende des rooseveltischen Zeitalters - Metamorphosen amerikanischer Politik“ gewesen. Er sei bereits in rechtsextremistischen Zusammenhängen bekannt geworden. So sei er für den Jahreskongress der … … … … (GfP) als Redner angekündigt gewesen, ebenfalls zu dem oben genannten Thema. Ein weiterer, vor dem Jahreskongress der GfP angekündigter Redner sei der wegen mehrfacher Volksverhetzung vorbestrafte Inhaber des rechtsextremistischen Verlages „… ...“ Dr. G. S. gewesen. In diesem Verlag sei das von Dr. B. verfasste Buch „… … … … …“ erschienen. Außerdem habe Dr. S. im Juli 2018 ein auf der Homepage des Verlages öffentlich abrufbares Interview mit Dr. B. geführt. Die oben genannte Rede bestätige die Einschätzung von Dr. B. als Rechtsextremist sowie die Bewertung des Klägers als rechtsextremistisch. Von dem Kläger publizierte Reden enthielten antisemitische bzw. die NS-Zeit verherrlichende Inhalte. Da sich der Kläger die Förderung der Bildung, die Förderung wissenschaftlicher Arbeit durch öffentliche Vorträge sowie die Befassung mit „Geschichtsfälschungen“ zur Aufgabe setze, handele es sich bei den veröffentlichten Reden nicht bloß um einen vereinsinternen Meinungsaustausch. Da der Kläger Reden derartigen Inhalts veröffentliche, mache er sich diese im Rahmen seiner selbstverfassten Aufgabenstellung auch zu eigen. Im Zusammenhang mit seinem Auftritt bei dem Kläger habe Herr Dr. B. unter anderem geäußert...:
„[…] Demnächst wird nun im Verlag … ... ein neues Buch von mir erscheinen. Es trägt den Titel ´ … … … … … … …´ und widmet sich dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, der sich in diesem Jahr zum 80. Mal jährt. Hier werden Sie nun in gedrängter Form zum ersten Mal plaus...ible Erklärung dafür vorfinden, warum Hitler zwar am 1. September 1939 Polen angriff, warum aber Roosevelt für dieses Ergebnis trotzdem der Hauptverantwortliche ist. […]“
„[…] Tatsächlich sind die deutsch-amerikanischen Beziehungen deshalb so schlecht, weil das roosevelteische Zeitalter auf beiden Seiten des Atlantiks zu Ende geht. Dadurch verliert... nicht nur die Legende von der deutschen Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg an Überzeugungskraft; vielmehr kommt auch dadurch auch die ganze Legitimationsbasis der BRD ins Rutschen, die letztlich eine USamerikanische Erfindung unter Beihilfe von Engländern und Franzosen gewesen ist. […]“
„[…] Unverändert seit Ende des Zweiten Weltkriegs hat diese Basis in der Hauptsache darin bestanden, dass wir ständig Roosevelts Phrasen von der deutschen Alleinschuld wiederholen mussten, ständig des Holocaust gedenken mussten, möglichst einen KZ-Prozess nach dem anderen veranstalten mussten, Wallfahrten nach Auschwitz unternehmen mussten und, überhaupt, kein gutes Haar an der deutschen Geschichte mehr lassen durften, so dass sich jüngere Generationen der Deutschen erlaubten, auf Groß- und Urgroßeltern zu spucken, weil sie einst an Luther, den Kaiser und Hitler geglaubt hatten. […] Denn das von ihr [gemeint ist „alliierte Propaganda“] produzierte Geschichtsbild hält einer seriösen, das heißt an Fakten orientierten Betrachtungsweise in vielen Fällen gar nicht stand. Zwar werde ich hier nicht den Holocaust mit seinen sechs Millionen Toten in Zweifel ziehen - keine Angst. Leider Gottes hat dieses schreckliche Ereignis sicher in der ein oder anderen Form stattgefunden und wohl auch schätzungsweise so viele Opfer gefordert. Anstatt daran lange herum zu deuteln und darüber vielleicht auch noch eine Anklage wegen Volksverhetzung zu riskieren, kommt es mir auf den Nexus von Holocaust, Hitler und Zweiter Weltkrieg an, der aus dem roosevelteischen Zeitalter stammt und sich in den letzten siebzig, achtzig Jahren wie ein Fluch über und Deutsche gelegt hat. […]“
Sich selbst beschreibe er als Revisionisten; seine Äußerungen ließen auf ein offenkundig ethnisch-homogenes und in Teilen ethnisch-biologischen Volksverständnis schließen.
Der Technischen Universität D. (zu einem Buchtitel B.s „Roosevelts Krieg 1937 - 1947 und das Rätsel von Pearl Habour“) zufolge leide B. unter der vorherrschenden Geschichtswissenschaft, die noch immer daran glaube, dass der Zweite Weltkrieg Hitlers Krieg gewesen sei. Hitler degeneriere in diesem Buch endgültig zu einer Randfigur, die nur auf Druck von außen reagiere. So werde Hitlers Drohung mit der „Vernichtung der jüdischen Rasse“ 1939, falls „Roosevelt und seine Hintermänner einen Krieg vom Zaun brächen“ als eine Reaktion auf die offensive Machtdemonstration der amerikanischen Flotte gewert...et. Aufgrund der Politik der Isolierung habe Hitler die Verwirklichung eigener Expansionspläne beschleunigen müssen.“
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Dr. A. J... sei Redner beim Jahreskongress 2017 der … mit dem Thema „Bleibt die deutsch-afghanische Freundschaft bestehen?“ gewesen. Beim Kläger sei er im Rahmen der klägerischen Herbsttagung 2017 als Redner - ebenfalls mit diesem Thema - aufgetreten. Diese Rede lasse sich als Abhandlung zur deutsch-afghanischen Freundschaft mit Fokus auf das Militär bewerten, wobei die Freundschaft aufleben könne, wenn Deutschland wieder einen eigenen Nationalstolz entwickle. Denn laut Dr. J... habe es nach dem Zweiten Weltkrieg eine Umerziehung der Deutschen gegeben:
„[…] Von viel größerer mentaler Bedeutung, was von den Europäern heute irrigerweise meist nur historisch bewertet...et wird, ist als das heute noch vorhandene Bewusstsein der Afghanen, in drei Kriegen die damalige Weltmacht Großbritannien besiegt zu haben. Dies nachzuvollziehen ist uns Deutschen heute nahezu unmöglich, weil ein Nationalstolz, der sich auf siegreiche Kriege gründet, seit 1945 im besiegten, umerzogenen Deutschland auf völliges Unverständnis trifft. […]“
„[…] Das Deutsche Reich war 1915 politisch und militärisch souverän. Die Bundesrepublik Deutschland dagegen ist weder politisch noch militärisch souverän. Sie hat kein eigenes Sicherheitskonzept und kennt keine genuin deutschen außenpolitischen Interessen. Folglich waren wir Deutschen 1915/16 selbstbewusste Vertreter einer in Europa kriegführenden, souveränen Nation. Wir verfügen dagegen heute nur über international definierte, durch jahrzehntelange Umerziehung entnationalisierte Politiker und Soldaten.“
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Gegenstand der Rede von Dr. J... sei im Übrigen eine positive Bezugnahme auf die Waffen-SS, hierzu zitiert...e er einen General der US-Armee, der im Spätsommer 2008 gesagt habe:
„Wenn ihr Deutschen mir ein Regiment der Waffen-SS schicken würdet, die in der Normandie so großartig gegen uns gekämpft hat, hätte ich die Taliban in einer Woche weggefegt.“ Er hat damit eine Wahrheit ausgesprochen, die kein deutscher Politiker oder Offizier hätte aussprechen dürfen, aus Gründen der political correctness.“
16
Diese Rede enthalte somit als rechtsextremistisch zu bewertende Inhalte.
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Auch Dr. M. K. sei bereits als Redner bei der rechtsextremistischen … mit den Themen „Die Umerziehung der Deutschen - ihre Ursprünge im Ersten und Zweiten Weltkrieg“, „Die deutsche Frage 1949 - 1989“ sowie „Die historischen Grundlagen der Reconquista“ aufgetreten. Außerdem habe er sich bei einer Veranstaltung des Kreisverbandes O. der rechtsextremistischen NPD im Jahr 2016 mit dem Thema „Die Charakterwäsche als Beginn der Umerziehung der Deutschen“ befasst. Ferner sei er in den Jahren 2018 und 2019 als Redner für mehrere Veranstaltungen des rechtsextremistischen Vereins „G. e.V.“ angekündigt gewesen, unter anderem für eine Veranstaltung im September 2019 mit einem Vortrag zum Thema „100 Jahre Versailler Friedensdiktat“. Bei der klägerischen Frühjahrstagung 2017 habe er sich wiederum mit dem Thema „Die Umerziehung der Deutschen nach den beiden Weltkriegen 1914/18 und 1939/45“ befasst. Er sehe eine vom Ausland initiierte Umerziehung der Deutschen, die anti-deutsch motiviert gewesen sei, sich nicht lediglich auf die Entnazifizierung nach dem Zweiten Weltkrieg beschränkte, sondern weiterhin andauere. Verantwortlich mache er „Journalisten, die aus Kreisen von Industrie und Hochfinanz stammten“. Mit „Hochfinanz“ nutze er dabei einen vom Nationalsozialismus negativ mit dem Judentum verknüpften Begriff. So nenne er namentlich den amerikanischen Finanzminister Henry M. und erwähne dessen jüdische Wurzeln. In echten „Hass-Kursen“ hätten die Soldaten der US-Armee eine professionelle Schulung erhalten, mit wem sie es in Deutschland zu tun haben würden. Die Umerziehung der Deutschen drücke sich wie folgt aus: „In den 40er- und 50er-Jahren kehrten … … … und andere aus den USA nach Frankfurt am Main zurück. An der dortigen Universität besetzten sie Lehrstühle und waren Begründer der „F. Schule“, deren zersetzende Wirkungen in der Bundesrepublik bis heute immer neue negative Höhenpunkte erreichen und ein Ende kaum absehbar erscheinen lassen. … Die primären Ziele der F. Schule stimmten mit denen der Umerziehung ganz und gar überein. Diese lauteten: Zerstörung der deutschen geistigen Tradition; Vernichtung des Volks- und Vaterlandsbewusstseins; Auflösung der Volksgemeinschaft; Einführung des Marxismus; Angriff auf jede Art von Autorität; Herabwürdigung der Familie als Keimzelle des Faschismus; wachsende Sexualisierung des Lebens; Aufhebung des abendländischen Schönheits- und Kunstbegriffs. … Neuerdings gehörten dazu auch Ausländerintegration und multikulturelle Gesellschaft, deren Ablehnung Vergleiche zum Vorwurf des Faschismus und Rassismus nach sich zieht.“ Beim Begriff der „Hochfinanz“, den Dr. K. verwende, um vermeintliche Unterstützer von Journalisten zu beschreiben, handele es sich um einen Begriff der auch dazu verwendet werde, sich negativ auf Juden zu beziehen. In den Ausführungen zur F. Schule greife er zudem auf eine codiert...e antisemitische Verschwörungstheorie zurück, die Juden oder das Judentum - in der F. Schule personifiziert... durch die dort maßgeblichen Philosophen jüdischer Herkunft … … und … … - als Triebkräfte hinter der vorsätzlichen „Vernichtung des Volks- und Vaterlandsbewusstseins“ sehe. Darüber hinaus beschreibe er nicht nur M. als „Enkel jüdischer Einwanderer“, ohne dass dies für das Verständnis des Sinnzusammenhangs der Rede notwendig wäre, sondern auch H. als „Emigrant jüdische Provenienz“. Vor dem Hintergrund der starken Verdichtung derartiger Aussagen sowie Erwähnungen sei die Rede Dr. K. insgesamt als antisemitisch zu bewerten.
18
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die umfangreichen Schriftsätze beider Parteien, nebst Anlagen, die vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 17. Juli 2020 verwiesen.

Entscheidungsgründe

19
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
20
Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch, welcher in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wurzelt und allgemein anerkannt ist, zu. Der Beklagte war daher zu verurteilen, den Kläger auf der Grundlage der zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegenden Erkenntnisse über den Kläger nicht mehr als rechtsextremistische Organisation in seinen Verfassungsschutzberichten aufzuführen.
21
Die Nennung und Darstellung des Klägers im Verfassungsschutzbericht 2019 greift in das Grundrecht der Meinungs-, Wissenschafts- und Vereinigungsfreiheit ein. Es besteht auch die Gefahr alsbaldiger, weiterer nicht zu duldender Störungen durch die Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts 2019.
22
Die Geltendmachung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs setzt voraus, dass ein rechtwidriger (schlicht-)hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen droht. Die Grundrechte schützen den Grundrechtsträger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, sodass er, wenn ihm eine derartige Rechtsverletzung droht, gestützt auf das jeweils Grundrecht Unterlassung verlangen kann (BVerwG, U.v. 21.5.2008 - 6 C 13.07 - juris, Rn. 13).
23
Der Kläger ist vorliegend als Verein, der sich zeitgeschichtlicher Forschung und einem Bildungsauftrag gewidmet hat, in seiner grundgesetzlich geschützten Rechtsposition aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG sowie in der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG betroffen. Ebenso ist er betroffen in seiner Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 GG, da die Einstufung als „rechtsextremistisch“ zur Folge hat, dass ihm seitens der Stadt I. keine Räumlichkeiten für die Durchführung von Tagungen mehr zur Verfügung gestellt werden, seine Hausbank das Girokonto gekündigt hat und ihm die Gemeinnützigkeit entzogen wurde. Auf diese Weise wird ihm die Durchführung des Vereinszwecks erschwert bzw. gehindert. Als juristische Person kann er sich gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auf die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit sowie auf die Vereinigungsfreiheit berufen. Diese Grundrechte gehören nicht zu denjenigen Grundrechten, die ihrem Wesen nach nur natürlichen Personen zustehen können.
24
Die Berichterstattung über den Kläger stellt sich auch als rechtfertigungsbedürftiger Grundrechtseingriff dar. Der Schutz der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit von inhaltsbezogenen Einwirkungen sowie der Vereinigungsfreiheit betrifft nicht allein Eingriffe im traditionellen Sinn, sondern kann auch bei mittelbaren Einwirkungen ausgelöst werden, wenn sie in der Zielsetzung und ihren Wirkungen Eingriffen gleichkommen (BVerfG, B.v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 - juris, Rn. 52). Das ist vorliegend der Fall.
25
Der Verfassungsschutzbericht ist kein beliebiges Zeugnis staatlicher Öffentlichkeitsarbeit. Er zielt auf die Abwehr besonderer Gefahren ab und stammt von einer dauerhaft spezialisierten und mit besonderen Befugnissen arbeitenden Stelle. Insofern geht eine Veröffentlichung im Verfassungsschutzbericht über die bloße Teilnahme staatlicher Funktionsträger an der öffentlichen Meinungsbildung hinaus (BVerwG, U.v. 21.5.2008 - 6 C 13/07 - juris, Rn. 15). Die Ausführungen im Verfassungsschutzbericht haben den Charakter einer Warnung vor dem Kläger und durch von ihm herausgegebenen Publikationen. Der Kläger wird durch die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht zwar nicht daran gehindert, seine Vereinstätigkeit und seinen Internetauftritt weiter zu betreiben. Seine Wirkungsmöglichkeiten werden jedoch durch den Verfassungsschutzbericht nachteilig beeinflusst, insbesondere wurde dem Kläger die Gemeinnützigkeit aberkannt. Diese Beeinträchtigungen sind in ihren Wirkungen einem Eingriff vergleichbar.
26
Voraussetzung für die Begründetheit einer Klage, mit der ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht wird, ist weiter, dass eine künftige Beeinträchtigung des in Frage stehenden Rechts droht. Dies erfordert eine auf Tatsachen gestützte, objektive ernsthafte Gefahr alsbaldiger weiterer, nicht zu duldender Störungen. Eine solche Wiederholungsgefahr ist hier gegeben, da nach dem Beginn der Beobachtung im Jahr 2019 der Kläger mittlerweile im Verfassungsschutzbericht 2019 erwähnt wird und derzeit nichts darauf hindeutet, dass eine Erwähnung des Klägers in künftigen Verfassungsschutzberichten seitens des Beklagten nicht mehr für erforderlich angesehen wird. Hinsichtlich der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts 2019 kommt es nicht mehr auf eine Wiederholungsgefahr an, weil hier der Eingriff bereits erfolgt ist. Auch ist der Verfassungsschutzbericht 2019 weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich. Dass der Bericht mittlerweile hinsichtlich des Klägers in der elektronischen Fassung geschwärzt worden ist, ist unbeachtlich, da diese Schwärzung erst im Nachgang der Entscheidungen des Gerichts vom 17. Juli 2020 (M 30 K 19.5902 und M 30 E 19.5904) erfolgte und damit nach der letzten mündlichen Verhandlung und Niederlegung des Urteils.
27
Entgegen der Auffassung des Beklagten liegen allerdings keine tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen des Klägers nach Art. 3 BayVSG vor, mit der Folge, dass eine Berichterstattung über den Kläger nicht zulässig ist.
28
Gemäß Art. 26 Abs. 1 und 2 BayVSG unterrichten das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration und das Landesamt für Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 BayVSG. Diese Berichtspflicht bezieht sich u.a. (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG) auf Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind.
29
Der Begriff „Bestrebungen“ selbst ist dabei im BayVSG nicht definiert. Wegen Art. 4 Abs. 1 BayVSG ist auf die Legaldefinition in § 4 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG zurückzugreifen. Danach sind darunter politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG) zu verstehen. Bestrebungen in diesem Sinne erfordern damit ein aktives, jedoch nicht notwendig kämpferisch-aggressives Vorgehen. Diese Aktivitäten bzw. Handlungen müssen auch eine gewisse Zielstrebigkeit aufweisen, also auf die Durchsetzung eines Ziels ausgerichtet sein. Schließlich müssen die betreffenden Bestrebungen politisch bestimmt und damit objektiv geeignet sein, über kurz oder lang politische Wirkungen zu entfalten. Erfasst sind damit (nur) Verhaltensweisen, die über rein politische Meinungen hinausgehen und auf die Durchsetzung eines solchen Ziels gerichtet sind. Die bloße Kritik an Verfassungswerten ist nicht als Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzuschätzen, wohl aber darüberhinausgehende Aktivitäten zu deren Beseitigung (BVerfG, B.v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 - juris Rn. 70). Die Aktivitäten müssen auf die Beeinträchtigung eines der vom Gesetz geschützten Rechtsgüter abzielen und somit maßgeblicher Zweck der Bestrebung sein (BVerwG, U.v. 21.7.2010 - 6 C 22.09 - juris Rn. 59 f.).
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Verfassungsschutzrelevante Bestrebungen gehen somit über bloße politische Meinungen hinaus. Kritik an der Verfassung und ihren wesentlichen Elementen ist ebenso erlaubt wie die Äußerung der Forderung, tragende Bestandteile der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu ändern. Es ist allerdings verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die Verfassungsschutzbehörden insoweit an die Inhalte von Meinungsäußerungen anknüpfen, als diese Ausdruck eines Bestrebens sind, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Es ist dem Staat grundsätzlich nicht verwehrt, aus Meinungsäußerungen Schlüsse zu ziehen und gegebenenfalls Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz zu ergreifen. Kritik an einem Bestandteil der freiheitlich-demokratischen Grundordnung muss danach nur als bloße Kritik unberücksichtigt bleiben, nicht jedoch, wenn sie verbunden ist mit der Ankündigung konkreter Aktivitäten zur Beseitigung dieses Verfassungsgrundsatzes oder mit der Aufforderung zu solchen Aktivitäten. Weiteres qualifizierendes Merkmal der Bestrebung ist das Hinzutreten finalen Handelns (Agitation, vorbereitende Handlungen, Gewalttaten). Bestrebungen gehen über politische Meinungen hinaus, da allein die Gesinnung des politisch Andersdenken den Verfassungsschutz nicht zu interessieren hat. Dabei reicht die Durchsetzung eines politisch begrenzten Ziels aus. Neben der Durchsetzung des politischen Hauptziels müssen die Aktivitäten auf die Beeinträchtigung eines der vom Gesetz geschützten Rechtsgüter abzielen - ein maßgeblicher Zweck der Bestrebung sein. Die bloße Inkaufnahme einer entsprechenden Gefährdung ist nicht ausreichend. Die verantwortlich Handelnden müssen auf den Erfolg der Rechtsgüterbeeinträchtigung hinarbeiten; es muss ihnen darauf ankommen, diesen Erfolg herbeizuführen. Demgegenüber reicht die bloße Übereinstimmung oder Sympathie jemandes mit Zielen und Maßnahmen einer verfassungsfeindlichen Organisation nicht aus (Droske, Handbuch des Verfassungsschutzrechts 2007, S. 167 ff.).
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Nach diesen Maßgaben ist davon auszugehen, dass trotz der beklagtenseits zutreffenden Einschätzung von verfassungsschutzrechtlich relevantem Geschichtsrevisionismus im Bereich des Rechtsextremismus einerseits und In-Erscheinung-Treten des Klägers in diesem Bereich andererseits dennoch bezüglich des Klägers keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dieser Bestrebungen im Sinne von Art. 3 BayVSG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG verfolgt, die eine Berichterstattung als rechtmäßig erscheinen lassen würden.
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In der Gesamtschau steht zwar zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger im verfassungsschutzrelevanten Bereich des Rechtsextremismus und Geschichtsrevisionismus undifferenziert... und vielmehr bewusst in Erscheinung getreten ist. Funktionsträger des Klägers traten bei von den Verfassungsschutzbehörden beobachteten Organisationen ((Aktivitas der) Burschenschaft D., Gesellschaft … … …, G. e.V.) auf. Sie trugen dadurch zur Vernetzung in diesem Phänomenbereich bei und wert...eten deren Aktivitäten augenscheinlich auf. Der Kläger ließ - unkommentiert... - Redner wie Dr. K., welcher bereits in der Vergangenheit bei einem Ortsverein der NPD aufgetreten ist, und Dr. B. zu Wort kommen und veröffentlichte ihre - zumindest tendenziös verfassungsschutzrechtlich relevanten geschichtsrevisionistischen - Reden wiederum unkommentiert auf seiner Internetplattform. Zutreffend hat der Beklagte in den zitierten Reden Elemente wie das Relativieren der deutschen Kriegsschuld und „Herunterspielen“ des Holocaust herausgestellt. Dies führt in der Gesamtschau dazu, dass die Einschätzung des Beklagten und dessen Einordnung des Klägers in den Bereich verfassungsschutzrelevanten Geschichtsrevisionismus nicht per se zu beanstanden ist. Dass der Kläger diese Kontakte mittlerweile selbst als problematisch ansieht, hat er erst durch Distanzierungen in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht.
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Dennoch liegen nicht ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger Bestrebungen im Sinne von Art. 3 BayVSG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG verfolgt, um über den Kläger im Verfassungsschutzbericht zu berichten
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Dies gilt zunächst in Bezug auf die Teilnahme des Ersten Vorsitzenden G. F. bei einer Veranstaltung der M. Burschenschaft D. im Mai 2013 sowie des Zweiten Vorsitzenden K. Hammel, ebenfalls bei der D. im Februar 2014 im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Herrschaftsfreier Dialog“. Die Aktivitas der Burschenschaft D. - welche dem von den Verfassungsschutzbehörden dem rechtsextremistischem Spektrum zugeordnet wird - ist regelmäßig Gegenstand der Berichterstattung des Beklagten in seinen Verfassungsschutzberichten. An dieser Stelle kann jedoch offenbleiben, ob diese Berichterstattung rechtlich von den Regelungen im BayVSG getragen wird, denn jedenfalls sind in der Teilnahme an einer Veranstaltung der Altherrenschaft mit den Inhalten „G. F. - Ein deutsches Journalistenleben“ sowie „Kriegsgeschichte und Desinformation“ noch keine ziel- und zweckgerichteten Aktivitäten zur Beeinträchtigung tragender Verfassungsgrundsätze zu erkennen. Seitens des Beklagten wurde auch nicht vorgetragen, dass es bei diesen Podiumsdiskussionen zu verfassungsfeindlichen Äußerungen gekommen sei. Hiervon unabhängig ist auch die Tatsache maßgeblich, dass beide Veranstaltungen schon mehr als sechs Jahre bzw. sieben Jahre zurückliegen und es sich um einmalige Kontakte gehandelt hat. Auch kann in diesen beiden Veranstaltungsteilnahmen keine hinreichend nachdrückliche Unterstützungshandlung für etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen der Aktivitäten der Bruderschaft D. erblickt werden.
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Auch die beiden Kontakte des Zweiten Vorstands K. H. mit dem Verein „G. e.V.“ in G., welcher ebenfalls von den Verfassungsschutzbehörden als rechtsextremistische Vereinigung eingestuft wird, bei dessen Eröffnungsfeier er als Gast zugegen war und ein weiteres Mal einen Redebeitrag geleistet hat, können die Annahme tatsächlicher Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen des Klägers nicht untermauern. Verfassungsfeindlich bedenkliche Inhalte sind, auch unter Einbeziehung des von Herrn K. H. in der Zeitschrift „…“ in der Ausgabe 63/Dezember 2014 veröffentlichten Kurzbeitrags über die G. G., nicht bekannt geworden (Bl. 109 ff. d. Behördenakte - BA). Bei der Rede, die K. H. im Dezember 2015 bei der G. G. hielt, handelt es sich um eine historische Würdigung der Entwicklung während und nach dem Zweiten Weltkrieg (Titel: 100 Jahre Erster Weltkrieg. Die Wahrnehmung in Deutschland - eine Wende in der Geschichtspolitik). Es handelt sich hierbei um einen historischen Abriss, der naturgemäß subjektive Wertungen enthält und - soweit ersichtlich - unter Angabe zahlreicher Quellen und Autoren die Entwicklung der unterschiedlichen Strömungen in der Bewertung der Ereignisse während und nach dem Ersten Weltkrieg darstellt. Verfassungsfeindliche Inhalte lassen sich dem nicht entnehmen.
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Die Rede bei der „Gesellschaft … … …“ im August 2017 von K. H. hat die Frage der Traditionspflege in der Bundeswehr zum Gegenstand. Bei dieser handelt es sich um eine weitere von den Verfassungsschutzbehörden als rechtsextremistisch eingestufte und beobachtete Vereinigung. Auch hier sind verfassungswidrige Inhalte aber nicht vorgetragen worden. Im Übrigen ist hier auch nicht erkennbar, dass der Zweite Vorsitzende K. H. in seiner Eigenschaft als Ver...reter des klagenden Vereins aufgetreten ist. Die Rede im August 2017 bei der … … … … hielt er - ausweislich des Programms - auf Bl. 106 BA in seiner Eigenschaft als Oberst a.D., somit als Kenner der Traditionspflege in der Bundeswehr. Gleiches gilt in Bezug auf den von der Beklagtenseite erwähnten Aufsatz im Mitteilungsblatt dieser Gesellschaft Nr. 3, 57. Jahresband aus 2017, in dem es ebenfalls um die Traditionspflege bei der Bundeswehr gegangen ist. Eine verfassungsfeindliche Bestrebung des Klägers kann hierin nicht erblickt werden.
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Die Veröffentlichung einer Rede von Herrn Dr. A. J... auf der Internetseite des Klägers mit dem Titel „Deutschland - Afghanistan. Bleibt die 100-jährige Freundschaft bestehen?“, die dieser im Rahmen der klägerischen Herbsttagung 2017 gehalten hat, stellt keinen Anhaltspunkt für eine verfassungsfeindliche Bestrebung dar. Das Gericht wies bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass die Rede von Herrn J... noch nicht als geschichtsrevisionistisch zu beanstanden sei. Die im Schriftsatz des Beklagten vom 20. Dezember 2019 auf S. 9 ff. wiedergegebenen Redebeiträge haben keine verfassungsfeindlichen oder geschichtsrevisionistischen Inhalte erkennen lassen. Wenn dem Redner vorgeworfen wird, er habe gesagt, den Deutschen mangele es infolge der Umerziehung nach 1945 an Nationalstolz und dem Verfolgen deutscher außenpolitischen Interessen, ist allein hierin keine verfassungsfeindliche Bestrebung zu erkennen. Dies mag möglicherweise, wenn überhaupt, überzogenes Nationaldenken belegen, kann aber den Willen zur Beeinträchtigung der verfassungsmäßigen Ordnung nicht hinreichend manifestieren (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.2001 - 2 WB 42/00, 43/00, S. 18 auf Beck-Online). Wenn der Redner die Verwendung des Begriffs „Umerziehung der Deutschen“ bzw. Kritik an deren Folgen aufgreift, ist nicht zu erkennen, dass hiermit die Zielsetzung der Maßnahmen angegriffen wird, mit denen die Alliierten nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus versucht hatten, in Deutschland die Grundlagen für die Entwicklung zu demokratischen Einstellungen und Verhaltensweisen zu schaffen. An keiner Stelle der Rede von Herrn Dr. J... finden sich Hinweise auf eine Verächtlichmachung des demokratischen Rechtstaates. Die Rede gibt einen Abriss der Entwicklung des deutsch-afghanischen Verhältnisses seit Beginn des 20. Jahrhunderts wieder und ist insgesamt von einem Verständnis von Land und Leuten im Sinne der Völkerverständigung geprägt. Ob die Aussage des Redners, „die deutsch-afghanische Freundschaft werde aber durch unsere politische Passivität, durch die grenzenlose Aufnahme viel zu vieler Afghanen, auch Krimineller, in keiner Weise gefördert, sondern schrittweise immer schwerer beschädigt, weil die Afghanen keinen Respekt mehr vor der passiven, handlungsunfähigen deutschen Regierung und damit unserer Nation haben und andererseits auch die Freundschaft von uns Deutschen zu den Afghanen höchstgefährdet ist“, zutrifft, vermag das Gericht nicht zu beurteilen und enthält sich auch einer Bewertung. Diese Aussage erschöpft sich jedenfalls ersichtlich in einer Kritik an der gegenwärtigen Einwanderungspolitik sowie einer - nach Meinung des Redners und in seinem Sinne auch der Afghanen - unzureichenden Ausprägung des Einstehens für eigene nationale Interessen. Es ist nicht zu erkennen, dass sich der Redner an dieser Stelle gegen die Grundsätze der freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung ausspricht. Soweit der Redner die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs „Umerziehung“ im Sinne einer Kritik an Phänomenen eines allgemeinen Werteverfalls im Zuge einer in seinen Augen zu weitgehenden Toleranz bzw. im Sinne einer Liberalismuskritik verwendet, liegt auch hierin kein hinreichender Anhaltspunkt für eine verfassungsfeindliche Zielsetzung (BVerwG, a.a.O.). Der Redner hat auch nicht, wie der Beklagte auf S. 10 des Schriftsatzes vom 20. Dezember 2019 meint, die deutsche Niederlage im Zweiten Weltkrieg bedauert. Nach der Meinung des Redners habe diese lediglich zur Umerziehung der Deutschen und damit zur Abkehr vom Nationalstolz geführt. Eine solche Ansicht mag man teilen oder nicht, eine verfassungsfeindliche Bestrebung kann hierin nicht erblickt werden. Auch mit seinen Ausführungen zur Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich etwa zum Kaiserreich diffamiert er nicht die demokratische Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland und verunglimpft auch nicht die Legitimität des Grundgesetzes und damit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (so aber Schriftsatz des Beklagten v. 20.12.2019, S. 15). Wenn er einen US-General mit an eine Glorifizierung heranreichenden Aussagen über die Waffen-SS zitiert, mag dies als abstoßend und geschmacklos empfunden werden, eine Glorifizierung der Zeit des Nationalsozialismus oder gar ein Hinarbeiten oder ein Herbeiwünschen damaliger Zustände kann auch hierin nicht erblickt werden.
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Problematischer als das bislang Vorgetragene erscheint dem Gericht die Rede von Herrn Dr. K. im Report des Klägers, Dokumentation zur Frühjahrstagung am 10. Juni 2017. Inwieweit in der Verwendung von Begriffen wie „Hochfinanz“ oder „F. Schule“ bereits auf codiert...e antisemitische Verschwörungstheorien in rechtsextremistischen Kreisen abgestellt wird, kann an dieser Stelle offenbleiben. Gleichwohl fällt in dem Redebeitrag von Herrn Dr. K. auf, dass sich Hinweise auf die jüdische Herkunft bestimmter Akteure häufen, ohne dass dies für das nähere Textverständnis erforderlich wäre. Man mag diese Rede inhaltlich ablehnen und hinsichtlich ihrer äußeren Form abstoßend empfinden; verfassungsfeindliche Inhalte lassen sich ihr jedoch noch nicht entnehmen. Es stellt auch nicht ohne weiteres eine verfassungsfeindliche Bestrebung des Klägers dar, einer Person eine Plattform zu bieten, die, wie etwa der Auftritt Dr. K.s bei der NPD O. 2016 zeigt, keine Berührungsängste mit rechtsextremistischen Organisationen zeigt. Anders mag sich der Sachverhalt darstellen für den Fall etwa, dass es sich bei dem Redner selbst um einen Funktionsträger einer verfassungsfeindlichen Partei handelt. Dies wurde aber in Bezug auf Dr. K. weder vorgetragen noch ist dies ersichtlich. Dass er eine Rede mit einer detaillierten Beschreibung der historischen Reconquista in anderem Zusammenhang gehalten hat, findet seinen Widerhall in der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit Art. 5 GG. Allein der Umstand, dass sich das Motiv der Reconquista in rechtextremistischen Kreisen einer gewissen Beliebtheit erfreut, wie etwa bei der Identitären Bewegung, genügt für sich allein nicht. Es handelt sich hier zunächst nur um einen Gegenstand der Geschichtsschreibung. Gleiches gilt für die historisch-kritische Auseinandersetzung mit den Zielen und gesellschaftlichen Fernwirkungen der F. Schule.
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Demgegenüber stechen die Äußerungen von Herrn Dr. D. B., insbesondere hinsichtlich seiner Ausführungen zum Holocaust, die zwar nicht die Grenze zur Strafbarkeit überschreiten mögen, aber eine bewusste gezielte Provokation darstellen, in ihrer antisemitischen Tendenz deutlich über die Äußerungen von Herrn Dr. K. hinaus. Zeilen wie „[…] warum Hitler zwar am 1. September 1939 Polen angriff, warum aber Roosevelt für dieses Ereignis trotzdem der Hauptverantwortliche ist […]“, „dadurch verliert... nicht nur die Legende von der deutschen Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg an Überzeugungskraft. Vielmehr kommt dadurch auch die ganze Legitimationsbasis der BRD ins Rutschen, die letztlich eine USamerikanische Erfindung unter Beihilfe von Engländern und Franzosen gewesen ist.“ und „Zwar werde ich hier nicht den Holocaust mit seinen sechs Millionen Toten in Zweifel ziehen - keine Angst. Leider Gottes hat dieses schreckliche Ereignis sicher in der ein oder anderen Form stattgefunden und wohl auch schätzungsweise so viele Opfer gefordert... Anstatt daran lange herum zu deuteln und darüber vielleicht auch noch eine Anklage wegen Volksverhetzung zu riskieren, kommt es mir auf den Nexus von Holocaust, Hitler und Zweiter Weltkrieg an, der aus dem roosevelteischen Zeitalter stammt und sich in den letzten siebzig, achtzig Jahren wie ein Fluch über uns Deutsche gelegt hat.“ kommentieren sich selbst. Im Ergebnis wird hier - seitens des Äußernden - der Versuch unternommen, zentrale Ereignisse der nationalsozialisten Gewaltherrschaft zu relativieren und die Schuld hierfür dem damaligen amerikanischen Präsidenten zuzuschieben. Es bleibt unverständlich, weshalb der Kläger diesen Redebeitrag nicht von seiner Homepage genommen hat. Die Distanzierungen unter Hinweis auf den Disclaimer überzeugen in diesem Zusammenhang nicht.
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Bei dem Kläger liegen damit aber noch keine hinreichenden Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor, weil nicht festgestellt werden konnte, dass es dem Kläger um die Beseitigung oder auch nur Beeinträchtigung eines der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Bestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung gelegen ist. Derartige ziel- und zweckgerichtete Aktivitäten des zur Beseitigung bzw. Beeinträchtigung der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten tragenden Säulen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung kann das Gericht bei dem klagenden Verein nicht ausmachen. Der Kläger mag keine Berührungsängste im Kontakt mit Personen zeigen, die sich ihrerseits im rechtsradikalen bis rechtsextremistischen Milieu bewegen (wie etwa Dr. K.*) oder sich selbst nicht hinreichend von antisemitischen Positionen distanzieren oder sogar bewusst damit spielen (Dr. K., B.*). Dass der Kläger selbst explizit verfassungsfeindliche Positionen vert...ritt und verfolgt, ist hingegen nicht nachgewiesen; das dem Gericht vorliegende Material liefert... hierfür auch keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte. Dies folgt auch aus einer Gesamtschau in Bezug auf sämtliche vom Kläger veröffentlichten Redebeiträge, bei denen weitaus die Mehrheit auch von den Verfassungsschutzbehörden des Beklagten für unproblematisch erachtet werden. Dass sich der Kläger darum bemüht, einigen von dem gegenwärtigen Mainstream der Zeitgeschichtsschreibung abweichenden Positionen eine Plattform zu bieten und dabei gelegentlich eine hinreichende Distanzierung von dem Spektrum des Rechtsextremismus bzw. des Antisemitismus zuzurechnender Positionen und Organisationen vermissen lässt, mag die Verfassungsschutzbehörden auf den Plan rufen, er gibt aber ohne weiteres noch keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ein aktives Agitieren gegen die Grundsätze der freiheitlich demokratischen Rechtsordnung im Sinne der obigen Ausführungen. Wenn jemand ein einseitig positives deutsches Geschichtsbild propagiert und den Nationalsozialismus aus dem deutschen Selbstverständnis ausblendet (was der Kläger - soweit ersichtlich - nicht getan hat), so richtet sich dies nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung - und war auch dann nicht, wenn man die Erinnerung an die NS-Verbrechen mit zu den ideellen Grundlagen der konkreten Verfasstheit zur Bundesrepublik Deutschland rechnet (Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, Duncker & Humblot 2020, S. 182). Das Bundesverfassungsgericht hat zum Ausdruck gebracht, dass die ideellen Grundlagen der Verfassung als solche nicht dem verfassungsschutzbehördlichen Verfassungsschutz unterliegen. Der freiheitliche Staat verteidigt seine ideellen Grundlagen mit geistigen Mitteln - durch Argumente und positive Selbstdarstellung (Murswiek, a.a.O., S. 183). Erst wenn die Kritik in Tätigkeiten mündet, die auf die Beseitigung oder Beeinträchtigung eines Elements der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtet sind, ist das ein Fall für den Verfassungsschutz (Murswiek, a.a.O., mit Hinweis auf BVerfG, B.v. 24.5.2005 - 1 BvR 1072/01 = BVerfGE 113, 63 (81 f.)). Solche Tätigkeiten liegen beim Kläger nicht vor.
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Somit liegen zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt keine hinreichend tatsächlich gestützten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger verfassungsfeindliche Bestrebung verfolgt oder nachdrücklich unterstützt. Die entsprechende Berichterstattung über den Kläger ist daher rechtswidrig und der Unterlassungsklage daher stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.